Urteil des SozG Wiesbaden vom 19.10.2006

SozG Wiesbaden: bekleidung, umfang des leistungsanspruchs, schwangerschaft, vorläufiger rechtsschutz, geldleistung, geburt, ergänzung, form, erwerb, garderobe

Sozialgericht Wiesbaden
Beschluss vom 19.10.2006 (rechtskräftig)
Sozialgericht Wiesbaden S 12 AS 427/06 ER
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig 80,00 Euro
als Leistung nach § 23 Sozialgesetzbuch II darlehensweise unter der Voraussetzung zu gewähren, dass die
Antragstellerin der Antragsgegnerin den Erwerb schwangerschaftsbedingter Kleidungsstücke der begehrten Art
nachweist.
Im Übrigen wird der Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin ¼ ihrer notwenigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Ziel des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch
Zweites Buch (SGB II).
Die 1969 geborene Antragstellerin hat ein Kind und ist derzeit schwanger; als voraussichtlicher Geburtstermin wird der
11.11.2006 genannt.
Die Antragstellerin beantragte am 17.05.2006 bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Erstausstattungen für
Bekleidung und Geburt. Die Antragsgegnerin gewährte durch Bescheid vom 31.05.2006 Pauschalen von 150,00 Euro
als Umstandsbekleidungs-Erstausstattung sowie von 119,00 Euro als Baby-Erstausstattung. Auf den Widerspruch der
Antragstellerin vom 10.06.2006 gewährte die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 24.07.2006 weitere 343,05 Euro
als Baby-Erstausstattung. Die Antragstellerin hielt darauf am 29.07.2006 ihren Widerspruch in Bezug auf die
Umstandsbekleidungs-Erstausstattung aufrecht und machte geltend, die Pauschale sei nicht ausreichend und bereits
verbraucht für: 2 lange Unterhosen 30,00 Euro 1 Kleid 15,00 Euro 3 BH à 7,50 Euro 22,50 Euro 10 Unterhosen 10,00
Euro 4 T-Shirts à 10,00 Euro 40,00 Euro 1 Drei-Viertel-Hose 13,00 Euro 1 kurze Latzhose 19,00 Euro 149,50 Euro
Die Antragstellerin verfügte nicht über Quittungen der geltend gemachten Einkäufe. Sie machte zusätzlichen Bedarf
geltend, weil ein zusätzliches Bekleidungs-Wechselbedürfnis während der Schwangerschaft sowie zusätzlicher
Bekleidungsbedarf während des Krankenhausaufenthaltes zu berücksichtigen seien. Im Einzelnen werde benötigt: 2
Nachthemden à 18,40 Euro 36,80 Euro 1 Schlafanzug 18,40 Euro 1 Bademantel 32,20 Euro 1 x Stilleinlagen 1 Jacke
für den Herbstübergang 1 Sommermantel 46,00 Euro 133,40 Euro
Über den Widerspruch vom 10.06.2006 wurde bis dato nach Aktenlage noch nicht entschieden.
Über die aus diesem Grunde bei dem Sozialgericht Wiesbaden am 18.09.2006 erhobene Untätigkeitsklage der
Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin wurde gleichfalls noch nicht entschieden (S 12 AS 407/06).
Die Antragstellerin hat am 23.09.2006 bei dem Sozialgericht Wiesbaden die Gewährung von einstweiligem
Rechtsschutz beantragt und begehrt die Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zur
Gewährung zusätzlicher 160,00 Euro für den Erwerb weiterer Umstandsbekleidung. Zur Begründung hat sie durch
ihren Prozessbevollmächtigten vortragen lassen, sie habe von der erhaltenen Pauschale in Höhe von 150,00 Euro
ihren Bedarf nicht voll decken können. Sie benötige noch Bekleidung für die kühlere Jahreszeit (Sweatshirt, Jacke)
sowie auch für den Klinikaufenthalt (Bademantel). Die Antragsgegnerin könne sie nicht auf die Benutzung ihrer
sonstigen Garderobe verweisen, weil sie (die Antragsgegnerin) über die tatsächlich vorhandene Kleidung sowie über
eine etwaige Gewichtszunahme keine Informationen besitze. Im Einzelnen macht sie laut Niederschrift zur
Gerichtssitzung am 17.10.2006 geltend: 2 Nachthemden à 10,00 Euro 20,00 Euro 1 Schlafanzug 10,00 Euro 1
Bademantel 40,00 Euro 2 Sweatshirts à 20,00 Euro 40,00 Euro 1 Jacke 50,00 Euro 160,00 Euro
Die Antragstellerin, die an der Erörterung des Sach- und Streitstandes am 17.10.2006 aus gesundheitlichen Gründen
nicht teilgenommen hat, beantragt sinngemäß, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur
Gewährung von zusätzlich 160,00 Euro zum Kauf von Umstandskleidung zu verpflichten.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hat dazu die Auffassung vertreten, die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf zusätzliche
Leistung, wie beantragt; denn ihr seien bereits 150,00 Euro als die im Falle einer Schwangerschaft übliche Pauschale
für Umstandsbekleidung gewährt worden. Der Bemessung der Pauschale sei folgender Bedarf zugrunde gelegt und
abgedeckt: 1 Umstandskleid, 2 Hosen, 1 Bluse, Nachtwäsche und zusätzliche Unterwäsche. Die angegebenen
Kleidungsstücke hätten mit dem gewährten Geldbetrag erworben werden können. Insbesondere hätte die
Antragstellerin mit dem gewährten Betrag anstelle der gekauften weiteren Hosen für insgesamt 33,00 Euro
Nachtwäsche kaufen können. Bademantel sowie Jacke für den Herbstübergang seien keine
schwangerschaftsbedingten Bedarfe. Die Antragsgegnerin hat dazu eine Übersicht "Beihilfen für Bekleidung", Stand
10/2006, vorgelegt, in der als Umstandskleidung aufgelistet ist: Hose 15,00 Euro H&M Bluse 15,00 Euro H&M,
Neckermann Kleid 20,00 Euro Neckermann Badeanzug 12,00 Euro C&A Still-BH 10,00 Euro H&M Nachthemd 10,00
Euro Neckermann
II.
Der zulässige Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz ist zum Teil begründet. Das Vorliegen der
Anordnungsvoraussetzungen zugunsten der Antragstellerin ist im Umfang eines Darlehens über 80,00 Euro glaubhaft
gemacht. Insoweit erscheint die Notwendigkeit einer Regelung des zwischen den Beteiligten streitigen
Rechtsverhältnisses zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Antragstellerin durch eine einstweilige Anordnung
i.S.v. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG nach den maßgebenden Verhältnissen im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung
(Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B m.w.N.) überwiegend
wahrscheinlich. In Höhe von 80,00 Euro sowie in Bezug auf die begehrte Leistung als Beihilfe bleibt der Antrag
erfolglos.
Das Gericht kann auf Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand
treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines
Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1); es kann eine einstweilige
Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn
eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Satz 2). Neben dem
Anordnungsgrund, das ist: der Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, setzt die Gewährung
von einstweiligem Rechtsschutz nach herrschender Meinung (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, Kommentar,
8. Auflage, Rdnr. 26c zu § 86b) den Anordnungsanspruch, das ist: der materiell-rechtliche Anspruch auf die Leistung,
voraus, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll.
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches
System gegenseitiger Wechselbeziehung: Ist etwa die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder
unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich
abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen
offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund (wie vor, Rdnr. 29). Bei
offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im
Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, wenn die grundrechtlichen Belange
des Antragstellers berührt sind, weil sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen
stellen müssen. Sind Grundrechte tangiert, ist die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend
zu prüfen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 -1 BvR 569/05). Alle Voraussetzungen des
einstweiligen Rechtsschutzes sind – unter Beachtung der Grundsätze der objektiven Beweislast – glaubhaft zu
machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -); die richterliche
Überzeugungsgewissheit in Bezug auf die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des
Anordnungsgrundes erfordert insoweit eine lediglich überwiegende Wahrscheinlichkeit (Meyer-Ladewig, a. a. O., Rdnr.
16b).
Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind im vorliegenden Rechtsstreit in dem tenorierten Umfang glaubhaft
gemacht. Glaubhaft gemacht ist zunächst ein Anordnungsanspruch auf zusätzliche Erstausstattung für Bekleidung
bei Schwangerschaft und Geburt in Höhe von 65,00 Euro sowie außerdem auf Bekleidung als unabweisbarer Bedarf
zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 15,00 Euro.
Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt sind gemäß § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
SGB II nicht von der Regelleistung umfasst und werden gesondert erbracht; sie können als Sachleistungen oder
Geldleistung oder auch in Form von Pauschalbeträgen erbracht werden (§ 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, S. 2 und 5 SGB II). In
dem vorliegenden Rechtsstreit gehen die Beteiligten übereinstimmend vom Vorliegen des Leistungsfalles der
Schwangerschaft und Geburt im Sinne der vorgenannten Regelung aus; streitbefangen ist der Umfang des
Leistungsanspruchs. Die Antragsgegnerin hat sich in Ausübung ihres Leistungsermessens dafür entschieden, die
Leistung als Geldleistung in Form eines Pauschalbetrages zu erbringen. Die Antragstellerin ihrerseits hat keine
Sachleistung beantragt. Gegenüber der Möglichkeit, die beantragte Geldleistung als Pauschalbetrag zu gewähren,
werden verfassungsrechtliche Bedenken nicht erhoben (Eicher/Spellbrink, SGB II, Kommentar, § 20 Randnr. 41),
zumal durch diese Leistungsform der Handlungsfreiheit des mündigen Leistungsempfängers größtmöglicher Raum
gegeben wird. Zu beachten sind die allgemeinen Grundsätze der Bedarfsdeckung, d. h., der Bedarf muss ausreichend
und sachgerecht befriedigt werden können, und der Hilfeberechtigte darf sich von nicht hilfebedürftigen Personen nicht
negativ unterscheiden (Münder, SGB II, Kommentar, § 23 Randnr. 11). Hinsichtlich der Verwendung des allgemein
bedarfsdeckend festgesetzten Pauschalbetrags ist es dann an dem Hilfeempfänger, seinen Bedarf unter
Berücksichtigung seiner individuellen Prioritäten mit der ihm zur Verfügung gestellten Geldleistung optimal zu decken.
Der Gefahr der Bedarfsunterdeckung (Eicher/Spellbrink, a. a. O., § 23 Randnr. 96) durch zu enge Auslegung des
Begriffes der "Erstausstattung" – zumal bei Pauschalierung – ist zu begegnen. Andererseits sind einer zu weiten
Auslegung Grenzen dadurch zu setzen, dass allein der spezifisch durch Schwangerschaft und Geburt ausgelöste
Bekleidungsbedarf (Kleidungsstücke, die gerade aufgrund der körperlichen Veränderungen im Zuge einer
Schwangerschaft getragen werden müssen, etwa Hosen mit erweitertem oder erweiterbarem Bund, weiter
geschnittene Kleider oder Blusen, spezielle Unterwäsche, Büstenhalter) berücksichtigt wird (Eicher/Spellbrink, a. a.
O., § 23 Randnr. 106).
Davon ausgehend, neigt das Gericht im vorliegenden Eilverfahren nach summarischer Prüfung zur Annahme einer
strukturellen Bedarfsunterdeckung durch die Bekleidungspauschale der Antragsgegnerin von 150,00 Euro. Geeignete
Angaben der Beteiligten über die erforderlichen Aufwendungen bzw. nachvollziehbare Erfahrungswerte werden dabei
entsprechend § 23 Abs. 3 S. 6 SGB II berücksichtigt. Die Angaben der Antragstellerin zu ihrem Bedarf waren zwar
nicht stabil (zunächst 133,40 Euro, dann 220,00 Euro, dann 160,00 Euro), jedoch in der Tendenz nachvollziehbar. Die
Antragsgegnerin hat schriftsätzlich vorgetragen, der Bemessung der Pauschale sei folgender Bedarf zugrunde gelegt:
1 Umstandskleid, 2 Hosen, 1 Bluse, Nachtwäsche, Unterwäsche. Art und Menge dieser von der Antragsgegnerin der
Bemessung der Pauschale zugrunde gelegten Kleidungsstücke sind unzureichend. Das Gericht geht – mit beiden
Beteiligten - davon aus, dass die Bekleidung von Schwangeren typischerweise einer Ergänzung bedarf, welche ihrem
vergrößerten Körperumfang entspricht. Weitergehend muss diese Ergänzung der Bekleidung den Notwendigkeiten der
wärmeren und der kälteren Jahreszeiten sowie der Hygiene (Wechselmöglichkeit ohne Zwang zu ständigem Wäsche-
Waschen) genügen. Die Bemessung der Pauschale unter Zugrundelegung lediglich einer Bluse seitens der
Antragsgegnerin ist dann unter den beiden vorgenannten Aspekten ungenügend: Drei Blusen (alternativ zwei Shirts
plus eine Bluse) werden nach der Lebenserfahrung zum Wechseln in den wärmeren Jahreszeiten mindestens benötigt,
und zusätzlich zu den drei Blusen werden in den kälteren Jahreszeiten mindestens zwei Sweatshirts (alternativ ein
Sweatshirt und ein Pullover) zum Wechseln benötigt. Des Weiteren erfordern die kälteren Jahreszeiten zusätzlich eine
gegen Kälte und Niederschlag schützende Oberbekleidung in Form einer Jacke oder eines (Kurz-)Mantels. Jacken
oder Mäntel aus der regulären Garderobe einer Schwangeren können zumindest am Ende der Schwangerschaft, falls
dieses denn in die kälteren Jahreszeiten fällt, typischerweise nicht geschlossen getragen werden, wodurch sie ihre
gegen Kälte und Niederschlag schützende Funktion verlieren. Geeignet sind Kleidungsstücke, welche als
Umstandskleidung geschneidert wurden oder ihrer Art nach (z.B. Cape, Tunika, Stretch-Kleidung) weit und flexibel
sind, sowie generell reguläre Kleidung in Übergröße. Die Zusammenstellung der typischen Bekleidung zur Bemessung
der Pauschale durch das Gericht besteht aus den unten gelisteten Teilen (Liste der Antragsgegnerin plus Ergänzung
durch das Gericht), deren Einkaufswert nach Schätzpreisen (aufgrund aktueller Internet-Recherche des
Kammervorsitzenden beim Versandhandel Neckermann) sich auf 150,00 Euro + 65,00 Euro = 215,00 Euro summiert.
Insoweit ist ein Leistungsanspruch überwiegend wahrscheinlich, bleibt jedoch der endgültigen Klärung in einem
Hauptsacheverfahren vorbehalten. – Hilfsweise käme hier auch die Inanspruchnahme der Antragsgegnerin aus
unabweisbarem Bedarf in Betracht. – Im Einzelnen:
1 Umstandskleid 40,- Euro 2 Umstandshosen 40,- Euro 1 Bluse 10,- Euro 2 Nachthemden 20,- Euro 6 Slips 10,- Euro
3 Unterhemden 10,- Euro 2 Still-BH`s 20,- Euro Zwischensumme 150,- Euro
2 Shirts 10,- Euro 2 Sweatshirts 30,- Euro 1 Mantel 25,- Euro Endsumme 215,- Euro
Nicht berücksichtigt werden an dieser Stelle Stilleinlagen und Bademantel. Erstere zählen als Einmal-
Verbrauchsartikel nicht zur Bekleidung; letzterer zählt nicht zur schwangerschaftsbedingten Bekleidung (Münder, a. a.
O, § 23 Randnr. 30 unter Bezugnahme auf VGH Hessen), ist doch auch ein Bademantel in der sonst individuell
üblichen Bekleidungsgröße einem schwangerschaftstypischen Körperumfang mittels eines Gürtels variabel
anzupassen.
Ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des
Lebensunterhaltes, der weder durch Vermögen noch auf andere Weise gedeckt werden kann, kann gemäß § 23 Abs. 1
S. 1 SGB II im Einzelfall bei entsprechendem Nachweis mittels Geldleistung in Gestalt eines entsprechenden
Darlehens gedeckt werden. Vorliegend erachtet das Gericht den von der Antragstellerin geltend gemachten
Bademantel-Bedarf als glaubhaft gemacht (Anordnungsgrund) und als unabweisbar, weil Patienten, die in
Krankenhäusern das Bett lediglich kurz verlassen, Bademäntel zu tragen pflegen und weil der Antragstellerin nach
deren glaubhaften Angaben ein Aufenthalt in einer Entbindungsklinik unmittelbar bevorsteht. Wenn ein Bademantel in
der Garderobe der Antragstellerin nicht vorhanden ist, was mangels Hausbesuch der Antragsgegnerin nicht
widerlegbar ist, und wenn die Antragstellerin insoweit in der Vergangenheit keine Ansparung zur Ergänzung ihrer
allgemeinen Bekleidung vorgenommen hat, wie es von ihr zu erwarten, jedoch nicht zu erzwingen ist, ist jetzt die
Anschaffung eines Bademantels als die übliche Krankenhausbekleidung auf Kosten der Antragsgegnerin nötig. Den
Kaufpreis für einen Bademantel hat das Gericht (durch aktuelle Internet-Recherche bei dem Versandhandel
Neckermann) mit 15,00 Euro ermittelt. Danach besteht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein zusätzlicher
Anspruch auf darlehensweise Geldleistung für einen Bademantel in Höhe von 15,00 Euro.
Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes hat die Antragstellerin lediglich bedingt glaubhaft gemacht; die begehrte
Leistung wird deshalb lediglich unter einer Bedingung zugesprochen. Das Gericht bestimmt nach § 86b Abs. 2 Satz 4
SGG in Verbindung mit § 938 Abs. 1 Zivilprozessordnung nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung
des Zweckes erforderlich sind. Vorliegend wird als zweckentsprechend angesehen, den wie oben bestimmten
Geldleistungsansprüchen in Höhe von insgesamt 80,00 Euro eine gewisse Zweckbindung beizulegen; denn die
Antragstellerin hat bereits den tatsächlichen Verbrauch der ihr gewährten Bekleidungspauschale in Höhe von 150,00
Euro nicht durch Quittungen nachweisen können und hat dem Gericht zu ihrem zusätzlichen Bedarf in der
Gerichtssitzung, zu der sie nicht erschienen ist, keine persönlichen Erklärungen oder eidesstattlichen Erklärungen
geben können. Das im Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung erreichte Endstadium der Schwangerschaft in Verbindung
mit der angedeuteten Möglichkeit eines vorzeitigen Geburtstermins und der attestierten Risikogravidität begründen
eine Unsicherheit, ob und inwieweit die Antragstellerin die geltend gemachte Umstandsbekleidung überhaupt noch
erwerben und nutzen können wird, die zugesprochenen Mittel also zur Beseitigung der aktuellen Bekleidungsnotlage
eingesetzt werden. Die tenorierte Leistungsverpflichtung der Antragsgegnerin wird deshalb davon abhängig gemacht,
dass die Antragstellerin den Kauf bzw. die Bestellung der von ihr noch benötigten Umstandsbekleidung überhaupt
sowie insbesondere unter dem Aspekt ihrer spezifischen Schwangerschaftsbedingtheit gegenüber der
Antragsgegnerin nachweist. Spezifisch schwangerschaftsbedingt ist die Bekleidungsanschaffung dann, wenn aus der
Funktionsbeschreibung des Bekleidungsteiles (Umstandsbekleidung etc.), seines besonderen Zuschnitts (z.B. Cape)
oder der Bekleidungs-Übergröße (z. B. XXL) hervorgeht, dass diese Kleidung extra wegen der körperlichen
Veränderungen am Ende der Schwangerschaft benötigt wird. – Auch der Erwerb des Bademantels ist nachzuweisen.
Die Leistung wird der Antragstellerin im Eilverfahren als Darlehen und nicht als Beihilfe zugesprochen. Zum einen
entspricht die Darlehensgewährung dem vorläufigen Charakter der einstweiligen Anordnung am ehesten, erschwert sie
doch eine spätere Rückabwicklung am wenigsten (LSG Baden-Württemberg vom 17. August 2005 – L 7 SO 2117/05
ER-B; Oberverwaltungsgericht Brandenburg vom 17. September 2003 – 4 B 39/03; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger
Rechtsschutz, 4. Aufl., Rdnr.1243). Zum anderen ist unabweisbarer Bedarf ohnedies stets mittels
Darlehensgewährung zu decken.
Die Kostenentscheidung entsprechend § 193 SGG berücksichtigt das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der
Beteiligten in dem vorliegenden Rechtsstreit.