Urteil des StGH Hessen vom 15.03.2017

StGH Hessen: mandat, wählbarkeit, inkompatibilität, unvereinbarkeit, hessen, grundsatz der gleichbehandlung, ermächtigung, beschränkung, gewaltenteilung, öffentlicher bediensteter

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Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 539
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 3 GG, Art 19 Abs 4 GG, Art
137 GG, Art 131 Abs 3 Verf
HE, § 90 Abs 1 BVerfGG
(Hessen - Grundrechtsklage gegen verkündetes, aber noch
nicht in Kraft getretenes Gesetz)
Leitsatz
1. Die zwar verkündete, aber noch nicht in Kraft getretene Norm erzeugt faktische
Rechtswirkungen, durch die eine aktuelle Rechtsverletzung bereits hervorgerufen
werden kann.
(Passives Wahlrecht für Beamte - Wahl zwischen Mandat und Amt)
2. Eine verfassungsrechtlich zulässige Beschränkung des passiven Wahlrechts für
Beamte ist dann noch gegeben, wenn der Beamte eine Wahlmöglichkeit zwischen Amt
und Mandat hat, so daß seine Wählbarkeit als solche nicht berührt wird.
(Gleichheitssatz - Unterschiede bei Wahl im Landtag und Stadtparlament)
3. Daß der in das Stadtparlament oder Kreisparlament gewählte hauptamtliche
Gemeindebeamte oder Kreisbeamte entgegen der Regelung für Landesbeamte, die in
den Landtag gewählt worden sind, nicht in den Ruhestand versetzt oder unter
Fortzahlung eines Teiles seiner Bezüge beurlaubt werden kann, bedeutet keine
Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes.
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
1. Der Antragsteller ist als ... bei der Stadt ... tätig. In den Jahren 1956, 1960 und
1964 kandidierte er als Spitzenkandidat auf der CDU-Liste und wurde 1960
und 1964 zum Stadtverordnetenvorsteher der Stadtverordnetenversammlung
der Stadt ... gewählt. Anläßlich der Aufstellung der Kandidatenliste zur
Kommunalwahl 1968 wurde er gefragt, ob er erneut kandidiere. Er sah sich
hieran durch das Erste Gesetz über die Unvereinbarkeit von Amt und Mandat
vom 30. April 1968 (GVBl. I S. 120) – Erstes Unvereinbarkeitsgesetz –
gehindert. Dieses Gesetz hält er für verfassungswidrig, wie er sich auch durch
dieses in seinem Recht auf Wählbarkeit beeinträchtigt sieht.
Der Antragsteller, der sich auch an das Bundesverfassungsgericht gewendet hat,
hat mit Schriftsatz vom 7. Mai 1968 den Staatsgerichtshof angerufen mit dem
Begehren, der Staatsgerichtshof möge erkennen,
das Erste Gesetz über die Unvereinbarkeit von Amt und Mandat vom 30. April
1968 (GVBl. I S. 120) ist verfassungswidrig.
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Zur Begründung hat er ausgeführt:
Das Erste Unvereinbarkeitsgesetz mache ihm und dem betroffenen Personenkreis
den Zugang zu dem öffentlichen Amt des Stadtverordneten unmöglich. Weder
Grundgesetz noch Hessische Verfassung besagten, daß Amt und Mandat
unvereinbar seien. Eine Unvereinbarkeit ergebe sich auch nicht aus dem Prinzip
der Gewaltenteilung, das schon deshalb bei Gemeindebediensteten nicht
durchbrochen werde, weil diese in der Regel nur Ausführende seien. Solange
Minister ihr Abgeordnetenmandat behielten und im Bundesrat mitwirkten,
Wahlbeamte im Landtag säßen, kommunale Beamte und Angestellte dem
Kreistag und dem Kreisausschuß angehörten, Kreisbedienstete in die Parlamente
ihrer Wohnsitzgemeinden gewählt werden könnten, überwiegend von öffentlichen
Aufträgen lebende Mandatsträger vollwertige Stadtverordnete und
Kreistagsabgeordnete seien und der Bürger die Möglichkeit habe, an den
Fraktionssitzungen seiner Partei einwirkend teilzunehmen, werde der vom Gesetz
betroffene Personenkreis nicht nur benachteiligt, sondern gegenüber anderen
Bürgern auch ungleich behandelt.
Die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes hat der Antragsteller weiter
insbesondere damit begründet, daß die nach Art. 137 GG mögliche Einschränkung
der Wählbarkeit von öffentlichen Bediensteten durch das Erste
Unvereinbarkeitsgesetz in einen völligen Wegfall der Wählbarkeit umgewandelt
worden sei, da eine Mitgliedschaft in der Stadtverordnetenversammlung nur mit
der totalen Vernichtung der Existenz erkauft werden könne. Dagegen schlössen
das Gesetz über die Rechtsstellung der in den Deutschen Bundestag gewählten
Angehörigen des öffentlichen Dienstes vom 4. August 1953 und die §§ 62 ff HBG
die Bundes- und Landesbediensteten von der Wählbarkeit in den Bundestag oder
Landtag nicht schlechthin aus, sondern beließen ihnen einen beamtenähnlichen
Status durch Versetzung in den Ruhestand oder Beurlaubung, so daß sie ihr
Mandat ausüben könnten, ohne dadurch berufliche oder materielle Nachteile zu
erleiden. Ihre wohlerworbenen Rechte würden nicht geschmälert. Für die
Kommunalbeamten fehle dagegen eine ähnliche Regelung; es bleibe ihnen
lediglich die Wahl zwischen Verzicht auf das Mandat oder Verzicht auf das Amt. Da
Art. 137 GG die Bediensteten von Bund, Ländern und Gemeinden in einem
unmittelbaren Zusammenhang aufführe, müsse gefolgert werden, daß für die
Beschränkung der Wählbarkeit auch gleiche Voraussetzungen zu fordern seien.
Hier würden jedoch gleiche Personengruppen ungleich behandelt.
Auch von anderer Seite werde die getroffene Regelung verfassungsrechtlich als
nicht unproblematisch betrachtet. Es erhebe sich die Frage, ob sie überhaupt noch
als Inkompatibilitätsvorschrift angesprochen werden könne oder ob sie in ihren
praktischen Auswirkungen nicht vielmehr eine Ineligibilität des betroffenen
Personenkreises statuiere. Dies sei im Hinblick auf den Wortlaut des Art. 137 GG
bedenklich. Die Kommunalwahlen 1968 müßten wahrscheinlich als ungültig
angesehen werden, weil einem bestimmten Personenkreis das passive Wahlrecht
genommen und dieser dadurch schlechter als jeder andere Staatsbürger gestellt
werde. Im übrigen weist der Antragsteller auf die Entscheidung des
Wahlprüfungsgerichts beim Landtag Rheinland-Pfalz vom 19. Dezember 1967 hin.
2. Den Mitgliedern der Landesregierung, dem Landtage des Landes Hessen
sowie dem Vorsitzenden und dem Berichterstatter des Landtagsausschusses,
die mit den Vorarbeiten für das Erste Gesetz über die Unvereinbarkeit von
Amt und Mandat befaßt waren, ist gemäß Art. 131 HV, § 42 Abs. 2 StGHG
Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden. Der Präsident des Landtags hat
dem Staatsgerichtshof mitgeteilt, daß der Landtag sich dem Verfahren nicht
anschließe. Außer dem Hessischen Ministerpräsidenten haben die Mitglieder
der Landesregierung keine Stellungnahme abgegeben.
3. Der Hessische Ministerpräsident hat in eingehenden Rechtsausführungen sich
zu der Verfassungsmäßigkeit des Ersten Unvereinbarkeitsgesetzes geäußert.
Er hält den Antrag für zulässig, hat jedoch Zweifel, ob das Gesetz in dem von
dem Antragsteller angestrebten Umfang an der Hessischen Verfassung
gemessen werden könne. Im übrigen sei der Antrag unbegründet. Er hat
folgende rechtliche Erwägungen besonders herausgestellt:
Als verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab komme ausschließlich die
Ermächtigungsvorschrift des Art. 137 Abs. 1 GG in Betracht, den anzuwenden dem
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Ermächtigungsvorschrift des Art. 137 Abs. 1 GG in Betracht, den anzuwenden dem
Staatsgerichtshof untersagt sei. Soweit diese Ermächtigung reiche, könnten der
Festlegung von Inkompatibilitäten weder Bundes- noch Landesgrundrechte
entgegenstehen. Zweck der Bestimmung sei es, die Gesetzgebungsorgane von
den grundrechtlichen Bindungen freizustellen, die Grundgesetz oder
Landesverfassung einer Festlegung von Inkompatibilitäten entgegensetzen
könnten. Für den Landesgesetzgeber werde entgegenstehendes
Landesverfassungsrecht beiseite geschoben. Entscheidend sei die Einhaltung der
Ermächtigung. Diese Überlagerung der Landesverfassung gelte für alle Fragen, die
von Art. 137 GG unmittelbar entschieden seien, wie insbesondere die Abgrenzung
des erfaßten Personenkreises und der Umfang der zulässigen Einschränkung
(Ineligibilität oder Inkompatibilität). Mit der Entscheidung des Grundgesetzes seien
alle Abgrenzungsschwierigkeiten ausgeräumt; eine Heranziehung der –
unterschiedlichen – Landesverfassungen müßte zu unterschiedlichen Ergebnissen
in den Ländern führen. Selbst wenn man für die grundsätzlich zulässige
Beschränkung der Wählbarkeit im einzelnen Falle noch besondere rechtfertigende
Gründe verlangte, bliebe der Prüfungsmaßstab weiter Bundesrecht;
rangniedrigeres Landesverfassungsrecht könnte nicht Art. 137 GG überlagern. Art.
142 GG halte die Landesgrundrechte nicht entgegen Art. 137 Abs. 1 GG aufrecht;
vielmehr seien die Landesgrundrechte insoweit unwirksam.
Die Landesverfassung könne nur herangezogen werden, soweit Art. 137 GG dem
Landesgesetzgeber Spielraum gelassen habe. Ein solcher bestehe für die Auswahl
der Gruppen, deren Wählbarkeit beschränkt werden solle, und für die Abstufung
der Folgen, die sich aus der Annahme einer Wahl im Inkompatibilitätsfalle ergäben.
In diesem Bereich sei der landesrechtliche Gleichheitssatz zu berücksichtigen.
Wenn der Landesgesetzgeber die Befugnis nach Art. 137 GG nicht voll ausschöpfe
und nur eine Teilregelung treffe, dürfe er keine sachwidrigen Unterschiede
zwischen den einzelnen Gruppen von Bediensteten machen; etwaige Unterschiede
in den Rechtsfolgen bei der Annahme einer Wahl müßten auf sachgerechten
Erwägungen beruhen. In diesem eingeschränkten Umfang könne der
Staatsgerichtshof das angefochtene Gesetz an Art. 1 HV als dem die
Wahlrechtsgleichheit miteinschließenden Grundrecht messen. Soweit die zur
Prüfung gestellte Regelung an Art. 1 HV gemessen würde, beständen keine
verfassungsrechtlichen Bedenken.
Der Antragsteller sei gegenüber anderen Beamtengruppen weder durch die
Festlegung der Inkompatibilität noch durch deren Ausgestaltung im einzelnen
benachteiligt. Soweit die Unterschiede in der Rechtsstellung des Antragstellers zur
Rechtsstellung der von ihm zum Vergleich genannten Personengruppen nicht
inzwischen weggefallen oder von vornherein unbeachtlich seien, beruhten sie auf
sachgerechten Erwägungen.
Der Ministerpräsident führt im einzelnen aus, daß eine differenzierende
Betrachtung angesichts der großen Zahl der in Gemeinderäten und Kreistagen zu
besetzenden Mandate geboten sei, Für den Fall, daß sich der Staatsgerichtshof in
vollem Umfange zur Nachprüfung des angefochtenen Gesetzes für befugt halte,
wird in Hilfserwägungen ausgeführt, daß rechtfertigende Gründe für die Einführung
einer Inkompatibilität zwischen Gemeindeamt und Mandat in der gleichen
Gemeinde vorlägen und daß die Alternative zwischen Ausschlagung des Mandats
oder Ausscheiden aus dem Dienst ohne finanziellen Ausgleich nicht die Grenze
zwischen Beschränkung der Wählbarkeit und Ausschluß der Wählbarkeit
überschreite.
4. Der Landesanwalt faßt den Antrag als Grundrechtsklage nach §§ 45 ff StGHG
auf. Er hält diese trotz gewisser Zweifel dann für zulässig, wenn man davon
ausgehe, daß sich der Antragsteller bei der Kommunalwahl am 20. Oktober
1968 um ein Mandat als Stadtverordneter habe bewerben wollen. Indes sei die
Grundrechtsklage dann aber unbegründet. Die Befugnis des Gesetzgebers, die
Wählbarkeit von Gemeindebeamten zur Gemeindevertretung zu beschränken,
ergebe sich aus Art. 137 Abs. 1 GG, der die organisatorische Gewaltenteilung
gegen Gefahren sichern wolle, die durch eine Personalunion zwischen einem
Exekutivamt und einem Abgeordnetenmandat – auch auf der Ebene der
Gemeinden – entstehen könnten. Verwaltungsbeamte sollten nicht derjenigen
Vertretungskörperschaft angehören, der eine Kontrolle über ihre Behörde
obliege. Dieser Tatbestand liege hier vor. Art. 1 des Ersten
Unvereinbarkeitsgesetzes vom 30. April 1968 beinhalte nur eine zulässige
Beschränkung, keinen völligen Ausschluß des Zugangs zum Mandat.
Besonderer Rechtfertigungsgründe neben der Ermächtigung aus Art. 137 Abs.
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Besonderer Rechtfertigungsgründe neben der Ermächtigung aus Art. 137 Abs.
1 GG bedürfe die Regelung unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes
nicht, weil die Gefahr der Interessenkollision auf derselben Verwaltungsebene
ohne weiteres begründet sei. Das Ziel des Gesetzgebers, nämlich die
Verwirklichung des Grundsatzes der Gewaltentrennung auf der Ebene der
Gemeinden, habe den Vorrang. Es könne daher nicht geltend gemacht
werden, daß im Einzelfall die wirtschaftlichen Verhältnisse des Bediensteten es
nicht zuließen, sein Dienstverhältnis aufzugeben, um ein Mandat als
Stadtverordneter anzunehmen. Der Antragsteller könne sich auch nicht darauf
berufen, daß in den von ihm genannten Fällen Inkompatibilitäten nicht oder
noch nicht eingeführt seien. Art. 137 Abs. 1 GG gewähre dem Gesetzgeber
einen Ermessensspielraum, die Voraussetzungen, unter denen ein Amt mit
einem Mandat unvereinbar sein solle, zu bestimmen und zwischen den
Unvereinbarkeiten auf derselben und auf verschiedenen Ebenen zu
differenzieren. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes, insbesondere ein
Willkürakt, läge nur vor, wenn es für die gesetzliche Regelung keine
vernünftigen sachlichen Gründe gäbe. Im übrigen verweist der Landesanwalt
auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 12, 73 und
18, 172 sowie auf die Entscheidung des Wahlprüfungsgerichts be Landtag
Rheinland-Pfalz vom 19. Dezember 1967.
II.
Der Antrag kann keinen Erfolg haben.
1. Das Vorbringen des Antragstellers läßt nicht eindeutig erkennen, in welchen
der nach der Hessischen Verfassung – HV – und nach dem Gesetz über den
Staatsgerichtshof – StGHG – vorgesehenen Verfahrensarten er seinen Antrag
zu verfolgen beabsichtigt. Der Antragsteller wendet sich jedenfalls gegen das
Erste Gesetz über die Unvereinbarkeit von Amt und Mandat vom 30. April
1968 (GVBl. Teil I S. 120) – Erstes Unvereinbarkeitsgesetz –, das am 1.
November 1968 in Kraft getreten ist. Sofern er die Rechtswirksamkeit dieses
Gesetzes mit einer Normenkontrolle (abstrakte Normenkontrolle nach Art.
131, 132 HV in Verbindung mit §§ 41 ff StGHG) anfechten will, ist sein Antrag
unzulässig. Der Antragsteller gehört nicht zu dem Kreis derjenigen, die
berechtigt sind, ein Normenkontrollverfahren einzuleiten. Nur die in Art. 131
Abs. 2 HV genannten Antragsberechtigten – eine Gruppe von
Stimmberechtigten, die mindestens ein Hundertstel aller Stimmberechtigten
des Volkes erreicht, der Landtag, ein Zehntel der gesetzlichen Zahl seiner
Mitglieder, die Landesregierung sowie der Ministerpräsident, zu denen gemäß
§§ 41 Abs. 2, 17 Abs. 2 Nr. 6 StGHG der Landesanwalt hinzutritt – können den
Staatsgerichtshof anrufen. Sofern der Antragsteller dagegen behauptet, das
Erste Unvereinbarkeitsgesetz verletze sein Grundrecht auf Gleichbehandlung
(Art. 1 HV), nämlich der Wahlrechtsgleichheit hinsichtlich seiner Wählbarkeit
zur Gemeindevertretung, stellt sein Vorbringen eine Grundrechtsklage nach
Art. 131 Abs. 1 HV in Verbindung mit §§ 45 ff StGHG dar.
2. Die Grundrechtsklage ist zulässig.
Ihr steht nicht entgegen, daß sie unmittelbar gegen ein Gesetz gerichtet ist.
Voraussetzung ist allerdings, daß die angegriffene Rechtsnorm ein Grundrecht des
Antragstellers gegenwärtig und unmittelbar verletzt, ohne daß eine
Ausführungsnorm oder ein Vollziehungsakt hinzutreten müßte. Nur in einem
solchen Ausnahmefalle fehlt dem Betroffenen überhaupt die Möglichkeit, den
Rechtsweg zu beschreiten (vgl. Hess. StGH in ständiger Rechtsprechung, vielfach
ohne nähere Begründung, vgl. z. B. P. St. 62 = StAnz. 1950 Nr. 37 Beil. Nr. 7 unter
VI a; P. St. 68 = StAnz. 1955 S. 827; P. St. 73; P. St. 76 = StAnz. 1951 S. 531 und
1952 S. 516; P. St. 107; zuletzt Urteil vom 25. Mai 1966 – P. St. 412 –, StAnz. 1966
S. 854 = ESVGH 17, 38 = DVBl. 1966, 825; siehe ferner Barwinski in Zinn-Stein,
Verfassung des Landes Hessen, Kommentar, 2. Aufl. 1963, Teil C, Anm. B IV 2 und
18 e zu Art. 131). Der Staatsgerichtshof stimmt insoweit jedenfalls im Ergebnis mit
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überein, das seit der
Entscheidung in BVerfGE 1, 97 (Leitsatz Nr. 2) in ständiger Rechtsprechung – trotz
der umfassenden kritischen Ausführungen Bettermanns (Zur
Verfassungsbeschwerde gegen Gesetze, AÖR 86 (1961), 129 ff, mit einem
Nachwort von Bachof, aaO, 186 ff) – als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer
Verfassungsbeschwerde gegen ein erlassenes Gesetz annimmt, daß ein
Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch das Gesetz, nicht
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Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch das Gesetz, nicht
erst mittels eines Vollziehungsaktes, in einem Grundrecht verletzt ist (vgl. weiter
BVerfGE 1, 208 (237); 1, 264 (269/70); 3, 19 (23); 3, 58 (74); 3, 162 (170); 3, 288
(298); 3, 383 (392); 4, 7 (11); 5, 77 (81); 6, 273 (277); 6, 290 (295); 9, 338 (341);
10, 89 (95); 10, 354 (360); 11, 30 (38); 11, 266 (270); 11, 351 (358); 12, 10 (22);
12, 73 (76); 12, 319 (321); 12, 354 (361); 12, 225 (227); 13, 237 (239); 13, 248
(253); 14, 19 (21); 14, 25 (28); 14, 260 (262); 18, 310 (313)). Danach fällt die
Rechtsetzung, die zwar nicht zur "öffentlichen Gewalt" im Sinne von Art. 19 Abs. 4
GG gehört (vgl. BVerfGE 24, 33 (49 – 51)), unter den "weit zu fassenden" Begriff
"öffentliche Gewalt" im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG. Dies folgt nicht nur aus der
überragenden Bedeutung der rechtsetzenden Gewalt für den Bereich staatlicher
Willensbildung und dem Zweck der Verfassungsbeschwerde, eine umfassende
Sicherung gegen alle Grundrechtsverletzungen öffentlicher Gewalt zu gewähren,
sondern ergibt sich auch ausdrücklich aus dem Wortlaut der §§ 31 Abs. 2, 93 Abs.
2 und 3 sowie 95 Abs. 3 BVerfGG, die die Voraussetzungen und die Wirkung von
Verfassungsbeschwerden gegen Gesetze regeln (vgl. Maunz/Sigloch/Schmidt-
Bleibtreu/Klein, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 1967, RdNr. 77 zu § 90;
Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 3. Aufl. RdNr. 7 zu Art. 93; Leibholz/Rupprecht,
Bundesverfassungsgerichtsgesetz, RdNr. 30 und 31 zu § 90). Wenn auch die
Hessische Verfassung und das Gesetz über den Staatsgerichtshof nicht mit der
grundgesetzlichen Regelung und dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz insoweit
übereinstimmen, trägt der Staatsgerichtshof dennoch keine Bedenken, dieselben
Grundsätze bei einer gegen Rechtsnormen gerichteten Grundrechtsklage
anzuwenden. Denn auch in Hessen kann jeder, der sich in seinen
verfassungsrechtlich gewährten Grundrechten verletzt fühlt, Grundrechtsklage
erheben (Art. 131 Abs. 3 HV in Verbindung mit § 45 Abs. 2 StGHG), also auch,
wenn er durch eine verfassungswidrige Rechtsnorm verletzt wird.
Gegen das Vorliegen der genannten besonderen Voraussetzungen für die
Zulässigkeit einer Grundrechtsklage gegen Normen bestehen keine
durchgreifenden Bedenken, auch wenn diese Voraussetzungen mit Rücksicht auf
das Gebot der Gewaltenteilung und die Stellung des Staatsgerichtshofs streng zu
handhaben sind. Weder genügt die Behauptung, daß der Antragsteller "selbst
gegenwärtig und unmittelbar durch das Gesetz, nicht erst mit Hilfe eines
Vollziehungsaktes, in einem Grundrecht verletzt sei" (so noch BVerfGE 1, 97 (101);
diese mißverständliche Formulierung wird in späteren einschlägigen Erkenntnissen
des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr verwendet), noch setzt die
Zulässigkeit der Grundrechtsklage voraus, daß der Antragsteller "selbst,
gegenwärtig und unmittelbar durch das Gesetz oder die Rechtsverordnung und
nicht erst mit Hilfe eines Vollziehungsaktes verletzt" ist (so BVerfGE 18, 310
(313)). Vielmehr ist die gegen Rechtsnormen gerichtete Grundrechtsklage nur
zulässig, wenn der Antragsteller durch die angegriffenen Vorschriften tatsächlich
selbst, gegenwärtig und unmittelbar rechtlich betroffen wird (vgl. BVerfGE 6, 273
(277); 13, 225 (227); 13, 237 (239); 20, 283 (290)). Nur so kann die
Grundrechtsklage von der Popularklage und der abstrakten Normenkontrolle
unterschieden werden. Hierauf weisen Leibholz/Rupprecht (aaO, RdNr. 32 zu § 90
BVerfGG), Bettermann (aaO), Maunz/Sigloch/Schmidt-Bleibtreu/Klein (aaO, RdNr.
94, 95, 98 zu § 90 BVerfGG), Pfeiffer (Die Verfassungsbeschwerde in der Praxis,
1959, S. 13) wie auch das Bundesverfassungsgericht selbst (BVerfGE 13, 1 (9)) mit
Recht ausdrücklich hin.
Das Erfordernis der Selbstbetroffenheit ist hier ohne weiteres gegeben. Das Erste
Gesetz über die Unvereinbarkeit von Amt und Mandat berührt den Antragsteller in
seinen eigenen Rechten dadurch, daß er als hauptamtlicher Beamter der
Gemeinde nicht mehr Gemeindevertreter sein kann. Sinn und Zweck des
Gesetzes greifen somit in seine Rechtssphäre ein.
Die gegenwärtige Betroffenheit setzt eine "aktuelle" Verletzung – nicht bloß
"virtuelle" oder künftige Betroffenheit – des Antragstellers voraus (vgl. BVerfGE 1,
102; 1, 264 (270)). Das ist in der vorliegenden Sache auch der Fall. Das
angegriffene Gesetz war zum Zeitpunkt der Anrufung des Staatsgerichtshofs
bereits verkündet, wenn auch noch nicht in Kraft getreten. Die Frage, ob von
einem verkündeten, aber noch nicht in Kraft getretenen Gesetz bereits eine
gegenwärtige Beschwer ausgehen kann, hat das Bundesverfassungsgericht
dahingestellt gelassen (BVerfGE 18, 1 (11 f)). Wenn auch gegen Gesetze die
Verfassungsbeschwerde regelmäßig erst nach dem Inkrafttreten der Regelung
eingelegt werden kann- erst nach Inkrafttreten des Gesetzes kann formal ein
Eingriff der öffentlichen Gewalt mit der Folge einer Grundrechtsverletzung in
Betracht kommen –, muß sie jedoch dann bejaht werden, wenn – wie hier – das
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Betracht kommen –, muß sie jedoch dann bejaht werden, wenn – wie hier – das
Inkrafttreten unmittelbar bevorsteht. Es wäre formalistisch, die Aktualität eines mit
Gewißheit eintretenden Ereignisses zu verneinen. Die zwar verkündete, aber noch
nicht in Kraft getretene Norm erzeugt jedenfalls schon faktische Rechtswirkungen
(wohl ebenso Leibholz/Rupprecht, aaO, RdNr. 34 zu § 90 BVerfGG;
Maunz/Sigloch/Schmidt-Bleibtreu/Klein, aaO, RdNr. 89 zu § 90 BVerfGG, Fußnote 2
auf S. 77). Von der gerügten Gesetzesbestimmung wurde der Antragsteller
jedenfalls aktuell im Hinblick auf die bevorstehenden Kommunalwahlen und seine
Entschließung zu einer Kandidatur betroffen. Er ist auch jetzt noch nach
Durchführung der Kommunalwahlen von ihr insofern betroffen, als er seine
politische Laufbahn auf örtlicher Ebene beenden mußte. Hierbei ist es gleichgültig,
ob der Antragsteller bereits als Wahlbewerber aufgetreten ist, oder ob er im
Hinblick auf die demnächst in Kraft tretende Rechtslage hiervon Abstand
genommen hat. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde
gegen ein Wahlgesetz sogar dann zugelassen, wenn der Beschwerdeführer bisher
nicht als Wahlbewerber aufgetreten war (BVerfGE 13, (11)). Will der Antragsteller
sich für künftige Gemeindewahlen die Möglichkeit offenhalten, wieder als
Wahlbewerber aufzutreten, so mußte er seine verfassungsrechtlichen Bedenken
gegen die nach seiner Auffassung die Wahlgleichheit verletzenden Bestimmungen
geltend machen.
Die unmittelbare Betroffenheit des Antragstellers durch das Gesetz liegt
schließlich auch vor. Daß erst ein besonderer, vom Willen der vollziehenden Gewalt
getragener Verwaltungsakt den Antragsteller in seinen Rechten treffen könnte, ist
schwerlich denkbar. Die Freiheit des Entschlusses zu kandidieren, wird dadurch
betroffen, daß das Gesetz ihm eine spätere Alternativentscheidung abverlangt, die
seine wirtschaftliche Existenz berührt. Im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung von
Verfassungsbeschwerden hat das Bundesverfassungsgericht einen unmittelbaren
Eingriff in die Rechtsstellung eines Beschwerdeführers gerade auf dem Gebiete des
Wahlrechts bejaht (vgl. BVerfGE 1, 208 (237); 3, 19 (23); 3, 383 (392); 5, 77 (81);
6, 121 (128); 7, 63 (66); 11, 266 (270); 11, 351 (358); 12, 10 (22); 12, 73 (76); 13,
1 (10)).
Nach § 48 Abs. 3 StGHG findet ein Verfahren vor dem Staatsgerichtshof wegen
Verletzung eines Grundrechts nur statt, wenn der Antragsteller eine Entscheidung
des höchsten in der Sache zuständigen Gerichts herbeigeführt hat und innerhalb
eines Monats seit Zustellung dieser Entscheidung den Staatsgerichtshof anruft.
Diese Bestimmung berücksichtigt jedoch nicht die gegen ein Gesetz unmittelbar
erhobene Grundrechtsklage. Eine Vorschrift wie § 93 Abs. 2 BVerfGG, wonach die
Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz nur binnen eines Jahres seit dem
Inkrafttreten des Gesetzes erhoben werden kann, fehlt in dem Gesetz über den
Staatsgerichtshof. Indes kann der Staatsgerichtshof die Frage, wie diese Lücke zu
füllen ist, hier unbeantwortet lassen. Es kann dahingestellt bleiben, ob man mit
dem Bundesverfassungsgericht den Standpunkt vertritt, daß eine
Verfassungsbeschwerde (Grundrechtsklage) gegen Gesetze wegen der Tragweite
eines solchen Eingriffs aus Gründen der Rechtssicherheit an eine eng zu
bemessende Frist gebunden ist (vgl. BVerfGE 11, 255 (260); 18, 1 (9); Beschluß
vom 6. März 1968, MDR 1968, 642 = NJW 1968, 1371), oder ob etwa mangels
gesetzlicher Regelung überhaupt keine Frist zu laufen beginnt. Der Antragsteller
hat jedenfalls zu dem denkbar frühesten Zeitpunkt seine Grundrechtsklage
erhoben. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 3 StGHG sind im übrigen
auch gegeben.
3. Die Grundrechtsklage ist aber nicht begründet.
a) Die Befugnis des Gesetzgebers, die Wählbarkeit von Gemeindebeamten in die
Gemeindevertretung zu beschränken, beruht auf Art. 137 GG. Die
Bestimmung bildet die verfassungsmäßige Grundlage der Einschränkungen
des passiven Wahlrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes – Beamte,
Angestellte des öffentlichen Dienstes, Berufssoldaten und freiwillige Soldaten
auf Zeit zufolge der Grundgesetzänderung vom 19. März 1956 (BGBl. I S.
111), sowie Richter – im gesamten Geltungsbereich des Grundgesetzes, also
im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden; sie ermächtigt allgemein und
ohne bestimmten Adressaten, d. h. ohne Bestimmung der Berufsgruppen
nach dem Dienstherrn, zur Beschränkung der Wählbarkeit der genannten
Gruppen öffentlicher Bediensteter durch einfaches Gesetz (vgl. Maunz-Dürig,
Kommentar zum Grundgesetz, RdNr. 8 und 9 zu Art. 137). Wer Beamter ist,
bestimmt sich nach dem allgemeinen Beamtenrecht, so wie es in den
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bestimmt sich nach dem allgemeinen Beamtenrecht, so wie es in den
Beamtengesetzen (BBG, BRRG, Beamtengesetze der Länder) enthalten ist
(vgl. BVerfGE 18, 172 (180); Maunz-Dürig, aaO, RdNr. 4 zu Art. 137 GG), hier
also nach dem Hessischen Beamtengesetz – HBG –.
Im Bund und in allen Bundesländern sind gesetzliche Regelungen erlassen worden,
die eine Trennung von Amt und Mandat – in verschiedenem Umfange – vorsehen.
Darauf brauch hier nicht näher eingegangen zu werden (vgl. im einzelnen Sturm,
Die Inkompatibilität, Eine Studie zum Problem der Unvereinbarkeiten im geltenden
deutschen Staatsrecht, Diss. München 1967; Kriegbaum, Das Bayerische
Rechtsstellungsgesetz und die Unvereinbarkeit von Amt und Mandat in Bund und
Ländern, ZBR 1967, 234; v. Unruh/Frotscher, Die Entwicklung des
Inkompatibilitätsprinzips im neueren deutschen Verfassungsrecht, DVBl. 1969,
821; Thiele, Zur Problematik dar Inkompatibilität im kommunalen Bereich, DVBl.
1969, 825). Es genügt, auf die Regelungen des Bundes und des Landes Hessen
hinzuweisen, auf die sich der Antragsteller zum Vergleich bezogen hat.
Der Bundesgesetzgeber hat von der Möglichkeit der Einführung gewisser
Inkompatibilitäten im Gesetz über die Rechtsstellung der in den Deutschen
Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes vom 4. August 1953
(BGBl. I S. 777) – Rechtsstellungsgesetz –, zuletzt geändert durch das Gesetz vom
21. August 1961 (BGBl. I S. 1557), und im Soldatengesetz vom 19. März 1956
(BGBl. I S. 114) Gebrauch gemacht. Hiernach treten Beamte, Angestellte, Richter
bzw. Soldaten – ohne Rücksicht darauf, in wessen Dienst sie stehen – mit dem Tag
der Annahme der Wahl in den Ruhestand, erhalten Ruhegehalt und besitzen das
Recht, sich nach Beendigung ihres Mandats wieder in das frühere Dienstverhältnis
übernehmen zu lassen. Eine ähnliche Ermächtigung für den Landesgesetzgeber
enthält § 33 des Beamtenrechtsrahmengesetzes – BRRG – in der Fassung vom 22.
Oktober 1965 (BGBl. I S. 1753). Diese bundesgesetzliche Regelung findet keine
Anwendung auf Hochschullehrer, Ehrenbeamte, Wahlbeamte auf Zeit sowie auf
nicht fest besoldete Personen, deren Rechtsstellung zu regeln den
Landesgesetzgebern überlassen blieb. Diese Inkompatibilitätsregelung des
Bundes hat auf die Einführung und Ausgestaltung entsprechender Regelungen der
Länder keinen Einfluß.
Im Lande Hessen bestand zunächst nur die – durch die späteren
Inkompatibilitätsvorschriften nicht betroffene – Regelung, daß keine
Landesbeamten mit Dienstbezügen und Angestellten des Landes mit Ausnahme
der Ehrenbeamten, Hochschullehrer und Beamten im Vorbereitungsdienst dem
Landtag angehören dürfen, solange sie in den aktiven Staatsdienst eingegliedert
sind. Sie gelten mit Annahme der Wahl für die Dauer ihrer Mitgliedschaft im
Landtag als beurlaubt und erhalten einen Teil ihrer Dienstbezüge weiter (§§ 62 ff, §
215 Abs. 3 HBG in der Fassung vom 10. Januar 1967 (GVBl. I S. 10)); für Richter gilt
dieselbe Regelung (§ 2 Hessisches Richtergesetz). Beamte der Gemeinden und
Gemeindeverbände einschließlich der kommunalen Wahlbeamten und Beamte der
sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und
Stiftungen des öffentlichen Rechts blieben bisher als Mitglieder des Landtags im
Amt und erhielten lediglich die zur Ausübung ihres Mandats erforderliche
Dienstbefreiung (§ 106 Abs. 3 Satz 1 HBG), ebenso Angestellte des öffentlichen
Dienstes (§ 215 Abs. 2 HBG). Für die kommunalen Vertretungskörperschaften in
Hessen war bisher lediglich bestimmt, daß Bürgermeister und Beigeordnete der
Gemeinde nicht gleichzeitig der Gemeindevertretung, Landräte und
Kreisbeigeordnete nicht gleichzeitig dem Kreistag angehören können (§§ 65 Abs.
2, 79 Abs. 2 Hessische Gemeindeordnung in der Fassung vom 1. Juli 1960 (GVBl.
S. 103, 164), zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. Juli 1966 (GVBl. I S. 151), –
HGO –, § 36 Satz 3 Hessische Landkreisordnung in der Fassung vom 1. Juli 1960
(GVBl. S. 131), zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. Juli 1966 (GVBl. I S. 151), –
HZO –). Die Inkompatibilitätsvorschriften beschränkten sich mithin nur zuf einen
Teil des Geltungsbereichs des Hessischen Beamtengesetzes. Insoweit haben das
Erste Unvereinbarkeitsgesetz und das Zweite Gesetz über die Unvereinbarkeit von
Amt und Mandat vom 31. März 1969 (GVBl. I S. 43) – Zweites
Unvereinbarkeitsgesetz – entschiedenen Wandel geschaffen. Das Erste
Unvereinbarkeitsgesetz hat im kommunalen Bereich in vollem Umfang den
Grundsatz verwirklicht, daß "niemand in einem bestimmten Gemeinwesen ein Amt
innehaben und gleichzeitig der Vertretungskörperschaft desselben Gemeinwesens
als Mitglied angehören darf" (vgl. Drucksache Nr. 1156 des Hessischen Landtags,
VI. Wahlperiode, Begründung der Vorlage der Landesregierung, I. Allgemeines).
Der durch Art. 1 des Ersten Unvereinbarkeitsgesetzes in die Hessische
Gemeindeordnung eingefügte § 37 bestimmt, daß hauptamtliche Beamte und
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Gemeindeordnung eingefügte § 37 bestimmt, daß hauptamtliche Beamte und
Angestellte der Gemeinde oder einer gemeinschaftlichen Verwaltungseinrichtung,
an der die Gemeinde beteiligt ist, nicht Gemeindevertreter sein können. Das
gleiche gilt für hauptamtliche Beamte und Angestellte einer Körperschaft, Anstalt,
Stiftung oder Gesellschaft, an der die Gemeinde maßgeblich beteiligt ist. In die
Hessische Landkreisordnung ist durch Art. 2 des Ersten Unvereinbarkeitsgesetzes
mit § 27 eine entsprechende Bestimmung eingefügt worden. Das Zweite
Unvereinbarkeitsgesetz erweitert die Inkompatibilität auf alle Beamten mit
Dienstbezügen und auf alle Angestellten des öffentlichen Dienstes im
Geltungsbereich des Hessischen Beamtengesetzes und bezieht auch die in den
Bundestag gewählten Wahlbeamten auf Zeit ein.
Der Staatsgerichtshof vermag der Ansicht des Antragstellers, daß gleiche
Personengruppen ungleich behandelt würden, nicht zu folgen. Es liegt weder ein
Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 1 HV) vor, noch statuiert die in § 37
HGO getroffene Regelung praktisch die Ineligibilität und nicht nur eine
Inkompatibilität von Amt und Mandat.
Daß die Beschränkung der Wählbarkeit für alle in Betracht kommenden
Möglichkeiten in gleicher Weise durchgeführt werden müßte, ist nicht der Fall;
ebensowenig wird der von § 37 HGO betroffene Personenkreis in
verfassungswidriger Weise einseitig benachteiligt und gegenüber den anderen
Bürgern und Beamtengruppen ungleich behandelt. Dies ergibt sich aus folgenden
rechtlichen Erwägungen.
aa) Der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Staatsbürger enthält den
allgemeinen Anspruch auf Gewährung gleichen aktiven und passiven
Wahlrechts in formal möglichst gleicher Weise, wie er für die Wahl der
Abgeordneten des Deutschen Bundestags in Art. 38 GG, für die Wahl der
Abgeordneten des Hessischen Landtags in den Art. 75, 76 HV seinen
gesonderten Ausdruck gefunden hat. Der Grundsatz der Wahlgleichheit
beläßt dem Gesetzgeber auf dem Gebiet des Wahlrechts nur einen engen
Ermessensspielraum. Eingriffe in den durch den Gleichheitssatz (Art. 3 GG,
Art. 1 HV) geschützten Bereich bedürfen hier wie auch sonst "eines
besonderen rechtfertigenden Grundes" (vgl. BVerfGE 12, 73 (77)). Das
Bundesverfassungsgericht hat es in seiner Rechtsprechung zu Art. 137 GG
bisher offengelassen, ob der Gesetzgeber bei der Beschränkung der
Wählbarkeit hinsichtlich der Art und des Ausmaßes der Regelung allein die
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oder ob diese Vorschrift vom Gleichheitssatz in der Weise überlagert wird,
"daß die grundsätzlich zulässige Beschränkung der Wählbarkeit im einzelnen
Fall noch besonderer rechtfertigender Gründe bedarf" (vgl. BVerfGE 18, 172
(182); diese Entscheidung folgt insoweit BVerfGE 12, 73; in den
entschiedenen Fällen sah das Bundesverfassungsgericht solche Gründe
jeweils als gegeben an). Was das Verhältnis der in Art. 137 Abs. 1 GG
genannten öffentlichen Bediensteten zu den anderen Staatsbürgern
anbelangt, so besteht der rechtfertigende Grund bereits in dem Sinngehalt
der Norm, die subjektive Gewaltenteilung zu verwirklichen. Die Zugehörigkeit
von Beamten usw. als Mitglieder der zweiten Gewalt und von Richtern als
Mitglieder der dritten Gewalt zu der Legislative ist grundsätzlich anders zu
beurteilen als bei anderen Staatsbürgern. Der zu regelnde Sachverhalt ist
daher ungleich. Das rechtspolitische Motiv der Ermächtigungsnorm des Art.
137 GG bildet auch den Zweck der darauf beruhenden einfachen Gesetze;
ihnen ist der rechtfertigende Grund insoweit immanent. Der
generalklauselartige Charakter der Ermächtigung des Art. 137 GG enthält
weiter die Möglichkeit zahlreicher Variationen mit der Folge, daß sowohl die
Wählbarkeit in ganz unterschiedlicher Weise beschränkt werden kann, als
auch die erwähnten einzelnen Berufsgruppen vom Gesetzgeber nicht
gleichen Beschränkungen unterworfen zu werden brauchen. Daß
Differenzierungen innerhalb gesetzlicher Regelungen jeweils eines sachlichen
Grundes bedürfen, der dem Sinn der Ermächtigung gerecht wird, wird damit
allerdings auch deutlich; das Willkürverbot wirkt in dieser Weise also auch auf
die gesetzlichen Beschränkungen der Wählbarkeit, die auf der Ermächtigung
des Art. 137 GG beruhen (so auch Sturm, aaO, S. 132, 133).
Angesichts der umfassenden Erweiterung der Unvereinbarkeiten von Amt und
Mandat auf alle Beamten mit Dienstbezügen und auf alle Angestellten des
öffentlichen Dienstes im Geltungsbereich des Hessischen Beamtengesetzes durch
die beiden Unvereinbarkeitsgesetze kann man schwerlich von einer willkürlich
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die beiden Unvereinbarkeitsgesetze kann man schwerlich von einer willkürlich
ungleichen Behandlung gleicher Personengruppen sprechen. Aber auch eine
isolierte Betrachtung des Ersten Unvereinbarkeitsgesetzes, das nur hauptamtliche
Beamte und Angestellte einer Gemeinde und eines Landkreises während der
Dauer ihres Dienstverhältnisses als Mitglieder der Gemeindevertretung und des
Kreistags ausschließt, führt nicht zu der Annahme einer willkürlichen
Sonderbehandlung der Kommunalbeamten und Angestellten. Die gleichzeitige
Wahrnehmung eines Mandats und eines Amtes in ein und derselben Körperschaft
beschwört die Gefahr von Interessenkollisionen augenfällig herauf. Ein gesteigertes
Verständnis von Demokratie gebot es, die organisatorische Gewaltenteilung gegen
Gefahren zu sichern, die durch eine Personalunion zwischen einem Exekutivamt
und einem Abgeordnetenmandat in demselben Gemeinwesen entstehen können.
Der Landesgesetzgeber hat dabei ausdrücklich die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts zu Art. 137 Abs. 1 GG in Bezug genommen (vgl.
Drucksachen des Hessischen Landtags, VI. Wahlperiode, Nr. 1156).
Das Bundesverfassungsgericht hat aus dem Wesensgehalt des Art. 137 Abs. 1 GG
bereits in der ersten einschlägigen Entscheidung vom 17. Januar 1961 (BVerfGE
12, 73 (77)) gefolgert, daß insbesondere Verwaltungsbeamte nicht derjenigen
gewählten Körperschaft angehören sollen, der eine Kontrolle über ihre Behörde
obliegt. In der späteren Entscheidung vom 27. Oktober 1964 (BVerfGE 18, 172
(183)) hat es dann noch deutlicher ausgesprochen, daß es mit dem Grundsatz der
Gewaltenteilung nicht vereinbar sei, wenn dieselbe Person in einem bestimmten
Gemeinwesen ein Amt innehat und gleichzeitig der Vertretungskörperschaft
desselben Gemeinwesens als Mitglied angehört. "Ein Bundesbeamter kann nicht
gleichzeitig dem Bundestag, ein Landesbeamter nicht dem Landtag und ein
Gemeindebeamter nicht dem Rat der Gemeinden angehören". Liegen also – wie es
auch hier der Fall ist – Amt und Mandat auf der gleichen Ebene, so ergibt sich ihre
Inkompatibilität nach Auffassung des Bundesvorfassungsgerichts, die der
Staatsgerichtshof teilt, zwingend aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung. Wenn
auch die Hessische Verfassung einer ausdrücklichen Vorschrift hinsichtlich des
Prinzips der Gewaltenteilung entbehrt, so ist dessen Anerkennung doch aus dem
Gesamtaufbau der Hessischen Verfassung zu entnehmen. Dies hat der
Staatsgerichtshof wiederholt entschieden (vgl. z. B. P. St. 514 und 520; ferner
Zinn-Stein, Verfassung des Landes Hessen, 2. Aufl. 1963, Teil B, Einführung IV S.
23, 24). Neben diesem verfassungsrechtlich maßgeblichen Grund für die
Unvereinbarkeit tritt gleichberechtigt der in beiden Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts hervorgehobene weitere Faktor, nämlich die Gefahr
der Interessenkollision, die naturgemäß im kommunalen Bereich mit seinen örtlich
überschaubaren Größen bei weitem bedeutsamer ist als im eigentlichen
Staatsbereich. Insbesondere sind Interessenkollisionen dann zu befürchten, wenn
es um personal-politische und -rechtliche Entscheidungen und Maßnahmen geht
(so auch Kriegbaum, aaO, A. 3 b); vgl. ferner Leisner, Die Unvereinbarkeit von
öffentlichem Amt und Parlamentsmandat unter besonderer Berücksichtigung der
Verhältnisse im Lande Rheinland-Pfalz, 1967, S. 18 – 20).
Der Antragsteller kann mithin die Behauptung einer Grundrechtsverletzung nicht
mit Erfolg darauf stützen, er werde als Mitglied eines bestimmten Personenkreises
und als Bürger bei der Wahrnehmung eines Mandats in unzulässiger Weise
benachteiligt.
bb) Der Antragsteller meint nun weiter, der Gleichheitssatz werde dadurch
verletzt, daß sowohl das Rechtsstellungsgesetz des Bundes als auch das
Zweite Unvereinbarkeitsgesetz dem betroffenen Personenkreis einen
"beamtenähnlichen Status" durch Versetzung in den Ruhestand oder
Beurlaubung belasse, so daß wohlerworbene Rechte nicht geschmälert
würden. Für die Kommunalbeamten fehle dagegen eine ähnliche Regelung,
so daß ihnen lediglich die Wahl zwischen dem Verzicht auf das Mandat oder
auf das Amt bleibe. Die Übernahme des Mandats bedeute deshalb praktisch
die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz. Hierdurch wirft der
Antragsteller abermals den Gleichheitsgrundsatz hinsichtlich der Folgen der
durch § 37 HGO begründeten Inkompatibilität auf, wodurch diese – wie er
meint – zur Ineligibilität werde.
Eine gesetzliche Regelung, die auf Grund des Art. 137 Abs. 1 GG ergeht, darf die
Wählbarkeit nur beschränken, aber nicht ausschließen. Eine Regelung, die lediglich
eine Inkompatibilität statuiert, hält sich im Rahmen dieser Ermächtigung (BVerfGE
12, 73 (77)). Innerhalb dieses Rahmens hat der Gesetzgeber indes einen gewissen
Spielraum, der unterschiedliche Regelungen der Folgen von Inkompatibilitäten, d.
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Spielraum, der unterschiedliche Regelungen der Folgen von Inkompatibilitäten, d.
h. der Modalitäten des angeordneten Ausscheidens aus dem Dienst, zuläßt, sofern
die Differenzierung einen sachlich vertretbaren Grund hat (BVerfGE 12, 326 (333)).
In der durch die Einfügung des § 37 HGO vorgenommenen gesetzlichen Regelung
liegt kein Ausschluß der Wählbarkeit. Begrifflich werden Ineligibilität und
Inkompatibilität streng geschied. Unter Ineligibilität versteht man eine Regelung,
die bestimmte Personen wegen ihrer besonderen Stellung oder wegen bestimmter
Eigenschaften vom passiven Wahlrecht ausschließt mit der Folge, daß eine
trotzdem erfolgte Wahl ungültig ist. Inkompatibilitäten im Rechtssinne bedeuten
dagegen nur Unvereinbarkeitsnormen des öffentlichen Rechts, welche die
Vereinigung bestimmter öffentlicher Funktionen mit bestimmten anderen Ämtern,
Betätigungen oder Berufungen für unzulässig erklären. Der wesentliche
Unterschied zwischen Inkompatibilität und Ineligibilität besteht demnach darin, daß
bei ersterer dem Betreffenden ein Wahlrecht zwischen zwei Möglichkeiten
verbleibt; er kann entweder das Amt oder aber das ehrenamtliche, durch Wahl
erlangte Mandat behalten, wobei die Wahl in jedem Falle zunächst gültig ist. Bei
der Ineligibilität ist die Wahl durch eine gesetzliche Schranke unmöglich gemacht,
es besteht ein Hinderungsgrund für die Wählbarkeit des Kandidaten (vgl. zur
Unterscheidung der Begriffe "Ineligibilität" und "Inkompatibilität"; Jess, Bonner
Kommentar zum Grundgesetz, Erl. II A 2 und 3 zu Art. 137; v. Mangoldt-Klein, Das
Bonner Grundgesetz, 2. Aufl. 1964, Bd. II S. 992; Maunz-Dürig, aaO, RdNr. 14, 15
und 16 zu Art. 137 GG; Sturm, aaO, S. 4 und 5; Eschenburg, Der Beamte in Partei
und Parlament, 1952, S. 181 f, 186; ders. in DÖV 1952, 289, 293, 294; Ule,
Öffentlicher Dienst in Bettermann-Nipperdey, Die Grundrechte, Bd. IV 2, Halbband
S. 537 (655); Kriegbaum, aaO, S. 235). Es kann dahingestellt bleiben, ob Art. 137
Abs. 1 GG auch die Ermächtigungsnorm für sogenannte Ineligibilitäten darstellt,
wenn nur die Wählbarkeit nicht vollständig beseitigt wird. Der praktische Gehalt der
Unterscheidung von Inkompatibilität und Ineligibilität ist ohnehin gering; der Fall,
daß materiell eine Ineligibilität, formell aber nur eine Inkompatibilität gegeben ist,
macht die Fragwürdigkeit allzu schematischer Abgrenzung der Begriffe sichtbar.
Auch das Bundesverfassungsgericht hat Regelungen, die nur eine Unvereinbarkeit
zwischen Amt und Mandat festlegen und die Wählbarkeit als solche nicht berühren,
bisher stets an Art. 137 Abs. 1 GG gemessen (BVerfGE 12, 73 (77); 18, 172 (181
ff). Eine verfassungsrechtlich zulässige Beschränkung des passiven Wahlrechts ist
jedenfalls dann noch gegeben, wenn – wie hier – der Beamte eine Wahlmöglichkeit
zwischen Amt und Mandat hat, so daß seine Wählbarkeit als solche nicht berührt
wird. § 37 HGO schließt nicht aus, daß sich der Antragsteller als Wahlbewerber
aufstellen läßt; er kann die Wahl allerdings nur annehmen, wenn er die Beendigung
seines Dienstverhältnisses nachweist. Auch nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts steht fest, daß sehr wohl eine Inkompatibilität mit der
Wahlmöglichkeit zwischen Amt und Mandat zu den verfassungsrechtlich zulässigen
Wählbarkeitsbeschränkungen zu zählen ist. Diese Unvereinbarkeit kann durchaus –
wie im Fall von BVerfGE 12, 73 – die Folgen haben, daß dem öffentlichen
Bediensteten bei Annahme des Mandats alle Rechte aus dem Dienstverhältnis
verloren gehen, daß er also nicht in den Ruhestand treten oder beurlaubt werden
kann, sondern aus seinem Amt ausscheiden muß und hierbei alle Ansprüche
gegen den Dienstherrn verliert.
Bei der Folgenregelung der durch § 37 HGO begründeten Inkompatibilität hat der
hessische Gesetzgeber die Grenzen seines Ermessens nicht überschritten. Der
Gleichheitssatz, der auch den Gesetzgeber bindet, untersagt nur, gleichliegende
Sachverhalte, die aus der Natur der Sache und unter dem Gesichtspunkt der
Gerechtigkeit klar eine gleichartige Regelung erfordern, ungleich zu behandeln;
dagegen ist wesentlich Ungleiches nach seiner Eigenart verschieden zu behandeln.
Er verlangt keine schematische Gleichbehandlung, sondern läßt Differenzierungen
zu, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt sind. Er verbietet Willkür. Es
bleibt aber dem Ermessen des Gesetzgebers überlassen, in welcher Weise dem
allgemeinen Gedanken der Angemessenheit, Billigkeit und Zweckmäßigkeit
Rechnung zu tragen ist. Nur wenn die äußersten Grenzen dieses Ermessens
überschritten sind, wenn für die getroffene Regelung jeder sachlich einleuchtende
Grund fehlt, ist der Gleichheitssatz verletzt (vgl. u. a. BVerfGE 4, 143 (155); 9, 201
(206); 11, 105 (123); 11, 245 (253); 11, 283 (287); 12, 326 (333, 337 f); 12, 341
(348); 14, 221 (238); 18, 124). Seine Anwendung beruht stets auf einem Vergleich
von Lebensverhältnissen, die kaum jemals in allen, sondern häufig nur in einzelnen
Elementen gleich sind. Es ist in dem bezeichneten Rahmen Sache des Ermessens
des Gesetzgebers, zu entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden
Lebensverhältnisse dafür maßgebend sind, daß sie im Recht gleich oder
verschieden behandelt werden (vgl. BVerfGE 13, 225 (227 f)).
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Ein Verstoß gegen diesen Rahmen durch den hessischen Landesgesetzgeber kann
nicht festgestellt werden. Sein Ermessen für die ausführende Gesetzgebung ist
angesichts der möglichen Differenzierungen außerordentlich breit. Die
Inkompatibilitätsbestimmungen auch der anderen Länder weisen – wie schon
hinsichtlich des Kreises der unvereinbaren Ämter – auch in der Art der
Ausgestaltung der Rechtsstellung der in ein Legislativorgan gewählten Beamten
bemerkenswerte Unterschiede auf (vgl. Sturm, aaC, S. 133-146; Kriegbaum, ZBR
1967, 234 ff).
Nach dem oben angeführten Rechtsstellungsgesetz des Bundes treten die
Mandatsträger in den Ruhestand und erhalten während der Dauer der
Mandatsausübung Ruhegehalt (§ 2 Abs. 2), die Angestellten die Hälfte des Gehalts
oder ruhegehaltähnliche Bezüge (§ 5 Abs. 1 Satz 2). Weiter besteht ein Anspruch
auf Übernahme in das frühere Dienstverhältnis nach Ausscheiden aus dem
Bundestag (§ 3) und wird die Zeit der Mandatsausübung als Dienstzeit im Sinne
des Besoldungs- und Versorgungsrechts angerechnet (§ 4). Das Land Hessen
versetzt seine in den Landtag gewählten Beamten nicht in den Ruhestand,
sondern beurlaubt sie mit zwei Dritteln des Grundgehalts und der ruhegehaltfähige
Stellenzulagen sowie dem vollen Ortszuschlag und Kinderzuschlag (§§ 62 und 63
HBG in der Fassung des Zweiten Unvereinbarkeitsgesetzes). Dies gilt nicht für
Ehrenbeamte, Beamte im Vorbereitungsdienst und Beamte auf Zeit, die
Wahlbeamte sind. Ein in den Landtag oder in den Bundestag gewählter Beamter
auf Zeit, der Wahlbeamter ist, tritt dagegen mit dem Tage der Annahme der Wahl
in den Ruhestand und erhält Ruhegehalt nach Maßgabe der zurückgelegten
ruhegehaltfähigen Dienstzeit, sofern er das Wahlamt mindestens sechs Jahre
bekleidet hat. Die Zeit der Mitgliedschaft im Landtag oder Bundestag gilt als
Dienstzeit im Sinne des Besoldungs- und Versorgungsrechts (§ 211 HBG in der
Fassung des Zweiten Änderungsgesetzes). Für Angestellte des öffentlichen
Dienstes gilt dies entsprechend. Auf die Einzelheiten der Regelung einzugehen,
erübrigt sich.
Daß demgegenüber hauptamtliche Gemeinde- und Kreisbeamte nicht in den
Ruhestand versetzt oder unter Fortzahlung eines Teils ihrer Dienstbezüge erlaubt
werden, bedeutet keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, dessen
wesentliche Grundgedanken oben dargelegt sind. Die Erwägungen des
Gesetzgebers, daß die Zahlung von Ruhebezügen oder die Fortzahlung eines Teils
der Dienstbezüge "weder für die betroffenen Gebietskörperschaften zumutbar
noch im Hinblick auf die verhältnismäßig geringe Beanspruchung durch die
Mitgliedschaft in einer Gemeindevertretung zu vertreten" wären (vgl. Drucksachen
des Hessischen Landtags, VI. Wahlperiode, Nr. 1156), lassen allerdings in erster
Linie fiskalische Gesichtspunkte deutlich werden und treffen in dieser Allgemeinheit
auch wohl nicht für alle Fälle der Arbeit in einer Gemeindevertretung und in einem
Kreistage zu. Es könnte auch denkbar sein, daß der Gesetzgeber die Tätigkeit von
aktiven Gemeindebeamten in der gleichen gemeindlichen Körperschaft als
unerwünscht betrachtet und mit gewissen Opfern an der Versorgung abschirmen
wollte. Ebenso ist es denkbar, daß der Gesetzgeber die Mandatsausübung im
Gemeindeparlament hinsichtlich der Anforderungen an den Mandatsträger
geringer bewertete als die Tätigkeit im Landtag Selbst wenn man aber
Gemeindevertretungen und Kreistage in ihrer Bedeutung mit dem Landtag, wie
auch den Aufwand an Sachkunde, Arbeit und politischem Einsatz der
Abgeordneten gleich setzte, stellt es keine Willkür des Gesetzgebers dar, wenn er
keine gleichartige oder ähnliche Versorgungsregelung getroffen hat. Der
Staatsgerichtshof verkennt nicht, daß die sonstige Versorgungsregelung die
Rechtsposition der wegen Übernahme eines Bundestags- oder Landtagsmandats
in den Ruhestand getretenen oder beurlaubten öffentlichen Bediensteten
großzügig und risikofrei gestaltet. Indessen liegt es im Bereich des
gesetzgeberischen Ermessens, eine unterschiedliche Regelung der Versorgung zu
treffen oder von einer solchen abzusehen, wenn nur nicht willkürliche und
sachfremde Erwägungen zugrunde liegen. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Auch
ist die Nichtgewährung einer vorzeitigen Versorgung verfassungsrechtlich nicht
relevant.
c) Weiter kann sich der Antragsteller nicht darauf berufen, daß Minister ihr
Abgeordnetenmandat beibehalten oder im Bundesrat bei der Gesetzgebung
mitwirken. Insoweit liegt kein vergleichbarer Sachverhalt vor.
In Abwendung von einer bis 1930 währenden deutschen Tradition – erst das
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In Abwendung von einer bis 1930 währenden deutschen Tradition – erst das
Reichsministergesetz vom 27. März 1930 (RGBl. I S. 96) sanktionierte die politisch
längst erfolgte Angleichung der deutschen Praxis an das Beispiel anderer
parlamentarischer Regierungssysteme – deklarierte der Gesetzgeber die Ämter
des Bundeskanzlers und der Bundesminister auch juristisch als politische
Positionen, die nicht mehr dem Bereich des Beamtenrechts zugehören. Nach § 1
des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung
(Bundesministergesetz) vom 17. Juli 1953 (BGBl. I S. 407, geändert durch Gesetz
vom 20. August 1960, BGBl. I S. 705) stehen die Mitglieder des Bundeskabinetts in
einem von einem Beamtenverhältnis verschiedenen öffentlich-rechtlichen
Rechtsverhältnis besonderer Art; sie haben eine verfassungsrechtliche Stellung als
öffentliche Amtsträger (vgl. Maunz-Dürig, aaO, RdNr. 4 zu Art. 64 GG; v. Mangoldt-
Klein, aaO, Bd. II S. 1202). Auch für Bundeskanzler und Bundesminister besteht
eine Unvereinbarkeit ihrer Ämter mit anderen besoldeten Ämtern, Gewerben und
Berufen; hierauf ist nicht näher einzugehen. Eine denkbare Interessenkollision mit
der Mitgliedschaft im Bundestag oder der Volksvertretung eines Landes wird in
Kauf genommen (anders als beim Bundespräsidenten, vgl. Art. 55 GG); sie
widerspricht dem parlamentarischen System nicht grundsätzlich (vgl. Maunz-
Dürig, aaO, RdNr. 1 zu Art. 66 GG; von Mangoldt-Klein, aaO, Anm. IV zu Art. 66
GG). Ebenso ist in Hessen – wie auch in allen anderen Bundesländern – die
gleichzeitige Mitgliedschaft in Landtag und Landesregierung zulässig. Diese
Verbindung von Funktionen der Legislative und Exekutive bei denselben Personen
sichert einen engen Kontakt zwischen der Regierung und den die Regierung
stützenden Parteien sowie eine gegenseitige Einflußnahme auf die zu treffenden
Entscheidungen. Im parlamentarischen Regierungssystem läuft die Linie der
Gewaltenteilung zwischen der Regierung und den Regierungsparteien auf der einen
und den Oppositionsparteien auf der anderen Seite (vgl. Ruppv. Brünneck u.
Konow in Zinn-Stein aaO, Erl. 24 b zu Art. 75 HV mit zahlreichen
Schrifttumsnachweisen). Das geltende Staatsrecht trägt in weitem Maße der
politischen Erfahrung Rechnung, daß das Kabinett im parlamentarischen
Regierungssystem der engen Verbindung mit den realen politischen Kräften,
insbesondere den politischen Parteien als den eigentlichen Beherrschern des
politischen und des parlamentarischen Lebens bedarf (vgl. Leibholz
Strukturprobleme der modernen Demokratie, 1958, S. 95 f; Menger, ArchöffR Bd.
78 S. 149 f; Triepel, Die Staatsverfassung und die politischen Parteien, 2. Aufl.
1930, S. 31 f). Das findet auch darin seinen Ausdruck, daß die positiv normierten
Inkompatibilitäten für Regierungsmitglieder nicht den Umfang erreichen, wie er
etwa für das Amt des Staatsoberhaupts oder auch der Verfassungsrichter
kennzeichnend ist.
Die Bezugnahme des Antragstellers auf die Zusammensetzung des Bundesrates
als eines obersten Organs des Bundes (Art. 50 bis 53 GG) trifft erst recht nicht zu.
Die Mitglieder des Bundesrats müssen gleichzeitig Mitglieder einer
Landesregierung und als Mitglieder des Bundesrats von der Landesregierung
bestellt worden sein (Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GG).
d) Es mag sein, daß der Ausschluß des von den Unvereinbarkeitsgesetzen
betroffenen Personenkreises zu einem Verlust an Wissen und Erfahrung in den
betreffenden Legislativgremien führen kann. Indessen muß es dem Ermessen
des Gesetzgebers unbenommen bleiben, die Verhältnisse unter den
Gesichtspunkten der Gewaltenteilung und möglichen Interessenkollisionen
anders abzuwägen, zumal sich in letzter Zeit ein Wandel der Rechtsauffassung
weitgehend dahin vollzogen hat, den Grundsatz der Unvereinbarkeit von Amt
und Mandat in der Verfassungswirklichkeit stärker zur Geltung zu bringen. Der
hessische Gesetzgeber – wie auch andere Landesgesetzgeber – hat sich unter
dem Eindruck dieses Anschauungswandels entschlossen, die Ermächtigung
des Art. 137 Abs. 1 GG in umfassendem Umfange auszuschöpfen.
Verfassungsrechtlich war er gewiß dazu nicht gezwungen; an seiner
Berechtigung hierzu kann andererseits nicht gezweifelt werden. Über die
Zweckmäßigkeit dieser rechtspolitischen Entscheidung zu befinden, ist nicht
Aufgabe des Staatsgerichtshofs. Der Antragsteller kann sich deshalb auch
nicht auf das Urteil des Wahlprüfungsgerichts beim Landtag Rheinland-Pfalz
vom 19. Dezember 1967 (AS. Bd. 10 S. 226 = JZ 1968, 459) beziehen, das –
bei anderem Tatbestand und ohne Gebrauchmachen des
Landesgesetzgebers von der Ermächtigung des Art. 137 Abs. 1 GG – im
übrigen zutreffend entschieden hat, daß nach Art. 137 Abs. 1 GG der
Landesgesetzgeber zwar ermächtigt, aber nicht verpflichtet ist, auch für
mittelbare Staatsbeamte oder für sonstige im mittelbaren Staatsdienst
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mittelbare Staatsbeamte oder für sonstige im mittelbaren Staatsdienst
stehende Angehörige des öffentlichen Dienstes eine Unvereinbarkeit zwischen
Amt und Mandat einzuführen.
4. Die Grundrechtsklage kann daher unter keinem in Betracht kommenden
rechtlichen Gesichtspunkt durchdringen, so daß der Antrag zurückgewiesen
werden muß.
Der Staatsgerichtshof sieht von der ihm nach § 24 StGHG eingeräumten
Möglichkeit ab, Gebühren aufzuerlegen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.