Urteil des SozG Würzburg vom 27.06.2006

SozG Würzburg: innere medizin, zumutbare tätigkeit, hypertonie, belastung, beruf, erwerbsfähigkeit, depression, arbeitsmarkt, wechsel, vergleich

Sozialgericht Würzburg
Urteil vom 27.06.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Würzburg S 2 R 4307/03
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 07.01.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.08.2003 wird
abgewiesen. II. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist eine Rente wegen Erwerbsminderung ab Antragstellung.
Die 1944 geborene Klägerin, eine gelernte Einzelhandelskauffrau, übte diesen Beruf von 1961 bis 1968 und von 1985
bis 2001 aus. Am 30.08.2002 stellte sie bei der Beklagten einen Antrag auf Rente wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit.
Das von der Beklagten veranlasste Gutachten des Internisten Prof. Dr. H. vom 07.11.2002 ergab ein sechsstündiges
Leistungsvermögen der Klägerin für ihren erlernten Beruf als Einzelhandelskauffrau und für leichte bis mittelschwere
Tätigkeiten im Wechsel ohne sehr hohe konzentrative Belastung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Mit Bescheid
vom 07.01.2003 führte die Beklagte aus, ärztlicherseits sei Folgendes festgestellt worden: "Arterieller Bluthochdruck,
Magenschleimhautentzündung, unkomplizierte Krampfaderbildung und Zustand nach reaktiver Depression."
Damit sei die Klägerin in der Lage, in ihrem bisherigen Beruf sowie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
In ihrem Widerspruch berief sich die Klägerin auf Dr. D. in H., bei dem sie bis November 2002 in Behandlung gewesen
sei. Durch den sehr stark erhöhten Blutdruck und die chronische Magenschleimhautentzündung sei sie auf keinen Fall
in der Lage, einer geregelten täglichen Beschäftigung nachzugehen. Aufgrund des hohen Blutdruckes sei sie schon
mehrmals, z.B. auf der Straße, umgefallen.
Die Beklagte zog einen Befundbericht des Internisten und Kardiologen Dr. S. bei, und wies nach einer Stellungnahme
durch die beratende Ärztin, Frau R., den Widerspruch mit Bescheid vom 08.08.2003 zurück. Das im
Widerspruchsverfahren gemachte Vorbringen enthalte in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine neuen
Tatsachen, die die ärztlichen Untersuchungsergebnisse widerlegen könnten. Die Klägerin sei noch in der Lage, in dem
bisherigen Beruf als Verkäuferin und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich
erwerbstätig zu sein.
Mit der dagegen erhobenen Klage zum Sozialgericht Würzburg macht die Klägerin geltend, dass sie nicht in der Lage
sei, eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Der derzeit behandelnde Internist Dr. J.
werde dafür als Sachverständigenzeuge benannt. Altersrente werde erst ab 01.08.2004 gewährt. Bis zu diesem
Zeitpunkt habe sie keine Leistungen neben der Witwenrente erhalten.
Die Klägerin stellt den Antrag, den Bescheid vom 07.01.2003 in der Gestalt des Wider spruchsbescheides vom
08.08.2003 aufzuheben und ihr Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.
Der Vertreter der Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Kammer hat zum Verfahren beigezogen: Die Akten der Beklagten, Befundberichte und Unterlagen des Dr. G. und
des Dr. J.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch
den Internisten, Gastroenterologen und Arzt für physikalische und rehabilitive Medizin, Prof. Dr. Z. und auf Antrag der
Klägerin nach § 109 SGG durch den Arzt für Innere Medizin und Kardiologie Dr. J ... Prof. Dr. Z. hat eine schwere -
unzureichend therapierte - Hypertonie (Grad III), einen Reizmagen und eine leichte Varikosis diagnostiziert. Damit
seien unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes leichte Arbeiten in wechselnder Stellung ohne
besondere nervliche Belastung, nicht an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen, nicht unter ungünstigen äußeren
Bedingungen und ohne außergewöhnliche Arbeitszeitgestaltung mindestens sechs Stunden täglich zumutbar.
Gegenüber den Untersuchungsergebnissen des Prof. Dr. H. sei eine Besserung eingetreten. Die Beschwerden von
Seiten des Magens und auch die psychischen Störungen im Sinne einer leichten Depression stünden nicht mehr im
Vordergrund. Keine Änderung habe sich ergeben bezüglich der schweren Hypertonie, die nach wie vor nicht bzw. nicht
hinreichend behandelt sei.
Dr. J. hat in seinem Gutachten vom 13.04.2006 ebenso leichte Arbeiten im Sitzen und im Stehen, in geschlossenen
Räumen, nicht mit besonderer nervlicher Belastung, nicht an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen, nicht mit besonderer
Belastung des Bewegungs- und Stützsystems, nicht unter ungünstigen äußeren Bedingungen und nicht mit
außergewöhnlichen Arbeitszeitgestaltungen für sechs Stunden täglich für zumutbar gehalten. Die gemachten
Einschränkungen ergäben sich aus der systemischen arteriellen Hypertonie. Im Vergleich mit dem Gutachten des
Prof. Dr. H. könne er weder eine Verschlechterung noch eine Besserung feststellen. Die systemische arterielle
Hypertonie, die auch zum Untersuchungszeitpunkt mit der vorgegebenen Medikation unzureichend eingestellt sei,
bestehe nach wie vor. Eine das Leistungsvermögen einschränkende begleitende organische Herzerkrankung könne
nicht nachgewiesen werden. Wie Prof. H. komme er zu dem Schluss, dass die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als
Einzelhandelskauffrau weiterhin wie in den Vorjahren von der Klägerin geleistet werden könne.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Beklagtenakten und der Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Zu Recht hat die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin abgelehnt, da ein Anspruch auf Rente wegen
Erwerbsminderung nicht gegeben ist. Bezüglich der Entscheidungsgründe kann im Wesentlichen auf die zutreffenden
Ausführungen der Beklagten in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 08.08.2003 Bezug genommen
werden. § 136 Abs. 3 SGG gibt dem Gericht die Möglichkeit, von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe
abzusehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in
seiner Entscheidung feststellt.
Die vom Gericht beigezogenen Unterlagen und insbesondere die Sachverständigengutachten des Prof. Dr. Z. und des
Dr. J. bestätigen die Auffassung der Beklagten, dass die Klägerin die zuletzt ausgeübte Tätigkeit noch mindestens
sechs Stunden täglich zumutbar verrichten kann.
Aus dem BERUFENET der Arbeitsagentur ergibt sich, dass Kaufleute im Einzelhandel Kunden beraten und
informieren und Waren aller Art verkaufen. Außerdem arbeiten sie im Einkaufs- und Lagerwesen, übernehmen
betriebswirtschaftliche Aufgaben im Personal- und Rechnungswesen und wirken bei der Sortimentsgestaltung und bei
Marketingaktionen mit. Die Welt der Kaufleute im Einzelhandel besteht in dem Verkauf verschiedenster Waren, von
Lebensmitteln und Elektrogeräten, über Schuhe und Textilien bis zu Porzellan und dem Umgang mit Kunden. Hier
arbeiten sie - genauso wie im Büro, wo sie Verwaltungs- und Organisationsaufgaben erledigen - meist in
geschlossenen Räumen mit künstlichem Dauerlicht. Die Arbeitszeitregelung erfolgt nach dem Ladenschlussgesetz.
Die Tätigkeiten sind leichte, im Verkaufsbereich zeitweise auch mittelschwere bis schwere körperliche Arbeit
(Hebearbeiten im Lager), im Verkauf überwiegend im Stehen und Gehen, zum Teil mit Bücken, Hocken,
Überkopfarbeit, im Büro überwiegend im Sitzen. Bei Warenlagerung im Hochregal sind Leitern zu benutzen. Die
Tätigkeit kann sowohl als Teamarbeit, aber auch als Einzelarbeit, je nach Organisation und Größe des Betriebes
verrichtet werden.
Nach den Ausführungen der gerichtsärztlichen Sachverständigen ist der Klägerin lediglich noch eine Tätigkeit in
büroorientierten Bereichen oder auch an den Kassen zumutbar. Die Kammer geht davon aus, dass die Klägerin eine
Tätigkeit an der Kasse wie in der Bekleidungsfirma C. in W., in der sie von 2000 bis 2001 beschäftigt war und die
aufgelöst wurde, noch zumutbar verrichten könnte.
Im Übrigen weist die Kammer auf § 34 Abs. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) hin, wonach nach
bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters der Wechsel in eine 1. Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, 2.
Erziehungsrente oder 3. andere Rente wegen Alters ausgeschlossen ist. Diese Vorschrift ist zum 01.08.2004 in Kraft
getreten.
Danach wäre die beantragte Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht auf Dauer, sondern maximal bis
31.07.2004 möglich gewesen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.