Urteil des SozG Würzburg vom 24.04.2008

SozG Würzburg: aufschiebende wirkung, zumutbare arbeit, firma, arbeitsunfähigkeit, kündigung, behandlung, leistungsbezug, diagnose, rechtseinheit, vergütung

Sozialgericht Würzburg
Urteil vom 24.04.2008 (rechtskräftig)
Sozialgericht Würzburg S 5 AS 288/08
I. Der Bescheid vom 26.02.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2008 wird aufgehoben. II.
Die Beklagte wird verpflichtet, die aufgrund des Bescheides vom 26.02.2008 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 03.03.2008 einbehaltenen Leistungen an den Kläger auszuzahlen. III. Die Beklagte hat
die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. IV. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Entziehung von Leistungen nach § 31 Sozialgesetzbuch (SGB) II.
Ein insoweit anhängiges Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz (S 5 AS 295/08 ER) ist mit Beschluss des
Sozialgerichts Würzburg vom 08.04.2008 abgeschlossen worden.
Der in einer Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern lebende Kläger bezieht seit
01.01.2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II von der Antragsgegnerin.
Nach Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung vom 06.08.2007 und Durchführung einer Fördermaßnahme schloss
der Kläger aufgrund eigener Initiative einen Arbeitsvertrag am 31.08.2007 mit der Firma B. S., Heiz.-Lüft.-F.-Leasing
GmbH ab. Der Kläger wurde hierbei als Maler/Leiharbeitnehmer beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war vom
04.09.2007 bis 14.12.2007 befristet. Eine Probezeit von sechs Monaten war im Arbeitsvertrag vereinbart. Im
Arbeitsvertrag war zudem festgelegt, dass der Kläger im gesamten Bundesgebiet ggf. auch im Ausland tätig sein
sollte. Die Vergütung war auf der Grundlage des für die Firma S. geltenden Tarifvertrages (Entgeltrahmentarifvertrag
und Entgelttarifvertrag West) dahingehend geregelt, dass der Kläger als arbeitsstündliche Vergütung 10,73 Euro brutto
erhalten sollte. Zudem waren im Arbeitsvertrag verschiedene Vergütungen (für Fahrtkostenerstattung,
Wegezeitvergütung und Auslösungen) vorgesehen.
Nachdem der Kläger am 04.09.2007 die Tätigkeit aufgenommen hatte, zog er sich laut Antragsschriftsatz vom
26.03.2008 (S 5 AS 298/08 ER) bei einem Arbeitseinsatz Mitte September 2007 bei einem Fasadenanstrich und beim
Gerüstauf- und -abbau eine Über- lastung der rechten Hand zu, die die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung
erforderlich machte. Der Kläger begab sich sodann am 17.09.2007 in Behandlung der Allgemeinärzte Dr. W./B., die
am 17.09.2007 eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers bis 21.09.2007 bescheinigten. Laut Antragsschriftsatz vom
26.03.2008 nahm der Kläger sodann die Tätigkeit wieder am 24.09.2007 auf, musste diese aber wegen Beschwerden
an der rechten Hand am 25.09.2007 wieder aufgeben. Laut Antragsschriftsatz vom 26.03.2008 unternahm der Kläger
sodann in der Folgezeit erfolglos einen weiteren Arbeitsversuch. Der Antragsteller begab sich sodann am 10.10.2007
erneut in Behandlung der Allgemeinärzte Dr. W./B., wo eine (weitere) Arbeitsunfähigkeit bis 12.10.2007 unter der
Diagnose M77 0 RG (sonstige Enthesiopathien = Entzündung der Sehnen bzw. Sehnenscheiden in Ansatznähe)
festgestellt wurde. Der Kläger begab sich zudem am 11.10.2007 in Behandlung der Orthopäden Komorek/Trus, die
eine Arbeitsunfähigkeit ab 11.10.2007 bis 26.10.3007 unter der Diagnose M24.89 G R (= sonstige näher bezeichnete
Gelenkschädigungen) bescheinigten. Weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wurden sodann ab 29.10.2007
durch die Allgemeinärzte Dr. W./B. sowie die Orthopäden Dr. K./T. ausgestellt, wobei als Diagnose unter anderem
angegeben wurden: S 54.9 G R (= Rückenschmerzen), M 65.4 RG (= Tendovaginitis stenosans) S 46 V R (=
Verletzung von Muskeln und Sehnen in Höhe der Schulter und des Oberarmes), M 53.88 G (= sonstige näher
bezeichnete Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens: Sakral- und Sacrozykialbereich).
Laut Antragsschriftsatz vom 26.03.2008 besteht bei dem Kläger weiterhin Arbeitsunfähigkeit. Eine
kernspintomographische Untersuchung des Klägers vom 16.11.2007 ergab zudem das Vorliegen einer deutlichen
Insertionstendinose der Sehne des Musculus bizeps brachi mit Verdacht auf Teilruptur sowie einen Reizerguss des
Ellenbogengelenkes.
Mit Telefonanruf vom 09.10.2007 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er kein Geld habe, um die verschiedenen
Arbeitsstellen, die ihm zugewiesen wurden, zu erreichen, da er landesweit im Einsatz sei und selbst die Fahrtkosten
und Unterkunft bezahlen müsse.
Mit Schreiben vom 11.10.2007 kündigte die Firma S. dem Kläger sodann zum 16.10.2007. Kündigungsgründe wurden
in dem Schreiben nicht mitgeteilt. In dem Kündigungsschreiben wurde die Kündigung als "betriebsbedingt" bezeichnet.
Die Beklagte holte sodann eine Auskunft der Firma S. zu den Umständen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
ein. Die Firma S. teilte hierbei schriftlich am 17.12.2007 mit, dass die Kündigung aus "betriebsbedingten Gründen"
erfolgt sei, da dem Kläger keine Einsätze hätten zur Verfügung gestellt werden können, die er wahrgenommen hätte.
Der Kläger sei finanziell gehindert gewesen, die Einsätze wahrzunehmen. Trotz Vorschussleistungen habe er die
Einsätze nicht wahrgenommen. Man habe ihm nähere Einsätze angeboten, die er aber ab dem 08.10.2007 auch nicht
mehr wahrgenommen hätte. Der Kläger sei diesbezüglich abgemahnt worden. Einer Aufforderung, entweder den
Einsätzen nachzukommen oder das Arbeitsverhältnis seinerseits zu kündigen, sei der Kläger nicht nachgekommen.
Auf eine Anhörung der Beklagten teilte der Kläger sodann mit Schreiben vom 30.01.2008 unter Vorlage eines MRT-
Befundes des Radiologen Dr. G. sowie von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Allgemeinärzte Dr. W./B. vom
17.09.2007 und 10.10.2007 und 29.10.2007 sowie der Orthopäden Dr. K./T. vom 11.10.2007 mit, dass die ihm
zugeteilten Arbeitseinsätze immer 300 bis 400 km von seinem Wohnort entfernt gelegen hätten, er alle entstehenden
Kosten wie Benzin, Unterkunft, Verpflegung ohne Rückerstattung selber habe tragen müssen und er bei einem
Einsatz Mitte September die rechte Hand überlastet habe, was eine seit September bestehende Arbeitsunfähigkeit
nach sich gezogen habe. Nach weiterer Anhörung des Klägers senkte die Beklagte sodann mit Bescheid vom
26.02.2008 das Arbeitslosengeld II in Höhe von "maximal" 94,00 Euro monatlich für den Zeitraum vom 01.03.2008 bis
31.05.2008 ab. Der Bescheid wurde damit begründet, dass der Kläger die Voraussetzungen für den Eintritt einer
Sperrzeit nach § 144 SGB III erfüllt habe, da er die angebotenen Einsätze bei der Firma B. S. nicht wahrgenommen
habe und damit die arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt habe und durch die Kündigung vom 11.10.2007 arbeitslos
geworden sei. Als Rechtsgrundlage wurde § 31 Abs. 4 Nr. 3 b und Abs. 6 SGB II in dem Bescheid angegeben. Den
hiergegen gerichteten Widerspruch, den der Kläger damit begründete, dass er seit 17.09.2007 "krankgeschrieben"
gewesen sei und dass die Kündigung während dieses Zeitraums erfolgt sei, sowie damit, dass er bezüglich der
Entfernung und der Kosten der Arbeitseinsätze in der Lage sei, schriftliche Unterlagen vorzulegen, wies die Beklagte
mit Widerspruchsbescheid vom 03.03.2008 zurück. Die Zurückweisung wurde u. a. damit begründet, dass der Kläger
durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben habe
und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 SGB III
herbeigeführt habe. Der Kläger habe die angebotenen Arbeitseinsätze ab 25.09.2007 nicht wahrgenommen, obwohl im
Arbeitsvertrag neben einem angemessenen Stundenlohn eine steuerfreie Auslöse vereinbart worden sei, im
Arbeitsvertrag vorgesehen sei, dass das Arbeitsgebiet deutschlandweit sein könne und mit dem unterschriebenen
Arbeitsvertrag die Arbeitsbedingungen anerkannt worden seien. Zudem habe der Arbeitgeber den Kläger nicht
deutschlandweit, sondern für ausgesuchte Arbeitseinsätze im süddeutschen Raum eingeplant. Im
Widerspruchsbescheid wurde der Absenkungsbetrag mit monatlich 94,00 Euro bezeichnet.
Mit Schreiben vom 26.03.2008, eingegangen beim Sozialgericht Würzburg am 27.03.2008, hat der Kläger sodann
Klage gegen den Bescheid vom 26.02.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2008 erhoben
sowie mit weiterem Schriftsatz vom 26.03.2008 beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage vom 26.03.2008
anzuordnen. Den Antrag ließ er u. a. damit begründen, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage
gewesen sei, das Beschäftigungsverhältnis bei der Firma S. fortzusetzen, so dass er krankheitsbedingt außer Stande
gewesen sei, seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag zu erfüllen und keine schuldhafte Verletzung der sich aus dem
Arbeitsvertrag ergebenden Pflichten gegeben sei.
Mit Beschluss vom 08.04.2008 (S 5 AS 295/08 ER) hat das Gericht sodann die aufschiebende Wirkung der Klage
gegen den Bescheid vom 26.02.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2008 angeordnet und
die Beklagte verpflichtet die im Hinblick auf den Bescheid vom 26.02.2008 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 03.03.2008 entzogenen Leistungen an den Kläger auszuzahlen.
Das Gericht hat den Beschluss im Wesentlichen damit begründet, dass eine erforderliche Rechtsfolgenbelehrung
nach § 31 Abs. 1 SGB II notwendig war, die nicht erteilt wurde, und § 31 Abs. 4 Nr. 3 b SGB II i.V.m. § 144 Abs. 1
Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB III, im Rahmen dessen keine Rechtsfolgenbelehrung notwendig ist, nicht einschlägig ist.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 21.04.2008 unter Vorlage eines Auszuges aus dem Juris Praxiskommentar
geltend gemacht, dass mehr dafür als dagegen spreche, dass § 31 Abs. 4 Nr. 3 b SGB II auf den vorliegenden Fall
anwendbar sei.
Das Gericht hat die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.04.2008 beantragte die Prozessbevollmächtigte des Klägers:
I. Den Bescheid vom 26.02.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2008 aufzuheben.
II. Die aufgrund des Bescheides vom 26.02.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2008
einbehaltenen Leistungen auszuzahlen, soweit dies noch nicht erfolgt ist.
Der Beklagtenvertreter beantragte, die Klage abzuweisen.
Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Gerichtsakte auch im Übrigen sowie die den Kläger betreffende
beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird hierauf sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Sitzungsniederschrift
verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht beim Sozialgericht Würzburg erhobene Klage ist zulässig.
Die Klage erweist sich auch als begründet.
Die Beklagte hat im vorliegenden Fall zu Unrecht Arbeitslosengeld II in Höhe von 94,- EUR monatlich für den Zeitraum
vom 01.03.2008 bis 31.05.2008 entzogen.
Nach § 31 Abs. 1 SGB II wird das Arbeitslosengeld unter Wegfall des Zuschlages nach § 24 SGB II in einer ersten
Stufe um 30 v. H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung abgesenkt,
wenn bestimmte Pflichtverstöße des Hilfeempfängers vorliegen. Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II gilt dies nicht,
wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist.
Gemäß § 31 Abs. 4 Nr. 3 b SGB II gilt dies entsprechend bei einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, der die im 3.
Buch genannten Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit erfüllt, die das Ruhen oder Erlöschen eines
Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen. Während nach § 31 Abs. 1 SGB II eine Belehrung über die Rechtsfolgen
erforderlich ist, ist im Rahmen von § 31 Abs. 4 Nr. 3 b SGB II i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB III keine
derartige Rechtsfolgenbelehrung vorgesehen.
Die Beklagte hat im vorliegenden Fall zu Unrecht den Bescheid auf § 31 Abs. 4 Nr. 3 b SGB II als Rechtsgrundlage
gestützt und insoweit die erforderlich Rechtsfolgenbelehrung unterlassen.
Im vorliegenden Fall war vielmehr gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 c SGB II eine derartige Rechtsfolgenbelehrung
vorzunehmen. § 31 Abs. 4 Ziffer 3 b SGB II erfasst nur Konstellationen, in denen das vorwerfbare Verhalten - hier das
etwaige arbeitsvertragswidrige Verhalten des Antragstellers - vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II liegt (Valgolio in
Hauck/Noftz SGB II § 31 Nr. 133). § 31 Abs. 4 Nr. 3 b SGB II betrifft Personen, die keinen Anspruch auf
Versicherungsleistungen erworben haben und die wegen des Arbeitsplatzverlustes hilfebedürftig geworden sind (Rixen
in Eicher/Spellbrink, SGB II 2.A § 31 Nr. 31 a). Während im BSHG die Regelung den Sinn hatte, Hilfeempfänger, die
mangels Leistungsberechtigung nach dem SGB III durch die Arbeitsverwaltung nicht mit einer Sperrzeit haben belegt
werden können, den selben Bedingungen zu unterwerfen wie Leistungsberechtigte nach dem SGB III macht die
gleichlautende Regelung im SGB II nur für Personen Sinn, die weder leistungsberechtigt nach dem SGB III sind, noch
Leitungen nach dem SGB II erhalten und die vor Eintritt in den Leistungsbezug eine Pflichtverletzung begangen
haben, welche die Voraussetzung einer Sperrzeit erfüllt hat. Für Hilfebedürftige, die bereits im Leistungsbezug nach
dem SGB II stehen, bewirkte ein Ruhen oder ein Löschen des Anspruchs nach § 31 Abs. 4 Nr. 3 b SGB II wegen der
Regelung des § 31 Abs. 1 SGB II eine systemwidrige Doppelung der Absenkungs- bzw. Wegfallvoraussetzungen. Für
pflichtwidrige Handlungen, die nach dem Eintritt in den Leistungs- oder Betreuungszusammenhang begangen worden
sind, sind Absenkungen und Wegfall spezieller in Abs. 1 geregelt (Berlit in LPK - SGB II § 31 Nr. 126; Rixen a.a.O.).
Pflichtverletzungen während des Arbeitslosengeld II-Bezuges werden insoweit nur über § 31 Abs. 1 SGB II
sanktioniert (siehe auch SG Hamburg, Beschluss vom 07.12.2006 S 62 AS 2226/06 ER). Insoweit konnte der
Sanktionsbescheid der Beklagten vom 26.02.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2008
allenfalls auf § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c (Weigerung eine zumutbare Arbeit fortzuführen) gestützt werden. Im
Gegensatz zu § 31 Abs. 4 Nr. 3 b SGB II setzt jedoch § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II eine Rechtsfolgenbelehrung
tatbestandlich voraus.
Eine solche ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Die Rechtsfolgenbelehrung muss jeweils im engen sachlichen und
zeitlichen Zusammenhang mit der Obliegenheitsverletzung stehen. Sie muss der Pflichtverletzung und der Absenkung
vorangehen und kann nicht durch eine nachträgliche Erläuterung der Gründe für eine Absenkung ersetzt werden (Berlit
a.a.O. Nr. 65; Rixen a.a.O. Nr. 43 ff.). Nicht hinreichend sind in der Vergangenheit erteilte Belehrungen oder
allgemeine Merkblatthinweise (Perlit a.a.O.). Pauschale Belehrungen gleichsam für alle Zukunft scheiden ebenso aus
wie der unerläuterte Verweis auf die Gesetzeslage (Rixen a.a.O.). Deshalb stellt auch der Hinweis auf Seite 3 und 4
der Eingliederungsvereinbarung vom 06.08.2007 auf die Grundpflichten und die Sanktionierung bei einem Verstoß
gegen die Grundpflichten keine derartige Rechtsfolgenbelehrung dar, weil diese nicht konkret auf den Einzelfall
abgestellt ist, nicht im engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der (etwaigen) Obliegenheitsverletzung
des Klägers stand und lediglich eine pauschale Belehrung darstellt.
Der im von der Beklagten vorgelegten Praxiskommentar vertretenen Auffassung, dass § 31 Abs. 4 Nr. 3 b SGB II
auch auf Sachverhalte anwendbar ist, in denen pflichtwidrige Handlungen nach dem Leistungsbezug begangen
werden, vermag das Gericht unter Berücksichtigung der überwiegenden Meinung in der Kommentarliteratur nicht zu
folgen.
Unabhängig davon setzt die Sanktionsnorm § 31 SGB II auch eine subjektive Vorwerfbarkeit als ungeschriebenes
Tatbestandsmerkmal voraus (Eicher/Spellbrink § 31 Nr. 8 ff).
Eine derartige subjektive Vorwerfbarkeit ist unter Berücksichtigung der im Hinblick auf die Verletzung der oberen
Extremität gegebenen Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers, die durch entsprechende
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nachgewiesen sind, nicht ersichtlich. Unabhängig davon wäre bei einem
pflichtwidrigen Verhalten auch eine vorherige Abmahnung erforderlich gewesen. Nach der beigezogenen
Verwaltungsakte war die Abmahnung an den Kläger jedoch mit 03.03.2008 datiert und damit erst nach einem etwaigen
pflichtwidrigen Verhalten ausgesprochen worden.
Die Klage war daher abzuweisen.
Nach § 131 Abs. 1 Satz 1 SGG konnte die Beklagte im Rahmen der Folgenbeseitigung auch dazu verurteilt werden,
die einbehaltenen Leistungen nach dem SGB II an den Kläger auszuzahlen (soweit dies nicht bereits aufgrund des
Beschlusses vom 08.04.2008, S 5 AS 295/08 ER erfolgt ist).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG war die Berufung im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
zuzulassen. Eine solche ist gegeben, wenn eine Rechtsfrage grundsätzlich Bedeutung hat. Erforderlich ist, dass die
Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die
Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.
Auflage, § 144 Nr. 28).
Die Frage, ob § 31 Abs. 4 Nr. 3 b SGB II in den Fällen, in denen das pflichtwidrige Verhalten nach dem
Leistungsbezug von Arbeitslosengeld II liegt, anwendbar ist, ist obergerichtlich nicht geklärt und es besteht insoweit
offensichtlich auch in der Kommentarliteratur keine Einigkeit. Die Klärung dieser Frage liegt im allgemeinen Interesse,
um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Insoweit ist eine grundsätzliche
Bedeutung der Rechtssache nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG gegeben.