Urteil des StGH Hessen vom 18.06.1980

StGH Hessen: juristische person, grundrecht, höchstpersönliche rechte, mitbestimmungsrecht, öffentliche aufgabe, hessen, beschwerdebefugnis, parteifähigkeit, staat, schule

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Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 906
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 131 Abs 3 Verf HE, § 45
Abs 2 StGHG
Leitsatz
1. Im Verfahren zur Verteidigung der Grundrechte nach Art. 131 Abs. 3 HV in
Verbindung mit § 45 Abs. 2 StGHG ist antragsberechtigt nur, wer selbst Inhaber des
angeblich verletzten Grundrechts oder grundrechtsähnlichen Rechts ist.
Durch diesen besonderen Bezug zum Grundrecht und die Abhängigkeit von dem
jeweiligen Rechtsbegehren unterscheidet sich die allgemeine subjektive
Beschwerdebefugnis im Grundrechtsklageverfahren von der Parteifähigkeit im
Zivilprozess und in den verwaltungsgerichtlichen Verfahren, die im wesentlichen
grundsätzlich nur von der materiellen Rechtsfähigkeit abhängen.
2. Die Beschwerdebefugnis muss dem persönlichen Geltungsbereich des in Betracht
kommenden Grundrechts oder dem verteidigten Rechtsstatus folgen.
3. Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich auf Grundrechte
grundsätzlich nicht berufen, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen.
Etwas anderes kann nur gelten, wenn ausnahmsweise die betreffende juristische Person
des öffentlichen Rechts unmittelbar dem durch die Grundrechte geschützten
Lebensbereich zuzuordnen ist. Das setzt voraus, dass subjektive Rechte der
Hessischen Verfassung dem Eigenbereich der juristischen Person des öffentlichen
Rechts angehören oder doch in einem untrennbaren Zusammenhang stehen.
4. Art. 56 Abs. 6 HV gewährt ein Grundrecht, das als Individualgrundrecht ausgestaltet
und nur den Personen zugeordnet ist, denen nach den Normen des Privatrechts die
Erziehungsbefugnis zusteht.
Der Landeselternbeirat ist nicht Träger des Grundrechts aus Art. 56 Abs. 6 HV
5. Im Verfahren über eine Grundrechtsklage gibt es keine Prozessstandschaft.
Tenor
Die Anträge werden auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Die Gebühr wird auf 1.000,– DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen den gemäß § 23 Abs. 2 Satz 4 des Gesetzes
über die Mitbestimmung der Erziehungsberechtigten und den Landesschulbeirat in
der Fassung vom 30. Mai 1969 (GVBl. I S. 109) (kurz:
Elternmitbestimmungsgesetz) – zuletzt geändert durch das Gesetz vom 14. Juli
1977 (GVBl. I S. 319) – gefaßten Beschluß der Landesregierung vom 20. Juni 1978,
durch den das Kabinett der im Erlaßwege erfolgten Inkraftsetzung der
"Empfehlungen zur pädagogischen Weiterentwicklung von Haupt- und Realschulen,
die gemäß § 11 (7) Schulverwaltungsgesetz in der Fassung vom 4. April 1978
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die gemäß § 11 (7) Schulverwaltungsgesetz in der Fassung vom 4. April 1978
(GVBl. I S. 231) organisatorisch verbunden sind" vom 20. Juni 1978 (ABl. S. 550) –
im folgenden kurz: Empfehlungen – zustimmte sowie gegen den Erlaß des
Kultusministers vom 20. Juni 1978 selbst.
Der Antragsteller ist eine zur Unterstützung von Schule, Elternhaus und
Berufsausbildungsstätten bei der Erziehung und Bildung der Jugend und zur
Gewährleistung des Mitbestimmungsrechts der Erziehungsberechtigten gemäß
Art. 56 Abs. 6 der Verfassung des Landes Hessen – HV – geschaffene, auf
Landesebene tätige Einrichtung (§ 1 Abs. 1 Elternmitbestimmungsgesetz), deren
Befugnisse und Aufgaben in § 21 ff. des Elternmitbestimmungsgesetzes näher
geregelt sind. Gemäß § 22 Nr. 1 dieses Gesetzes bedürfen der Zustimmung des
Landeselternbeirats "allgemeine Bestimmungen über Bildungsziele und
Bildungswege, insbesondere in Bildungsplänen und Prüfungsordnungen, soweit sie
das Unterrichtswesen der Schulen im Sinne des § 1 gestalten". § 23
Elternmitbestimmungsgesetz hat folgenden Wortlaut:
(1) Zustimmungspflichtige Maßnahmen sind zwischen dem Kultusminister und
dem Landeselternbeirat mit dem Ziele einer Verständigung zu erörtern. Diese
Erörterung soll im Rahmen des Landesschulbeirats stattfinden, es sei denn, daß
der Minister oder der Landeselternbeirat es anders wünscht. Bei Einverständnis
der Beteiligten kann von einer Erörterung abgesehen werden.
(2) Verweigert der Landeselternbeirat seine Zustimmung, so ist dieser Beschluß
schriftlich zu begründen. Eine erneute Erörterung hierüber nach Abs. 1 ist erst
nach Ablauf von sechs Wochen zulässig. Wird die Zustimmung wiederum
verweigert, entscheidet der Minister endgültig. Hat der Landeselternbeirat den
zweiten ablehnenden Beschluß mit mehr als Zweidrittel der Zahl seiner
gesetzlichen Mitglieder gefaßt, so kann der Minister eine gegenteilige
Entscheidung nur mit Zustimmung der Landesregierung treffen.
Im Juni 1976 übersandte der Kultusminister dem Antragsteller den Entwurf der
Empfehlungen mit der Bitte um Zustimmung. Am 23. April 1977 beriet der
Antragsteller in Gegenwart eines Vertreters des Kultusministeriums über die
Empfehlung, nachdem zuvor bereits der Hauptpersonalrat der Lehrer und weitere
von der Gestaltung des Unterrichtswesens betroffene gesellschaftliche Gruppen
sowie die Kirchen zu dem Entwurf Stellung genommen hatten. Am 24. Mai 1977
teilte der Antragsteller dem Kultusminister mit, es bestehe, wie die Beratung
gezeigt habe, für die vorgesehene Regelung keine Notwendigkeit und er betrachte,
da der Vertreter des Ministeriums den Entwurf daraufhin zurückgezogen habe, die
Sache als erledigt. Dieser Auffassung widersprach der Kultusminister mit
Schreiben vom 6. Juni 1977, in dem er ausführte, der Entwurf sei nicht
zurückgezogen. Daraufhin beriet der Antragsteller in seiner Sitzung am 17./18.
Februar 1978 erneut in Gegenwart des zuständigen Abteilungsleiters des
Kultusministeriums über den in einigen Punkten unwesentlich geänderten Entwurf
der Empfehlungen und verweigerte mit mehr als zwei Dritteln der Zahl seiner
gesetzlichen Mitglieder seine Zustimmung. Dieses Ergebnis teilte er dem
Kultusminister mit Schreiben vom 14. März 1978 mit.
Der Kultusminister führte daraufhin gemäß § 23 Abs. 2 Satz 4
Elternmitbestimmungsgesetz am 20. Juni 1978 die zustimmende Entscheidung
der Landesregierung zum Inkrafttreten der Empfehlungen herbei und setzte diese
durch Erlaß vom gleichen Tage (ABl. S. 550) in Kraft.
II.
Mit dem am 21. Mai 1979 beim Staatsgerichtshof eingegangenen Schriftsatz hat
der Antragsteller Grundrechtsklage erhoben. Er beantragt festzustellen,
1. der gemäß § 23 Abs. 2 Satz 4 Elternmitbestimmungsgesetz vom 30. Mai 1969
(GVBl. I S. 273) in der Fassung vom 1. Dezember 1975 (GVBl. I S. 459)
getroffene Beschluß der Landesregierung sowie die darauf beruhende
Rechtsverordnung des Kultusministers vom 30. Juli 1978 (ABl. S. 550) über die
"Empfehlungen zur pädagogischen Weiterbildung von Haupt- und Realschulen,
die gemäß § 8 Abs. 6 SchVG organisatorisch verbunden sind", sind mit Art. 56
Abs. 6 Hessische Verfassung nicht vereinbar und daher rechtsunwirksam;
2. hilfsweise, ob und gegebenenfalls in welcher Auslegung die Lösung eines
Konfliktes (= Nichtübereinstimmung) zwischen Landeselternbeirat und
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Konfliktes (= Nichtübereinstimmung) zwischen Landeselternbeirat und
Kultusminister bzw. Landesregierung mit Art. 56 Abs. 6 der Hessischen
Verfassung vereinbar ist.
Zur Begründung führt der Antragsteller unter Bezugnahme auf sein Vorbringen in
dem Verfahren P.St. 878 aus, er nehme als gesetzliche Elternvertretung auf
Landesebene das Grundrecht der Elternmitbestimmung gemäß Art. 56 Abs. 6 HV
gegenüber dem Land Hessen wahr. Als Träger dieses Grundrechts sei er durch die
Verfahrensweise bei der Einführung der Empfehlungen dadurch verletzt, daß der
Kultusminister von der in § 23 Abs. 2 Satz 4 Elternmitbestimmungsgesetz
vorgesehen Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, das qualifizierte ablehnende
Votum des Landeselternbeirats durch den angegriffenen Beschluß der
Landesregierung außer Kraft zu setzen und die umstrittenen Empfehlungen ohne
die Zustimmung des Landeselternbeirats in Kraft zu setzen. Darin liege eine
Verletzung des Grundrechts der Elternmitbestimmung aus Art. 56 Abs. 6 HV. Bei
den beanstandeten Empfehlungen handele es sich um Regelungen, durch die die
Unterrichtsinhalte in Haupt- und Realschulen gestaltet bzw. im Sinne einer
Integration beider Schulformen weiterentwickelt werden sollten. Es handele sich
also um eine Maßnahme der "Gestaltung des Unterrichtswesens" im Sinne von
Art. 56 Abs. 6 HV und um "Allgemeine Bestimmungen über Bildungsziele und
Bildungswege" im Sinne des § 22 Elternmitbestimmungsgesetz, so daß seine
Zustimmung notwendig gewesen sei. Die in § 23 Abs. 2 Satz 4
Elternmitbestimmungsgesetz geregelte Konfliktlösung zwischen Elternvertretung
und Staat sei mit dem Grundrecht der Elternmitbestimmung nicht vereinbar.
"Mitbestimmen" bedeute nicht, daß sich der Mitbestimmende gegenüber seinem
Partner gegen dessen Willen durchsetzen dürfe. Andererseits sage der Begriff aber
auch nicht, daß er selbst überstimmt werden könne. Der Mitbestimmung wohne
also der Zug zum "Patt" inne. Daraus folge allerdings die Notwendigkeit, solche
Patt- oder Konfliktsituationen aufzulösen. In weiten Bereichen der Mitbestimmung
in Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung seien verschiedene Regelungen für
derartige Konfliktlösungen vorgesehen (z. B. § 87 Abs. 2 in Verbindung mit § 76
Betriebsverfassungsgesetz 1972; § 71 Bundespersonalvertretungsgesetz). Diese
Modelle einer praktizierten Mitbestimmung ließen erkennen, daß Mitbestimmung
den Zwang zur Einigung enthalte, nicht jedoch das Überstimmtwerden des einen
durch den anderen. Das gelte umso mehr für den Bereich der Erziehung in der
Schule, die sich sowohl auf seiten der Eltern als auch des Staates nur an der einen
Persönlichkeit des Kindes vollziehen könne und daher ein größtmögliches
Zusammenwirken von Eltern und Staat erfordere.
Diesem Grundgedanken trage § 23 Abs. 2 Satz 3 und 4 insofern nicht Rechnung,
als dem Kultusminister bzw. der Landesregierung der sogenannte Stichentscheid
zugewiesen werde. Der vorliegende Fall zeige, daß auf diese Weise das
Mitbestimmungsrecht zur Farce werden könne. Der Kultusminister sei von seinem
anfänglichen Entwurf nicht abgerückt und Änderungsvorstellungen des
Landeselternbeirats nicht zugänglich gewesen, dessen Bedenken sich vor allem
gegen die – zumindest tendenziell – gewollte Integration zweier selbständiger
Schulformen gerichtet hätten. Mitbestimmung bedeute, daß die Gestaltung der
Unterrichtsinhalte nur gleichgeordnet durch den Staat und die Elternvertretung
erfolgen könne. Die Einschränkung des staatlichen Erziehungsauftrags durch ein
gleichrangiges Elternmitbestimmungsrecht berühre im übrigen auch nicht die
parlamentarische Verantwortlichkeit der Exekutive.
Für den Fall der Abweisung des Hauptantrags bleibe hilfsweise zu prüfen, ob
gleichwohl eine andere Art der Konfliktlösung als die des Stichentscheids in
Betracht zu ziehen sei. Dabei stehe die Überlegung im Vordergrund, daß es einem
in seinen Vorstellungen von vornherein festgelegten Kultusminister möglich sei,
alle im Gesetz vorgesehenen, mit dem Ziel der Verständigung zu führenden
Erörterungen als eine Formsache zu betrachten, die der Durchsetzung seines
Wollens nicht entgegenstehe.
III.
Der Hessische Ministerpräsident hält den Antrag in mehrfacher Hinsicht für
unzulässig.
Unter Bezugnahme auf seine Ausführungen in dem Verfahren P. St. 878 ist er der
Ansicht, der Antragsteller sei im Verfahren nach Art. 131 Abs. 1 und 3 HV, § 45
Abs. 2 StGHG nicht parteifähig. Antragsberechtigt und damit parteifähig im
Verfahren nach § 45 Abs. 2 StGHG könne nur sein, wer grundrechtsfähig sei. Die
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Verfahren nach § 45 Abs. 2 StGHG könne nur sein, wer grundrechtsfähig sei. Die
Fähigkeit, Inhaber eines Grundrechts zu sein, müsse sich gerade auf das
Grundrecht beziehen, dessen Verletzung geltend gemacht werde. Als verletztes
Grundrecht komme ausschließlich Art. 56 Abs. 6 HV in Betracht, das den
Erziehungsberechtigten in Ergänzung ihres Grundrechts aus Art. 55 HV ein
prozedurales Teilhaberecht vermittle. Dieses könne nur nach Maßgabe besonderer
Regeln von ihnen gemeinsam wahrgenommen werden. Gleichwohl sei das Recht
des Art. 56 Abs. 6 HV als Individualgrundrecht ausgestaltet und stehe
ausschließlich den Erziehungsberechtigten zu, deren Kinder in Hessen die Schule
besuchten. Der Antragsteller sei aber kein Erziehungsberechtigter im Sinne des §
56 Abs. 6 HV.
Parteifähigkeit setze weiter die Fähigkeit voraus, Träger von subjektiven Rechten
zu sein, die vor Gericht geltend gemacht werden könnten. Das
Elternmitbestimmungsgesetz habe den Antragsteller aber nicht als Träger
subjektiver Rechte ausgebildet und ihm solche Rechte verliehen, sondern ihn als
Organ dem Kultusminister zugeordnet und mit bestimmten Kompetenzen
ausgestattet, die vom Gesetzgeber nicht in den Rang subjektiver Rechte erhoben
worden seien. Der Antragsteller sei demnach nur ein nach Maßgabe des einfachen
Gesetzes gewähltes Gremium, das mit bestimmten Kompetenzen ausgestattet
zwar in Sachfragen weisungsunabhängig, aber öffentlich finanziert und kontrolliert
Aufgaben im Bereich des öffentlichen Schulwesens wahrnehme und das deswegen
in erster Linie als eine Einrichtung der Ordnung des Schulwesens anzusehen sei.
Ein Gremium, das nach Aufgabenstellung und Organisation in den "staatlichen
Behördenapparat" eingebunden sei, könne aber nicht zugleich Träger eines gegen
den Staat gerichteten Individualgrundrechts sein.
Dem Antragsteller stehe das Recht aus Art. 56 Abs. 6 HV auch nicht Kraft einer
Geltungserstreckung dieses Individualgrundrechts auf juristische Personen oder
andere Organisationsformen zu. Der Antragsteller sei zum einen keine juristische
Person, zum anderen sei ihm auch keine Rechtsposition verliehen, die ihn
ungeachtet fehlender Rechtsfähigkeit ausnahmsweise zum Träger des
Grundrechts aus Art. 56 Abs. 6 HV machen könnte. Der Annahme einer derartigen
Rechtsposition stehe schon entgegen, daß der Antragsteller eine öffentliche
Aufgabe erfülle. Wenn schon juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht
Grundrechtsträger sein könnten, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnähmen,
liege diese Einschränkung noch näher, wenn dem Träger einer öffentlichen
Aufgabe keine eigene Rechtsfähigkeit eingeräumt sei. Der Antragsteller könne sich
nicht darauf berufen, daß seine Funktionen einen Bereich grundrechtlich
geschützter gesellschaftlicher Betätigung beträfen und deshalb öffentlich-rechtlich
organisiert seien, um die geordnete Wahrnehmung elterlicher Mitbestimmung auf
Landesebene zu ermöglichen.
Der Grundrechtsträgerschaft des Antragstellers stehe ferner die ihm durch das
Elternmitbestimmungsgesetz eingeräumte Ausschließlichkeitsstellung entgegen,
die sich aus dem zwangsverbandähnlichen Zusammenschluß des Eltern ergebe.
Das Recht des Art. 56 Abs. 6 HV sei im übrigen kein materielles Grundrecht
sondern ein Recht des "status activus processualis".
Dem Antragsteller könne auch nicht deshalb Parteifähigkeit zukommen, weil er
nach den Interessen- und Legitimationszusammenhängen Träger
zusammengefaßter individueller Rechte sei, die den im Staat verkörperten
Interessen entgegengesetzt seien oder weil er sich zum
"grundrechtsgefährdenden" Staat im gleichen Verhältnis der
Gewaltunterworfenheit befinde wie der "grundrechtsgefährdete" Bürger. Solche
Argumentationen könnten hier nicht herangezogen werden, weil die gesetzlich
geregelte Mitbestimmung die Erziehungsberechtigten in den Prozeß der
Staatswillensbildung einbeziehe. Zwar könne der Erziehungsberechtigte zur
Wahrnehmung des ihm gewährleisteten Rechts auf Mitbestimmung, sofern es sich
auf die Landesebene erstrecke, auf Einrichtungen wie die des Antragstellers – oder
andere Vertretungen – angewiesen sein. Zur Verteidigung seiner Rechte gegen
verfassungswidrige Verletzungen durch den Staat sei der Erziehungsberechtigte
hingegen auf solche Einrichtungen nicht angewiesen, da er das Recht habe, in
einem solchen Fall selbst den Staatsgerichtshof anzurufen. Insoweit bedürfe er
eines Sachwalters seines Rechts nicht.
Schließlich könne auch der Argumentation des Antragstellers nicht gefolgt werden,
er sei Träger des Grundrechts aus Art. 56 Abs. 6 HV, weil die Repräsentation der
Erziehungsberechtigten durch Vertretungen notwendig, im
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Erziehungsberechtigten durch Vertretungen notwendig, im
Elternmitbestimmungsgesetz vorgesehen und demokratisch legitimiert sei. Es
handele sich hier um den mißlungenen Versuch des Antragstellers, darzutun, daß
es sich nicht um eine bei der Verteidigung von Grundrechten unzulässige
Prozeßstandschaft, sondern um eine qualitativ andere Form der Wahrnehmung
von Grundrechten Dritter handele. Vollends ungeeignet sei der Antragsteller als
Träger des Erziehungsrechts der Eltern aus Art. 55 HV. Das Elternrecht sei als
Individualrecht weder übertragbar noch der Ausübung durch Mehrheitsbildung
zugänglich. Beides aber wäre unvermeidlich, sollte Mitwirkung auf Landesebene
ermöglicht werden. Zu fragen bliebe dann nach dem Recht der Eltern, die in der
Minderheit blieben. Daß ihnen die Verwirklichung ihrer Erziehungsvorstellungen
versagt bleibe, sei nicht mit der Erwägung zu rechtfertigen, daß sie in der
Wahrnehmung ihres Grundrechts durch die kollidierenden Grundrechte anders
denkender Personen beschränkt seien, sondern nur mit der Erwägung, daß die
Entfaltungsmöglichkeiten des Menschen in einer Gemeinschaftseinrichtung wie der
Schule nur beschränkt verwirklicht werden könnten. Den Ausgleich könne nur der
Gesetzgeber bewirken, nicht aber die Mehrheitsentscheidung eines
Vertretungsorgans.
Der Antragsteller sei auch nicht teilrechtsfähig und beteiligtenfähig im Sinne des §
61 VwGO; denn hierfür fehle es an der Zuerkennung subjektiver Rechte durch das
Elternmitbestimmungsgesetz, Selbst wenn man aber von der Zuerkennung
subjektiver Rechte durch das Elternmitbestimmungsgesetz ausgehe, wären dies
immer nur Rechte, die das einfache Gesetz, nicht aber die Hessische Verfassung
eingeräumt hätte. Aus welchem Rechtsgrund aber aus der Inhaberschaft eines
subjektiven Rechts des einfachen Gesetzesrechtes die Inhaberschaft eines
Grundrechts folgen solle, vermöge der Antragsteller nicht darzulegen.
Die Grundrechtsklage sei weiter deshalb unzulässig, weil der Antragsteller nicht
schlüssig behaupte, gegenwärtig in einem Grundrecht verletzt zu sein. Soweit
juristischen Personen oder anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts
Grundrechte zustünden, könnten sie diese nur in den Grenzen der ihnen durch
einfaches Gesetz zugewiesenen Kompetenz ausüben. Wenn man daher dem
Antragsteller überhaupt die Berufung auf Grundrechtezugestehen würde, könnte
sich der Schutz nur auf das Recht zur Wahrnehmung der zuerkannten
Kompetenzen beziehen, die nicht verletzt seien.
Soweit der Antragsteller rüge, daß die von ihm erklärte Verweigerung der
Zustimmung nach § 23 Abs. 2 Elternmitbestimmungsgesetz keine absolute
Sperrwirkung habe, mache er keine Verletzung seiner Kompetenzen geltend,
sondern begehre deren Erweiterung und bezweifele zugleich die
Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, das ihn geschaffen und mit Kompetenzen
ausgestattet habe. Die Rüge, daß diese Kompetenzen nicht dem Gebot des Art.
56 Abs. 6 HV genügten, stehe aber nicht dem Antragsteller, sondern nur den von
diesem Grundrecht nicht begünstigten Erziehungsberechtigten zu.
Soweit sich der Antrag zu 1. gegen den zustimmenden Beschluß der
Landesregierung richte, sei die Grundrechtsklage auch deswegen unzulässig, weil
dieser Beschluß nur regierungsinterne Bedeutung und keine Außenwirkung habe.
Soweit der Antragsteller Bedenken gegen eine angeblich gewollte Integration
zweier selbständiger Schulformen ins Feld führe und die angeblich sich aus Art. 59
und 61 HV ergebende Problematik anspreche, seien die zwingenden
Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 46 Abs. 1 StGHG nicht erfüllt. Es fehle an der
Darlegung der Tatsachen, aus denen sich eine Grundrechtsverletzung ergeben
solle. Auch sei nicht ersichtlich, inwiefern der Inhalt der Empfehlungen das
Grundrecht des Art. 56 Abs. 6 HV, der den Erziehungsberechtigten nur eine
verfahrensmäßige Beteiligung einräume, berühren könnte.
Die Grundrechtsklage sei auch unbegründet.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers handele es sich bei den
Empfehlungen des Kultusministers nicht um eine Rechtsverordnung, sondern um
einen Erlaß. Mit ihm knüpfe der Kultusminister an seinen Erlaß vom 28. Mai 1976 –
Stundentafel für die Mittelstufe (Klassen 5 bis 10) – (ABl. 301) mit dem Ziel an, die
Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Schulformen weiter zu erleichtern und zu
sichern. Dieser Erlaß enthalte nur Verwaltungsvorschriften, durch die der
Kultusminister das Erreichen dieses Zieles für die nach § 11 Abs. 7
Schulverwaltungsgesetz organisatorisch verbundenen Haupt- und Realschulen
steuere. Soweit in dem Erlaß auch organisatorische Bestimmungen getroffen
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steuere. Soweit in dem Erlaß auch organisatorische Bestimmungen getroffen
seien, sei – falls sich die Mitbestimmung nach Art. 56 Abs. 6 HV überhaupt auf
zentrale Maßnahmen erstrecke – ein Mitbestimmungsrecht ausgeschlossen, weil
dieses sich nicht auf diejenigen Akte der Schulverwaltung erstrecke, die die
persönlichen und sachlichen Grundlagen für einen geordneten Schulunterricht
schüfen.
§ 23 Abs. 2 Satz 4 Elternmitbestimmungsgesetz sei im übrigen
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Diese Bestimmung könne am
Maßstab des Art. 56 Abs. 6 HV nur gemessen werden, wenn dieses Grundrecht
eine Mitbestimmung der Erziehungsberechtigten auch an den das
Unterrichtswesen gestaltenden Entscheidungen und Maßnahmen verbürge, die
der Kultusminister mit Wirkung für das ganze Land treffe. Das sei jedoch entgegen
der in der Entscheidung des Staatsgerichtshofs vom 18. Februar 1958 – P.St. 230
– vertretenen Auffassung nicht der Fall.
Ein Recht auf gleichberechtigte Mitentscheidung des Antragstellers bei
Verwaltungsanordnungen oder gar Rechtsverordnungen des Kultusministers lasse
sich aus Art. 56 Abs. 6 HV keinesfalls begründen. Gegen diese Annahme spreche
neben der Entstehungsgeschichte auch ein Vergleich mit anderen Bestimmungen
der Hessischen Verfassung, in denen der Begriff "Mitbestimmung" mit dem Zusatz
"gleichberechtigt" (Art. 37 Abs. 2 HV) oder "gleich" (Art. 38 Abs. 3 HV) versehen
sei. Die Strukturprinzipien der Hessischen Verfassung schlössen überdies die
Ausstattung des Antragstellers mit einem gleichberechtigten
Mitentscheidungsrecht aus, weil es den Kultusminister und die Landesregierung
der parlamentarischen Verantwortlichkeit entziehen würde und sowohl mit dem
Grundsatz der Staatlichkeit und Gesetzmäßigkeit des Schulwesens (Art. 56 Abs. 1
und Abs. 7 Satz 1 HV) als auch mit dem demokratisch-repräsentativen Aufbau der
Staatsgewalt (Art. 70, 71, 101, 102, 114 HV) und dem Homogenitätsgebot (Art. 28
Abs. 1 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1, 65, 20 GG) unvereinbar sei.
Der Antragsteller könne sich auch nicht darauf berufen, daß er als Repräsentant
einer gesellschaftlichen Gruppe deren eigene Angelegenheiten wahrnehme und
deshalb nicht durch das Prinzip der parlamentarischen Verantwortung in seinen
Rechten eingeschränkt werden könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Inhalt der
Stellungnahme des Hessischen Ministerpräsidenten verwiesen.
IV.
Der Landesanwalt stimmt der vom Hessischen Ministerpräsidenten – Staatskanzlei
– vertretenen Auffassung zu, daß der Antrag unzulässig, jedenfalls aber
unbegründet sei.
Unter Bezugnahme auf seine schriftsätzliche Äußerung in dem Verfahren P.St. 878
ist er der Ansicht, dem Antragsteller fehle für eine Grundrechtsklage die
Beschwerdebefugnis (§ 45 Abs. 2 StGHG). Er sei nicht Träger des
Mitbestimmungsgrundrechts aus Art. 56 Abs. 6 HV, dessen Verletzung er geltend
mache. Dieses Individualgrundrecht stehe nur den einzelnen
Erziehungsberechtigten zu. Eine Grundrechtsinhaberschaft des Antragstellers
könne auch nicht aus der Überlegung folgen, daß das Mitbestimmungsrecht aus
Art. 56 Abs. 6 HV nur durch einen gesetzlichen Organisationsverbund der
gesamten Elternschaft landesweit wirksam darstellbar sei und daher auch der
Organisation selbst zustehen müsse. Solche korporativen Daseins- und
Betätigungsrechte kenne das deutsche Verfassungsrecht nur für Koalitionen (Art.
9 Abs. 3 GG, Art. 29 Abs. 2 HV). Einen vergleichbaren Rechtsstatus könne ein vom
einfachen Gesetzgeber geschaffenes Mitbestimmungsorgan im Bereich des
staatlichen Unterrichtswesens nicht haben.
Der Antragsteller habe auch keine grundrechtsähnliche Befugnis, das
Individualgrundrecht der Erziehungsberechtigten im eigenen Namen
wahrzunehmen oder zu verteidigen. Existenz, Status und Kompetenzen des
Antragstellers seien verfassungsrechtlich weder ausgeformt noch gewährleistet. Er
sei eine vom einfachen Gesetzgeber gebildete, mit einzelnen Befugnissen im
Rahmen des staatlichen Schulwesens ausgestattete und der staatlichen
Schulverwaltung zugeordnete Einrichtung, die im Wege der einfachen
Gesetzgebung veränderbar und durch andere Organisationsformen der
Elternmitbestimmung ersetzbar sei. Zwar treffe den staatlichen Gesetzgeber auf
Grund von Art. 56 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 7 HV eine Verpflichtung,
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Grund von Art. 56 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 7 HV eine Verpflichtung,
geeignete Organisationsformen bereitzustellen, in denen die
mitbestimmungsberechtigten Eltern gemeinsam ihren Willen bilden und
gegenüber den für die Gestaltung des Unterrichtswesens verantwortlichen
staatlichen Stellen "mitbestimmend" äußern könnten. Ob das
Mitbestimmungsrecht sich auf die von den zentralen Verwaltungsstellen
erlassenen Richtlinien erstrecke oder seinen sachlichen Schwerpunkt nur in der
Kooperation aller Beteiligten an der einzelnen Schule habe, könne hier
dahinstehen. Allein entscheidend sei, daß sich aus Art. 56 Abs. 6 HV keine
grundrechtsähnliche Befugnis einer landesweit organisierten Vertretung der
Elternschaft entnehmen lasse, auf Grund dieses Mitbestimmungsrecht eine
bestimmte Ausgestaltung ihrer Kompetenzen im eigenen Namen fordern zu
können.
Der Antragsteller sei auch nicht auf Grund einer durch Wahlen legitimierten
"Repräsentation" befugt, als Sachwalter des Mitbestimmungsgrundrechts aller
Erziehungsberechtigten aufzutreten und dieses im eigenen Namen geltend zu
machen. Die Verleihung einer solchen Stellung durch den Landesgesetzgeber an
den Antragsteller würde im Gegenteil das Individualgrundrecht der
Erziehungsberechtigten aus Art. 56 Abs. 6 HV verletzen; denn die Konstruktion
einer "treuhänderischen" Grundrechtsausübung für die "repräsentierten" Eltern
hätte zur Folge, daß Beschlüsse des Landeselternbeirates auch den Eltern
zugerechnet werden müßten, die sich bei seiner Bildung nicht beteiligt hätten oder
bei seiner Willensbildung majorisiert worden seien. Grundrechte als
höchstpersönliche Rechte könnten überdies nicht durch gesetzlichen
Organisationsakt zur treuhänderischen Wahrnehmung auf eine durch Wahlen
gebildete Einrichtung übertragen werden; denn dabei würde es sich um eine Abart
der Prozeßstandschaft handeln, die im verfassungsrechtlichen Verfahren
ausgeschlossen sei.
Nach Art. 56 Abs. 6 HV müsse es den Erziehungsberechtigten überlassen bleiben,
ihr Mitbestimmungsrecht selbst und im eigenen Namen geltend zu machen. Bei
der vom Antragsteller beanspruchten Grundrechtsausübung kraft "demokratisch
legitimierter" Repräsentation handele es sich in Wirklichkeit um den mißlungenen
Versuch, eine Form der verfassungsgerichtlich unzulässigen Prozeßstandschaft
durch eine Scheinlegitimation zu verdecken. Der Antragsteller habe schließlich die
Verletzung eigener Grundrechte oder grundrechtsähnlicher Rechte nicht schlüssig
gerügt. Er erstrebe mit seiner Klage eine Ausweitung seiner einfachgesetzlichen
Mitwirkungskompetenzen zu einer absoluten Vetoposition, die durch Beschluß der
demokratisch legitimierten und kontrollierten Regierung nicht mehr überwindbar
wäre, sondern in einem entscheidungslosen Einigungszwang enden müßte. Allein
die Eltern als Grundrechtsträger könnten geltend machen, daß ihr
Mitbestimmungsrecht aus Art. 56 Abs. 6 HV dem staatlichen Erziehungsauftrag
gleichrangig sei und nicht durch Regierungsbeschluß überstimmt werden dürfe.
Der angefochtene Beschluß der Landesregierung habe im übrigen nur
regierungsinterne Wirkung. Er selbst tangiere keine Rechte des Antragstellers und
könne daher nicht Gegenstand der Kontrolle im Verfahren der Grundrechtsklage
sein.
Eine Befassung mit dem Hilfsantrag sei dem Staatsgerichtshof verwehrt. Denn
damit begehre der Antragsteller die Erstattung eines verfassungspolitischen
Gutachtens mit dem Ziel, dem Gesetzgeber zu einer Revision der in § 23 Abs. 2
Satz 4 des Elternmitbestimmungsgesetzes gefundenen Konfliktlösung zu
veranlassen. Daß dies nicht zu den Aufgaben des Staatsgerichtshofs gehöre, sei
evident.
Die Grundrechtsklage sei auch unbegründet, wie der Hessische Ministerpräsident
mit zutreffender Begründung vorgetragen habe.
V.
Die Akten P.St. 878 des Staatsgerichtshofs sind beigezogen worden und waren
Gegenstand der Beratung.
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Die Anträge können keinen Erfolg haben; sie sind unzulässig.
1. Nach Art. 131 Abs. 3 HV in Verbindung mit § 45 Abs. 2 StGHG kann jedermann
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1. Nach Art. 131 Abs. 3 HV in Verbindung mit § 45 Abs. 2 StGHG kann jedermann
den Staatsgerichtshof anrufen, der geltend macht, daß ein ihm von der
Verfassung gewährtes Grundrecht verletzt sei. Nach ständiger
verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung ist daher im Verfahren zur
Verteidigung der Grundrechte nur antragsberechtigt, wer selbst Inhaber des
angeblich verletzten Grundrechts oder grundrechtsähnlichen Rechts ist (vgl.
Hessischer Staatsgerichtshof, Beschluß vom 26. Oktober 1977 – P.St. 835 –;
ebenso zu § 90 BVerfGG: BVerfGE 39, 302 (312) unter Hinweis auf BVerfGE 3,
383 (391); 6, 273 (277); 12, 6 (8); 21, 362 (367); vgl. auch Zinn/Stein,
Verfassung des Landes Hessen, Kommentar, Band II, Erläuterung B IV 18 zu
Art. 131 bis 133). Durch diesen besonderen Bezug zum Grundrecht und die
Abhängigkeit von dem jeweiligen Rechtsbegehren unterscheidet sich die
allgemeine subjektive Beschwerdebefugnis im Grundrechtsklageverfahren von
der Parteifähigkeit im Zivilprozeß und in den verwaltungsgerichtlichen
Verfahren, die im wesentlichen grundsätzlich nur von der materiellen
Rechtsfähigkeit abhängt (vgl. §§ 50 ZPO, 61 Nr. 1 VwGO, 70 SSG, 57 FGO; vgl.
auch Hessischer Staatsgerichtshof, Beschluß vom 26. Oktober 1977 – P.St.
835 –). Die vom Antragsteller unter Berufung auf die in einem
verwaltungsgerichtlichen Verfahren bei einem Repräsentationsorgan der
Elternschaft erfolgte Anerkennung der Parteifähigkeit vertretene Ansicht, seine
Parteifähigkeit sei auch im verfassungsgerichtlichen
Grundrechtsklageverfahren ohne weiteres gegeben, geht deshalb fehl. Der
Antragsteller verkennt insoweit die Unterschiedlichkeit der Anknüpfungspunkte
für die allgemeine subjektive Beschwerdebefugnis im
Grundrechtsklageverfahren einerseits und für die Parteifähigkeit in anderen
gerichtlichen Verfahren andererseits.
2. Art. 56 Abs. 6 HV, dessen Verletzung der Antragsteller in dem vorliegenden
Grundrechtsklageverfahren geltend macht, gewährt zwar ein Grundrecht. Das
ist in der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs wie auch im
verfassungsrechtlichen Schrifttum seit langem anerkannt (vgl. StGH, Urteil
vom 18. Februar 1958 – P. St. 230 –, StAnz. S. 311 (313); Urteil vom 6.
Oktober 1971 – P.St. 608.637 –; Zinn/Stein, a.a.O., Band I, Anm. 11 zu Art.
56). In seiner Entscheidung vom 18. Februar 1958 – P.St. 230 – hat der
Staatsgerichtshof dazu folgendes ausgeführt:
"Daß es sich ... um ein Grundrecht handelt, ergibt sich formell daraus, daß die
Bestimmung des Art. 56 Abs. 6 dem Grundrechtsteil der Hessischen Verfassung
angehört, und materiell aus der Bedeutung, die diesem Recht zukommt. Zwar wird
nicht jede öffentlich-rechtliche Befugnis, die in dem Grundrechtsteil der Verfassung
jemandem zugesprochen wird, ohne weiteres als ein Grundrecht anzusehen sein.
Wenn jedoch dem einzelnen in einer Bestimmung des Grundrechtsteils Befugnisse
von besonderer Bedeutung gewährt werden, dann handelt es sich um ein
Grundrecht. Das trifft auf das Mitbestimmungsrecht der Erziehungsberechtigten
nach Art. 56 Abs. 6 HV zu. Die Ziele und Wege der Bildung im Schulwesen
festzulegen, war nach dem überlieferten deutschen Schulrecht ausschließlich
Sache des Staates. Wenn nunmehr die Hessische Verfassung den
Erziehungsberechtigten insoweit ein Mitbestimmungsrecht gewährt, so ist dies
eine so bedeutsame Änderung im Schulwesen, daß eine dahingehende Befugnis
als Grundrecht gewertet werden muß."
Dem Antragsteller fehlt indessen die spezifisch verfassungsrechtliche
Beschwerdebefugnis gemäß § 45 Abs. 2 StGHG; denn er ist weder allein noch
neben den Erziehungsberechtigten Träger des Grundrechts aus Art. 56 Abs. 6 HV.
Grundrechte oder grundrechtsähnliche Rechte sind höchstpersönlicher Natur. Die
Grundrechtsklage ist ein außerordentlicher Rechtsbehelf zur Verteidigung dieser
Rechte. Die Beschwerdebefugnis muß daher dem persönlichen Geltungsbereich
des in Betracht kommenden Grundrechts oder dem verteidigten Rechtsstatus
folgen. Das schließt zwar nicht aus, daß etwa auch juristische Personen oder nicht
rechtsfähige Vereinigungen Träger von Grundrechten sein können, soweit
bestimmte Grundrechte ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind (vgl. StGH,
Beschluß vom 11. April 1973 – P.St. 697 –, StAnz. 1973, 927 (929) = ESVGH 23,
147 = DÖV 1973, 524; Beschluß vom 26. Oktober 1977 – P.St. 835 –, vgl. auch
Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ulsamer, BVerfGG, RdNrn. 25, 28, 29 zu § 90).
Juristische Personen des öffentlichen Rechts hingegen können sich auf
Grundrechte grundsätzlich nicht berufen, soweit sie öffentliche Aufgaben
wahrnehmen. Etwas anderes kann nur gelten, wenn ausnahmsweise die
betreffende juristische Person des öffentlichen Rechts unmittelbar dem durch die
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betreffende juristische Person des öffentlichen Rechts unmittelbar dem durch die
Grundrechte geschützten Lebensbereich zuzuordnen ist (StGH, Beschluß vom 11.
April 1973 – P.St. 697 –; BVerfGE 31, 314 (322); BVerfGE 39, 302 (313)). Das setzt
aber voraus, daß subjektive Rechte der Hessischen Verfassung dem Eigenbereich
der juristischen Person des öffentlichen Rechts angehören oder doch in einem
untrennbaren Zusammenhang mit ihr stehen. Für andere Einrichtungen oder
Organisationsformen, die ihrer Existenz und ihren Tätigkeitsbereichen nach dem
öffentlichen Recht zuzuordnen sind, muß dies erst recht gelten.
3. Der Antragsteller ist entgegen seiner Auffassung nicht Träger des Grundrechts
aus Art. 56 Abs. 6 HV, dessen Verletzung er mit der Grundrechtsklage geltend
macht. Schon aus dem Wortlaut der Verfassungsbestimmung läßt sich für
eine solche Annahme nichts herleiten. Nach Art. 56 Abs. 6 HV haben die
"Erziehungsberechtigten" das Recht, die Gestaltung des Unterrichtswesens
mitzubestimmen, soweit die Grundsätze der Absätze 2 bis 5 nicht verletzt
werden. Der Kreis der Berechtigten ist – wie der Staatsgerichtshof bereits in
seinem Urteil vom 18. Februar 1958, P.St. 230, zum Ausdruck gebracht hat –
schon in dieser Formulierung so weit festgelegt, daß er sich durch
Heranziehung der Bestimmungen des Privatrechts über die Berechtigung zur
Erziehung eindeutig bestimmen läßt. Berechtigte sind hiernach in erster Linie
die Eltern; ihnen obliegt das Recht und die Pflicht zur Erziehung des Kindes als
Teil der Personensorge (§§ 1626 ff., 1631 Abs. 1 BGB; vgl. auch Art. 6 Abs. 2
Satz 1 GG). Daß der Antragsteller nicht Erziehungsberechtigter im Sinne
dieser Vorschriften ist, ist offenkundig.
Auch von seinem Sinn und Zweck her vermag Art. 56 Abs. 6 HV nicht die
Annahme zu rechtfertigen, der Antragsteller sei (allein oder neben den kraft
Privatrechts zur Erziehung Befugten) Träger des in dieser Bestimmung
verankerten Grundrechts. Es ist zwar zutreffend, daß das Mitbestimmungsrecht,
soweit es sich um Maßnahmen der zentralen Unterrichtsverwaltung handelt, wohl
nur durch ein Vertretungsorgan der Erziehungsberechtigten auf Landesebene
wahrgenommen werden kann. Das hat der Staatsgerichtshof bereits in seiner
Entscheidung vom 18. Februar 1958 – P.St. 230 zum Ausdruck gebracht. Aus der
Erwägung heraus, daß das Mitbestimmungsrecht aus Art. 56 Abs. 6 HV nur durch
einen wie immer gearteten Organisationsverbund der gesamten Elternschaft auf
Landesebene wirksam darstellbar ist, kann indessen nicht die Schlußfolgerung
hergeleitet werden, diese Organisation sei auch Träger dieses
Teilhabegrundrechts. Art. 56 Abs. 6 HV ist ersichtlich als Individualgrundrecht
ausgestaltet, das nur den Personen zugeordnet ist, denen nach den Normen des
Privatrechts die Erziehungsbefugnis zusteht. Unter Berücksichtigung von Sinn und
Zweck der Verfassungsnorm wäre eine andere Auslegung allenfalls dann
vertretbar bzw. sachlich geboten, wenn die Eltern, bzw. die Personen, denen nach
den Vorschriften des Privatrechts die Erziehungsbefugnis zusteht, einer etwaigen
Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 56 Abs. 6 HV anderenfalls nicht wirksam
begegnen könnten. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn die Erziehungsberechtigten
können selbst, sofern sie in ihrem Mitbestimmungsrecht aus Art. 56 Abs. 6 HV
beeinträchtigt oder verletzt sind, den Staatsgerichtshof anrufen und die
Grundrechtsverletzung rügen.
4. Der Antragsteller ist auch nicht aus anderen Rechtsgründen befugt, das
Individualgrundrecht der Erziehungsberechtigten aus Art. 56 Abs. 6 HV im
eigenen Namen wahrzunehmen und etwaige Verletzungen dieses Grundrechts
im Wege der Grundrechtsklage vor dem Staatsgerichtshof geltend zu machen.
Der Antragsteller ist zwar eine Einrichtung, die der hessische
Landesgesetzgeber in Ausfüllung des Art. 56 Abs. 7 Satz 1 HV unter anderem
dazu geschaffen hat, das Mitbestimmungsrecht der Erziehungsberechtigten
gemäß Art. 56 Abs. 6 der Verfassung des Landes Hessen zu gewährleisten
(vgl. § 1 Abs. 1 des Elternmitbestimmungsgesetzes); er ist zu diesem Zweck
mit gewissen Befugnissen ausgestattet worden. Ob es sich bei diesen
Befugnissen um subjektive Rechte handelt oder nicht, kann in diesem
Zusammenhang dahinstehen. Zu berücksichtigen ist jedoch, daß Existenz,
Status und Kompetenz des Antragstellers durch die Verfassung selbst weder
näher ausgestaltet noch gewährleistet sind. Die Einrichtung des
Landeselternbeirats und die ihm verliehenen Befugnisse im Rahmen des
staatlichen Schulwesens sind im Wege der einfachen Gesetzgebung
geschaffen worden und könnten auf demselben Wege jederzeit durch andere
Formen der Elternmitbestimmung ersetzt werden. Es ist deshalb
ausgeschlossen, daß sich in einer solchen Einrichtung, die weder ihre Existenz
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ausgeschlossen, daß sich in einer solchen Einrichtung, die weder ihre Existenz
noch ihre Kompetenzen unmittelbar aus der Verfassung ableiten kann, die
Berechtigung zur Ausübung des Individualgrundrechts der
Erziehungsberechtigten aus Art. 56 Abs. 6 HV gewissermaßen verselbständigt,
zumal dafür – wie oben bereits ausgeführt wurde – unter dem Gesichtspunkt
eines effektiven verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes gegen
Beeinträchtigungen des den Erziehungsberechtigten zustehenden
Mitbestimmungsgrundrechts kein Bedürfnis besteht, weil die
Erziehungsberechtigten selbst in der Lage sind, sich gegen
Grundrechtsverletzungen angemessen zur Wehr zu setzen.
5. Die Beschwerdebefugnis des Antragstellers gemäß § 45 Abs. 2 StGHG läßt
sich auch nicht mit der Erwägung begründen, daß er kraft seiner durch Wahl
nach § 21 des Elternmitbestimmungsgesetzes gegebenen "demokratischen
Legitimation" zur "Repräsentation" der Erziehungsberechtigten bei der
Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechts befugt sei. Ungeachtet dessen, daß
sich für diese Annahme weder aus der Hessischen Verfassung noch dem
Elternmitbestimmungsgesetz etwas herleiten läßt und abgesehen davon, daß
gerade das Elternrecht seinem Wesen nach individuelles Recht ist, das sich
nicht kollektiv ausüben läßt (vgl. Starck, DÖV 1979, 269 ff. (275)), ist die
Konstruktion einer gewissermaßen treuhänderischen Ausübung von
Individualgrundrechten dem deutschen Verfassungsrecht wesensfremd. Die
Grundrechte sind höchstpersönliche Rechte und zum Schutze der
persönlichen Freiheit geschaffen; sie sind weder ihrem Inhalt noch in ihrer
Ausübung durch Gesetz oder Rechtsgeschäft übertragbar (StGH, Beschluß
vom 11. April 1973 – P.St. 697 –, vgl. auch Beschluß vom 26. Oktober 1977 –
P.St. 835). Die Grundrechtsklage ist ein Rechtsbehelf zur Verteidigung dieser
Rechte. Deshalb kann es im Verfahren über eine Grundrechtsklage auch keine
Prozeßstandschaft geben (StGH, Beschluß vom 11. April 1973 – P.St. 697 –
mit weiteren Nachweisen). Nichts anderes wäre es aber der Sache nach, wollte
man dem Antragsteller eine Verteidigung des Individualgrundrechts aus Art.
56 Abs. 6 HV vor dem Landesverfassungsgericht zugestehen. Eine Einrichtung
wie der Antragsteller, die ihre Entscheidungen auf Grund von Abstimmungen
nach dem Mehrheitsprinzip trifft, ist zur Wahrnehmung bzw. Verteidigung eines
Individualgrundrechts schlechthin ungeeignet. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts kann das elterliche Erziehungsrecht aus Art. 6
Abs. 2 GG als Individualgrundrecht nicht durch Mehrheitsbildung ausgeübt
werden (BVerfGE 47, 46 ff. (76)). Entsprechendes gilt auch für das elterliche
Erziehungsrecht nach Art. 55 HV und das Mitbestimmungsrecht der
Erziehungsberechtigten nach Art. 56 Abs. 6 HV. Wäre das
Mitbestimmungsgrundrecht der Ausübung durch einen mehrheitlich
beschließenden kollektiven Organisationsträger zugänglich, so hätte das die
unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu billigende Konsequenz,
daß einer Minderheit von Grundrechtsträgern ein Grundrechtsverzicht
zugunsten einer Mehrheit oktroyiert werden könnte, weil der
Landeselternbeirat zwangsverbandähnlich konstruiert ist und es einen
einheitlichen Elternwillen nicht gibt. Darauf hat insbesondere der Landesanwalt
zutreffend hingewiesen. Nur die Erziehungsberechtigten selbst können daher
im Wege der Grundrechtsklage die Verletzung ihres Mitbestimmungsrechts
gemäß Art. 56 Abs. 6 HV bzw. die Verkürzung ihres Mitbestimmungsrechts
durch eine in Ausfüllung des Art. 56 Abs. 7 Satz 1 HV ergangene gesetzliche
Mitbestimmungsregelung rügen.
6. Die Verletzung eigener Grundrechte oder grundrechtsähnlicher Rechte hat der
Antragsteller nicht schlüssig dargetan. Es kann deshalb hier dahinstehen, ob
und gegebenenfalls auf welche Grundrechte oder grundrechtsähnlichen Rechte
sich eine durch einfaches Landesgesetz zur Unterstützung von Schule,
Elternhaus und Berufsausbildungsstätten bei der Erziehung und Bildung der
Jugend und zur Gewährleistung des Mitbestimmungsrechts der
Erziehungsberechtigten geschaffene Einrichtung überhaupt berufen könnte.
7. Soweit sich die Grundrechtsklage gegen den Beschluß der Landesregierung
vom 20. Juni 1978 richtet, ist sie auch deshalb unzulässig, weil jener Beschluß
lediglich regierungsinterne Bedeutung hat. Er richtet sich nicht an den
Antragsteller, sondern ermächtigt den Kultusminister, eine nach außen
wirkende Maßnahme – hier die Inkraftsetzung der Empfehlungen im Erlaßwege
– zu treffen. Der Beschluß selbst greift daher weder in die Rechtsstellung der
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– zu treffen. Der Beschluß selbst greift daher weder in die Rechtsstellung der
Erziehungsberechtigten noch in die Rechtssphäre des Antragstellers ein. Eine
derartige regierungsinterne Zustimmung unterliegt nicht der allgemeinen
verfassungsgerichtlichen Kontrolle durch den Staatsgerichtshof. Nur
Rechtsnormen, wie Gesetze und Verordnungen, die den Grundrechtsträger
tatsächlich selbst, gegenwärtig und unmittelbar, nicht erst mit Hilfe eines
Vollziehungsaktes, in einem Grundrecht verletzen, können nach ständiger
Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs mit der Grundrechtsklage unmittelbar
angegriffen werden (vgl. etwa StGH, Beschluß vom 26. Oktober 1977 – P. St.
835 –).
8. Auch hinsichtlich des hilfsweise gestellten Antrags ist die Grundrechtsklage
unzulässig. Der Antragsteller begehrt damit letztlich eine gutachtliche
Stellungnahme des Staatsgerichtshofs unter Ausschöpfung aller
Denkmöglichkeiten und Hypothesen darüber, ob und in welcher Form die
Lösung des "Konfliktes" zwischen ihm und dem Kultusminister bzw. der
Landesregierung mit Art. 56 Abs. 6 HV vereinbar ist. Die Erstattung eines
solchen "Gutachtens" gehört nicht zu den Aufgaben des Staatsgerichtshofs.
VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 24 StGHG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.