Urteil des StGH Niedersachsen vom 27.02.2008

StGH Niedersachsen: befangenheit, gesetzgebungsverfahren, niedersachsen, ausschluss, gerichtsverfassungsgesetz, vervielfältigung, datenschutz, genehmigung, leiter, richteramt

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--- kein Dokumenttitel vorhanden ---
Zu den Anforderungen einer Mitwirkung bei der Vorbereitung eines
Gesetzesentwurfs als Verhinderungsgrund.
Art. 1 Nr. 1, 2 und 5 des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen
Maßregelvollzugsgesetzes und des Ausführungsgesetzes zum
Gerichtsverfassungsgesetz vom 25. Januar 2007 (Nds. GVBl. S. 51) und des
Art. 1 Nr. 1 Buchst. a) und b) des Gesetzes zur Änderung des
Niedersächsischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für
psychisch Kranke vom 25. Januar 2007 (Nds. GVBl. S. 50) hinsichtlich ihrer
Vereinbarkeit mit der Niedersächsischen Verfassung
Niedersächsischer Staatsgerichtshof, Beschluss vom 27.02.2008, 2/07, StGH 2/07
§ 12 Abs 1 StGHG ND, § 18 Abs 1 Nr 2 BVerfGG, § 18 Abs 3 Nr 1 BVerfGG, § 19
BVerfGG
Tenor
Der von dem Mitglied des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs Dr. Peter Götz
von Olenhusen mit dienstlicher Erklärung vom 17. Dezember 2007 angezeigte
Sachverhalt hindert ihn nicht an der Ausübung des Richteramtes.
Gründe
I.
1. Gegenstand des seit dem 22. November 2007 anhängigen
Normenkontrollverfahrens sind Änderungen des Niedersächsischen
Maßregelvollzugsgesetzes, des Ausführungsgesetzes zum
Gerichtsverfassungsgesetz und des Niedersächsischen Gesetzes über Hilfen
und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke, die im Zusammenhang mit der
Aufgabe der Trägerschaft des Landes Niedersachsen an den
Landeskrankenhäusern ergangen sind. Die Antragsteller rügen insbesondere
einen Verstoß gegen Art. 60 S. 1 der Niedersächsischen Verfassung.
2. Mit dienstlicher Erklärung vom 17. Dezember 2007 hat das Mitglied des
Niedersächsischen Staatsgerichtshofs Dr. Peter Götz von Olenhusen erklärt,
dass er in seiner früheren Funktion als Abteilungsleiter II im Niedersächsischen
Justizministerium mit der Aufgabe der Trägerschaft des Landes Niedersachsen
an den Landeskrankenhäusern befasst gewesen sei. Im Zeitraum September
2005 bis März 2006 habe er dem Lenkungsausschuss angehört, der unter
Leitung des Staatssekretärs bzw. der Staatssekretärin des Niedersächsischen
Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit die Aufgabe der
Trägerschaft an den Landeskrankenhäusern vorbereitet habe. Zwei Beschlüsse
des Lenkungsausschusses fänden sich in Anlage 5 zur Antragsschrift StGH
2/07. Neben der Vorbereitung des Gesetzentwurfs, dessen Ausarbeitung im
Einzelnen der Projektgruppe „Vorbereitung der gesetzlichen Grundlagen für die
Veränderung der Trägerschaft der Niedersächsischen Landeskrankenhäuser“
obgelegen habe, sei es um die Vorbereitung des Vergabeverfahrens gegangen.
An den weiteren Sitzungen des Lenkungsausschusses nach dem 28. März
2006 habe er aufgrund seines Ausscheidens aus dem Niedersächsischen
Justizministerium nicht mehr teilgenommen und sei mit dem Thema nicht mehr
befasst gewesen. Das Mitglied des Staatsgerichtshofs Götz von Olenhusen hält
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befasst gewesen. Das Mitglied des Staatsgerichtshofs Götz von Olenhusen hält
sich nicht für befangen.
Den Antragstellern und der Niedersächsischen Landesregierung ist Gelegenheit
zur Stellungnahme gegeben worden.
II.
1. Nach § 18 Abs. 1 BVerfGG, der gemäß § 12 Abs. 1 NStGHG auf das
Verfahren vor dem Staatsgerichtshof entsprechend anzuwenden ist, ist ein
Richter von der Ausübung seines Richteramts ausgeschlossen, wenn er
1. an der Sache beteiligt oder mit einem Beteiligten verheiratet ist oder war, eine
Lebenspartnerschaft führt oder führte, in gerader Linie verwandt oder
verschwägert oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum
zweiten Grad verschwägert ist oder
2. in derselben Sache bereits von Amts oder Berufs wegen tätig gewesen ist.
Für das Mitglied des Staatsgerichtshofs Götz von Olenhusen käme nur ein
Ausschluss von der Ausübung des Richteramts nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG
i.V.m. § 12 Abs. 1 NStGHG in Betracht, weil die in Ziffer 1 genannten
Voraussetzungen offensichtlich nicht vorliegen. Dass das Mitglied Götz von
Olenhusen bei der von ihm dargelegten Tätigkeit „von Amts oder Berufs wegen“
tätig gewesen ist, bedarf keiner weiteren Erörterung. Fraglich ist deshalb nur, ob
es sich um „dieselbe Sache“ im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG handelt.
Einer näheren Prüfung eines Ausschlussgrundes bedarf es indes nicht, weil
gemäß § 18 Abs. 3 Nr. 1 BVerfGG eine Tätigkeit im Gesetzgebungsverfahren
nicht als Tätigkeit im Sinne des genannten § 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG gilt.
Das Bundesverfassungsgericht hat in einer frühen Entscheidung die
gutachtliche Tätigkeit eines Beamten für den Bundespräsidenten den
Gesetzgebungsverfahren zugeordnet und einen Ausschluss vom Richteramt
verneint (so BVerfGE 1, 66 [67]). Das Bundesverfassungsgericht hat dies mit der
Erwägung begründet, dass wenn schon nicht die Abgeordneten des
Bundestages, die an einem Gesetzgebungsverfahren beteiligt waren, von einer
späteren Ausübung des Richteramts ausgeschlossen seien, dies umso mehr für
einen Beamten gelte, der nicht an entscheidender Stelle tätig geworden sei (so
BVerfGE 1, 66 [67]). Zwar ist das Mitglied Götz von Olenhusen in seiner
Eigenschaft als Leiter der Gesetzgebungsabteilung des Justizministeriums im
Lenkungsausschuss vertreten gewesen. Gleichwohl kann nicht von einer
Tätigkeit „an entscheidender Stelle“, wie es das Bundesverfassungsgericht
a.a.O. als Ausschlussgrund genannt hat, ausgegangen werden.
Es kann dahingestellt bleiben, ob bei diesem Gesetzgebungsvorhaben und in
diesem Gremium nicht eher die Ressortvertreter des MS und des MF eine
federführende Funktion innehatten. Jedenfalls ist das Mitglied Götz von
Olenhusen aber ausweislich seiner dienstlichen Erklärung nur zeitweise Mitglied
des Lenkungsausschusses gewesen. An den zeitlich nach seinem
Ausscheiden aus dem MJ am 28.03.2006 liegenden Sitzungen, die dann näher
an dem Erarbeiten des endgültigen Gesetzentwurfs lagen, hat er nicht mehr
teilgenommen. Ein gesetzlicher Ausschlussgrund liegt deshalb nicht vor.
2. Die dienstliche Erklärung vom 17. Dezember 2007 begründet auch nicht die
Besorgnis der Befangenheit nach § 19 BVerfGG i.V.m. § 12 Abs. 1 StGHG. Das
Bundesverfassungsgericht vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung,
dass die Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 19 BVerfGG nicht aus den
allgemeinen Gründen hergeleitet werden kann, die nach der ausdrücklichen
Bestimmung des § 18 BVerfGG einen Ausschluss von der Ausübung des
Richteramts nicht rechtfertigen, weil es einen Wertungswiderspruch bedeuten
würde, könnte gerade wegen dieser Gründe ein Richter von der Mitwirkung über
eine Befangenheitsablehnung ausgeschlossen werden (BVerfGE 2, 295 [297];
82, 30 [38]). Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts muss vielmehr
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etwas Zusätzliches gegeben sein, das über die Mitwirkung am
Gesetzgebungsverfahren hinausgeht, damit eine Besorgnis der Befangenheit
als begründet erscheinen kann (so BVerfGE 82, 30 [38]).
Der Niedersächsische Staatsgerichtshof hat sich dieser Rechtsprechung
angeschlossen und entschieden, dass die Besorgnis der Befangenheit besteht,
wenn ein am Verfahren Unbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände
Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln (so
NStGH, Beschl. v. 25.01.2007 - StGH 1/06 -, S. 6).
Ein über die obigen Ausführungen zur Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren
hinausgehender, zusätzlicher Grund, der bei objektiver Betrachtung die
Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnte, ist auch insofern nicht
gegeben. Anhaltspunkte, die über die bloße Teilnahme an den Sitzungen des
Lenkungsausschusses hinaus eine Festlegung in der Sache oder gar eine
öffentliche Positionierung in der Gesetzgebungsthematik zum Ausdruck
brächten, sind nicht ersichtlich.