Urteil des StGH Hessen vom 14.03.2017

StGH Hessen: unterricht, pflichtstundenzahl, hessen, ermächtigung, schüler, rechtsverordnung, vergleich, zeugnis, rechtsnorm, hochschulreife

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Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 854
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 1 Verf HE, Art 131 Verf HE,
§ 12 Abs 2 PflichtstundenVO
1976, Art 132 Verf HE
Leitsatz
1. Rechtsverordnungen können unter denselben Voraussetzungen wie Gesetze
unmittelbar mit der Grundrechtsklage angegriffen werden.
2. Im Grundrechtsklageverfahren gegen eine Rechtsverordnung hat der
Staatsgerichtshof auch zu prüfen, ob sie die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung
überschreitet.
3. Zur Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers.
4. Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung einer Norm ist auf ihre geltende Fassung
abzustellen.
5. § 12 Abs. 2 PflichtstundenVO (betr. Lehrer an Studien- und Hessenkollegs) verletzt
nicht den Gleichheitsgrundsatz.
Tenor
Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Die Gebühr wird auf 1.000,-- DM festgesetzt.
Gründe
A.
I.
In Hessen bestehen zwei Studienkollegs für ausländische Studierende in
Darmstadt und Frankfurt am Main. An diesen werden Ausländer unterrichtet bzw.
geprüft, die mit einem ausländischen Zeugnis der Bewertungsgruppe III oder II an
einer deutschen Hochschule studieren wollen.
Bewerber mit einem Zeugnis der Bewertungsgruppe III können sich nach einer
Überprüfung ihrer Deutschkenntnisse entweder unmittelbar an einem
Studienkolleg der Prüfung zur Feststellung der Hochschulreife unterziehen (Erl. v.
25.10.1971 - ABl. S. 974 - i.d.F. d. Erl. v. 7.2.1973 - ABl. S. 458 -) oder das
Studienkolleg ein Jahr besuchen, um dann die Feststellungsprüfung abzulegen (Erl.
v. 10.10.1963 - ABl. S. 619 - i.d.F. d. Erl. v. 1.11.1973 - ABl. S. 1424 -). Bewerber
mit dem Zeugnis der Bewertungsgruppe II werden am Studienkolleg nicht
unterrichtet, sie unterziehen sich lediglich der Feststellungsprüfung nach der
Prüfungsordnung vom 15. Oktober 1963 (ABl. S. 624) in der Fassung vom 1.
November 1973 (ABl. S. 1423).
An den Studienkollegs werden jährlich zwei Feststellungsprüfungen für etwa 50 bis
60 Bewerber je Termin mit einem Zeugnis der Bewertungsgruppe III und für etwa
30 bis 40 Bewerber je Termin mit einem Zeugnis der Bewertungsgruppe II
durchgeführt. Darüber hinaus werden vor Aufnahme in das Kolleg die
Deutschkenntnisse der Bewerber der Bewertungsgruppe III überprüft. Ferner ist an
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Deutschkenntnisse der Bewerber der Bewertungsgruppe III überprüft. Ferner ist an
jedem Studienkolleg ein einjähriger Kurs für deutsche Aussiedler eingerichtet, an
dem jeweils etwa 35 bis 40 Aussiedler teilnehmen und der mit einer der
Feststellungsprüfung vergleichbaren Prüfung abschließt.
Die Kollegiaten werden am Studienkolleg in Darmstadt von 14 hauptamtlichen und
4 nebenamtlichen Lehrern unterrichtet, während am Studienkolleg in Frankfurt am
Main 15 hauptamtliche und 2 nebenamtliche Lehrer tätig sind.
Der Antragsteller ist als ... hauptamtlich an dem Studienkolleg in ... tätig; er ist
Fachleiter für den Unterricht in den Fächern Mathematik und Physik und hat den
Unterricht in diesem Bereich zu koordinieren. Mit seiner am 2. Juni 1977 bei dem
Staatsgerichtshof eingegangenen Grundrechtsklage wendet sich der Antragsteller
gegen §§ 1 Nr. 5 und 12 Abs. 2 der Verordnung über die Pflichtstunden der Lehrer,
über die Anrechnung dienstlicher Tätigkeiten und über
Pflichtstundenermäßigungen aus sozialen Gründen vom 15. Juli 1976 (GVBl. I S.
301) - kurz: PflichtstundenVO -. Er sieht sich durch die Festsetzung der
Stundenermäßigung, die er für unzureichend hält, in seinem Recht auf
Gleichbehandlung verletzt.
1. Die Rechtslage hat sich wie folgt entwickelt:
Die Stundenentlastung der Lehrer an Studienkollegs war zunächst durch Erlasse
des Kultusministers geregelt, die ihre Rechtsgrundlage in § 16
Schulverwaltungsgesetz (F. 1961) und § 23 Schulverwaltungsgesetz (F. 1969)
hatten. Sie betrug nach Abschnitt 3.4.3 des Erlasses betreffend die Anrechnung
dienstlicher Tätigkeiten der Lehrer auf die Pflichtstunden und
Pflichtstundenermäßigungen aus sozialen Gründen vom 29. Januar 1974 (ABl. S.
221) für Lehrer, die voll an Studienkollegs eingesetzt waren, 5 Wochenstunden. Zu
diesem Zeitpunkt betrug die wöchentliche Pflichtstundenzahl für Lehrer mit der
Befähigung zum Lehramt an Gymnasien 24 Stunden in der Woche (Abschnitt 1
des Erlasses des Hessischen Kultusministers vom 30. Juni 1969 - ABl. S. 747 - in
Verbindung mit dem Erlaß vom 7. August 1969 - ABl. S. 759 -), so daß die Lehrer
an Studienkollegs 19 Pflichtstunden je Woche zu leisten hatten.
Nachdem der Hessische Verwaltungsgerichtshof durch Urteil vom 27. November
1974 - I OE 94/72 - (HessVGRspr. 1975, 33) entschieden hatten daß es zur
Festsetzung der von Lehrern verlangten Pflichtstunden in Hessen einer
Rechtsverordnung bedarf, wurde eine entsprechende Regelung in der Verordnung
über die Pflichtstunden der Lehrer vom 10. Dezember 1975 (GVBl. S. 315)
getroffen; sie enthielt jedoch noch keine besondere Bestimmung für Lehrer an
Studienkollegs. Erst § 12 Abs. 2 der PflichtstundenVO ermäßigte die
Unterrichtsverpflichtung für Lehrer, die mit mehr als 12 Wochenstunden an einem
Studienkolleg eingesetzt sind, gegenüber der Regelstundenverpflichtung von 24
Wochenstunden für Lehrer mit der Befähigung für das Lehramt an Gymnasien (§ 1
Nr. 5 a PflichtstundenVO) um 2 Wochenstunden auf insgesamt 22 Pflichtstunden je
Woche.
2. Der Antragsteller trägt vor, der Antrag sei zulässig, da die angegriffenen
Rechtsnormen ihn gegenwärtig und unmittelbar in seinem Grundrecht auf
Gleichheit vor dem Gesetz verletzten. Außerdem reiche die Bedeutung der Sache
über den Einzelfall hinaus, auch sei mit einer Wiederholung zu rechnen, so daß
eine allgemeine Regelung erforderlich erscheine. Auch sei ihm der
Verwaltungsrechtsweg nach § 47 VwGO verschlossen, da nach Art. 132 HV der
Schutz der Grundrechte gegenüber einer hessischen Rechtsverordnung nur durch
die unmittelbare Anrufung des Staatsgerichtshofs gewährleistet sei.
3. Der Antrag sei auch begründet:
Nach der Vorbildung der Kollegiaten, die einen differenzierten Unterricht und ihre
individuelle Betreuung erfordere, und nach den Unterrichtsformen an einem
Studienkolleg, die denen an einer Hochschule vergleichbar seien, könnten die
Lehrkräfte an einem Studienkolleg mit Lehrern an einer Fachhochschule mit 18
Pflichtwochenstunden verglichen werden. Hinzukämen die Prüfungsbelastungen in
mindestens einem Kurs je Halbjahr. Nach der Zahl der Prüfungskandidaten (1973:
252; 1974: 259) entspreche das Studienkolleg einem Gymnasium mit 1500 - 2000
Schülern, an dem ein Lehrer aber in der Regel nur alle 2 bis 3 Jahre eine
Abiturklasse zu prüfen habe. Die Lehrer an Studienkollegs müßten sich ihre
Arbeitshilfen selbst erarbeiten, da es für diese Bildungseinrichtung weder
Rahmenrichtlinien, Curricula, spezifische Lehrbücher noch Lehrgänge des
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Rahmenrichtlinien, Curricula, spezifische Lehrbücher noch Lehrgänge des
Hessischen Instituts für Lehrerfortbildung gebe. In anderen Bundesländern werde
die besondere Situation der Studienkollegs durch Ermäßigung der wöchentlichen
Pflichtstundenzahl zwischen 16 und 20 berücksichtigt.
Die Verletzung des Gleichheitssatzes ergebe sich aus einer Benachteiligung der
Lehrer an Studienkollegs gegenüber anderen Lehrern und insbesondere
gegenüber den anderen Beamten. Die Pflichtstundenzahl sei am Unterrichtsbedarf
und an dem Bedarf an Schulstellen zu messen, aber auch an der jeweiligen
Aufgabenstellung für die verschiedenen Lehrer. In Anbetracht der
außergewöhnlichen Anforderungen an Lehrer des Studienkollegs sei die
Herabsetzung der anrechenbaren Wochenstunden von bisher 5 Stunden auf
nunmehr 2 Stunden nicht angemessen, zumal sie die notwendige Differenzierung
nach den verschiedenen Unterrichtsfächern und den verschiedenen Klassenstufen
vermissen lasse. Diese Erhöhung der wöchentlichen Pflichtstundenzahl stehe im
krassen Widerspruch zu der Reduzierung der Arbeitszeit der anderen Beamten von
früher 48 auf heute 40 Stünden. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, daß
gerade in den Fächern Mathematik und Physik die Unterrichtsstunden und
Prüfungen zeitaufwendig vorzubereiten und durchzuführen seien.
II.
Der Hessische Ministerpräsident hält den Antrag mit der Einschränkung für
zulässig, daß er sich nur gegen § 12 Abs. 2 PflichtstundenVO richte, weil der
Antragsteller nur insoweit von der angegriffenen Regelung betroffen sei. Er hält
den Antrag jedoch für offensichtlich unbegründet, weil die angegriffene Minderung
der Pflichtstundenermäßigung für voll an einem Studienkolleg eingesetzte
Gymnasiallehrer den Gleichheitssatz nicht verletze.
1. Ausschlaggebend sei die Gesamtarbeitszeit, die sich aus den Pflichtstunden und
aus der Zeit errechne, die ein Lehrer für die Vorbereitung, Nacharbeit (Korrekturen
von Arbeiten) und weitere Arbeiten (Prüfungen, Zeugnisse, Gespräche mit Eltern
usw.) aufwenden müsse. Erst wenn sie im Verhältnis zu anderen Lehrern bei einer
generalisierenden Betrachtung erhebliche Unterschiede aufweise, sei der
Gleichheitsgrundsatz verletzt. Solche Unterschiede seien aber nicht ersichtlich.
2. Verläßliche Maßstäbe für die Angemessenheit der Lehrerarbeitszeit seien nicht
vorhanden. Die "Empirisch-Wissenschaftliche Studie über die Arbeitszeit der
Lehrer" der Knight Wegenstein AG, Zürich, die der Kultusminister von Nordrhein
Westfalen 1973 im Auftrag der Ständigen Konferenz der Kultus-, der Innen- und
der Finanzminister der Länder habe erstellen lassen, begegne methodischen
Bedenken; die Zeitangaben über ihre Arbeitszeit stammten von Lehrern, eine
objektive Gegenkontrolle fehle.
Aus der Untersuchung Knight Wegenstein lasse sich aber entnehmen, daß
zwischen der Arbeitsbelastung von Gymnasiallehrern (Klassenlehrer 45,6 Stunden;
Fachlehrer 42,1 Stunden je Woche) und Lehrern an einem Studienkolleg
(Klassenlehrer 44,4 Stunden; Fachlehrer 40,7 Stunden) zumindest keine
schwerwiegenden Unterschiede bestünden. Eine weitere Aufklärung der
tatsächlichen Grundlagen für die Festsetzung der Pflichtstunden erscheine weder
notwendig noch möglich, zumal der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber einen
weiten Gestaltungsspielraum überlasse, der erst überschritten sei, wenn die Norm
bei einer an der Gerechtigkeitsidee orientierten Betrachtungsweise mit dem
Gleichheitssatz nicht mehr vereinbar sei.
3. Bei der Festsetzung der Stundenermäßigung für Lehrer an einem Studienkolleg
fehle jeder Anhaltspunkt für eine evident unrichtige und willkürliche Entscheidung
des Verordnungsgebers. Der Unterricht an einer Fachhochschule stelle
Hochschullehre dar, während der Unterricht an Studienkollegs erst zur
Hochschulreife führe; beide seien nicht miteinander vergleichbar. Ähnlich sei die
Lage bei der Prüfungsbelastung im Verhältnis zu den Gymnasiallehrern, zumal in
der neugestalteten gymnasialen Oberstufe zweimal im Jahr eine Abiturprüfung
stattfinde; auch sei die Schüler-Lehrer-Relation an dem Studienkolleg des
Antragstellers (1976: 11, 5 zu 1) im Verhältnis zu den Gymnasien (1976: 19, 1 zu
1) wesentlich günstiger. Durch die geringere Zahl der Kandidaten mit weniger
Einzelprüfungen und weniger Korrekturarbeit werde eine mögliche Mehrbelastung
durch Prüfungen ausgeglichen.
Die günstigere Schüler-Lehrer-Relation gestatte auch die vom Antragsteller
betonte stärkere Differenzierung im Unterricht und eingehendere Beratung der
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betonte stärkere Differenzierung im Unterricht und eingehendere Beratung der
Schüler. Dem Fehlen spezieller Unterrichtsmaterialien für die Studienkollegs könne
keine entscheidende Bedeutung zukommen, da nur ergänzender Unterricht erteilt
werde, um die Kollegiaten zum Abitur zu fuhren.
Auf die Unterschiede zur Regelung in anderen Ländern komme es nicht an, da der
hessische Verordnungsgeber den Gleichheitssatz nur innerhalb des
Geltungsbereichs der Verfassung des Landes Hessen zu wahren habe; im übrigen
seien die Unterschiede auch nicht wesentlich. Schließlich komme es auch nicht auf
das Verhältnis zur Gesamtarbeitszeit der anderen Beamten an, da nach der
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 38, 191 [195 ff.]), die das
vom Antragsteller zitierte Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3.
Februar 1970 - I OE 79/67 - aufgehoben habe, eine abweichende Regelung der
Lehrerarbeitszeit gegenüber dem sonstigen öffentlichen Dienst zulässig sei.
III.
Auf die Stellungnahme des Hessischen Ministerpräsidenten hat der Antragsteller
erwidert: § 1 Ziff. 5 und § 12 PflichtstundenVO seien in ihrer Wechselwirkung zu
sehen. Beide Normen müßten zur verfassungsgerichtlichen Prüfung gestellt
werden, weil sie zusammen den Gleichheitsgrundsatz verletzten. Dabei sei nicht
auf die Gesamtarbeitszeit abzustellen, weil diese praktisch nicht zu ermitteln sei;
vielmehr müsse von der Pflichtstundenzahl als wesentlichem Richtwert für die
annähernde Ermittlung der Gesamtbelastung ausgegangen werden. Hierzu seien
brauchbare Entscheidungsgrundlagen überhaupt nicht ermittelt worden, so daß
der Normgeber sich auch nicht auf seinen weiten Ermessensspielraum berufen
könne.
Auch der Vergleich zwischen Lehrern an Studienkollegs und an anderen Schulen
überzeuge nicht. Es seien keine Gründe ersichtlich, warum die bisherige
Ermäßigung der Pflichtstundenzahl für Lehrer an Studienkollegs für ausländische
Studierende um 5 Wochenstunden fortgefallen sei. Die Studienkollegs seien nicht
mit Gymnasien zu vergleichen da ihnen die Unter- und Mittelstufe fehle. Schließlich
werde den Kollegiaten auch nicht nur ergänzender Unterricht erteilt; sie würden
vielmehr - abgesehen von dem Fach Deutsch - je nach ihrer zukünftigen
Studienrichtung in Fachkursen einer Hochschulzugangsprüfung zugeführt.
Abschließend widerspricht der Antragsteller den Angaben zu den verschiedenen
Pflichtstundenzahlen.
IV.
Der Hessische Landtag hat sich an dem Verfahren nicht beteiligt.
V.
Der Landesanwalt hält § 12 Abs. 2 PflichtstundenVO mit dem Gleichheitsgebot aus
Art. 1 HV für vereinbar und stimmt den Ausführungen des Hessischen
Ministerpräsidenten zu.
VI.
Der Knight Wegenstein-Bericht hat dem Staatsgerichtshof vorgelegen. Die Studie
kommt zu dem Ergebnis, daß die Arbeitszeiten der einzelnen Lehrer stark
voneinander abweichen: Die Durchschnittsarbeitszeit aller Vollzeitlehrer in der
Bundesrepublik Deutschland betrage 45,1 Stunden pro Woche. Das jetzige System
der Pflichtstundenbemessung (Regenstundenmaß) und der Stundenentlastung sei
für die Festsetzung regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit der Lehrer und eine
gleichmäßige, gerechte und überschaubare Zeitbelastung des einzelnen Lehrers
ungeeignet. Demgegenüber wird empfohlen, Regelstundenmaß und
Stundenentlastung methodisch durch eine differenzierte Bewertung des
Zeitaufwandes für bestimmte typische Lehrertätigkeiten zu ersetzen.
B.
I.
Der Antrag kann einen Erfolg haben; er ist unbegründet.
1. Nach Art. 131 Abs. 3 HV, §§ 45 ff. StGHG kann jedermann den
Staatsgerichtshof anrufen, der geltend macht, er sei in einem von der Verfassung
des Landes Hessen gewährten Grundrecht verletzt worden. Der Antragsteller hat
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des Landes Hessen gewährten Grundrecht verletzt worden. Der Antragsteller hat
mit Art. 1 HV ein Grundrecht bezeichnet, dessen Verletzung er rügt, und hat
Tatsachen vorgetragen, aus denen sich die Verletzung der Grundrechte ergeben
soll (§ 46 Abs. 1 StGHG). Art. 3 Abs. 1 GG scheidet als Prüfungsmaßstab aus, da
der Staatsgerichtshof als Verfassungsgericht des Landes Hessen nur eine
Verletzung von Grundrechten der Verfassung des Landes Hessen feststellen kann.
Keine Bedenken bestehen dagegen, daß der Antragsteller seiner
Grundrechtsklage unmittelbar eine Rechtsverordnung angreift. Entgegen der
Vorschrift des § 48 Abs. 3 Satz 1 StGHG, nach der ein Verfahren vor dem
Staatsgerichtshof grundsätzlich nur stattfindet, wenn der Antragsteller zuvor eine
Entscheidung des höchsten in der Sache zuständigen Gerichts herbeigeführt hat
und innerhalb eines Monats seit Zustellung dieser Entscheidung den
Staatsgerichtshof anruft, erkennt der Staatsgerichtshof in ständiger
Rechtsprechung die Zulässigkeit einer unmittelbar gegen ein Gesetz gerichteten
Grundrechtsklage an, wenn der Antragsteller selbst, gegenwärtig und unmittelbar
von der angegriffenen Norm betroffen wird (u.a. StGH, Urteil vom 7. Januar 1970 -
P.St. 539 -, StAnz. 1970, 342 = ESVGH 20, 206 = DÖV 1970, 243 = DVBl. 1970,
524 [L] und Urteil vom 20. Dezember 1971 - P.St. 608, 637 - in StAnz. 1972, 112
= ESVGH 22, 4 = DÖV 1972, 285; zuletzt im Beschluß vom 27. Juli 1977 - P.St.
841 -). Auch Rechtsverordnungen sind Akte der öffentlichen Gewalt, die unter
denselben Voraussetzungen mit der Grundrechtsklage angegriffen werden
können. Insoweit ist der formelle Unterschied der Rechtsquellen als Gesetz oder
Rechts Verordnung gegenüber dem Charakter einer Bestimmung als materieller
Rechtsnorm unbeachtlich (vgl. BVerfGE 3, 162 [171], 288 [299]; 6, 273 [277]).
Desweiteren hält der Staatsgerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit und der
Tragweite der begehrten Entscheidung eine Grundrechtsklage gegen eine
Rechtsnorm nur innerhalb eines Jahres nach ihrem Inkrafttreten für zulässig (vgl.
StGH, Beschluß vom 11. Dezember 1974 - P.St. 728 - in ESVGH 25, 138. [139]).
Der Antragsteller wird durch die angegriffenen Vorschriften insoweit selbst,
gegenwärtig und unmittelbar betroffen, als es für die verbindliche Feststellung der
von ihm als Lehrer an einem Studienkolleg zu leistenden wöchentlichen
Pflichtstunden keines weiteren Vollzugsaktes der Verwaltung mehr bedarf. Seine
wöchentliche Unterrichtsverpflichtung ergibt sich aus §§ 1 Nr. 5 a, 12 Abs. 2
PflichtstundenVO: sie beträgt 22 Stunden. Indessen bedarf sein Antrag noch einer
Einschränkung. Zwar ergibt sich aus § 1 Nr. 5 a PflichtstundenVO der "Einsatz" für
die Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden für Lehrer mit der Befähigung zum
Lehramt an Gymnasien, wie sie auch an den Studienkollegs unterrichten, doch
richtet, sich die Zahl der "anzurechnenden" Wochenstunden allein nach § 12 Abs. 2
PflichtstundenVO. Bei verständiger Würdigung der Entwicklung der
Stundenentlastung für Lehrer an Studienkollegs und seines Vorbringens wendet
sich der Antragsteller tatsächlich nur gegen die Regelung des § 12 Abs. 2
PflichtstundenVO, aus dem sich die seiner Meinung nach unzureichende
Ermäßigung der zu leistenden Pflichtstunden ergibt. Nur insoweit ist er auch
rechtlich davon betroffen.
Der Antragsteller hat schließlich die Jahresfrist zur Erhebung der Grundrechtsklage
gegen eine Rechtsnorm gewahrt. Die PflichtstundenVO vom 15. Juli 1976 ist nach
ihrem § 24 am 1. August 1976 in Kraft getreten. Der Antrag des Antragstellers
vom 27. Mai 1977 ist am 2. Juni 1977 beim Staatsgerichtshof eingegangen. Sein
Antrag ist daher mit der erwähnten Einschränkung im Verfahren zur Verteidigung
der Grundrechte zulässig.
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes
durch § 12 Abs. 2 PflichtstundenVO kann weder im Verhältnis zu den Lehrern an
Gymnasien und Fachhochschulen noch zu den übrigen Beamten festgestellt
werden; ein Vergleich mit den Lehrern an Studienkollegs anderer Bundesländer
scheidet ohnehin aus, da der Verordnungsgeber des Landes den Gleichheitssatz
nur im Rahmen seiner eigenen Zuständigkeit zu beachten hat. Der Hessische
Kultusminister hat sich als Verordnungsgeber bei der Ermäßigung der
Pflichtstundenzahl nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Er hat
vielmehr in der angegriffenen Regelung nicht nur die verschiedenartigen
Anforderungen berücksichtigt, die sich aus dem unterschiedlichen Einsatz der
Lehrer an Studienkollegs ergeben, sondern auch auf ihre besondere Belastung
Bezug genommen, die sich aus der Art der Schule als Erwachsenenbildungsstätte
ergibt. Die vorgenommene Differenzierung kann nicht als evident unrichtig oder
willkürlich angesehen werden.
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a) Die sich zunächst erhebende Frage, ob § 12 Abs. 2 PflichtstundenVO von der in
Anspruch genommenen Ermächtigungsnorm gedeckt wird, ist vom
Staatsgerichtshof in einem Grundrechtsklageverfahren, das eine Rechtsnorm zum
Gegenstand hat, ebenso zu überprüfen wie in einem Normenkontrollverfahren
nach Art. 131 Abs. 1 HV in Verbindung mit § 41 StGHG (ebenso BVerfGE 2, 307
[312 f.]); Bayer.VerfGH, E. vom 29. September 1977 - Vf. 11 - VII - 76 - unter
Hinweis auf Bayer.VerfGH in BayVBl. 1977, 81), weil eine Grundrechtsklage in der
Form einer Rechtssatzbeschwerde nichts anderes ist als eine besondere Art der
abstrakten Normenkontrolle, die sich von jener nur dadurch unterscheidet, daß sie
nicht von staatlichen Organen oder Institutionen, sondern von Grundrechtsträgern
eingeleitet wird. Zwar hat der Staatsgerichtshof in seinem Beschluß vom 27. März
1974 - P.St. 719 - (ESVGH 25, 35) ausgesprochen, daß sich sein Prüfungsmonopol
nach Art. 132 HV nur auf die Verfassungsmäßigkeit der Norm bezieht und nicht
auf die Frage, ob eine Rechtsverordnung die Grenzen der gesetzlichen
Ermächtigung überschreitet. Indessen ist diese Auffassung für das Verfahren der
Normenkontrolle auf Antrag der Gerichte nach Art. 133 HV vertreten worden. Dort
beruhte sie auf der Erwägung, das vorlegende Gerichte müsse selbst prüfen und
entscheiden, ob die in Anspruch genommene Ermächtigung besteht. Hier muß
aber der Staatsgerichtshof die Frage selbst entscheiden, da im Rahmen des
Verfahrens einer Grundrechtsklage gegen eine Rechtsnorm ein anderes für diese
Entscheidung zuständiges Gericht nicht vorhanden ist (im Ergebnis ebenso: Zinn-
Stein, Verfassung des Landes Hessen, Kommentar, 1963 ff.,. Art. 131 - 133, Erl. B
IV 17, S. 33).
Bedenken, ob sich § 12 Abs. 2 PflichtstundenVO im Rahmen der in Anspruch
genommenen Ermächtigung hält, trägt der Antragsteller nicht vor; sie sind auch
nicht ersichtlich. Aus der dem hessischen Verordnungsgeber erteilten
Ermächtigung zur Festsetzung der Pflichtstunden der Lehrer ergeben sich keine
Anhaltspunkte für eine engere Bindung bei der Einteilung der Pflichtstunden für
Lehrer an Studienkollegs. Hierbei kann es dahingestellt bleiben, ob die
Festsetzung von Pflichtstunden eine Regelung der Arbeitszeit im Sinne von § 85
Abs. 1 Satz 2 Hessisches Beamtengesetz - HBG - in der damals geltenden
Fassung vom 16. Februar 1970, GVBl. I S. 110, darstellt (so Hess.VGH, Urteil vom
27. November 1974 - I OE 94/72 -, HessVGRspr. 1975, 33 [36]) oder nicht (so
BVerfG, Beschluß vom 24. März 1977 - 2 BvR 1333/76 - Abdruck S. 2), so daß sie
ihre Rechtsgrundlage in den §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 71 Schulverwaltungsgesetz in der
Fassung vom 30. Mai 1969 (GVBl. I S. 88) findet. Jedenfalls sind für die Regelung
der Pflichtstundenzahl für Lehrer in keiner der aufgeführten Bestimmungen
besondere Maßstäbe enthalten, die zu einer Bindungswirkung des
Verordnungsgebers führen und seine Gestaltungsfreiheit einengen.
b) Indessen wirkt sich die festgesetzte Pflichtstundenzahl auf die gesamte
Arbeitszeit aus, die ein Lehrer an einem Studienkolleg für seinen Beruf aufbringen
muß. Für die verfassungsrechtliche Prüfung am Maßstab des allgemeinen
Gleichheitssatzes kommt es daher darauf an, ob die Gesamtarbeitszeit
(Vorbereitung des Unterrichts, Unterrichtsstunden, Korrekturarbeiten,
Schulkonferenzen, Verwaltungsaufgaben, Besprechungen mit den Schülern u.a.)
der zum Vergleich gestellten Gruppen von Lehrern an Gymnasien und
Fachhochschulen sowie den anderen Beamten bei einer generalisierenden
Betrachtungsweise erhebliche Unterschiede aufweist, ohne daß sich - gemessen
am Zweck der gesetzlichen Ermächtigung - ein vernünftiger, aus der Natur der
Sache sich ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für die
gesetzliche -Differenzierung finden läßt. Nur wenn die Ursachlichkeit der
getroffenen Regelung evident ist, kann der allgemeine Gleichheitssatz verletzt sein
(vgl. BVerfG, Beschluß vom 24. März 1977 - 2 BvR 1333/76 -). Das ist aber hier
nicht der Fall.
aa) Nach Art. 1 HV sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich, ohne Unterschied
des Geschlechts der Rasse, der Herkunft, der religiösen und der politischen
Überzeugung. Dieser allgemeine Gleichheitssatz bindet nicht nur den
Gesetzgeber, sondern auch den Verordnungsgeber als normsetzende Exekutive
(vgl. StGH, Urteil vom 7. Januar 1970 - P.St. 562 -, StAnz. 1970, 398 [400] unter
Hinweis auf BVerfGE 13, 248 [255, 257]; 16, 332 [338/339]; 18, 315 [331]). Der
Verordnungsgeber muß nach dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz im
wohlverstandenen Sinne der ihm erteilten Ermächtigung handeln und hat sich von
sachfremden Erwägungen freizuhalten; im übrigen ist er in diesem
Gestaltungsraum im wesentlichen frei, so daß insoweit die Erkenntnisse zur
Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auch für die Beurteilung einer
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Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auch für die Beurteilung einer
Rechtsverordnung am Maßstab des Art. 1 HV herangezogen werden können.
Demnach hat der Staatsgerichtshof keine Möglichkeit, eine Rechtsverordnung
oder eine einzelne Vorschrift daraus unter den Gesichtspunkten der allgemeinen
Gerechtigkeit und der Zweckmäßigkeit zu überprüfen; vielmehr läßt der allgemeine
Gleichheitsgrundsatz hier auch dem Verordnungsgeber einen weiten Bereich des
Ermessens offen und zieht ihm nur äußerste Grenzen.
Ob diese äußerste Grenze überschritten ist oder nicht, kann allerdings beim
Vorliegen differenzierender Regelungen - wie der vorliegenden über die
wöchentliche Stundenanrechnung nach § 12 Abs. 2 PflichtstundenVO - nur daran
gemessen werden, ob für diese Differenzierung sachlich einleuchtende Gründe
bestehen, die dem Gerechtigkeitsgefühl entsprechen und kein Willkürerkennen
lassen (vgl. StGH, Beschluß vom 16. Juni 1971 - P.St. 617 -, ESVGH 21, 193 [194]
unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des BVerfG). Der allgemeine
Gleichheitsgrundsatz verpflichtet daher nicht unter allen Umständen, Ungleiches
ungleich zu behandeln. Für die Festsetzung der wöchentlichen
Stundenermäßigung für Lehrer an Studienkollegs ist vielmehr entscheidend, ob die
tatsächlichen Ungleichheiten in Umfang und Bedeutung der jeweiligen
Lehrertätigkeiten, die den Hessischen Kultusminister zur Festsetzung
unterschiedlicher Pflichtstundenzahlen veranlaßt haben, so bedeutsam sind, daß
sie bei der angegriffenen Regelung noch stärker hätten beachtet werden und zu
einer weitergehenden Anrechnung hätten führen müssen (vgl. BVerwGE 38, 191
[199 f.] unter Hinweis auf BVerGE 1, 264 [276] zur Festsetzung der Pflichtstunden
für Lehrer). Das ist hier nicht der Fall.
bb) Es ist davon auszugehen, daß die Lehrer nicht - wie die anderen Beamten - an
bestimmte Dienststunden gebunden sind, so daß die Erfüllung der
Gesamtarbeitszeit durch die Fiktion ersetzt wird, daß der über die Pflichtstunden
hinaus verbleibende Teil der regelmäßigen Arbeitszeit eines Beamten auf die
Vorbereitung und Nachbearbeitung der Unterrichtstätigkeit entfällt. Mangels
jeglicher Kontrollmöglichkeit dieses Arbeitsverhaltens ist die Arbeitszeit der Lehrer
mit der der übrigen Beamten nicht vergleichbar; sie wäre erst gegeben, wenn die
Lehrer - was an sich bestimmt werden könnte - ebenfalls Dienststunden einhalten
müßten und für die Vor- und Nacharbeiten zu ihrem Unterricht an die Dienststelle
gebunden wären. Zudem wird eine mögliche Mehrarbeitszeit der Lehrer bei einer
am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise dadurch
ausgeglichen, daß sie ihre Arbeitszeit außerhalb der Pflichtstunden, frei einteilen
können, mit ihrer Arbeit typischerweise am kulturellen Leben in besonderem Maße
teilnehmen und eine Altersermäßigung der jeweils zu leistenden Pflichtstundenzahl
vorgesehen ist (vgl. § 21 PflichtstundenVO), die das allgemeine Arbeitszeitrecht
der Beamten nicht kennt (so BVerwGE 38, 191 [198 f.]; ebenso VGH Baden-
Württemberg, Beschluß vom 3. Juni 1976, ZBR 1977, 332 [333]). Schon diese
Unterschiede in der Ausgangslage lassen die Arbeitszeiten der Lehrer und der
übrigen Beamten nicht ohne weiteres als vergleichbare Größen erscheinen. Ein
Verstoß gegen den Gleichheitssatz kann daher insoweit nicht festgestellt werden.
cc) Für die weiter vorzunehmende verfassungsrechtliche Prüfung der
Pflichtstundenzahl für Lehrer an Studienkollegs im Verhältnis zu anderen Lehrern
am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes kommt es nicht auf Zahl der
jeweils zu leistenden Pflichtstunden an, sondern allein auf die Gesamtarbeitszeit.
Nur wenn sich bei einem Vergleich der Arbeitszeit verschiedener Lehrergruppen
bei der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise erhebliche Unterschiede
ergeben, ist der Gleichheitsgrundsatz verletzt. Bei der Ermittlung der
Gesamtarbeitszeit ist zu den Pflichtstunden die Zeit zu rechnen, die ein Lehrer für
die Vor- und Nacharbeit zum Unterricht (Vorbereitung, Korrekturen) und weitere
Tätigkeiten aufzubringen hat, die zu seinem Beruf gehören (Prüfungen, Zeugnisse,
Konferenzen, Gespräche mit Eltern usw.). Der Normgeber braucht dabei aber nicht
auf den einzelnen Lehrer abzustellen, zumal eine so weitgehend differenzierte
Regelung nicht vollziehbar wäre; auch würde sie Planung und Ablauf des
Unterrichtsbetriebes wesentlich erschweren. Unter diesen Gesichtspunkten hat der
Verordnungsgeber bei der Regelung des § 12 Abs. 2 PflichtstundenVO den ihm
zustehenden Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum nicht überschritten.
c) Der vom Antragsteller angestellte Vergleich zu der Pflichtstundenzahl der
Fachhochschullehrer und der Lehrer an Gymnasien liefert ebensowenig einen
Beweis für die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes wie die historische
Entwicklung der Pflichtstundenzahlen für Lehrer an Studienkollegs allein.
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Das Verhältnis der Pflichtstundenzahlen der Lehrer ah Studienkollegs zu den
Fachhochschullehrern hat in diesem Zusammenhang überhaupt keine rechtliche
Bedeutung. Insoweit liegen unterschiedliche Tatbestände vor, deren
Gleichbehandlung der Gleichheitsgrundsatz des Art. 1 HV geradezu verbietet. Das
Schwergewicht der Tätigkeit der Fachhochschullehrer liegt darin, eine auf den
Erkenntnissen der wissenschaftlichen Forschung beruhende Bildung zu vermitteln
(vgl. § 1 Fachhochschulgesetz). Der Unterricht an einer Fachhochschule läßt sich
daher eher mit Hochschullehre vergleichen, jedenfalls stellt er im Verhältnis zum
Schulunterricht spezifische Anforderungen an die Lehrtätigkeit. Hinzu kommt, daß
der Fachschulunterricht auf der Fachhochschulreife aufbaut. Demgegenüber
verfolgt der Unterricht an einem Studienkolleg erst den Zweck, die Kollegiaten zur
Hochschulreife zu führen. Insofern ähnelt er eher dem Unterricht an einem
Gymnasium. Die Tätigkeiten eines Lehrers an einem Studienkolleg sind daher mit
denen des Lehrers an einer Fachhochschule nicht vergleichbar.
Die historische Betrachtung der Pflichtstundenzahlen (jetzt 22 statt früher 19
Wochenstunden) kann schon deshalb nicht ausschlaggebend sein, weil bei der
verfassungsrechtlichen Kontrolle einer Norm am allgemeinen Gleichheitsgrundsatz
allein auf den gegenwärtigen Zeitpunkt, d.h. auf die Norm selbst in ihrer
derzeitigen Fassung abzustellen ist (vgl. Bayer.VerfGH, E. vom 28. September
1977 - Vf. 13 - VII - 76 -).
Auch die Unterschiede in der Prüfungsbelastung der Lehrer an einem
Studienkolleg im Verhältnis zu den Gymnasiallehrern erscheinen nicht so
schwerwiegend, daß von einer Verletzung des Gleichheitssatzes gesprochen
werden kann. Einmal wird in der neugestalteten gymnasialen Oberstufe zweimal
jährlich eine Abiturprüfung abgehalten. Zum anderen erweist sich die Schüler-
Lehrer-Relation des Studienkollegs in Darmstadt (11, 5 : 1) im Verhältnis zu den
hessischen Gymnasien (durchschnittlich 19, 1 : 1) als wesentlich günstiger, so daß
eine Mehrbelastung durch die möglicherweise größere Zahl von Prüfungen am
Studienkolleg durch die geringere Zahl an Kandidaten mit weniger
Korrekturarbeiten ausgeglichen wird. Die günstigere Schüler-Lehrer-Relation
ermöglicht zugleich eine weitergehende Differenzierung des Unterrichts am
Studienkolleg und eine individuellere Beratung der - meist erwachsenen -Schüler
ohne besondere Mehrarbeit gegenüber den Gymnasiallehrern.
Inwieweit das Fehlen spezifischen Unterrichtsmaterials für Studienkollegs zu einer
wesentlichen Mehrarbeit im Verhältnis zu den Lehrern an Gymnasien bei den
Vorarbeiten zum Unterricht führen soll, ist nicht ersichtlich, zumal auch die
Kollegiaten ebenso wie die Schüler der gymnasialen Oberstufe erst zu einem die
Hochschulreife vermittelnden Bildungsabschluß geführt werden sollen.
d) Nach allem kann die Tatsachengrundlage, die der hessische Verordnungsgeber
bei der Ermäßigung der wöchentlichen Pflichtstundenzahl für Lehrer an
Studienkollegs nach § 12 Abs. 2 PflichtstundenVO zugrunde gelegt hat, weder als
unzutreffend noch als unvollständig angesehen werden. Die verfassungsrechtliche
Prüfung von Rechtssätzen ist als ein komplexer Vorgang zu werten, in dem neben
den Tatsachenfeststellungen sich Wertungen, Schätzungen und Prognosen sowie
Auslegungen einfacher und verfassungsrechtlicher Normen vermischen (vgl.
Ossenbühl, Die Kontrolle von Tatsachenfeststellungen und
Prognoseentscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht in:
Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Band I S. 458 ff. [478 ff]). Im
vorliegenden Falle erscheint jedenfalls der Knight Wegenstein-Bericht, auf den der
Antragsteller hinweist, nicht geeignet, um die vom Verordnungsgeber bei dem
Erlaß der PflichtstundenVO zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen zu
widerlegen. Einmal handelt es sich bei den Ergebnissen der Untersuchung um
Zahlenangaben, die ohne objektive Gegenkontrolle auf Angaben der Lehrer über
die von ihnen geleistete Arbeitszeit beruhen. Darüber hinaus handelt es sich um
Durchschnittswerte für das Bundesgebiet, obwohl eine einheitliche Regelung der
Pflichtstundenzahl nicht besteht, wie denn auch der hessische
Landesverordnungsgeber mit Rücksicht auf die föderalistische Struktur der
Bundesrepublik Deutschland lediglich gehalten ist, den Gleichheitssatz innerhalb
des Geltungsbereichs der hessischen Landesverfassung zu wahren (vgl. etwa
BVerfGE 30, 90, [103]; 32, 346 [360]; 33, 224 [231], 303 [352]). Insoweit kommt
es auf einen Vergleich mit der Höhe der Pflichtstundenzahlen in anderen
Bundesländern im Rahmen dieses Verfahrens nicht an. Eine weitere Aufklärung der
tatsächlichen Grundlagen für die Festsetzung der Ermäßigung der Pflichtstunden
nach § 12 Abs. 2 PflichtstundenVO ist daher unter den gegebenen Umständen
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nach § 12 Abs. 2 PflichtstundenVO ist daher unter den gegebenen Umständen
weder notwendig noch möglich, zumal dem Verordnungsgeber auch für die
Ermittlung und Bewertung der tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen ein
entsprechender Beurteilungsspielraum eingeräumt werden muß. Das gilt auch
dann, wenn die tatsächlichen Grundlagen einer Entscheidung nicht voll gesichert
sind (so BVerfG in DÖV 1977, 179 = NJW 1977, 574; vgl. auch BVerfGE 37, 118 mit
weiteren. Nachweisen). Diesen ihm zustehenden Beurteilungs- und
Entscheidungsspielraum hat der hessische Verordnungsgeber beim Erlaß des § 12
Abs. 2 PflichtstundenVO nicht überschritten, so daß eine Verletzung des
allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nicht festgestellt werden kann.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 24 StGHG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.