Urteil des StGH Hessen vom 14.03.2017

StGH Hessen: ne bis in idem, wiederaufnahme des verfahrens, einstweilige verfügung, hessen, strafverfahren, gebühr, gleichheit, zuchthausstrafe, petitionsrecht, verfassungsgericht

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Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 391
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Leitsatz
Für die Anwendung und Auslegung von Bundesrecht kommt der Landesverfassung
keine unmittelbare Bedeutung zu. Lediglich dann, wenn ein hessisches Gericht sich von
objektiv sachfremden Erwägungen hätte leiten lassen und sich damit außerhalb jeder
Rechtsanwendung gestellt, also in Wahrheit gar kein Bundesrecht zugrunde gelegt
hätte, könnte der Staatsgerichtshof in eine Prüfung eintreten, ob Grundrechte der
Hessischen Verfassung verletzt worden sind.
Tenor
Die Anträge werden auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Die Gebühr wird auf 100.- DM festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller verbüßt eine lebenslange Zuchthausstrafe. Mit drei Eingaben
vom 13.12.1963, eingegangen am 17.12.1963, greift er alle im Strafverfahren
ergangenen gerichtlichen Entscheidungen an und wendet sich insbesondere gegen
1. einen Beschluß des Landgerichts... vom 13.8.1963 und einen Beschluß des
Oberlandesgerichte Frankfurt am Main... vom 29.10.1963, durch welche dem
Antragsteller die Wiederaufnahme des Verfahrens versagt wurde; der Beschlug
des Oberlandesgerichts wurde ihm am 2.12.1963 zugestellt;
2. gegen die Amtsausübung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim
Amtsgericht... im Wiederaufnahmeverfahren;
3. wiederum gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main...
vom 29.10.1963, insbesondere dessen Begründung, die den Grundsatz ne bis in
idem verletze.
Er beruft sich auf Grundrechte der Hessischen Verfassung (HV). die verletzt
worden seien, und zwar auf die Grundrechte der Gleichheit (Art 1 HV) und Freiheit
(Art 2,5 HV), auf das Petitionsrecht (Art 16 HV) sowie weiter auf die Art 20, 22 und
26 HV.
Er beantragt, durch einstweilige Verfügung Anordnungen nach Art 127 IV HV
gegen die Richter zu treffen, die am Strafverfahrenzuordnen, daß ihm bestimmte
Teile der Akten des Strafverfahrens vorgelegt werden, und schließlich seiner
Verfassungsbeschwerde stattzugeben.
Der Landesanwalt hält die Anträge teils für unzulässig, teils für unbegründet.
Die Anträge können keinen Erfolg haben.
Ein Antragsrecht nach Art 127 IV HV steht dem Antragsteller nicht zu (§ 28 I
StGHG). Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Staatshaftung für
Amtspflichtverletzungen und das Verbot der Verfassung, den Rechtsweg hierfür
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Amtspflichtverletzungen und das Verbot der Verfassung, den Rechtsweg hierfür
auszuschließen (Art 136 HV), er öffnen nicht den Weg zum Verfassungsgericht;
vielmehr ist für Ansprüche aus Amtspflichtverletzungen der ordentliche, nicht der
verfassungsrechtliche Rechtsweg gegeben.
Was die Amtsführung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle anlangt, die nach
dem Vorbringen des Antragstellers offenbar im Zusammenhang mit der ihm
verweigerten Vorlage bestimmter Aktenteile steht, so fehlt es an einer
gerichtlichen Entscheidung, die der Antragsteller herbeigeführt haben müßte (§ 48
III StGHG), ehe er den Staatsgerichtshof anrufen kann; eins solche ist vom
Antragsteller weder bezeichnet worden, noch aus den Akten ersichtlich.
Offenbar kommt es dem Antragsteller auf die Aufhebung der Beschlüsse des
Landgerichts und des Oberlandesgerichts im Wiederaufnahmeverfahren und auf
die Zulassung der Wiederaufnahme an. Soweit er den Beschluß des
Oberlandesgerichts vom 29.10.1963 angreift, ist sein Antrag rechtzeitig gestellt (§
48 III StGHG). Doch ist der Staatsgerichtshof kein Rechtsmittelgericht. Die
Überprüfung, die der Antragsteller begehrt, bezieht sich auf die tatsächlichen
Feststellungen und deren rechtliche Würdigung im Strafverfahren und im
Verfahren über den Wiederaufnahmeantrag sowie auf die Anwendung des
materiellen und prozessualen Strafrechts auf seine Tat. Eine solche Überprüfung
gerichtlicher Entscheidungen ist nicht die Aufgabe des Staatsgerichtshofs. Aber
auch mit seinem Vorbringen, es seien Grundrechte der Hessischen Verfassung
verletzt worden, kann der Antragsteller nicht gehört werden. Der Beschluß des
Oberlandesgerichts ist in einem bundesrechtlich geregelten Verfahren ergangen
(§§ 359 ff. StPO). Für die Anwendung und Auslegung von Bundesrecht kommt der
Landesverfassung keine unmittelbare Bedeutung zu. Lediglich, wenn, das
Oberlandesgericht sich von objektiv sachfremden Erwägungen hätte leiten; lassen
und sich damit außerhalb jeder Rechtsanwendung gestellt, also in Wahrheit gar
kein Bundesrecht zugrundegelegt hätte, könnte der Staatsgerichtshof in eine
Prüfung eintreten, ob Grundrechte der Hessischen Verfassung verletzt worden sind
(so die ständige Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs und für die Bayerische
Verfassung die des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs). Hierfür fehlt jeder
Anhaltspunkt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 24 StGHG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.