Urteil des StGH Hessen vom 15.03.2017

StGH Hessen: gewährleistung, hessen, ermächtigung, geburt, hebamme, rechtsverordnung, erfüllung, zahl, berufsausübung, zuschuss

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Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 208
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 14 HebG, Art 80 GG, Art 129
Abs 1 GG
Leitsatz
Die von einer Landesregierung auf Grund einer reichs- oder bundesgesetzlichen
Ermächtigung erlassenen Rechtsverordnungen sind Reichs- bzw Bundesrecht.
Tenor
Die Anträge werden als unzulässig zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei.
Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Das Recht der Geburtshilfe ist im Hebammengesetz vom 21.12.1938 RGBl. I S.
1893 geregelt. Nach § 4 des Gesetzes sind zur Geburtshilfe, abgesehen von
Notfällen, außer den Ärzten nur Frauen befugt, die von der zuständigen Behörde
als Hebammen anerkannt sind und eine Niederlassungserlaubnis besitzen. Zur
Geburtshilfe in ärztlich geleiteten Entbindungs- und Krankenanstalten bedarf eine
Hebamme keiner Niederlassungserlaubnis. In § 10 ist bestimmt, daß eine
Hebamme sich zur selbständigen Ausübung ihres Berufs an einem Orte nur dann
niederlassen darf, wenn die zuständige Behörde ihr die Niederlassungserlaubnis
erteilt hat. Diese soll nur dann versagt werden, wenn durch eine der
Bevölkerungsdichte, der Geburtenhäufigkeit sowie den Entfernungs- und
Verkehrsverhältnissen entsprechende Zahl von Hebammen eine ausreichende
Hebammenhilfe bereits gesichert ist. Bei Erteilung der Niederlassungserlaubnis ist
der Hebamme ein bestimmter Wohnsitz anzuweisen (§ 12). Aus besonderen
Gründen kann ihre (Tätigkeit auf einen ihr zugewiesenen Bezirk beschränkt werden
(§ 13). In § 14 wird den Hebammen mit Niederlassungserlaubnis ein jährliches
Mindesteinkommen gewährleistet. Träger der Gewährleistung ist das Land, in
Preußen der Provinzialverband. Die Gewährleistung kann bei verheirateten
Hebammen entfallen, wenn das Familieneinkommen, und bei unverheirateten,
wenn ihr sonstiges Einkommen eine bestimmte Höhe erreicht. In Höhe desjenigen
Betrages, um den ihr jährliches Einkommen aus der Berufstätigkeit hinter dem
gewährleisteten jährlichen Mindesteinkommen zurückbleibt, wird ihnen ein
entsprechender Zuschuss vom Träger der Gewährleistung gewährt. Schließlich
bestimmt § 14 Absatz 4:
Hebammen mit Niederlassungserlaubnis, die jährlich in einer größeren als der vom
Träger der Gewährleistung zu bestimmenden Zahl von Fällen Hebammenhilfe
leisten, haben einen Teil der Einkünfte aus ihrer Berufstätigkeit an den Träger der
Gewährleistung abzuführen; dabei können die örtlichen Verhältnisse und der
Familienstand berücksichtigt werden. Die näheren Vorschriften werden nach
Anhörung der Reichshebammenschaft durch Provinzialsatzung oder
Landesverordnung (Abs. 1) erlassen, die hiernach abzuführenden Beträge werden
im Verwaltungswege eingezogen.
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Auf Grund dieser Bestimmungen wurde die Gewährleistung des
Mindesteinkommens und die Abführungspflicht der Hebammen im
Regierungsbezirk Wiesbaden durch Satzung des Bezirksverbandes vom 30.4.1940,
im Regierungsbezirk Kassel durch Satzung des Bezirksverbandes vom 1.12.1940
und im jetzigen Regierungsbezirk Darmstadt durch Verordnung des damaligen
Landes Hessen vom 23.12.1940 geregelt. Die Anwendung dieser und der im
übrigen Reichsgebiet erlassenen Vorschriften wurde durch Erlass des
Reichsministers des Innern vom 4.3.1941 (MinBl. RuPrMDJ 41 S. 426) bis auf
weiteres ausgesetzt. Als Grund wurde in dem Erlass bezeichnet, daß unter den
derzeitigen Verhältnissen die planmäßige Verteilung der Hebammen auf die
einzelnen Versorgungsgebiete noch nicht hätte durchgeführt werden können und
vorläufig auch nicht überall erreicht werden könne.
Nach dem Zusammenbruch sind die Bestimmungen des Hebammengesetzes
über die Notwendigkeit einer Niederlassungserlaubnis und die damit in
Zusammenhang stehenden Vorschriften über die Gewährleistung eines
Mindesteinkommens und eine Abführungspflicht von der amerikanischen
Militärregierung durch Einführung der Gewerbefreiheit, die auch auf
nichtgewerbliche Berufe erstreckt wurde, aufgehoben worden (vgl. für Hessen die
Schreiben der Militärregierung vom 2., 20. und 23.12.1948 GVBl. 49 S. 6). Die
Niederlassungsfreiheit führte - wie die Antragstellerin Frau ... bei der Beratung des
Initiativentwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Fragen des Hebammenwesens
in der Sitzung des Bundestags vom 12.6.1953 (Drucksachen S. 13399) dargelegt
hat - in der amerikanischen Besatzungszone dazu, daß die Hebammen entweder
in finanzielle Notlage gerieten und sich Nebenbeschäftigung suchen mussten oder
aber umgekehrt, daß in ländlichen Kreisen und Gemeinden die Versorgung mit
einer Hebamme nicht immer sichergestellt war. Diesem Zustande machte § 1 des
bezeichneten Gesetzes vom 4.1.1954 BGBl. I S. 1 ein Ende, welcher lautet:
Hebammen darf die Erlaubnis zur Berufsausübung nur nach Maßgabe der am 1.
Oktober 1945 geltenden Bestimmungen erteilt werden.
Der 1. Oktober 1945 wurde offenbar deswegen gewählt, weil einzelne Vorschriften,
welche nationalsozialistisches Gedankengut enthielten, durch Gesetz Nr. 1 Art. II
der amerikanischen Militärregierung betr. Aufhebung des nationalsozialistischen
Rechts im Sommer 1945 außer Kraft gesetzt worden waren.
Nunmehr erging für Hessen, gestützt auf § 14 des Hebammengesetzes, nach
Anhörung des Berufsverbandes der Hebammen die Verordnung der
Landesregierung über die Gewährleistung des Mindesteinkommens für
Hebammen vom 18.4.1955 GVBl. S. 18. Die Zuständigkeit der Landesregierung
wurde für die ehemals preußischen Gebietsteile daraus hergeleitet, daß nach § 24
Abs. 2 des hess . Gesetzes vom 7.5.1953 GVBl. S. 93 die Aufgaben der
aufgelösten Bezirksverbände, soweit sie nicht dem Landeswohlfahrtsverband
zugewiesen wurden, auf das Land übergegangen sind. Die VO. vom 18.4.1955
beziffert das vom Lande gesicherte Mindesteinkommen mit jährlich 1440 DM. In §
4 der bezeichneten VO. ist bestimmt, daß Hebammen, die in einem Kalenderjahr
in mehr als 150 Fällen Hebammenhilfe geleistet haben, folgende Beträge an das
Land Hessen abzuführen haben:
für die 151. bis 200. Geburt je 10 DM
für die 201. bis 250. Geburt je 25 DM
und für jede weitere Geburt je 40 DM.
Hierbei sind zwei Fehlgeburten einer Geburt gleichzustellen.
II.
Die Antragstellerinnen sind nach ihrer Angabe diejenigen Hebammen des Landes
Hessen, die im wesentlichen von der Abführungspflicht betroffen werden. Sie
machen geltend, daß die Abführungspflicht, die bisher allein im Lande Hessen
durchgeführt sei, gegen die in ihrem Antrag bezeichneten Grundrechte der
Hessischen Verfassung verstoße. Sie berufen sich darauf, daß aus Gründen des
Gemeinwohls dem Hebammenberuf weitgehende Verpflichtungen und
Beschränkungen auferlegt sind. Wenn dafür der Staat den Angehörigen dieses
staatlich gebundenen Berufs in höchst bescheidenen Rahmen ein
Mindesteinkommen gewährleiste, dann sei darin nichts weiter zu sehen als die
Erfüllung eines Teils der staatlichen Aufgaben im Interesse des Gemeinwohls. Aus
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Erfüllung eines Teils der staatlichen Aufgaben im Interesse des Gemeinwohls. Aus
der Tatsache der Erfüllung dieser selbständigen Pflicht im öffentlichen Interesse
könne nicht ein Anspruch des Staates gegenüber den stärker beschäftigten
Hebammen hergeleitet werden, ihn wirtschaftlich von den Lasten, die sich aus der
Erfüllung jener Verpflichtung ergeben, wieder freizustellen. Die Abführungspflicht
enthalte einen verfassungswidrigen Eingriff in die private Sphäre der
vielbeschäftigten Angehörigen des Hebammenberufs. Die Antragstellerinnen
haben daher beim Staatsgerichtshof Klage gegen das Land Hessen erhoben mit
dem Antrage zu erkennen:
§ 4 der VO. über die Gewährleistung des Mindesteinkommens für Hebammen vom
18.4.1955 (Hess. GVBl. S. 18) i. Verb. mit § 14 Abs. 4 des Hebammengesetzes
vom 21.12.1938 (RGBl. I S. 1893) verstößt gegen Art. 1, 2, 28, 33 und 45 der
Verfassung des Landes Hessen vom 1.12.1946.
Der Landesanwalt hat sich dem Verfahren angeschlossen. Er beantragt:
§ 4 der Hessischen Verordnung über die Gewährleistung des
Mindesteinkommens für Hebammen vom 18.4.1955 (GVBl. S. 18) verstößt gegen
Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 45 Absatz 2 Satz 2 der Hessischen Verfassung und
ist daher nichtig.
Der Hessische Ministerpräsident beantragt,
die Anträge als unzulässig zurückzuweisen,
hilfsweise
festzustellen, daß § 4 der Verordnung über die Gewährleistung des
Mindesteinkommens für Hebammen vom 18.4.1955 (GVBl. S. 18) nicht der
Hessischen Verfassung widerspricht.
Zur Begründung des Hauptantrags führt er aus, daß die angegriffene VO.
Bundesrecht und daher der Prüfung durch den Hessischen Staatsgerichtshof
entzogen sei.
III.
Die Antragstellerinnen sind zur Stellung ihres Antrages befugt. Gemäß § 45 Abs. 2
des Staatsgerichtshofsgesetzes (StGHG) ist "jedermann" zur Stellung eines
Antrages vor dem Hessischen Staatsgerichtshof befugt, in dem er geltend macht,
in einem ihm von der Hessischen Verfassung gewährten Grundrecht verletzt zu
sein. Diese Voraussetzung ist von den Antragstellerinnen erfüllt. Zwar ist in § 48
Abs. 1 StGHG bestimmt, daß der Staatsgerichtshof die Sache an das zuständige
Gericht verweisen soll, falls - wie hier - ein gerichtliches Verfahren noch nicht
anhängig ist. Jedoch kann von einer solchen Verweisung abgesehen werden, wenn
die Bedeutung der Sache über den Einzelfall hinausgeht. Das trifft hier insofern zu,
als die Entscheidung der Frage, ob § 4 der Verordnung vom 18.4.1955 gegen die
Grundrechte der Hessischen Verfassung (Art. 1 und 2) verstößt, nicht nur für die
Antragstellerinnen von Interesse ist, sondern eine allgemeine Bedeutung für alle
Hebammen hat, die in Hessen niedergelassen sind.
Gleichwohl ist der Hessische Staatsgerichtshof für die Entscheidung über den
gestellten Antrag nicht zuständig. Seine Zuständigkeit erstreckt sich grundsätzlich
nur auf hessisches Landesrecht. Steht dagegen Bundesrecht im Widerspruch zur
HV, so hat es gemäß Art. 31 GG den Vorrang vor dem Landesrecht. Dem
Hessischen Staatsgerichtshof steht keine Befugnis zu, die Gültigkeit des
Bundesrechts zu prüfen. Eine etwaige Verfassungswidrigkeit bundesrechtlicher
Bestimmungen kann nur in bezug auf das Grundgesetz und nur vor dem
Bundesverfassungsgericht angefochten werden (Art. 93 ff GG).
Die von den Antragstellerinnen angegriffene Verordnung vom 18.4.1955 ist von
der Hessischen Landesregierung auf Grund einer Ermächtigung erlassen, die in §
14 des Hebammengesetzes vom 21.12.1938 enthalten ist. Das Hebammengesetz
galt bei Inkrafttreten des Grundgesetzes als früheres Reichsrecht innerhalb der
amerikanischen Besatzungszone einheitlich. Es war daher gemäß Art. 125 Nr. 1
GG insoweit Bundesrecht geworden, als es Gegenstände der konkurrierenden
Gesetzgebung des Bundes betrifft. Die Befugnis des Bundes zur Gesetzgebung
auf dem Gebiete des Hebammenwesens kann nicht aus Art. 74 Nr. 11 GG
hergeleitet werden, da der Hebammenberuf kein Gewerbe ist (§ 2 Abs. 2 HebG).
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hergeleitet werden, da der Hebammenberuf kein Gewerbe ist (§ 2 Abs. 2 HebG).
Der Hebammenberuf gehört vielmehr zu den Heilberufen. Bei diesen ist zwar die
Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes nach Art. 74 Nr. 19 GG auf das
Zulassungswesen beschränkt; Artikel 125 Nr. 1 GG hat also nicht das
Hebammengesetz im ganzen zu Bundesrecht gemacht (ebenso BVerfGE 4,83 für
die Reichsärzteordnung). Daß die Gewährleistung eines Mindesteinkommens aber
zur Zulassung gehört, dürfte nicht zweifelhaft sein. Denn die den Hebammen mit
dem Erfordernis der Niederlassungserlaubnis und der Zuweisung eines
bestimmten Wohnsitzes auferlegten Einschränkungen können dazu führen, daß
ein Teil der Hebammen keine ausreichende Existenzmöglichkeit hat. Den
Ausgleich schafft eben die Garantie des Mindesteinkommens. Ist aber diese
Bestimmung eine Teilfrage der Zulassung (so auch Zimdars-Sauer-Koch-
Bernhardt Hebammengesetz 3. Aufl. 1955 Anm. zu § 25 S. 67), so liegt die
Annahme nahe, daß auch die Abführungspflicht der vielbeschäftigten Hebammen
im Zusammenhang mit der Zulassung steht. Denn sie haben durch die Zulassung
an einem besonders ertragreichen Orte einen Vorteil gegenüber ihren weniger
begünstigten Kolleginnen erlangt. Doch bedarf diese Frage keiner abschließenden
Beurteilung. Denn durch § 1 des Gesetzes vom 4.1.1954 ist eine
bundesgesetzliche Regelung erfolgt. Danach darf die Erlaubnis nur nach Maßgabe
der am 1.10.1945 geltenden Bestimmungen erteilt werden. Zu den mit der
Erlaubnis zur Berufsausübung zusammenhängenden Bestimmungen gehört aber,
daß den wenig beschäftigten Hebammen ein Zuschuss gewährt wird, während die
vielbeschäftigten einen Teil ihrer Einnahmen abzuführen haben. Daß dies die
zutreffende Auslegung des Begriffes "Erlaubnis" in dem Bundesgesetz ist, ergibt
sich auch daraus, daß der Gesetzgeber mit diesem Gesetz gerade die von der
amerikanischen Besatzungsmacht im Interesse der Berufsfreiheit beseitigten
Bestimmungen über die Niederlassungserlaubnis, das Mindesteinkommen und die
Abführungspflicht wieder in Kraft setzen wollte. Für die Prüfung, ob die
bundesrechtliche Regelung durch Art. 74 Nr. 19 GG gedeckt ist, ist aber der
Hessische Staatsgerichtshof nicht zuständig.
Die Antragstellerinnen greifen in rechtlicher Hinsicht sowohl den Grund als auch die
Höhe ihrer Verpflichtung zur Abgabe eines Teiles ihrer Einkünfte an. Soweit die
Antragstellerinnen sich gegen den Grund dieser Verpflichtung wenden, greifen sie
die Rechtsgültigkeit des Bundesrechts an; denn der Grund dieser Verpflichtung ist
in § 14 Abs. 4 des Hebammengesetzes enthalten. Gemäß Art. 31 GG bricht
Bundesrecht auch das Landesverfassungsrecht. Eine Nachprüfung daher, ob § 14
Abs. 4 HebG gegen die in der Hessischen Verfassung verbürgten Grundrechte der
Artikel 1, 2, 28, 33 und 45 verstößt, ist dem Hessischen Staatsgerichtshof
verwehrt.
Die Höhe der Abgabe, zu der die Hebammen verpflichtet sind, ist in § 4 der
Verordnung über die Gewährleistung des Mindesteinkommens für Hebammen
vom 18.4.1955 bestimmt. Die Frage, ob die von einer Landesregierung auf Grund
bundesgesetzlicher Ermächtigung erlassene Rechtsverordnung Bundesrecht oder
Landesrecht geworden ist, ist in Lehre und Wissenschaft nicht unbestritten. In
überwiegender Weise wird die Auffassung vertreten, daß die Rechtsverordnungen,
die von einer Landesregierung auf Grund einer reichs- oder bundesgesetzlichen
Ermächtigung erlassen sind, Reichs- bzw. Bundesrecht sind (vgl. Klein, Die
Übertragung rechtsetzender Gewalt im Rechtsstaat 1952 S. 32 mit zahlreichen
Nachweisungen).
Der Staatsgerichtshof schließt sich aus folgenden Erwägungen der herrschenden
Rechtsauffassung an: Die Rechtsquelle für den Erlass der
Ausführungsrechtsverordnung liegt nicht in der Gesetzgebungsbefugnis des
Landes, sondern in der des Bundes. Die nach der Landesverfassung zuständigen
Gesetzgebungsorgane sind bei dem Erlass von Ausführungsrechtsverordnungen
zu Bundesgesetzen grundsätzlich ausgeschaltet. Die Ermächtigung kann gemäß
Art. 80 GG - auf den für das vorkonstitutionelle Recht der Artikel 129 Abs. 1 GG
verweist - nur an die Bundesregierung, einen Bundesminister oder die
Landesregierungen erteilt werden. Die Gesetzgebungsorgane der Länder haben
keine Befugnis, eine von der Landesregierung auf Grund bundesgesetzlicher
Ermächtigung erlassene Rechtsverordnung abzuändern oder aufzuheben. Würde
eine solche Abänderung oder Aufhebung durch ein Landesparlament beschlossen,
so würde die bundesgesetzliche Regelung gemäß Art. 31 GG der landesrechtlichen
vorgehen. Die von der Landesregierung auf Grund bundesgesetzlicher
Ermächtigung erlassene Ausführungsrechtsverordnung kann daher schon deshalb
nicht als Landesrecht angesehen werden, weil keine landesrechtliche Verordnung
denkbar ist, die nicht den Landesgesetzgebungsorganen unterworfen ist und von
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denkbar ist, die nicht den Landesgesetzgebungsorganen unterworfen ist und von
ihnen abgeändert oder aufgehoben werden kann. Hinzu kommt, daß die zu einem
Gesetz erlassene Ausführungsrechtsverordnung keine selbständige Bedeutung
hat. Nur in Verbindung mit dem Gesetz ist sie verständlich. Sie vollendet das
Gesetz und macht es erst durch diese Vollendung praktisch anwendbar. Die
Rechtsverordnung ist daher nicht nur in ihrem Bestand, sondern auch in ihrem
Inhalt abhängig von dem Bundesgesetz. Diese Verbindung ist oft so eng, daß nur
schwer zu trennen ist, welche Gedanken bereits in dem Gesetz selbst und welche
erst in der Ausführungsrechtsverordnung enthalten sind.
Die Verordnung über die Gewährleistung des Mindesteinkommens für Hebammen
vom 18.4.1955, die von der Hessischen Landesregierung auf Grund der
bundesgesetzlichen Ermächtigung in § 14 HebG erlassen ist, ist daher
Bundesrecht. Dem Hessischen Staatsgerichtshof ist es versagt, in eine sachliche
Prüfung darüber einzutreten, ob die genannte Verordnung im Widerspruch zu der
Hessischen Verfassung steht. Die Anträge waren daher gemäß § 21 Abs. 1 StGHG
als unzulässig zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 24 StGHG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.