Urteil des StGH Niedersachsen vom 29.06.2004

StGH Niedersachsen: stimmzettel, stimme, wahlkreis, einspruch, gestaltung, anschrift, beruf, neuenburg, briefkasten, öffentlich

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--- kein Dokumenttitel vorhanden ---
Ein Stimmzettel zur Landtagswahl, der den Familiennamen, den Vornamen,
den Beruf, den Familienstand und die Anschrift der Bewerber um die
Erststimme aufführt, genügt den gesetzlichen Anforderungen.
Wahlprüfungsbeschluss des Niedersächsischen Landtags vom 21. Januar
2004
Niedersächsischer Staatsgerichtshof, Beschluss vom 29.06.2004, 1/04, StGH 1/04
§ 23 Abs 2 WahlG ND, § 37 WahlO ND, § 5 Abs 1 WahlPrG ND, Art 11 Abs 4 Verf
ND, § 8 Nr 1 StGHG ND
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Niedersächsischen Landtags vom
21. Januar 2004 wird verworfen.
Gründe
A.
I.
Der Beschwerdeführer ist in Neuenburg wohnhaft. An seiner Wahlberechtigung
zum Niedersächsischen Landtag besteht kein Zweifel. Mit seiner Beschwerde
wendet er sich gegen den auf seinen Wahleinspruch ergangenen Beschluss
des Niedersächsischen Landtags vom 21. Januar 2004, mit dem dieser die am
2. Februar 2003 durchgeführte Wahl zum Niedersächsischen Landtag für gültig
erklärt hat.
II.
Mit seiner Einspruchsschrift vom 23. Januar 2003, beim Niedersächsischen
Landtag eingegangen am 12. Februar 2003, hat der Beschwerdeführer geltend
gemacht, er sei in seinen Rechten als Wahlberechtigter verletzt, weil er dem
Stimmzettel für die Wahl zum Niedersächsischen Landtag am 2. Februar 2003
die Identität der Bewerber um die Erststimme nicht entnehmen könne und
deswegen gehindert sei, seine Stimme gültig für einen der Stimmenbewerber
abzugeben. Hierzu sei es gekommen, weil auf den Stimmzetteln bei den
Angaben über die Erststimmenbewerber der Zusatz „Person“ gefehlt habe.
Der Niedersächsische Landtag hat dem Niedersächsischen Innenminister, dem
Niedersächsischen Landeswahlleiter und dem Kreiswahlleiter des Wahlkreises
98 -Varel-, in dem Neuenburg gelegen ist, Gelegenheit zur Stellungnahme
gegeben. Der Niedersächsische Innenminister hat im Einvernehmen mit dem
Niedersächsischen Landeswahlleiter erklärt, die im Wahlkreis 98 für die Wahl
zum Niedersächsischen Landtag am 2. Februar 2003 zugelassenen
Wahlvorschläge hätten den zur Erleichterung der Gestaltung eines Stimmzettels
vom Niedersächsischen Innenminister herausgegebenen Runderlass
entsprochen und die erforderlichen Angaben enthalten, um die Personen der
Bewerber um die Erststimme zu identifizieren (Familienname, Vorname, Beruf,
Stand, Anschrift).
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Der Beschwerdeführer sei damit in der Lage gewesen, den Bewerber, dem er
seine Erststimme habe geben wollen, auf dem Stimmzettel zu identifizieren und
seien Stimme gültig abzugeben. Sein Wahlrecht sei mithin nicht beeinträchtigt
worden.
Der Empfehlung des Wahlprüfungsausschusses folgend hat der
Niedersächsische Landtag den Wahleinspruch des Beschwerdeführers in seiner
23. Sitzung am 21. Januar 2004 einstimmig als unbegründet zurückgewiesen.
Die Gestaltung der zur Wahl des Niedersächsischen Landtages ausgegebenen
Stimmzettel sei zwar eine Maßnahme, die Gegenstand eines Wahleinspruchs
sein könne, wenn ein Anhalt dafür bestehe, dass sie Rechte des
Einspruchsführers verletze. Daran fehle es jedoch. Die im Wahlkreis 98 - Varel-
anlässlich der Wahl zum Niedersächsischen Landtag am 2. Februar 2003
ausgegebenen Stimmzettel hätten die in § 23 Abs. 2 NLWG, § 37 Abs. 1 Satz 3
Nr. 1 NLWO vorgeschriebenen Angaben über die einzelnen Wahlbewerberinnen
und Wahlbewerber enthalten, die für deren einwandfreie Identifizierung und
damit für die Feststellung der im Wahlkreis 98 zugelassenen Wahlvorschläge
ausgereicht hätten. Die Angabe des Familiennamens, des Vornamens, des
Berufs, des Standes und der Anschrift der Hauptwohnung des jeweiligen
Bewerbers oder der jeweiligen Bewerberin auf dem Stimmzettel habe es auch
dem Einspruchsführer möglich gemacht, die zur Wahl vorgeschlagenen
Personen zu identifizieren und seine Stimme auf dieser Grundlage gültig
abzugeben.
III.
Gegen den Beschluss des Niedersächsischen Landtags vom 21. Januar 2004
hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 6. Februar 2004, bei dem
Niedersächsischen Staatsgerichtshof eingegangen am 10. Februar 2004,
Beschwerde erhoben, die er damit begründet, er fühle sich in seiner
Menschenwürde verletzt, weil er in dieser Sache zu keinem Zeitpunkt angehört
worden sei. Insbesondere sei er nicht zur Sitzung des
Wahlprüfungsausschusses am 16. Dezember 2003 geladen worden, wie es § 6
Abs. 1 WPG vorschreibe. Auch habe der Niedersächsische Landtag nicht über
seinen Wahleinspruch entscheiden dürfen, weil er weder eine „Person“ noch
eine „Firma“ sei, sondern eine „Sache“.
B.
I.
Die Beschwerde ist zulässig, soweit sie sich gegen die
Wahlprüfungsentscheidung des Niedersächsischen Landtags richtet.
Nach § 8 Nr. 1 des Gesetzes über den Niedersächsischen Staatsgerichtshof
(StGHG) vom 1. Juli 1996 (Nds. GVBl. S. 342) entscheidet der Staatsgerichtshof
über die Anfechtung von Entscheidungen des Landtags, die die Gültigkeit einer
Wahl betreffen. Diese Vorschrift entspricht der Bestimmung des Art. 11 Abs. 4
NV, wonach die Wahlprüfungsentscheidungen des Landtags beim
Staatsgerichtshof angefochten werden können.
Die Frist des § 22 Abs. 1 StGHG ist gewahrt.
Die Beschwerde ist jedoch offensichtlich unbegründet.
1. Nach § 1 Abs. 1 Wahlprüfungsgesetz - WPG - prüft der Landtag auf Einspruch
die Gültigkeit der Wahl zum Landtag. Seine Entscheidung wird gemäß § 4 Abs.
1 WPG durch den Wahlprüfungsausschuss des Landtags vorbereitet. Der
Wahlprüfungsausschuss verhandelt über den Einspruch gemäß § 5 Abs. 1
WPG in öffentlicher Sitzung, sofern nicht alle Beteiligten auf die Anberaumung
eines Verhandlungstermins verzichten. Da der Beschwerdeführer einen solchen
Verzicht nicht ausgesprochen hatte, ist eine Sitzung des
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Wahlprüfungsausschusses, in der über seinen Einspruch öffentlich verhandelt
wurde, auf den 16. Dezember 2003 anberaumt worden. Hierüber ist der
Beschwerdeführer ausweislich der Akten des Präsidenten des
Niedersächsischen Landtags mit Schreiben des Niedersächsischen Landtags
vom 21. November 2003 unterrichtet und zugleich darauf hingewiesen worden,
dass er nicht verpflichtet sei, an dem Verhandlungstermin teilzunehmen und
dass bei seinem Ausbleiben auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden
könne. Diese Mitteilung ist dem Beschwerdeführer ausweislich der
Zustellungsurkunde vom 24. November 2003 an diesem Tage durch Einlegen in
den Briefkasten seiner Wohnung zugestellt worden, weil die persönliche
Übergabe des Schriftstücks nicht möglich war. Damit ist der Beschwerdeführer
wirksam zu der öffentlichen Sitzung des Wahlprüfungsausschusses eingeladen
worden. Seine Behauptung, dies sei nicht geschehen, erweist sich damit als
unrichtig.
2. Der Stimmzettel, auf dem der Beschwerdeführer seine Wahl hätte treffen
sollen, enthielt die Namen und Vornamen sowie die Anschriften und
Parteibezeichnungen der für die Abgabe der Erststimme zugelassenen
Wahlbewerber. Er entsprach damit den Anforderungen des § 23 Abs. 2 NLWG,
§ 37 NLWO. Diese Gestaltung des Stimmzettels machte es dem
Beschwerdeführer ohne weiteres möglich, die Wahlkreisbewerber um die
Erststimme zu identifizieren und einem von ihnen seine Stimme zu geben. Sein
Verlangen, es habe auf dem Stimmzettel kenntlich gemacht werden sollen, dass
es sich bei diesen Bewerbern um „Personen“ handelte, ist unverständlich und
genießt keinen Rechtsschutz. Denn es versteht sich von selbst, dass es sich bei
Wahlkreisbewerbern, die in der erwähnten Weise bezeichnet werden, um
natürliche Personen und nicht um juristische Personen oder Institutionen
handelt. Das ist derart offenkundig, dass es keiner weiteren Darlegung bedarf.
Die Ausführungen des Beschwerdeführers, mit denen er dies in Zweifel zieht,
sind unverständlich und entbehren jeden vernünftigen Sinnes.
II.
Die Beschwerde ist nach alledem offensichtlich unbegründet und konnte
deswegen nach § 12 StGHG i.V.m. § 24 BVerfGG ohne mündliche Verhandlung
durch einstimmigen Beschluss des Staatsgerichtshofs verworfen werden.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.