Urteil des SozG Stuttgart vom 24.10.2013

rlv, echte rückwirkung, vergütung, nummer

SG Stuttgart Urteil vom 24.10.2013, S 11 KA 6099/11
Kassenärztliche Vereinigung - Honorarverteilung - Berechnung des arzt- bzw
praxisbezogenen Regelleistungsvolumens - Rechtmäßigkeit der Beschlüsse
des (Erweiterten) Bewertungsausschusses
Leitsätze
Die Beschlüsse des (Erweiterten) Bewertungsausschusses vom 27./28.8.2008,
17.10.2008 und 23.10.2008 sind überwiegend mit den gesetzlichen Vorgaben
vereinbar.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 60.814.91 EUR festgesetzt.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Auszahlung des unbudgetierten
Honorars für das Quartal I/2009.
2
Die Klägerin ist als Fachärztin der inneren Medizin mit Schwerpunkt
Rheumatologie in S. zugelassen.
3
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2008 übersandte die Beklagte der Klägerin die
Zuweisung des Regelleistungsvolumens für das Quartal I/2009. Der Klägerin
wurde ein arztbezogenes Regelleistungsvolumen in Höhe von 66.415,92 EUR
zugewiesen. Der arztgruppenspezifische Fallwert betrug 40,64 EUR. Eine
arztgruppenspezifische Erhöhung des Regelleistungsvolumen (bei Vorliegen der
geforderten Qualifikation) wurde nicht anerkannt, sodass sich ein arztindividueller
Fallwert von 40,64 EUR ergab. Als regelleistungsrelevante Fallzahlen wurden
anerkannt:
4
Altersklasse 0 bis 5 6 bis 59 über 60 Summe
keine
945
937
1.882
5
Als arztindividueller Anpassungsfaktor nach Altersklassen wurde 1,0023
festgelegt. Hieraus ergibt sich ein arztindividueller Fallwert nach Anpassung von
40,73 EUR. Der Fallzahl abhängigen Berechnung des Regelleistungsvolumens
wurde als Fallzahldurchschnitt der Arztgruppe 895 zugrunde gelegt, für die
Klägerin ergab sich ein Fallwert ohne Abstaffelung für 1.343 Fälle. Bei einem
Fallwert von 40,64 ergab sich ein Betrag von 54.579,52 EUR. Für 179 Fälle
wurde ein Fallwert mit Abstaffelung von 25 % ermittelt, hieraus ergab sich bei
einem Fallwert von 30,48 EUR ein Betrag von 5.455,92 EUR. Für 268 Fälle wurde
eine Abstaffelung von 50 % ermittelt, hieraus ergab sich bei einem Fallwert mit
Abstaffelung von 20,32 EUR ein Eurobetrag von 5.445,76 EUR. In 92 Fällen
wurde eine Abstaffelung von 75 % ermittelt, sodass sich bei einem Fallwert mit
Abstaffelung von 10,16 EUR ein Betrag von 934,72 EUR ergab.
6
Zur Begründung führte die Beklagte an, der Gesetzgeber habe mit Wirkung ab
dem 01. Januar 2009 eine neue Vergütungsstruktur vorgegeben. Ab diesem
Zeitpunkt würden vertragsärztliche Leistungen nach der regionalen Euro-
Gebührenordnung vergütet. Die Zuweisung des Regelleistungsvolumens für das
Quartal I/2009 stehe unter den folgenden Vorbehalten, sodass gegebenenfalls
Anpassungen notwendig würden:
7
- Die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen für die Zuweisungen stünden
noch nicht definitiv fest. Neben der Höhe der morbiditätsbedingten
Gesamtvergütung seien die gesetzlichen Vorgaben umsetzende Beschlüsse
bzw. Vereinbarungen auf Bundes- oder Landesebene noch nicht endgültig bzw.
noch nicht unanfechtbar.
- Die der Berechnung zugrunde gelegten Verhältnisse könnten sich nach der
Zuweisung ändern. Dies betreffe Praxisgründungen, Praxisauflösungen,
Praxisverlegungen, Praxisübernahmen, Wechsel der Arztgruppe, Wechsel des
Versorgungsbereichs oder vergleichbare Sachverhalte.
- Aufgrund der Teilnahme an Verträgen nach §§ 73 b, 73 c oder 140 ff SGB V.
- Aufgrund erforderlicher Anpassungen und Berechnungen.
8
Mit Schreiben vom 07. Januar 2009 erhob die Klägerin Widerspruch gegen die
Zuweisung des Regelleistungsvolumens für das Quartal I/2009. Des weiteren
stelle sie einen Antrag zur Stützung der Honorarverluste durch die Beklagte.
9
Mit Schreiben vom 15. Mai 2009 beantragte die Klägerin die Erhöhung der
Fallzahlen. Im Jahr 2008 habe eine Gemeinschaftspraxis bestanden, sodass dies
nicht als repräsentativ gelten könne. Insofern sei eine Fallzahlerhöhung im Sinne
einer Praxisbesonderheit auf die Zeiten von 2007 vorzunehmen. Durch die
Reduzierung der Praxis auf eine Durchschnittspraxis mit draus folgender
Abstaffelung werde die Versorgung von etwa 1.500 Patienten gefährdet. Mit
ihrem individuellen Fallwert und den Fallzahlen liege sie deutlich höher als im
Quartal IV/2008. Die hohe Fallzahl ihrerseits sei nicht durch eine willkürliche
Fallvermehrung durch Wiedervorstellungstermine zu verantworten, sondern auf
die Tatsache, dass sowohl 2002 als auch 2008 nach Auflösung der
Gemeinschaftspraxen jeweils 200 bis 300 Patienten die Weiterbehandlung durch
den ausgeschiedenen Praxispartner ablehnten. Außerdem sei die Zahl der
Rheumatologen durch eine fehlerhafte Bedarfsplanung, die sich nicht an die
Inhalte der Versorgung halte, zu verantworten.
10 Mit Schreiben vom 8. September 2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass
die Berechnung des RLV ab dem Quartal I/2009 auf der Basis der von der
Klägerin tatsächlich abgerechneten RLV-relevanten Fallzahlen vorgenommen
werde, maximal werde die Fallzahl der ehemaligen BAG aus dem
Vorjahresquartal zugrunde gelegt. Nach Teil B § 10 Absatz 2 HVV könne das
Vorliegen eines außergewöhnlichen Grundes, der zu einer niedrigeren Fallzahl
des Arztes im Aufsatzquartal geführt habe, es rechtfertigen, dass Leistungen über
das RLV hinaus mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet würden.
Darüber hinaus sei jedoch eine Ausnahme von der fallzahlabhängigen
Abstaffelung des RLV-Fallwertes nicht möglich, weshalb dem Widerspruch
diesbezüglich nicht entsprochen werden könne.
11 Mit Bescheid vom 7. Oktober 2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sich
das Honorar für I/2009 auf 206.566,46 EUR belaufe. Das Honorar setze sich wie
folgt zusammen:
12 Mit Schreiben vom 8. Oktober 2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr
arztbezogenes Regelleistungsvolumen auf 76.441,79 EUR festgelegt werde. Der
arztgruppenspezifische Fallwert liege bei 41,82 EUR, da eine
arztgruppenspezifische Erhöhung des RLV (bei Vorliegen der geforderten
Qualifikation) nicht vorliege, betrage auch der arztindividuelle Fallwert 41,82 EUR.
Die anerkannte RLV-relevante Fallzahl aus I/2008 liege bei 2.726, davon
13
Altersgruppe 0 bis 5 Altersgruppe 6 bis 59 Altersgruppe über 60
0 Fälle
1.438 Fälle
1.288 Fälle
14 Der arztindividuelle Anpassungsfaktor nach Altersklassen betrage 1,0018.
Hieraus ergebe sich ein arztindividueller Fallwert nach Anpassung in Höhe von
41,90 EUR. Für die fallzahlabhängige Berechnung des Regelleistungsvolumens
ergebe sich folgendes: Der Fallzahldurchschnitt der Arztgruppe liege bei 879. Für
eine Fallzahl von 1.319 Fälle ergebe sich bei einem Fallwert ohne Abstaffelung
von 41,90 EUR ein Betrag von 55.266,10 EUR. Für 175 Fälle ergebe sich bei
einer Abstaffelung von 25 % ein Fallwert von 31,43 EUR und damit ein Betrag
von 5.525 EUR. Bei 264 Fällen liege eine Abstaffelung von 50 % vor, sodass sich
bei einem Fallwert von 20,95 EUR ein Betrag von 5.530,80 EUR ergebe. Bei 968
Fällen ergebe sich eine Abstaffelung von 75 %, und damit einem Fallwert von
10,48 EUR und ein Betrag von 10.144,64 EUR.
15 Mit Schreiben vom 19. Oktober 2009 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den
Bescheid vom 7. Oktober 2009. Der RLV-Zuweisungsbescheid für das Quartal
I/2009 sei nicht innerhalb der 4 Wochenfrist des § 87 b Absatz 5 S. 1 SGB V
erfolgt. Darüber hinaus sei der RLV - Zuweisungsbescheid nicht gem. § 35 SGB
X ausreichend begründet worden. Darüber hinaus wende sie sich gegen die
Beschlüsse des Bewertungsausschuss bzw. des erweiterten
Bewertungsausschusses.
16 Mit Schreiben vom Dezember 2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die
im Oktober erstellte Honorarabrechnung korrigiert werden müsse, aufgrund von
Antrags- und Widerspruchsentscheidungen sowie Konkretisierungen bei der
RLV- und Konvergenzberechnung. Insgesamt ergebe sich ein Honorar für 2.777
anerkannten Fällen in Höhe von 204.709,23 EUR. Es sei ein
Regelleistungsvolumen von 76.761,54 EUR zugrunde gelegt worden. Das
Honorar setze sich wie folgt zusammen:
17 Mit Bescheid vom 28. Juni 2010 legte die Beklagte das Ergebnis der endgültigen
Abrechnung des Quartals I/2009, ohne Vorbehalt, vor. Das Abrechnungsergebnis
beinhalte einerseits die mit den Krankenkassen beschlossene Härtefallregelung
für Ärzte, die an der hausarztzentrierten Versorgung teilnähmen, andererseits
sonstige individuelle Korrekturen, die aufgrund von Anträgen oder Widersprüchen
notwendig geworden seien, und schließlich auch Korrekturen, die durch eine
Neufestlegung des Trennungsfaktors Hausarzt/Facharzt und korrekte
Fallzahlzuteilungen notwendig geworden seien. Im Ergebnis würden
verschiedene Arztgruppen eine Nachzahlung erhalten, Honorarrückforderungen
seien glücklicherweise nicht notwendig. In den Honorarunterlagen für das Quartal
I/2009 seien richtiggestellt:
18
- Neuberechnung der Regelleistungsvolumen (Anlage zur Zuweisung des RLV -
Berechnung je Arzt und Praxis),
- Neubemessung der Mengenbegrenzung durch RLV anerkannten und
abgestaffelt honorierten Leistungsmenge (Anlage Honorarabrechnung - RLV -
Abrechnungsnachweis),
- Neuberechnung der Konvergenz (Anlage zur Honorarabrechnung -
Konvergenznachweis),
- Neufestsetzung des Honorars (Anlage Honorarzusammenstellung).
19 Für die Klägerin ergebe sich:
20 Zwar sei das Regelleistungsvolumen für die Klägerin herabgesetzt worden,
jedoch werde der gleiche Betrag (Abweichung 1 Cent) wie im Dezember 2009,
nämlich 204.709,22 EUR als Gutschrift vermerkt.
21 Mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2011 wies die Beklagte den
Widerspruch zurück. Die RLV Zuweisung sei innerhalb der Frist des § 87b Absatz
5 Satz 1 SGB V erfolgt, da lediglich eine Zuweisung vor Beginn des
Geltungszeitraums erforderlich sei. Darüber hinaus seien die wesentlichen
Gründe mitgeteilt worden, sodass kein Verstoß gegen § 35 SGB X vorliege.
Darüber hinaus sei der RLV-Zuweisungsbescheid auch materiell rechtmäßig.
22 Mit Schreiben vom 26. Oktober 2011, eingegangen am gleichen Tag, hat die
Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart erhoben.
23 Die Klägerin erklärt zuletzt,
24 Zu Teil A des Beschluss vom 27./28. August 2008:
25 Die erstmalige Festsetzung des Orientierungspunktwertes entspreche nicht den
gesetzlichen Vorgaben. Nach § 87c Absatz 1 Satz 3 SGB V sei das
Finanzvolumen die Summe der bundesweit im Jahr 2008 zu entrichtenden
Gesamtvergütungen in Euro, verändert um die Rate, die das Bundesministerium
für Gesundheit nach § 71 Absatz 3 SGB V für das Jahr 2009 festlegt. Der
Bewertungsausschuss ziehe demgegenüber das Jahr 2007 als Auffangzeitraum
heran. Diese Gesamtvergütungen seien um die Grundlohnsummen des Jahres
2008 und 2009 erhöht worden. Aus der Gesetzesbegründung zu § 87a SGB V
(Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung,
GKV-WSG vom 26. März 2007, gültig ab 1. April 2007, Artikel 1 Nr. 57a) lasse
sich entnehmen, dass eine Anknüpfung an die Grundlohnsumme gerade nicht
mehr stattfinden solle. Entgegen der Ansicht des SG Marburg sei der Umfang der
Gesamtvergütungen für 2008 im August 2008 bereits bekannt gewesen, bzw.
hätte vom Bewertungsausschuss hochgerechnet werden müssen, wie dies in §
87c Absatz 1 Satz 4 SGB V für die Leistungsmenge in Punkten geregelt ist.
(2.1.1.)
26 Darüber hinaus ziehe der Bewertungsausschuss nicht die Gesamtvergütungen
heran, sondern bereinige diese um insgesamt elf Leistungsbereiche, ohne dass
hierfür eine rechtliche Grundlage bestehe. Zwar könne der Beklagten zugestimmt
werden, dass es sich bei einigen Leistungen um solche außerhalb der
Gesamtvergütung handle, jedoch seien beispielsweise strahlentherapeutische
Leistungen Gegenstand der Gesamtvergütungen gewesen (2.1.2.).
27 Die Leistungsmenge sei entgegen § 87c Absatz 1 Satz 4 nicht als
Punktzahlvolumen im Beschluss abgebildet. Die Berechnung des
Orientierungspunktwertes ist daher nicht nachvollziehbar. Dabei wäre es ein
leichtes gewesen, die geforderten zwei Zahlen (Finanzvolumen gemäß § 87c
Absatz 1 Satz 3 und Leistungsmenge in Punkten gemäß § 87c Absatz 1 Satz 4
SGB V) in den Beschluss aufzunehmen (2.1.4.).
28 Die Hochrechnung nach § 87c Absatz 1 Satz 4 SGB V finde sich im Beschluss
nicht. Sie sei damit als nicht durchgeführt anzusehen. Die Leistungsmenge sei
anhand der Quartale 2007 festgelegt und dann um 9,75 erhöht worden. Woher
diese Zahl komme, lasse sich dem Beschluss nicht entnehmen. (2.1.5)
29 In Ziffer 2.3 des Beschlusses würden zu Unrecht die in Ziffer 1.2 aufgeführten
Leistungen bei der Festlegung der Leistungsmenge nicht berücksichtigt. Im
Übrigen werde auf die Ausführungen zur Bereinigung der Gesamtvergütung
verwiesen. (2.1.6)
30 Im Beschluss seien weder das Finanzvolumen noch die Leistungsmenge
ausgewiesen. Der vom Bewertungsausschuss „festgelegte“ (oder berechnete?)
Orientierungspunktwert (Ziffer 4) sei nicht nachvollziehbar. Im Übrigen werde auf
die Ausführungen zur Leistungsmenge verwiesen. (2.1.7.)
31 Zu Teil B des Beschlusses Vereinbarung der morbiditätsbedingten
Gesamtvergütung
32 Die erstmalige Vereinbarung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (§ 87c
Absatz 4 SGB V) sei nicht mit den gesetzgeberischen Vorgaben vereinbar. Als
Ausgangsbasis hätten die Quartale III/2007 bis II/2008 gewählt werden müssen,
da dies die „aktuellen Daten“ im Sinne des § 87c Absatz 4 Satz 3 SGB V
gewesen seien, die dann hätten hochgerechnet werden müssen (2.2.1).
33 Nach § 87c Absatz 4 Satz 2 SGB V habe der Bewertungsausschuss die
Vorgaben des § 87a Absatz 4 SGB V zur Veränderungsrate zu beachten. Davon
finde sich in Teil B des Beschlusses nichts. Die Ausführungen der Beklagten
seien insoweit nicht nachvollziehbar. Teil A des Beschlusses befasse sich mit der
Festlegung des Orientierungspunktwertes, Teil B mit der erstmaligen Festlegung
der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung. Außerdem sei in Teil A Ziffer 1.3.1
des Beschlusses nichts von den Kriterien des § 87a Absatz 4 SGB V zu lesen
(2.2.2).
34 Eine unterschiedliche Honorarverteilungsquote für Ost- und Westdeutschland sei
gesetzlich nicht vorgegeben. In § 87c Absatz 4 Satz 2 sei ausdrücklich von einer
„bundesdurchschnittlichen Veränderungsrate“ die Rede. Eine Differenzierung
nach Bundesländern sei nicht vorgesehen. Der Bewertungsausschuss habe die
„äußersten rechtlichen Grenzen“ seiner Rechtsetzungsbefugnis überschritten. Bei
klaren gesetzlichen Vorgaben seien diese aber einzuhalten. Wenn dies nicht
geschehe, müssten die Gerichte den Mut haben, diese Regelungen für
rechtswidrig zu halten, wie es auch das BSG immer getan habe. Wäre die
„Stützung“ der neuen Bundesländer unterblieben, wäre mehr Honorar nach
Baden-Württemberg und damit auch zur Klägerin geflossen (2.2.3).
35 Für die Nichteinbeziehung der Leistungen nach Ziffer 1.2 des Teils A und der
Substitutionsbehandlungen (Ziffer 1.3 des Beschlusses) ergibt sich keine
gesetzliche Grundlage. Insoweit wird auf die Ausführungen Im Übrigen werde auf
die Ausführungen zur Bereinigung der Gesamtvergütung verwiesen (2.2.4).
36 Wie der Bewertungsausschuss auf die Veränderungsrate in Ziffer 4 des
Beschlusses komme, ergebe sich aus dem Beschluss nicht. In § 87c Absatz 4
Satz 2 SGB V sei geregelt, wie die Veränderungsrate zu berechnen sei. Die Rate
könne nicht einfach „festgesetzt“ werden. Es könne dahinstehen, ob der
Rechenweg im Beschluss hätte ausgeführt werden müssen (wie beispielsweise
in der Anlage 2 zu Beschlussteil F). Jedenfalls hätte sich aber aus dem
Beschluss ergeben müssen, dass die Rate errechnet und nicht nur aus der Luft
geholt und festgesetzt worden sei (2.2.6.).
37 Zu Teil C des Beschlusses
38 Der Gesetzgeber sehe in § 87 Absatz 2f SGB V zwingend vor, dass der
Bewertungsausschuss bis 31. August eines Jahres Indikatoren zur Messung der
regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur vorgebe.
Dieses habe der Bewertungsausschuss nicht umgesetzt. Das Gesetz enthalte
keine Möglichkeit für den Bewertungsausschuss, von den Vorgaben
abzuweichen. Im Gegenteil: In § 87 Absatz 2f Satz 2 1. Halbsatz SGB V sei
vorgegeben, wie der Bewertungsausschuss die Datenerhebungen und -
auswertungen vorzunehmen habe. Die Feststellung im Beschluss, es ließen sich
keine Indikatoren definieren, genüge diesen Vorgaben selbstverständlich nicht.
Dies gelte insbesondere, als der Gesetzgeber die Indikatoren im Wesentlichen
bereits vorgegeben habe (Fallzahlentwicklung, Investitions- und Betriebskosten;
vgl. § 87 Absatz 2 f Satz 3 und 4). Dass es zwischen den Bundesländern
zumindest bei der Kostenstruktur erhebliche Unterschiede gebe, dürfte
gerichtsbekannt sein. So lasse sich beispielsweise einem Artikel von Focus.de
entnehmen, dass die Stundenlöhne für Angestellte, die auch in Arztpraxen gelten,
zwischen 40,60 EUR in Wolfsburg und 17,30 EUR auf Rügen schwankten. Die
Wirtschaftskraft der Bundesländer, die gemäß § 87c Absatz 2 SGB V als
amtlicher Indikator ausdrücklich angesprochen werde, schwanke zwischen 37,5
und 65,8 Punkten. So liege die Wirtschaftskraft in Baden-Württemberg mit 62,2
Punkten bei einem Durchschnittswert von 50,0 deutlich über dem
Bundesdurchschnitt. Es hätte also genügend Indikatoren gegeben, die der
Bewertungsausschuss hätte heranziehen können. Da Baden-Württemberg stets
unter den teuersten Bundesländern rangiere, hätte bei Heranziehung der
Indikatoren im Ergebnis nur eine Abweichung von den Orientierungswerten nach
oben in Betracht kommen können. Dies hätte dann konsequenterweise zu
höheren Punktwerten in der baden-württembergischen Eurogebührenordnung
und damit bei jedem baden-württembergischen Arzt, so auch bei der Klägerin, zu
höheren Honoraren geführt (2.3.1).
39 Zu Teil F des Beschlusses
40 Der EBewA habe entgegen § 87b Absatz 3 Nummer 6 des
Morbiditätsgesichtspunktes „Geschlecht“ nicht berücksichtigt. Es sei nicht
nachvollziehbar, dass das abgerechnete Volumen durch dieses Kriterium nicht
maßgeblich beeinflusst werde. Nicht umsonst gebe es verschiedene Sterbetafeln
für Männer und Frauen. Frauen lebten im Schnitt länger und nähmen daher mehr
Leistungen in Anspruch. Auch der Fall der Schwangerschaft mit
Mutterschaftsvorsorge, Betreuung während der Schwangerschaft, Geburtshilfe
und postnatale Betreuung einschließlich der Untersuchungen der Neugeborenen
trete nur bei Frauen auf. Davon abgesehen sei es irrelevant, ob der
Bewertungsausschuss das Kriterium Geschlecht als relevant ansehe oder nicht.
Er hätte vielmehr auch nach den zwingenden Vorgaben des Gesetzgebers
dieses Kriterium als maßgeblich heranziehen müssen. Die „kann-Vorschrift“ des §
87 Absatz 2b Satz 3 gelte nur für die Versichertenpauschale im Rahmen der
hausärztlichen Versorgung. Wie sich der EBewA bei der zentralen und strikten
Vorgabe des Gesetzgebers in § 87b Absatz 3 Satz 6 SGB V in seinem Beschluss
Teil F Ziffer 3.2.2 zu der Aussage versteigen könne, das Kriterium „Geschlecht“
sei nicht zur Abbildung der Morbidität geeignet, wird bleibe sein Geheimnis.
(2.6.2.1.)
41 Die Vorgabe des § 87b Absatz 2 Satz 5 SGB V, dass bei einem
morbiditätsbedingten Anstieg die Regelleistungsvolumina spätestens im
nächsten Quartal anzupassen seien, werde nicht umgesetzt. Zwar könne die
Einwendung der Beklagten als richtig unterstellt werden, die gesetzgeberische
Vorgabe, dass die Anpassung der Regelleistungsvolumina spätestens im
nächsten Abrechnungszeitraum (= Quartal) erfolgen müsse, sei allerdings nicht in
den Beschluss übernommen worden. (2.6.2.2)
42 Die Werte für die Regelleistungsvolumina seien nicht nach Versorgungsgraden
(Über- Unter- Normalversorgung) festgelegt worden. Die Regelung werde
vielmehr auf den 1. Januar 2010 verschoben. Eine gesetzliche Grundlage hierfür
gebe es nicht. Sie könne insbesondere nicht in § 87c Absatz 1 Satz 1 1. Halbsatz
gesehen werden, da diese Vorschrift ausdrücklich nur für die erstmalige
Festlegung der Orientierungspunktwerte nach § 87 Absatz 2e Satz 1 Nr. 2 und 3
SGB V gelte. (2.6.2.4)
43 Darüber hinaus lasse der Bewertungsausschuss in Nummer 2 und 3 der Anlage
1 zu Teil F Ausnahmen für die Vertragspartner der Gesamtverträge zu, die keine
gesetzliche Grundlage hätten. Diese Regelungen hätten vom
Bewertungsausschuss getroffen werden müssen, da er für die Festlegung der
Regelleistungsvolumina zuständig sei. Insoweit bestehe auch kein
Gestaltungsspielraum des Bewertungsausschusses, da dieser vom Gesetzgeber
nicht eingeräumt werde. (2.6.3)
44 Auch für die Delegation des Verfahrens der Vorwegabzüge (Nummer 2f der
Anlage 2 zu Teil F) besteht keine Rechtsgrundlage. Den Partnern der
Gesamtverträge werden Gestaltungsspielräume eingeräumt, die keine
gesetzliche Grundlage haben. Der Bewertungsausschuss hätte die Regelungen
selbst treffen müssen. (2.6.4)
45 Zu weiteren Fehlern des Bewertungsausschusses
46 Gemäß § 87b Absatz 4 Satz 1 SGB V bestimme der Bewertungsausschuss
erstmalig bis zum 31. August 2008 das Verfahren zur Berechnung und zur
Anpassung der Regelleistungsvolumina nach den Absätzen 2 und 3 sowie Art
und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der Übermittlung der
erforderlichen Daten. Entgegen dieser zeitlichen Vorgaben sei das Verfahren –
zumindest was die Bereinigung von Sonderverträgen betreffe – erst in der 9.
Sitzung des Bewertungsausschusses vom 22. Januar 2009 mit (echter)
Rückwirkung getroffen worden. (2.7.2.) Gleiches gilt für die Regelung zur
Umsetzung und Weiterentwicklung der arzt- und praxisbezogenen
Regelleistungsvolumen nach § 87b Absatz 2 und 3 SGB V im Beschluss des
Bewertungsausschusses in seiner 9. Sitzung am 15. Januar 2009. (2.7.3.)
47 Zu Fehlern in der ab 1. Januar 2009 geltenden Honorarverteilungsvereinbarung
(HVV) der KV Baden-Württemberg mit den (Landesverbänden der)
Krankenkassen
48 Die Punktwerte seien erst nach dem 15. November 2008 vereinbart worden. Dies
verstoße gegen die gesetzlichen Vorgaben in § 87a Absatz 2 Satz 1 SGB V i. V.
m. § 87c Absatz 3 Satz 1 SGB V. Der ab 1. Januar 2009 geltende HVV lasse sich
zum Vergütungspunktwert überhaupt nichts entnehmen. Es sei nicht ersichtlich,
dass bzw. wann ein Vergütungspunktwert für 2009 vereinbart worden sei. Der
Verweis auf die baden-württembergische Euro-Gebührenordnung helfe nicht
weiter, da dort keine Punktwerte genannt seien. (3.1.1.)
49 Ob die morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen entsprechend § 87a Absatz 3
Satz 1 i. V. m. § 87c Absatz 4 Satz 1 SGB V rechtzeitig bis zum 15. November
2008 vereinbart worden seien, lasse sich den vorliegenden Unterlagen nicht
entnehmen. Vorsorglich werde die verspätete Vereinbarung gerügt. Die
Regelungen der §§ 87 ff. SGB V und der Honorarverteilungsregelungen erfüllten
eine Steuerungsfunktion, die nur möglich sei, wenn die Rahmenbedingungen vor
dem Abrechnungszeitraum bekannt seien. (3.1.2)
50 § 9 HVV regele nicht, wie gesetzlich in § 87a Absatz 3 Satz 4 SGB V vorgesehen,
dass Leistungen, die sich aus einem nicht vorhersehbaren Anstieg des
morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfs ergeben, von den Krankenkassen
spätestens im Folgequartal zu vergüten seien. Ebenso wenig sei geregelt, dass
die Regelleistungsvolumina in diesem Fall spätestens im Folgequartal
entsprechend anzupassen seien (§ 87b Absatz 2 Satz 5 SGB V). (3.1.3)
51 Zur Umsetzung der unwirksamen Vorgaben des Bewertungsausschusses in der
ab 01.01.2009 geltenden Honorarverteilungsvereinbarung
52 Die Vertragsparteien hätten von der Ermächtigung in Ziffer 2 für Ausnahmen
bezüglich der RLV-relevanten Arztgruppen ohne gesetzliche Grundlage
Gebrauch gemacht und Abweichungen bei Arztgruppen von dem Beschluss des
Bewertungsausschusses vorgenommen. Aufgrund der nichtigen Vorgaben des
Bewertungsausschusses seien die entsprechenden Vereinbarungen ebenfalls
unwirksam. (3.2.1.) Gleiches gelte für die Nr. 2.1 und 2.2 der Anlage 1 zu Teil B
der HVV. (3.2.2)
53 Der Bewertungsausschuss habe zu Unrecht das Morbiditätskriterium
„Geschlecht“ außer Betracht gelassen. Dies wurde in der HVV konsequent, aber
ebenfalls in rechtswidriger Weise so umgesetzt (Teil B § 5 Nr. 4 HVV). (3.2.3)
54 Gemäß § 87b Absatz 4 Satz 1 SGB V bestimme der Bewertungsausschuss das
Verfahren zur Berechnung der Regelleistungsvolumina. Die Kassenärztlichen
Vereinigungen und die Krankenkassen stellten gemäß den Vorgaben des
Bewertungsausschusses die für die Zuweisung der RLV nach Absatz 5
anzuwendende Berechnungsformel fest. Damit sei keine gesetzliche
Ermächtigung zu sehen, allgemein von den Vorgaben des
Bewertungsausschusses abzuweichen. Der Normgeber des
Honorarverteilungsvertrages sei grundsätzlich an die Vorgaben des
Bewertungsausschusses gebunden (BSG, Urteil vom 18. August 2010 – B 6 KA
27/09 R). Diesen Anforderungen genügten die HVV nicht: Anlage 4 zu Teil B der
HVV entspreche in vielen Einzelvorschriften nicht der Anlage 2 zum Beschluss
des Bewertungsausschusses, dies gelte insbesondere für den Vorwegabzug im
fachärztlichen Bereich. Eine Zuständigkeit der Beklagten oder eine
Delegationsmöglichkeit seitens des Bewertungsausschusses sehe das Gesetz
nicht vor. Dass der Bewertungsausschuss sich bewusst sei, dass er und nicht die
Vertragspartner auf Landesebene diese Leistungen festlegen müssten, ergebe
sich daraus, dass die entsprechenden Leistungen mit den Beschlüssen vom 17.
Oktober 2008 vom 20. April 2008 und vom 22. September 2008 bis ins Detail
geregelt und geändert worden seien. (3.3.1.2).
55 Die abgestaffelte Vergütung in Nr. 1.3 der Anlage 2 zu Teil B HVV habe im
Beschluss des Bewertungsausschusses (Anlage 1 zu Teil F Nr. 5) keine
Grundlage. (3.3.5.)
56 Die Regelungen zum Ausgleich bei überproportionalen Honorarverlusten im
Einvernehmen mit den Krankenkassen in § 12 Absatz 1 HVV verstießen gegen
Teil F Nr. 3.7 des Beschlusses des Bewertungsausschusses. Im Beschluss sei
vorgegeben, dass Ausgleichszahlungen bei überproportionalen Honorarverlusten
von den Kassenärztlichen Vereinigungen im Einvernehmen mit den
(Landesverbänden der) Krankenkassen geleistet werden könnten, während in §
12 Absatz 1 der HVV dagegen die Kassenärztliche Vereinigung alleine zuständig
sei. (3.3.6)
57 Zur Perpetuierung der Fehler in der HVV
58 Soweit der Bewertungsausschuss die Vorgaben des Gesetzgebers fehlerhaft
umgesetzt habe, werde die fehlerhaften Umsetzungen in der HVV perpetuiert.
Somit gälten dieselben Einwendungen wie oben dargestellt.
59 Zur Konvergenzregelung
60 Die Regelung in § 2 Nummer 6 HVV, wonach Praxisbesonderheiten mit der
Konvergenzregelung abgegolten seien, verstoße gegen den Grundsatz der
Honorarverteilungsgerechtigkeit. (4.4.)
61 Zur erstmaligen Zuweisung des RLV
62 Entgegen § 87c Absatz 5 Satz 1 SGB V hätten die RLV spätestens zum 30.
November 2008 zugewiesen werden müssen.
63 Zum Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot
64 Die Vergütung des Arztes ergebe sich aus dem Zusammenspiel der Regelungen
des EBM, der Beschlüsse des Bewertungsausschusses und den auf KV-Ebene
vereinbarten HVV. Die Flut dieser Regelungen unter Berücksichtigung der
ständigen (teils rückwirkenden) Änderungen sei für den Arzt nicht mehr
überschaubar. Seine Vergütung werde von ihm meist als schicksalhaftes
Geschehen hingenommen, ohne dass er das Zustandekommen überprüfen
könne. Dies stelle einen Verstoß gegen das gesetzlich geschützte
Bestimmtheitsgebot von Gesetzen dar.
65 Die Klägerin beantragt,
66
den Bescheid mit dem des Regelleistungsvolumen für das Quartal I 2009
zugewiesen wurde, so wie den Honorarbescheid für das Quartal I 2009 jeweils in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2011 aufzuheben und
das von der Klägerin im Quartal I 2009 abgerechnete Honorar unbudgetiert zur
Auszahlung zu bringen,
67
hilfsweise die Beklagte zu verurteilen unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts die Klägerin neu zu verbescheiden,
68
höchsthilfsweise die Sprungrevision zuzulassen.
69 Die Beklagte beantragt,
70
die Klage abzuweisen.
71 Die Beklagte erklärt,
72 Zu Teil A des Beschlusses:
73 Der EBewA weiche zwar von § 87c Absatz 1 Satz 3 SGB V ab, wenn er als
Referenzjahr 2007 heranziehe, jedoch hätten lediglich die Daten für 2007 zur
Verfügung gestanden.
74 Für die in dem Beschluss des EBewA unter Ziffer 1.2 vorgenommene
„Bereinigung“ der Gesamtvergütungen im Sinne von § 85 Absatz 1 SGB V um elf
Leistungsbereiche habe es keiner weiteren Rechtsgrundlage bedurft, da diese
Leistungsbereiche bereits per Definitionen keine Gesamtvergütung im Sinne des
§ 85 Absatz 1 SGB V darstellten. Auch die weiteren „Positionen“ wie
Hautkrebsscreening, Leistungen der künstlichen Befruchtung etc. würden zu
Recht ausgeklammert, da sie außerhalb der Gesamtvergütung vergütet würden
und daher bereits denklogisch nicht Bestandteile der Gesamtvergütungen nach §
85 Absatz 1 SGB V sein könnten.
75 Es habe keine Verpflichtung des Bewertungsausschusses bestanden, das
Punktzahlvolumen im Sinne des § 87c Absatz 1 Satz 4 SGB V im Beschluss
offen zu legen. Entscheidend sei insoweit, dass der Rechenweg eindeutig
nachvollziehbar und anhand der gesetzlichen Vorgaben klar ermittelbar ist. Es
könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber hier eine
konkrete Zahl habe offen gelegt haben wollen.
76 Die Klägerin gehe auch hinsichtlich der angeblich nicht durchgeführten
Hochrechnung nach § 87c Absatz 1 Satz 4 SGB V von falschen Tatsachen aus.
Dass die geforderte Hochrechnung durchgeführt worden sei, ergebe sich explizit
aus Teil A Ziffer 3 des Beschlusses. Der Bewertungsausschuss habe damit der
gesetzlichen Anforderung in § 87c Absatz 1 Satz 5 SGB V, wonach bei der
Hochrechnung Simulationsberechnungen u. a. zu den Auswirkungen des zum 1.
Januar 2008 in Kraft getretenen EBM auf die von den Ärzten abgerechnete
Leistungsmenge zu berücksichtigen seien, hinreichend Rechnung getragen.
77 Dass bei der Festlegung der Leistungsmenge nach Inhalt gemäß Teil A Ziffer 2.3
des Beschlusses des Bewertungsausschusses die nach Ziffer 1.2 bei der
Ermittlung der Gesamtvergütung ausgeschlossenen Leistungen unberücksichtigt
blieben, ergebe sich aus der durch den Gesetzgeber vorgegebenen Systematik
der Anknüpfung an die Gesamtvergütungen nach § 85 Absatz 1 SGB V und sei
spiegelbildlich zu der Festlegung des Finanzvolumens unter Ziffer 1.2 des
Beschlusses zu sehen.
78 Es sei rechtlich nicht geboten, im Ausgangsbeschluss des EBewA das
Finanzvolumen und die Leistungsmenge explizit auszuweisen. Insoweit
übersteigere die Klägerin ganz eindeutig das Transparenzerfordernis hinsichtlich
der Beschlüsse des Bewertungsausschusses, zumal diese Rechtsauffassung
der Klägerin auch keine Stütze in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung finde.
79 Zu Teil B des Beschlusses:
80 Wie bereits ausgeführt, sei die Anknüpfung an die Quartale I/2007 bis IV/2007
rechtlich nicht zu beanstanden.
81 Der EBewA habe die Vorgaben aus § 87c Absatz 4 Satz 2 SGB V i. V. m. § 87a
Absatz 4 SGB V in Teil A Ziffer 1.3.1 des Beschlusses berücksichtigt. Da auch
der Gesetzgeber in § 87c Absatz 4 Satz 2 SGB von Schätzungen („zu
schätzende bundesdurchschnittliche Veränderungsrate“) ausgehe, sei davon
auszugehen, dass der Bewertungsausschuss insoweit einen erhöhten
Gestaltungsspielraum für sich in Anspruch nehmen könne.
82 Die Festlegung einer unterschiedlichen Honorarverteilungsquote für Ost- und
Westdeutschland halte sich innerhalb des weiten Gestaltungsspielraums des
Bewertungsausschusses. Dies habe das BSG bereits im Urteil vom 21. März
2012 (B 6 KA 21/11 R) höchstrichterlich bestätigt.
83 Zur Nichteinbeziehung der Leistungen nach Teil A Ziffer 1.2 und der
Substitutionsbehandlung (Ziffer 1.3 des Beschlusses) sei bereits ausführlich
vorgetragen worden. Die Festlegung des Bewertungsausschusses hinsichtlich
der außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung bewerteten Leistungen
wurde im Übrigen auch durch das Sozialgericht Marburg als rechtmäßig bestätigt.
84 Der Bewertungsausschuss sei nicht gehalten gewesen, die
Berechnungsgrundlagen zur Ermittlung der Veränderungsrate gemäß Teil B,
Ziffer 4 in dem maßgeblichen Beschluss offen zu legen. Die klägerischen
Anforderungen an das Transparenzgebot seien auch insoweit als übersteigert
anzusehen.
85 Zu Teil C des Beschlusses
86 Zwar habe das Sozialgericht Marburg in seiner Entscheidung zum Ausdruck
gebracht, dass es die Begründung des Bewertungsausschusses für die fehlende
Umsetzung der Vorgaben nach § 87 Absatz 2 f SGB V („Festlegung von
Indikatoren zur Messung der regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und
Versorgungsstruktur“) für unzutreffend halte. Jedoch führe die Rechtswidrigkeit
des Beschlusses in diesem Punkt aber nicht unmittelbar zu einer Verletzung der
dortigen Kläger in ihren Rechten, da die Indikatoren für die regionalen
Besonderheiten ausschließlich im Rahmen der Bildung der Euro-Gebührenwerte
eine Rolle spielten und es im Ermessen der Gesamtvertragsparteien liege, zu
entscheiden, ob nach den vom Bewertungsausschuss vorgegebenen Kriterien
eine Anpassung der Euro-Gebührenwerte vorgenommen wird. Insoweit
bestünden zwei unterschiedliche Rechtskreise auch weiterhin fort.
87 Zu Teil F des Beschlusses
88 Die Nichtberücksichtigung des Morbiditätsgesichtspunkts „Geschlecht“ gemäß
Teil F Ziffer 3.2.2 des Beschlusses sei nicht zu beanstanden. Der EBewA habe
aufgrund der genauen Analyse des Datenmaterials festgestellt, dass sich das
Kriterium Geschlecht nicht zur Abbildung der Morbidität eignet, da das
abgerechnete Volumen durch dieses Kriterium nicht signifikant beeinflusst werde.
89 Zur Frage den morbiditätsbedingte Anpassungen werde auf Teil F Ziffer 3.3 des
Beschlusses verwiesen, wonach Nachzahlungen von Krankenkassen auf das im
Beschlussteil E festgelegte Verfahren zur Bestimmung des Umfangs des nicht
vorgesehenen Anstiegs des morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfs nach §
87a Absatz 3 Satz 4 SGB V zu Nachzahlungen im Rahmen der
Honorarbescheidung der Abrechnungsquartale nach den angeforderten
Leistungen führten. Unabhängig hiervon könne diese Anforderung für den hier
allein streitgegenständlichen Honorarbescheid des Quartals 1/2009 keine
Auswirkungen haben.
90 Die Rechtsgrundlage für das Verhalten des Bewertungsausschusses finde sich in
§ 87c Absatz 1 Satz 1 1. Halbsatz SGB V, wonach die erstmalige Festlegung der
Orientierungswerte nach § 87 Absatz 2e Satz 1 Nummer 2 und 3 SGB V für das
Jahr 2010 bis zum 31. August 2009 erfolge. Es könne keine Rede davon sein,
dass der Gesetzgeber insoweit inkonsequent gewesen sei, weil der
Orientierungspunktwert zwingend Teil des RLV ist, wie sich aus § 87b Absatz 2
Satz 2 SGB V i. V. m. § 87a Absatz 2 SGB V ergibt. Des Weiteren sei in § 87c
Absatz 3 Satz 1 SGB V geregelt, dass abweichend von § 87a Absatz 2 Satz 1
SGB V die Vertragspartner nach § 87a Absatz 2 Satz 1 SGB V auf der Grundlage
des vom Bewertungsausschuss gemäß Absatz 1 für das Jahr 2009 vereinbarten
Orientierungspunktwertes bis zum 15. November 2008 einen Punktwert
vereinbarten, der zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen im Jahr 2009
anzuwenden sei. Weiter stelle § 87c Absatz 3 Satz 2 SGB V klar, dass
abweichend von § 87a Absatz 2 Satz 6 2. Halbsatz SGB V die zu erstellende
regionale Gebührenordnung für das Jahr 2009 keine Preise bei Vorliegen von
Unter- und Überversorgung enthalte.
91 Die seitens der Klägerin gerügten Regelungen in der Anlage 1 Nummer 2 und 3
des Beschlusses stellten keine unzulässigen „Ausnahmen“ für die
Vertragspartner der Gesamtverträge von dem durch den Bewertungsausschuss
zu treffenden Vorgaben dar, sondern seien allenfalls als Modifikationen (nähere
Ausgestaltungen) zu qualifizieren. Der Bewertungsausschuss sei hierzu im
Rahmen des zugebilligten Gestaltungsspielraums berechtigt.
92 Zu weiteren Fehlern des Bewertungsausschusses
93 Die Klägerin könne keinen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot hinsichtlich
der Bereinigung der Regelleistungsvolumina bei Beitritt eines Arztes zu einem
Vertrag nach §§ 73b, 73c, 140d SGB V sowie hinsichtlich der
Konvergenzregelung geltend machen (Beschlüsse vom 1. Januar 2009 und 22.
Januar 2009), da zum einen keine echte Rückwirkung vorliege. Zum andere eine
echte Rückwirkung gerechtfertigt wäre, da die Klägerin auf die
Bereinigungsproblematik hingewiesen worden sei und die Sicherung einer
angemessenen Versorgung der großen Mehrzahl der Bürger im Krankheitsfall
stellt einen Gemeinwohlbelang von überragender Wichtigkeit darstelle. Im
Übrigen habe die Klägerin von der Konvergenzregelung profitiert und eine
Stützung in Höhe von 26.490,81 EUR erhalten.
94 Zu Fehlern in der ab 1. Januar 2009 geltenden Honorarverteilungsvereinbarung
(HVV) der KV Baden-Württemberg mit den (Landesverbänden der)
Krankenkassen
95 Es sei weder substantiiert vorgetragen, noch ersichtlich, worin die Beschwer der
Klägerin in einer angeblich nicht rechtzeitigen Vereinbarung der Punktwerte
liegen solle. Auch lasse sich keine gesetzliche Regelung finden, nach der im HVV
die Vergütungspunktwerte zu verankern seien. Vielmehr vereinbarten die
Kassenärztliche Vereinigung und die Landesverbände der Krankenkassen und
Ersatzkassen gemäß § 87a Absatz 2 SGB V i. V. m. § 87c Absatz 3 SGB V für
das Jahr 2009 Punktwerte, die zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen
im Jahr 2009 anzuwenden sind. Nach § 87a Absatz 2 Satz 6 SGB V seien aus
den vereinbarten Punktwerten und dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab für
ärztliche Leistungen eine regionale Gebührenordnung mit Europreisen zu
erstellen. Insoweit sei in § 3 Ziffer 1 HVV geregelt, dass die Vergütung der
vertragsärztlichen Leistungen grundsätzlich auf der Basis der gemäß § 87a
Absatz 2 Satz 6 SGB V zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen baden-
württembergischen Euro-Gebührenordnung erfolge. Weitergehender Regelungen
im HVV habe es nicht bedurft.
96 Eine Beschwer der Klägerin hinsichtlich der rechtzeitigen Vereinbarung der
morbiditätsbedingten Gesamtvergütung lasse sich nicht erkennen. Die Klägerin
könne eine von ihr behauptete nicht rechtzeitige Vereinbarung der
morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen nicht rügen. Insoweit gelte auch im
Rahmen der Vorgaben des Gesundheitsfonds das bisher bestehende
Vergütungssystem nach Rechtskreisen fort. Die Klägerin übersehe, dass
vorliegend das Quartal I/2009 streitgegenständlich ist und die entsprechenden
Leistungen bzw. die Regelleistungsvolumina spätestens im folgenden
Abrechnungsquartal, also im Quartal II/2009, zu vergüten bzw. anzupassen sind.
Eine Nichterfüllung dieser Vorgaben würde für das streitgegenständliche Quartal
I/2009 keine Auswirkungen haben.
97 Auch bei der fehlenden Anpassungsregelung bei nicht vorhersehbarem Anstieg
der morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfs lasse sich keine Beschwer der
Klägerin hinsichtlich der rechtzeitigen Vereinbarung der morbiditätsbedingten
Gesamtvergütung erkennen. Insoweit geböte auch im Rahmen der Vorgaben des
Gesundheitsfonds das bisher bestehende Vergütungssystem nach
Rechtskreisen fort. Auch übersehe die Klägerin, dass vorliegend das Quartal
I/2009 streitgegenständlich sei und die entsprechenden Leistungen bzw. die
Regelleistungsvolumina spätestens im folgenden Abrechnungsquartal, also im
Quartal II/2009, zu vergüten bzw. anzupassen seien.
98 Zur Umsetzung der unwirksamen Vorgaben des Bewertungsausschusses in der
ab 01 Januar .2009 geltenden Honorarverteilungsvereinbarung
99 Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, der EBewA habe in Anlage 1 zu Teil
F seines Beschlusses Ausnahmen hinsichtlich der RLV-relevanten Arztgruppen
zugelassen, die eine gesetzliche Grundlage entbehrten. Insoweit werde von der
Klägerin nicht erkannt, dass der EBewA in Anlage 1 zu Teil F, Ziffer 2 keine
Ausnahmen, sondern lediglich Modifikationen (z. B. Differenzierungen oder
Zusammenfassungen) von RLV-relevanten Arztgruppen vorgesehen habe.
Bereits aus diesem Grund könnten die Argumente der Klägerin nicht
durchgreifen. Ganz unabhängig hiervon sei auch eine Beschwer der Klägerin
durch die vorgenommenen Modifikationen nicht zu erkennen. Die von der
Klägerin gerügte Differenzierung nach Qualitätsmerkmalen sei nicht zu
beanstanden. Sie sei ebenfalls vom Gestaltungsspielraum der Vertragspartner
bei der Vornahme der Honorarverteilung gedeckt. Eine Differenzierung nach
Qualitätsmerkmalen für den haus- und fachärztlichen Bereich sei sachgerecht, da
damit einer besonderen Ausrichtung der Praxisrechnung getragen werde.
100 Ebenso wenig könne die Klägerin geltend machen, in § 5 Nr. 4 HVV sei in
rechtswidriger Weise das Morbiditätskriterium Geschlecht nicht berücksichtigt
worden. Der Bewertungsausschuss habe das Kriterium zu Recht nicht zur
Abbildung der Morbidität herangezogen, da es sich hierfür nicht eigne, da das
abgerechnete Volumen durch dieses Kriterium nicht signifikant beeinflusst werde.
Darüber hinaus seien die Vorgaben des Bewertungsausschusses nach der
höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Vertragspartner verbindlich.
101 Gemäß § 87b Absatz 2 Satz 7 SGB V könnten weitere vertragsärztliche
Leistungen außerhalb der Regelleistungsvolumina vergütet werden, wenn sie
besonders gefördert werden sollen oder soweit dies medizinisch oder aufgrund
von Besonderheiten bei Veranlassung und Ausführung der Leistungserbringung
erforderlich sei. Dabei bestimme der Bewertungsausschuss nach § 87b Absatz 4
Satz 2 SGB V Vorgaben zur Umsetzung von Absatz 2 Satz 3, 6 und 7. Die
Vorgaben des EBewA habe die Beklagte 1 zu 1 in ihren HVV übernommen. Sie
habe neben den Vorgaben des erweiterten Bewertungsausschusses lediglich
weitere besonders förderungswürdige Leistungen im HVV implementiert. Dadurch
habe die Beklagte die rechtlichen Grenzen ihrer Gestaltungsmacht, die vor allem
aus grundrechtlichen Rechtsgehalten, dem Sicherstellungsauftrag nach § 72
Absatz 1 Satz 1 SGB V sowie den Bestimmungen des § 87b Absatz 2 Satz 7
SGB V folgen, nicht verletzt. Aus dem Wortlaut des Gesetzes lasse sich nicht
entnehmen, dass der Bewertungsausschuss die besonders förderungswürdigen
Leistungen abschließend festlege. Das Gesetz gehe lediglich davon aus, dass
der Bewertungsausschuss Vorgaben zur Umsetzung von § 87b Absatz 2 Satz 7
SGB V bestimme, nicht aber, dass er den Inhalt dieser Leistungen abschließend
festlege. Bestätigt werde die Kompetenz der Vertragspartner auf Landesebene,
über den Beschluss des Bewertungsausschusses hinaus weitere
vertragsärztliche Leistungen als besonders förderungswürdige Leistungen aus
dem RLV auszunehmen, auch durch die Rechtsprechung des BSG in seinem
Urteil vom 27. Juni 2012, (B 6 KA 28/11 R).
102 Die Rechtmäßigkeit der abgestaffelten Vergütung ergebe sich bereits aus den
gesetzlichen Regelungen zum RLV, wonach RLV-Überschreitungen abgestaffelt
zu vergüten sind (§ 87b Absatz 2 Satz 3 SGB V).
103 § 12 Absatz 1 HVV, wonach die Beklagte alleine zuständig sei, beschwere die
Klägerin nicht.
104 Zur Perpetuierung der Fehler in der HVV
105 Fehler in der Honorarverteilung seien nicht ersichtlich.
106 Zur Konvergenzregelung
107 Die Klägerin habe eine konvergenzbedingte Stützung in Höhe von 26.490,81
EUR erhalten.
108 Zur erstmaligen Zuweisung des RLV
109 Der RLV-Zuweisungsbescheid sei nicht schon deshalb rechtwidrig, weil die
Zuweisung nach dem 30. November 2008 erfolgt sei.
110 Zum Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot
111 Die Klägerin mache nicht geltend, welche konkreten Normen gegen das
Bestimmtheitsgebot verstoßen sollten, der Vortrag sei völlig unsubstantiiert.
112 Wegen der Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird auf die Akten der
Beklagten sowie die Gerichtsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
113 Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den
Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es
sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten
handelt (§ 12 Absatz 3 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG).
114 Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 19.
Dezember 2008, 7. Oktober 2009, Dezember 2009 und 28. Juni 2010 in Gestalt
des Widerspruchbescheides vom 22. September 2011 sind rechtmäßig und
verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Bescheide stehen in Einklang
mit der diesen zugrunde liegenden Honorarverteilungsvereinbarung 2009
(abgeschlossen zwischen der Beklagten und den Baden-Württembergischen
Krankenkassenverbänden gemäß § 83, 85 Absatz 4 Satz 2 i.V.m. § 87b SGB V
und auf der Basis der Beschlüsse des Erweiterten Bewertungsausschusses vom
27./28. August, 17. Oktober 2008 sowie deren Anpassungen und Ergänzungen
für die Zeit ab dem 01.01.2009, im folgenden HVV 2009) sowie den der HVV
2009 zugrunde liegenden Beschlüssen des (Erweiterten)
Bewertungsausschusses vom 27./28.08.2008 sowie vom 17.10.2008 und
23.10.2008 (im folgenden Beschlüsse EBewA 2008), dies wird von der Klägerin
nicht in Frage gestellt. Jedoch rügt die Klägerin die Vereinbarkeit der Beschlüsse
EBewA 2008 und der HVV 2009 mit höherrangigem Recht. Die Beschlüsse
EBewA 2008 und die HVV 2009 sind zwar teilweise rechtswidrig, verletzen
jedoch die Klägerin nicht in ihren Rechten.
115 Die Klägerin kann grundsätzlich die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen des
Bewertungsausschusses im vorliegenden Verfahren geltend machen.
116 Der Zuweisungsbescheid für das Regelleistungsvolumen (RLV) und der
Honorarbescheid für das Quartal I/09 stellen Verwaltungsakte dar, die mit
Widerspruch und Klage angefochten werden können (BSG, Urteil vom 15. August
2012 – B 6 KA 38/11 R). Im Rahmen dieses Verfahrens ist eine inzidente
Überprüfung der dem Bescheid zugrundeliegenden Normen vorzunehmen
(Engelhard, in Noftz u. a., Kommentar zum SGB V, § 87b Rn. 93).
117 Die Zuweisung des RLV für das streitgegenständliche Quartal I/09 beruht auf den
gesetzlichen Vorgaben für die Honorarverteilung, die sich aus §§ 87 ff. des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB) V i.V.m. den Beschlüssen EBewA 2008
sowie der HVV 2009 ergeben. Eine Rechtsverletzung der Klägerin ergibt sich
weder aus den Beschlüssen EBewA 2008 (A.) noch aus der HVV 2009 (B.),
insbesondere nicht aus einer Verletzung des Bestimmtheitsgebotes (C), der
Konvergenzregelung (D) oder der verspäteten Zuweisung des
Regelleistungsvolumens (E).
118
A. Umsetzung der gesetzgeberischen Vorgaben durch die Beschlüsse
EBewA 2008
119 Der Bewertungsausschuss war zur Normsetzung durch Beschlüsse berechtigt.
Die Beschlüsse des BewA sind als Normsetzung durch Vertrag zu qualifizieren.
Die Normsetzung erfolgt nicht unmittelbar zwischen den Vertragspartnern der
Bundesmantelverträge, sondern nach § 87 Absatz 1 Satz 1 SGB V durch
gesonderte Bewertungsausschüsse, jedoch wird deren Handeln den Partnern
der Bundesmantelverträge als eigenes zugerechnet (vgl. BSG, Urteil vom 15. Mai
2002 – B 6 KA 33/01 R). Dass der Bewertungsmaßstab ggf. in einem
schiedsamtsähnlichen Verfahren durch den Erweiterten Bewertungsausschuss
(EBewA) festgesetzt wird, ändert nichts daran, dass es sich dabei um vertragliche
Vereinbarungen zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen (bzw. dem
Spitzenverband Bund) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung handelt.
Dementsprechend hat das BSG den Bewertungsausschuss ungeachtet seiner
Verselbständigung in ständiger Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 29.
September 1993 – Az. 6 RKa 65/91 zuletzt Urteil vom 27. Juni 2012 – B 6 KA
28/11 R) als „Vertragsorgan" bezeichnet, durch das die Partner der
Bundesmantelverträge Vereinbarungen schließen. Damit ist geklärt, dass der
Bewertungsausschuss nicht lediglich ein (Unter-)Ausschuss des Normgebers
„Bundesmantelvertragspartner" ist, sondern den Normgeber in der besonderen
Organisationsform „Vertragsorgan" repräsentiert (SG Marburg, Urteil vom 6.
Oktober 2010 – S 11 KA 340/09, Rn. 82, zitiert nach juris). Einheitlicher
Bewertungsmaßstab und Bundesmantelvertrag haben somit letztlich denselben
Normgeber.
120 Der Gesetzgeber hat dem Bewertungsausschuss durch § 87 ff. SGB V bestimmte
originäre Aufgaben übertragen und sie damit der – ansonsten nach § 82 SGB V
bestehenden – Zuständigkeit der Bundesmantelvertragspartner entzogen.
Innerhalb dieses speziellen Aufgabenbereichs hält sich grundsätzlich auch die
hier in Rede stehende Gesamtvergütung und Bildung von RLV.
121 Dem Bewertungsausschuss kommt bei der ihm übertragenen Aufgabe der
Konkretisierung des Inhalts des Gesetzes Gestaltungsfreiheit zu (so das BSG in
ständiger Rechtsprechung, z.B. Urteil vom 17. März 2010, Az. B 6 KA 43/08 R;
Urteil vom 03. Februar 2009, Az. B 6 KA 31/08 R). Der Gestaltungsspielraum des
BewA ist auch von der Rechtsprechung zu respektieren. Gleichwohl unterliegt der
Bewertungsausschuss als untergesetzlicher Normgeber gerichtlicher Kontrolle; er
ist an die einfachgesetzlichen Vorgaben ebenso wie an die grundrechtlichen
Gewährleistungen in Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 12 Absatz 1 des
Grundgesetzes (GG) gebunden (BSG, Urteil vom 17. März 2010 – B 6 KA 41/08
R).
122 Die richterliche Kontrolle untergesetzlicher Normen beschränkt sich jedoch
darauf, ob die äußersten rechtlichen Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis durch
den Normgeber überschritten wurden. Dies ist erst dann der Fall, wenn die
getroffene Regelung in einem „groben Missverhältnis" zu den mit ihr verfolgten
legitimen Zwecken steht (BVerfGE 108, 1, 19), d. h. in Anbetracht des Zwecks der
Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist (so
BVerwGE 125, 384 Rn. 16; vgl. auch BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 – B 6 KA
49/07 R). Die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen des BewA ist somit im
Wesentlichen auf die Prüfung beschränkt, ob sich die untergesetzliche Norm auf
eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage stützen kann und ob die Grenzen
des Gestaltungsspielraums eingehalten sind. Der BewA überschreitet den ihm
eröffneten Gestaltungsspielraum, wenn sich zweifelsfrei feststellen lässt, dass
seine Entscheidungen von sachfremden Erwägungen getragen sind – etwa weil
eine Gruppe von Leistungserbringern bei der Honorierung bewusst benachteiligt
wird – oder dass es im Lichte von Artikel 3 Absatz 1 GG keinerlei vernünftige
Gründe für die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem bzw. für die
ungleiche Behandlung von im Wesentlichen gleich gelagerten Sachverhalten gibt
(BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 2004, SozR 4-2500 § 87 Nr. 6 RdNr. 19, 21
m.w.N.). Diese Anforderungen an die Intensität einer gerichtlichen Kontrolle
untergesetzlicher Normen bedürfen der Modifizierung, sofern das Normprogramm
auf tatsächliche Verhältnisse Bezug nimmt und/oder eine Regelung als sog.
„zahlenförmige Norm" getroffen wird. Macht eine Norm tatsächliche Umstände –
beispielsweise die bundesdurchschnittlichen Kostenquoten der Arztgruppen in
einem bestimmten Jahr – zur Grundlage ihrer Regelung, erstreckt sich die
gerichtliche Überprüfung insbesondere darauf, ob die Festlegung frei von Willkür
ist. Dies ist der Fall, wenn bei allen Arztgruppen nach denselben Maßstäben
verfahren wurde, aber auch dann, wenn weitere Gesichtspunkte – etwa eine
unterschiedliche Einkommensentwicklung der Arztgruppen – eine differenzierte
Regelung sachlich rechtfertigen. Enthält eine Honorierungsregelung, die als
solche keine Grundrechtsbeeinträchtigung von gewisser Intensität betrifft, als
Tatbestandsmerkmale Zahlen oder Formeln, haben die Gerichte zu prüfen, ob
sachliche Gründe erkennbar sind, welche die getroffene Festlegung als nicht
willkürlich erscheinen lassen. Dabei müssen sie Streitpunkten nachgehen und die
Einwände der Prozessbeteiligten würdigen (SG Marburg, Urteil vom 6. Oktober
2010 – S 11 KA 340/09, Rn. 83, zitiert nach juris).
123 Allerdings darf die gerichtliche Kontrolldichte speziell der Entscheidungen des
BewA nicht überspannt werden. Denn der an den Bewertungsausschuss
gerichtete gesetzliche Gestaltungsauftrag zur Konkretisierung der Grundlagen
der vertragsärztlichen Honorarverteilung umfasst auch den Auftrag zu einer
sinnvollen Steuerung des Leistungsgeschehens in der vertragsärztlichen
Versorgung. Hierzu bedarf es komplexer Kalkulationen, Bewertungen,
Einschätzungen und Prognosen, die nicht jeden Einzelfall abbilden können,
sondern notwendigerweise auf generalisierende, typisierende und
pauschalierende Regelungen angewiesen sind. Die gerichtliche Überprüfung
eines komplexen und auch der Steuerung dienenden Regelungsgefüges darf
sich deshalb nicht isoliert auf die Bewertung eines seiner Elemente beschränken,
sondern muss stets auch das Gesamtergebnis der Regelung mit in den Blick
nehmen. Die Richtigkeit jedes einzelnen Elements in einem mathematischen,
statistischen oder betriebswirtschaftlichen Sinne ist deshalb nicht Voraussetzung
für die Rechtmäßigkeit der gesamten Regelung (BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 –
B 6 KA 49/07 R).
124 Unter Berücksichtigung dieses gerichtlichen Überprüfungsmaßstabes genügt der
Beschluss des BewA vom 27./28. August 2008 in großen Teilen den gesetzlichen
Anforderungen.
125
I. Erstmalige Festlegung des Orientierungspunktwertes nach § 87c Absatz 1
SGB V – Teil A der Beschlüsse EBewA 2008
126 In den §§ 87 ff. SGB V werden die Änderungen des Gesundheitssystems durch
die Einführung des sog. Gesundheitsfonds durch das Gesetz zur Stärkung des
Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) für den
Bereich der vertragsärztlichen Versorgung im SGB V umgesetzt. Abweichend von
der bisherigen Systematik ziehen die Krankenkassen ihre Beiträge zwar weiterhin
ein, übertragen sie dann jedoch an den Gesundheitsfonds, § 52 SGB V. Die
Mittelzuteilung aus dem Gesundheitsfonds an die Krankenkassen erfolgt sodann
im Rahmen des Risikostrukturausgleichs, § 266 SGB V, unter Berücksichtigung
von Morbiditätsgesichtspunkten. Für den Bereich der ambulanten
vertragsärztlichen Versorgung bestimmen die §§ 87a-c SGB V, welche Summen
von der jeweiligen Krankenkasse den Kassenärztlichen Vereinigungen zur
Finanzierung der vertragsärztlichen Versorgung nach welchen Kriterien zur
Verfügung gestellt werden. Im Rahmen dieses Systems legen die §§ 87 bis 87b
SGB V in umfangreicher Form die Ausgestaltung des Honorarverteilungssystems
fest. § 87c SGB V enthält davon abweichend bzw. dazu ergänzend spezifische
Vorgaben für die Übergangsjahre 2009 und 2010 (SG Marburg, Urteil vom 6.
Oktober 2010 – S 11 KA 340/09, Rn. 83, zitiert nach juris).
127 1. Ermittlung des Finanzvolumens – Teil A Ziffer 1 der Beschlüsse EBewA 2008
128 Nach § 87c Absatz 1 Satz 2 SGB V (in der Fassung vom 26. März 2007, BGBl. I
378) ist der Orientierungswert nach § 87 Absatz 2e Satz 1 Nummer 1 für das Jahr
2009 rechnerisch durch die Division des Finanzvolumens durch die
Leistungsmenge zu ermitteln. Das Finanzvolumen ist dabei nach § 87c Absatz 1
Satz 2 SGB V (in der Fassung vom 26. März 2007)die Summe der bundesweit im
Jahr 2008 zu entrichtenden Gesamtvergütungen in Euro, verändert um die Rate,
die das Bundesministerium für Gesundheit nach § 71 Absatz 3 SGB V für das
Jahr 2009 festlegt.
129 Der Erweiterte Bewertungsausschuss (EBewA) zieht demgegenüber nach Teil A
Ziffer 1.1. der Beschlüsse EBewA 2008 das Jahr 2007 als Aufsatzzeitraum heran
(hierzu a.). Dabei ist entsprechend Teil A Ziffer 1.2. des Beschlusses von den
nach § 85 Absatz 1 SGB V entrichteten Gesamtvergütungen auszugehen, wobei
Vergütungen für bestimmte Leistungen u.a. für regional vereinbarte, nicht im EBM
enthaltene Leistungen (Nummer 2), Hautkrebsscreening (Nummer 7),
Strahlentherapie (Nummer 9) oder Leistungen der künstlichen Befruchtung
(Nummer 11) unberücksichtigt bleiben (hierzu b). Diese Gesamtvergütungen
wurden entsprechend Teil A Ziffer 1.3.1 des Beschlusses um den Anstieg der
Grundlohnsummen des Jahres 2008 und 2009 erhöht (hierzu c).
130 a. Jahr 2007 als Aufsatzzeitraum
131 Zwar hat der EBewA in seinem Beschluss 2007 als Aufsatzeitraum
herangezogen. Die Kammer sieht hierin jedoch kein beanstandenswertes
Verhalten (so auch: SG Marburg, Urteil vom 6. Oktober 2010 – S 11 KA 340/09,
Rn. 93, zitiert nach juris, vgl. auch BSG, Terminbericht Nr. 57/13 zu B 6 KA 4/13
R). Dies geschah lediglich, da es sich bei 2007 um das letzte zum Zeitpunkt der
Beschlussfassung vollständig abgerechnete Leistungsjahr handelte. Die Summe
der bundesweit insgesamt für das Jahr 2008 entrichteten Gesamtvergütungen
konnte, da das Jahr 2008 zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch nicht
beendet war, nicht bekannt sein. Ein Zuwarten bis zur vollständigen Abrechnung
des Jahres 2008 wäre nicht möglich gewesen, da andernfalls ein Verstoß gegen
§ 87c Absatz 1 Satz 1 SGB V (in der Fassung vom 26. März 2007) vorgelegen
hätte, der einen Beschluss bis zum 31. August 2008 fordert.
132 b. Abgrenzung der Gesamtvergütung
133 Für die in dem Beschluss des EBewA unter Teil A Ziffer 1.2 vorgenommene
„Bereinigung“ der Gesamtvergütungen im Sinne von § 85 Absatz 1 SGB V um elf
Leistungsbereiche bedurfte es zum einen keiner weiteren Rechtsgrundlage, da
diese Leistungsbereiche bereits per Definitionem keine Gesamtvergütung im
Sinne des § 85 Absatz 1 SGB V darstellen. Exemplarisch ist auf die unter
Nummer 11 aufgeführten Vergütungen für Leistungen der künstlichen
Befruchtung abzustellen, da sie außerhalb der Gesamtvergütung vergütet
werden und daher bereits denklogisch nicht Bestandteile der
Gesamtvergütungen nach § 85 Absatz 1 SGB V sein können. Zum anderen sieht
die Kammer keine Anhaltspunkte dafür, dass der EBewA bei der Festlegung
seinen Gestaltungsspielraum überschritten hätte, so dass keine Bedenken an
der Rechtmäßigkeit bestehen (vgl. auch SG Marburg, Urteil vom 6. Oktober 2010
– S 11 KA 340/09, Rn. 106, zitiert nach juris).
134 c. Weiterentwicklung der Gesamtvergütung entsprechend der Steigerung der
Grundlohnsummen
135 Zwar sieht die Gesetzesbegründung zu § 87a SGB V (BT.-Drs. 16/100, Rn. 119,
dort noch Begründung zu § 85a) vor, dass „um die bisherige Budgetierung durch
Anknüpfung der Finanzvolumina der vertragsärztlichen Versorgung an die
Grundlohnsumme zu beenden, (…) die Regelungen über die Vereinbarung von
Gesamtvergütungen (...) durch die in § 85a Absatz 2 bis 6 getroffenen
Regelungen zum 1. Januar 2009 ersetzt“ werden. Die Anknüpfung an die
Grundlohnsumme soll also durch die Neuregelung gerade abgeschafft werden.
Dies hat der EBewA ignoriert, wenn er für 2008 an die
Grundlohnsummenentwicklung anknüpft. Jedoch ist bereits fraglich, inwieweit die
gesetzgeberischen Vorgaben auch für die Übergangsregelung in § 87c Absatz 1
Satz 2 SGB V (in der Fassung vom 26. März 2007) gelten sollen. Andererseits
bestand für den EBewA aus Sicht der Kammer keine andere Möglichkeit, um bei
der notwendigen Heranziehung von 2007, eine Anpassung für mögliche
Steigerungen 2008 und 2009 zu berücksichtigen (vgl. auch SG Marburg, Urteil
vom 6. Oktober 2010 – S 11 KA 340/09, Rn. 93, zitiert nach juris).
136 2. Ermittlung der Leistungsmenge – Teil A Ziffer 2.ff der Beschlüsse EBewA 2008
137 a. Abbildung der Leistungsmenge als Punktzahlvolumen
138 § 87c Absatz 1 Satz 4 SGB V (in der Fassung vom 26. März 2007) bestimmt,
dass die Leistungsmenge als Punktzahlvolumen auf der Grundlage des
Einheitlichen Bewertungsmaßstabs abzubilden ist. Hierzu findet sich im
Beschluss nichts erwähnt. Jedoch bestand keine Verpflichtung, das
Punktzahlvolumen im Beschluss offen zu legen. Es ist zwar grundsätzlich richtig,
dass weitere Kennzahlen betreffend Arztzahlen, Fallzahlen und
Leistungsmengen nach § 87c Satz 2 SGB V zu veröffentlichen sind, soweit diese
erforderlich sind, um beispielsweise mögliche regionale Honorarunterschiede zu
erklären. Hierzu genügt jedoch eine Veröffentlichung im Internet oder im
Deutschen Ärzteblatt (vgl. Freudenberg, in: jurisPK-SGB V, § 87c SGB V Rn. 45).
Entscheidend ist daher, dass der ermittelte Orientierungspunktwert anhand
ergänzender Unterlagen rechnerisch nachvollzogen und anhand der
gesetzlichen Vorgaben ermittelt werden kann. Dies ist zur Überzeugung der
Kammer der Fall. Eine Offenlegung in den Beschlüssen EBewA 2008 übersteigt
insofern das Transparenzgebot.
139 b. Festlegung der Leistungsmenge nach Inhalt – Teil A Ziffer 2.3 der Beschlüsse
EBewA)
140 Soweit die Klägerin vorträgt, in Teil A Ziffer 2.3 des Beschlusses würden zu
Unrecht die in Ziffer 1.2 aufgeführten Leistungen bei der Festlegung der
Leistungsmenge nicht berücksichtigt, wird auf die Ausführungen zu 1. Buchstabe
b. verwiesen.
141 c. Hochrechnung nach § 87c Absatz 1 Satz 4 SGB V – Teil A Ziffer 3
142 § 87c Absatz 1 Satz 4, 2. Halbsatz SGB V (in der Fassung vom 26. März 2007)
bestimmt, dass sich die Leistungsmenge aus einer Hochrechnung der aktuellen
Abrechnungsdaten ergibt. Aus Sicht der Klägerin ist dabei davon auszugehen,
dass die Hochrechnung nicht durchgeführt wurde, da sie sich in den
Beschlüssen EBewA 2008 nicht findet. Stattdessen sei sie anhand der Quartale
2007 festgelegt und dann um 9,75 erhöht worden. Aus Sicht der Kammer wurde
der Wert von 9,7 in Teil A Ziffer 3 des Beschlusses jedoch nicht willkürlich ohne
Hochrechnung festgelegt, wie sich schon aus dem Wortlaut „der ermittelte …
Zuwachs“ ergibt. Nach den Ausführungen der Beklagten und des SG Marburg
wurde hierzu ein Vergleich der Punktzahl je Behandlungsfall in den Quartalen
1/07 und 1/08 vorgenommen. Dabei wurde ein Zuwachs von 9,7 % ermittelt. Die
Kammer hält dieses Vorgehen – in Übereinstimmung mit dem SG Marburg (SG
Marburg, Urteil vom 6. Oktober 2010 – S 11 KA 340/09, Rn. 95f, zitiert nach juris)
– für nicht zu beanstanden, da sich auch retrospektiv kein Anpassungsbedarf für
die EBM-Quote ergeben hat und eine andere Vorgehensweise angesichts des
Zeitpunktes der Beschlussfassung nicht erkennbar ist.
143 3. Fehlende Ausweisung des Finanzvolumens und der Leistungsmenge
144 Soweit die Klägerin vorträgt, dass weder das heranzuziehende Finanzvolumen
noch die Leistungsmenge in den Beschlüssen EBewA 2008 ausgewiesen sind,
geht die Kammer davon aus, dass die Klägerin hierbei die Anforderungen an das
Transparenzerfordernis überspannt. Es ist entscheidend, dass Finanzvolumen
und Leistungsmenge anhand ergänzender Unterlagen rechnerisch
nachvollzogen werden können (s.o.). Im Übrigen ist der vom EBewA ermittelte
Orientierungspunktwert von 3,5001 nicht zu beanstanden (SG Marburg, Urteil
vom 6. Oktober 2010 – S 11 KA 340/09, Rn. 117, zitiert nach juris).
145
II. Berechnung des Behandlungsbedarfs für die Vereinbarung der
morbiditätsbedingten Gesamtvergütung – Teil B des Beschlusses
146 Nach § 87c Absatz 4 Satz 2 SGB V (in der Fassung vom 26. März 2007) wird der
Behandlungsbedarf bestimmt, indem für jede Krankenkasse die im Jahr 2008
voraussichtlich erbrachte Leistungsmenge je Versichertem angepasst wird um
die vom Bewertungsausschuss unter Berücksichtigung der Kriterien gemäß §
87a Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 4 zu schätzende bundesdurchschnittliche
Veränderungsrate der morbiditätsbedingten Leistungsmenge je Versicherten des
Jahres 2009 und multipliziert wird mit der voraussichtlichen Zahl der Versicherten.
Gemäß § 87c Absatz 4 Satz 3 SGB V (in der Fassung vom 26. März 2007) ergibt
sich die erbrachte Menge der Leistungen sich aus der Hochrechnung der den
Vertragsparteien vorliegenden aktuellen Daten über die Menge der Leistungen,
die mindestens vier Kalendervierteljahre umfassen, jeweils nach sachlich-
rechnerischer Richtigstellung und Anwendung honorarwirksamer
Begrenzungsregelungen.
147 1. Aufsatzzeitraum Quartale I-IV/2007
148 Aus Sicht der Klägerin hätte als Aufsatzzeitraum nicht die Quartale I-IV/2007
gewählt werden dürfen, vielmehr hätten die Quartale III/2007-II/2008
herangezogen werden müssen, da es sich nur dabei um die in § 87c Absatz 4
Satz 3 SGB V (in der Fassung vom 26. März 2007) geforderten aktuellen Daten
gehandelt habe. Die Kammer sieht jedoch den Gestaltungspielraum des EBewA
nicht überschritten, wenn dieser die Quartale I-IV/2007 als Aufsatzzeitraum wählt,
da so zumindest sichergestellt ist, dass die sachlich-rechnerischer Richtigstellung
und die Anwendung honorarwirksamer Begrenzungsregelungen erfolgt ist,
ergänzend wird auf die Ausführungen zu I.1.a.aa. Bezug genommen.
149 2. Ermittlung der Veränderungsrate – Beachtung der Vorgaben des § 87a Absatz
4 SGB V
150 Nach § 87c Absatz 4 Satz 2 SGB V hat der Bewertungsausschuss bei der
Ermittlung des Behandlungsbedarfs die bundesdurchschnittliche
Veränderungsrate der morbiditätsbedingten Leistungsmenge zu schätzen und
dabei die Kriterien gemäß § 87a Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 4 SGB V zu
berücksichtigen. § 87a Absatz 4 SGB V (in der Fassung vom 26. März 2007,
BGBl. I 378) legt folgende Kriterien fest:
151 1. der Zahl und der Morbiditätsstruktur der Versicherten,
2. Art und Umfang der ärztlichen Leistungen, soweit sie auf einer Veränderung
des gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsumfangs der Krankenkassen
oder auf Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 135
Absatz 1 beruhen,
3. des Umfangs der vertragsärztlichen Leistungen auf Grund von Verlagerungen
von Leistungen zwischen dem stationären und dem ambulanten Sektor und
4. des Umfangs der vertragsärztlichen Leistungen auf Grund der Ausschöpfung
von Wirtschaftlichkeitsreserven bei der vertragsärztlichen Leistungserbringung.
152 Der Klägerin ist insoweit zuzugeben als sich in Teil B des Beschlusses vom
27./28. August 2008 keine Angaben finden, inwieweit die Kriterien des § 87a
Absatz 4 SGB V (in der Fassung vom 26. März 2007) beachtet wurden. Jedoch
kommt dem EBewA in diesem Zusammenhang ein sehr weiter
Gestaltungsspielraum zu, das Gesetz geht davon aus, dass die
bundesdurchschnittliche Veränderungsrate vom Bewertungsausschuss zu
schätzen sei. Dafür, dass dieser weite Gestaltungsspielraum überschritten wurde,
konnte die Kammer keine Anhaltspunkte finden (so wohl auch BSG, Urteil vom
21. März 2012 – B 6 KA 21/11 R, Rn. 39, zitiert nach juris), zumal aus Sicht der
Kammer allein das Fehlen einer Begründung nicht zwingend auf eine fehlende
Berücksichtigung schließen lässt.
153 3. Unterschiedliche Honorarverteilungsquote für Ost- und Westdeutschland
154 Die Klägerin trägt zu Recht vor, dass sich in Teil B der Beschlüsse EBewA 2008
entgegen den gesetzlichen Vorgaben in § 87c Absatz 4 SGB V (in der Fassung
vom 26. März) – „bundeseinheitlich“ – in den Beschlüsse EBewA 2008 in Teil B
Ziffer 1.2 für Ost- und Westdeutschland unterschiedliche
Honorarverteilungsquoten finden. Der EBewA hat jedoch mit der Festlegung der
Quoten seinen ihm damit eingeräumten Gestaltungsspielraum nicht überschritten
(BSG, Urteil vom 21. März 2012 – B 6 KA 21/11 R, Rn. 40f., zitiert nach juris).
Nach der Rechtsprechung des BSG ist das Maß der Gestaltungsfreiheit des
BewA und damit auch des EBewA nach der Wesensart der
Ermächtigungsvorschrift und der ihr zugrundeliegenden Zielsetzung zu
bestimmen (BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 21). Da die Quote
als Berechnungsfaktor für die Bestimmung des Behandlungsbedarfs dient, ist sie
Teil des vom BewA vorzugebenden Verfahrens. Die Festsetzung regional
unterschiedlicher Honorarverteilungsquoten war bereits logische Folge aus der
gesetzlich vorgegebenen Berücksichtigung der in den einzelnen KÄV-Bezirken
geltenden unterschiedlichen honorarbegrenzenden Regelungen (BSG, Urteil vom
21. März 2012 – B 6 KA 21/11 R, Rn. 40, zitiert nach juris). Sie entsprachen dem
allgemeinen Auftrag des BewA zur sinnvollen Steuerung des
Leistungsgeschehens durch Festlegung des Verfahrens zur Berechnung des
Behandlungsbedarfs. Ihm kam insofern die Funktion zu, eine bestimmte
bundeseinheitliche Struktur vorzugeben. In diesem Rahmen bedurfte es
komplexer Bewertungen, deren Richtigkeit nicht in jeder Einzelheit mathematisch
nachvollziehbar sein muss (BSG, Urteil vom 21. März 2012 – B 6 KA 21/11 R, Rn.
40, zitiert nach juris, unter Verweis auf: BSGE 100, 254 = SozR 4-2500 § 85 Nr
42, RdNr 19). Das BSG führt in seinem Urteil vom 21. März 2012 – B 6 KA 21/11
R, Rn. 41, zitiert nach juris, weiter aus: „Die unterschiedlichen
Honorarverteilungsquoten dienen der Verhinderung zu starker
Honorarverwerfungen zwischen den einzelnen KÄVen. Hintergrund hierfür waren
die Unterschiede in den Punktwerten einerseits und den
Honorarbegrenzungsmechanismen in den einzelnen KÄVen andererseits.
Dementsprechend waren die KÄVen von dem festgesetzten Orientierungswert
und der Berücksichtigung ausschließlich der sachlich-rechnerisch anerkannten
Leistungsmenge unter Anwendung honorarwirksamer Begrenzungsregelungen in
unterschiedlichem Maße betroffen. Für KÄVen, die hohe Punktwerte durch eine
strikte Mengenbegrenzung erzielt hatten, hatte die Neuregelung eine Absenkung
des Punktwertes auf 3,5001 Cent bei gleichzeitiger Festschreibung der
Leistungsmenge zur Folge. Um Auswirkungen einer doppelten negativen
Betroffenheit zu mildern, wurde in den alten Bundesländern ein
Anpassungsverfahren durchgeführt, mit dem die Vergütungen in den KÄVen
angeglichen wurden. Dazu wurde die Vergütung in KÄVen mit
unterdurchschnittlichem Wert um 15 % der Differenz zwischen der KÄV-
spezifischen und der bundesdurchschnittlichen Vergütung je Versichertem
angehoben, in KÄVen mit überdurchschnittlicher Vergütung je Versichertem die
Vergütung um 8,2 % der Differenz der KÄV-spezifischen zur
bundesdurchschnittlichen Vergütung je Versichertem abgesenkt.“ Die Kammer
schließt sich diesen überzeugenden Ausführungen des BSG an.
155 4. Nichteinbeziehung der Leistungen nach Teil A Ziffer 1.2 und der
Substitutionsbehandlung in Teil B Ziffer 1.3
156 Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass die Leistungen nach Ziffer 1.2 des
Teils A nicht in die Leistungsmenge zur Ermittlung des Behandlungsbedarfs
einbezogen wird, wird auf die Ausführungen zu I 1. Buchstabe b. verwiesen, da
die Nichteinbeziehung in Teil B aus der Nichteinbeziehung in Teil A folgt.
157 5. Veränderungsrate in Teil B Ziffer 4 der Beschlüsse EBewA 2008
158 Soweit die Klägerin vorträgt, aus den Beschlüssen EBewA 2008 sei nicht
ersichtlich, wie die Veränderungsrate in Teil B Ziffer 4 zustande gekommen sei,
erachtet die Kammer die klägerischen Anforderungen an das Transparenzgebot
als übersteigert (s.o.). Darüber hinaus sieht § 87a Absatz 4 Satz 2 SGB V (in der
Fassung vom 26. März 2007) vor, dass die Veränderungsrate zu schätzen ist.
159
III. Indikatoren zur Messung regionaler Besonderheiten – Teil C des
Beschlusses
160 § 87 Absatz 2f SGB V (in der Fassung vom 28. Mai 2008) bestimmt, dass der für
ärztliche Leistungen zuständige Bewertungsausschuss jährlich bis zum 31.
August Indikatoren zur Messung der regionalen Besonderheiten bei der Kosten-
und Versorgungsstruktur nach § 87a Absatz 2 Satz 2 festlegt, auf deren
Grundlage in den regionalen Punktwertvereinbarungen von den
Orientierungswerten nach Absatz 2e Satz 1 abgewichen werden kann. Der
Bewertungsausschuss kann die zur Festlegung der Indikatoren erforderlichen
Datenerhebungen und -auswertungen gemäß Absatz 3f Satz 3 durchführen;
soweit möglich hat er bei der Festlegung der Indikatoren amtliche Indikatoren
zugrunde zu legen. Als Indikatoren für das Vorliegen von regionalen
Besonderheiten bei der Versorgungsstruktur dienen insbesondere Indikatoren,
die Abweichungen der regionalen Fallzahlentwicklung von der
bundesdurchschnittlichen Fallzahlentwicklung messen. Als Indikatoren für das
Vorliegen von regionalen Besonderheiten bei der Kostenstruktur dienen
insbesondere Indikatoren, die Abweichungen der für die Arztpraxen
maßgeblichen regionalen Investitions- und Betriebskosten von den
entsprechenden bundesdurchschnittlichen Kosten messen.
161 1. Vorgabe von Indikatoren zur Messung der regionalen Besonderheiten bei der
Kosten- und Versorgungsstruktur
162 Die Klägerin trägt zu Recht vor, dass der Bewertungsausschuss keine
Indikatoren zur Messung der regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und
Versorgungsstruktur vorgegeben hat. Ebenfalls zutreffend merkt sie an, das das
Gesetz zum damaligen Zeitpunkt keine Möglichkeit für den
Bewertungsausschuss enthielt, von den Vorgaben abzuweichen. Im Gegenteil
war in § 87 Absatz 2f Satz 2 1. Halbsatz SGB V vorgegeben, wie der
Bewertungsausschuss die Datenerhebungen und -auswertungen vorzunehmen
hatte. Das Gericht hält – ebenso wie die Beklagte – die Ausführungen der
Klägerin in diesem Zusammenhang für zutreffend. Zwar wurde § 87 Absatz 2f
SGB V durch das Gesetz vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I 2983) m.W.v 1.
Januar 2012 zur Stärkung der regionalen Kompetenzen der Vereinbarungen
zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und den Landesverbänden der
Krankenkassen und der Ersatzkassen aufgehoben. Jedoch bestand der Auftrag
zur Festlegung der Indikatoren zum Zeitpunkt der Beschlussfassung und auch im
streitgegenständlichen Quartal I/2009.
163 Das SG Marburg schreibt in seinem aus Sicht der Kammer überzeugenden Urteil
vom 6. Oktober 2010 – S 11 KA 340/09, Rn. 159, zitiert nach juris: „Der EBewA
stellt lapidar fest, dass nach sorgfältiger Prüfung der Datengrundlagen und deren
Eignung keine Indikatoren zur Messung der regionalen Wirtschaftskraft für das
Jahr 2009 anzuwenden seien. Dies gelte auch für Indikatoren zur Versorgungs-
und Kostenstruktur. Auch hier seien regionale Besonderheiten nicht feststellbar.
Diese Einschätzung des BewA haben die Beigeladene zu 1) und 2) im
schriftlichen Klageverfahren sowie auch im Termin zur mündlichen Verhandlung
wiederholt und darauf hingewiesen, dass sich Unterschiede in der
Wirtschaftskraft bzw. Versorgungs- und Kostenstruktur allenfalls regional jedoch
nicht zwischen einzelnen Bundesländern ermitteln ließen. Diese Einschätzung
hält das Gericht einerseits für unzutreffend, da allgemein bekannt ist, dass die
Bundesländer im Hinblick auf ihre Wirtschaftskraft über sehr unterschiedliche
Voraussetzungen verfügen. Zudem hält es das Gericht für fernliegend, dass die
statistischen Ämter des Bundes und der Länder keinerlei Indikatoren liefern
können, die die Kosten- und Versorgungsstruktur zwischen den Ländern
analysierbar machen, auch wenn dem BewA zuzugeben sein mag, dass die
Unterschiede zwischen ländlichen und städtischen Regionen innerhalb eines
Landes ggf. mehr Signifikanz haben. Die gänzliche Nichtberücksichtigung der
gesetzlichen Vorgaben hält das Gericht vor diesem Hintergrund für
schlechterdings unvertretbar.“
164 Weiter führt das SG Marburg in Rn. 161 aus: „Zudem hat der Gesetzgeber in den
o. g. Vorschriften ein sehr detailgenaues System zur Feststellung dieser
regionalen Besonderheiten erarbeitet und bereits in der Gesetzesbegründung
formuliert, dass er davon ausgehe, dass die amtlichen Indikatoren die relevanten
unter den Ländern bestehenden Niveauunterschiede bei den Praxiskosten
hilfsweise abbilden könnten (Bundestagsdrucksache 16/3100 Seite 129). Wenn
der Bewertungsausschuss vor diesem Hintergrund lapidar feststellt, es gäbe
diese vom Gesetzgeber vorgesehenen Besonderheiten nicht, so ersetzt er eine
gesetzgeberische Wertentscheidung und setzt sich selber an die Stelle des
demokratischen Normgebers. Damit überschreitet er seine im Rahmen der
Normdelegation übertragene Normsetzungskompetenz. Der Gesetzgeber hat
ausdrücklich keinen Spielraum für den Bewertungsausschuss im Hinblick auf das
„Ob“ der Bestimmung von Indikatoren für die Messung regionaler Besonderheiten
vorgesehen.“
165 Jedoch führt die Rechtswidrigkeit des Beschlusses in diesem Punkt nicht
unmittelbar zu einer Verletzung der Klägerin in ihren Rechten, da die Indikatoren
für die regionalen Besonderheiten ausschließlich im Rahmen der Bildung der
Euro-Gebührenwerte eine Rolle spielen und es im Ermessen der
Gesamtvertragsparteien liegt, zu entscheiden, ob nach den vom
Bewertungsausschuss vorgegebenen Kriterien eine Anpassung der Euro-
Gebührenwerte vorgenommen wird. Insoweit bestehen zwei unterschiedliche
Rechtskreise auch weiterhin fort (SG Marburg, Urteil vom 6. Oktober 2010 – S 11
KA 340/09, Rn. 162, zitiert nach juris). Im Rahmen der Vorschriften über regionale
Besonderheiten ist die gesetzliche Konstruktion – anders als im Bereich der
morbiditätsbedingten Gesamtvergütung – so ausgelegt, dass ein Umsetzungsakt
auf Landesebene weiterhin notwendig bleibt, um dem gesetzlichen Auftrag
Rechnung zu tragen. Vor diesem Hintergrund ist eine hypothetische
Rechtsverletzung der Klägerin nur unter der Prämisse gegeben, dass in Baden-
Württemberg tatsächlich von der Verhandlungsmöglichkeit zwischen den
Parteien der Gesamtverträge Gebrauch gemacht worden wäre und dies zu
Gunsten der Klägerin. Je nach Indikator wäre auch ein Abschlag auf die
Gebührenwerte durchaus denkbar gewesen. Im Rahmen der Berücksichtigung
der Euro-Gebührenordnung bei der individuellen Arztabrechnung ist zudem eine
Benachteiligung der Klägerin nur denklogisch möglich, wenn diese ihr
Regelleitungsvolumen nicht ausgeschöpft hätte und dementsprechend von
höheren Euro-Gebührenwerten im Rahmen der Abrechnung im Quartal 1/2009
auch profitiert hätte. Dies ist jedoch vorliegend gerade nicht der Fall. Vielmehr hat
die Klägerin das ihr zugewiesene RLV ausweislich des Honorarbescheides für
das Quartal 1/2009 überschritten. Eine rechtliche Betroffenheit der Klägerin durch
die fehlende Umsetzung der Vorgaben nach § 87 Absatz 2f SGB V durch den
Bewertungsausschuss ist damit ausgeschlossen. Darüber hinaus ergibt sich
auch aus der Entscheidung des Urteil des BSG vom 27. Juni 2012 dass eine
unmittelbare Betroffenheit der Klägerin nicht vorliegt. Das BSG führt aus: „Damit
wird zum Einen verdeutlicht, dass die Entscheidung über eine Abweichung vom
Orientierungswert Gegenstand der regionalen Vereinbarungen und damit
Aufgabe der regionalen Vertragspartner ist und dies nicht auf Bundesebene
vorgegeben wird. Zum anderen wird damit klargestellt, dass die Indikatoren
lediglich die "Grundlage" für die Vereinbarung von Zuschlägen auf regionaler
Ebene darstellen.“ (BSG, Urteil vom 27. Juni 2012 – B 6 KA 28/11 R, Rn. 71 zitiert
nach juris).
166 2. Hilfsweise Ermittlung der Indikatoren mit Hilfe amtlicher Indikatoren
167 Auch hier ist der Klägerin insoweit zuzustimmen, als der Bewertungsausschuss,
wenn es ihm bis 31. August 2008 nicht möglich war, die erforderlichen Daten zu
erheben, die Möglichkeit gehabt hätte gemäß § 87c Absatz 2 SGB V, die
Indikatoren mit Hilfe amtlicher Indikatoren zu ermitteln, die Abweichungen der
Wirtschaftskraft eines Bundeslandes von der bundesdurchschnittlichen
Wirtschaftskraft messen. Auch dies hat der Bewertungsausschuss nicht
umgesetzt. Auch hier vermag die Kammer jedoch aus den o.g. Gründen keine
rechtliche Betroffenheit der Klägerin zu erkennen.
168
IV. Berechnung und Anpassung von arzt- und praxisbezogenen
Regelleistungsvolumina nach § 87b Absatz 2 und 3 SGB V – Teil F des
Beschlusses
169 Nach § 87b Absatz 2 (in der Fassung vom 26. März 2007) sind zur Verhinderung
einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis arzt-
und praxisbezogene Regelleistungsvolumina festzulegen. Ein
Regelleistungsvolumen nach Satz 1 ist die von einem Arzt oder der Arztpraxis in
einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen
Leistungen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung gemäß § 87a Absatz 2
enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten
ist. Abweichend von Absatz 1 Satz 1 ist die das Regelleistungsvolumen
überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Preisen zu vergüten; bei
einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten
kann hiervon abgewichen werden. (…) Für den Fall, dass es im Zeitablauf wegen
eines unvorhersehbaren Anstiegs der Morbidität gemäß § 87a Absatz 3 Satz 4 zu
Nachzahlungen der Krankenkassen kommt, sind die Regelleistungsvolumina
spätestens im folgenden Abrechnungszeitraum entsprechend anzupassen.
Antragspflichtige psychotherapeutische Leistungen der Psychotherapeuten, der
Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, der Fachärzte
für Psychiatrie und Psychotherapie, der Fachärzte für Nervenheilkunde, der
Fachärzte für Psychosomatik und Psychotherapie sowie der ausschließlich
psychotherapeutisch tätigen Ärzte sind außerhalb der Regelleistungsvolumina zu
vergüten. Weitere vertragsärztliche Leistungen können außerhalb der
Regelleistungsvolumina vergütet werden, wenn sie besonders gefördert werden
sollen oder soweit dies medizinisch oder auf Grund von Besonderheiten bei
Veranlassung und Ausführung der Leistungserbringung erforderlich ist.
170 § 87b Absatz 3 Satz 1 SGB V (in der Fassung vom 26. März 2007) bestimmt,
dass die Werte für die Regelleistungsvolumina nach Absatz 2
morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und nach
Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten
kooperativer Versorgungsformen festzulegen sind. Nach Satz 4 ist die Morbidität
nach Satz 1 mit Hilfe der Morbiditätskriterien Alter und Geschlecht zu bestimmen.
171 1. Nichtberücksichtigung des Morbiditätsgesichtspunktes „Geschlecht“
172 Die Klägerin trägt vor, dass der Morbiditätsgesichtspunkt Geschlecht nicht
berücksichtigt wurde. Es sei nicht ersichtlich, wie der EBewA in Teil F Ziffer 3.2.2
zu Ergebnis komme, dass sich das Kriterium Geschlecht nicht zur Abbildung der
Morbidität eigne. Die Kammer geht jedoch davon aus, dass der EBewA aufgrund
der genauen Analyse des Datenmaterials festgestellt hat, dass sich das Kriterium
Geschlecht nicht zur Abbildung der Morbidität eignet, da das abgerechnete
Volumen durch dieses Kriterium nicht signifikant beeinflusst wird. Die Kammer
hält es für nachvollziehbar und hinreichend plausibel, dass eine Analyse des
Datenmaterials genau dieses Ergebnis ergeben hat. Insofern mag der
Einheitliche Bewertungsausschuss keine Möglichkeit gehabt haben, die
gesetzliche Grundlage in vernünftiger Weise umzusetzen (Vgl. auch SG Marburg,
Urteil vom 6. Oktober 2010 – S 11 KA 340/09, Rn. 166, zitiert nach juris).
173 Darüber hinaus hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen, inwieweit sie
durch die Nichtberücksichtigung des Kriterium Geschlecht beschwert ist.
174 2. Vorgabe des § 87b Absatz 2 Satz 5 SGB V – Anpassung der RLV bei
morbiditätsbedingtem Anstieg spätestens im nächsten Quartal
175 Soweit die Klägerin vorträgt, dass die Vorgabe des § 87b Absatz 2 Satz 5 SGB V
(in der Fassung vom 26. März 2007) nicht umgesetzt wurde, die vorsieht, dass
bei einem morbiditätsbedingten Anstieg die Regelleistungsvolumina spätestens
im nächsten Quartal anzupassen sind, sieht die Kammer nicht, inwiefern dies im
Beschluss erfolgen muss, da die Vorgabe zwingend im Gesetz verankert ist und
keiner Umsetzung bedarf. Darüber hinaus sieht Teil F Ziffer 3.3 des Beschlusses
vor, dass Nachzahlungen von Krankenkassen auf das im Beschlussteil E
festgelegte Verfahren zur Bestimmung des Umfangs des nicht vorgesehenen
Anstiegs des morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfs nach § 87a Absatz 3
Satz 4 SGB V zu Nachzahlungen im Rahmen der Honorarbescheidung der
Abrechnungsquartale nach den angeforderten Leistungen führen.
176 Unabhängig hiervon konnte diese Anforderung für den hier allein
streitgegenständlichen Honorarbescheid des Quartals 1/2009 keine
Auswirkungen haben.
177 3. Fehlende Festlegung der RLV nach Versorgungsgraden
178 Soweit die Klägerin geltend macht, dass die gesetzlichen Vorgaben § 87c Absatz
3 Satz 2 SGB V (in der Fassung vom 26. März 2007), wonach die Werte für die
RLV nach Versorgungsgraden (Über- Unter- Normalversorgung) festgelegt (§ 87b
Absatz 3 Satz 1 1. Halbsatz) werden, auch für die Quartale ab 1/2010 nicht
umgesetzt wurden, kann dies hier dahinstehen, da lediglich das Quartal 1/2009
streitgegenständlich ist.
179 4. Ausnahmen Ziffer 2 und 3 der Anlage 1 zum Beschluss Teil F
180 Ziffer 2 der Anlage 1 zum Beschluss Teil F sieht vor, dass die Partner der
Gesamtverträge Modifikationen (z.B. Differenzierungen oder
Zusammenfassungen) von relevanten Arztgruppen vereinbaren können. Ziffer 3
der Anlage 1 zu den Beschlüssen EBewA 2008 Teil F sieht vor, dass Fachärzte
für Kinder- und Jugendmedizin mit (Versorgungs-)Schwerpunkt durch die
Kassenärztlichen Vereinigungen entsprechenden Arztgruppen zugeordnet
werden können.
181 Zwar hält die Klägerin dies für rechtswidrig, da der Gesetzgeber dem
Bewertungsausschuss keine entsprechende Befugnis eingeräumt hat, jedoch
wurde nicht substantiiert dargetan, inwieweit die Klägerin durch die Regelungen
beschwert ist.
182 5. Verfahren der Vorwegabzüge in Ziffer 2f der Anlage 2 zum Beschluss Teil F
183 Die Beschlüsse EBewA 2008 sehen in Ziffer 2f der Anlage 2 zum Beschluss Teil
F vor, dass sich die Partner der Gesamtverträge über das Verfahren der
Vorwegabzüge einigen. Auch hier wurde eine Beschwer der Klägerin durch diese
Verfahrensregeln nicht dargetan. Darüber vermag die Kammer eine
Überschreitung des Gestaltungsspielraums nicht zu erkennen.
184
V. Weitere Fehler des Bewertungsausschusses – Verfahren zur Berechnung
und zur Anpassung der Regelleistungsvolumina – Rückwirkung
185 Nach § 87b Absatz 4 Satz 1 SGB V (in der Fassung vom 26. März 2007)
bestimmt der Bewertungsausschuss erstmalig bis zum 31. August 2008 das
Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der Regelleistungsvolumina nach
den Absätzen 2 und 3 sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt
der Übermittlung der erforderlichen Daten. Die Klägerin sieht diese Vorgaben
verletzt, da zumindest hinsichtlich der Bereinigung von Sonderverträgen die
Beschlüsse erst am 22. Januar 2009 getroffen wurden, mit Rückwirkung zum 1.
Januar. Gleiches gelte für die Regelungen zur Umsetzung und Weiterentwicklung
zur Anpassung der Regelleistungsvolumina im Beschluss vom 15. Januar 2009.
186 Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt jedoch eine unzulässige Rückwirkung
nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt
eine echte Rückwirkung dann vor, wenn eine Norm nachträglich ändernd in
abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Sachverhalte eingreifen. Um eine
unechte Rückwirkung handelt es sich dann, wenn eine Rechtsnorm auf
gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen
für die Zukunft einwirkt, in dem sie Rechtspositionen nachträglich entwertet
(Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 28. November 1984 – 1 BvR
1157/82, Rn. 43, zitiert nach juris). Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts liegt regelmäßig ein Fall unechter Rückwirkung vor, wenn
die Honorarabrechnung des streitbefangenen Quartals noch nicht erfolgt war. Ein
konkreter Honoraranspruch, und damit ein bereits abgeschlossener Sachverhalt,
entsteht unter der Geltung begrenzter Gesamtvergütungen regelmäßig erst nach
Prüfung sämtlicher von den Vertragsärzten eingereichten Abrechnungen und der
darauf basierenden Rechnung der möglichen Verteilungspunktwerte. Erst
dadurch konkretisiert sich der bis dahin nur allgemeine Anspruch auf
Honorarteilhabe zu einem der Höhe nach individualisierten Honoraranspruch. Bis
dahin kann der Vertragsarzt lediglich nur von einer ungefähren Höhe des zu
erwartenden Honorars ausgehen (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 29. November 2006
– B 6 KA 42/05 R, Rn. 18 zitiert nach juris). Im Zeitpunkt der Beschlüsse des
Bewertungsausschusses war weder das streitbefangene Quartal 1/2009
abgelaufen noch die Honorarabrechnung für dieses erstellt. Zudem wurde
ausdrücklich auf die Vorläufigkeit der Honorarverteilung hingewiesen. Darüber
hinaus handelt es sich weder bei der Bereinigung noch bei der
Konvergenzregelung um eine Maßnahme, die steuernd auf die
Leistungserbringung, auf das Leistungsverhalten des Arztes, einwirken soll.
Vielmehr sollen mit der Bereinigung Doppelfinanzierungen vermieden und mit der
Konvergenzregelung überproportionale Honorarverluste verhindert werden und
damit die flächendeckende Versorgung mit vertragsärztlichen Leistungen
sichergestellt werden. Von einer echten Rückwirkung kann deshalb nicht
ausgegangen werden.
187 Letztlich kann jedoch dahingestellt bleiben, ob den Regelungen eine echte oder
unechte Rückwirkung zukommt. Das grundsätzliche Verbot rückwirkender
belastender Gesetze beruht auf den Prinzipien der Rechtssicherheit und des
Vertrauensschutzes (BVerfG, Urteil vom 23. November 1999 – 1 BvF 1/94, Rn.
94, zitiert nach juris). Das Verbot einer echten Rückwirkung kann durchbrochen
werden, wenn zwingende Gründe des Gemeinwohls oder ein nicht oder nicht
mehr vorhandenes schützenswertes Vertrauen des einzelnen eine
Durchbrechung gestatten (BVerfG, Beschluss vom 3. Dezember 1997 – 2 BvR
882/97, Rn. 40). Dies ist u. a. dann der Fall, wenn der Betroffene zum Zeitpunkt,
auf den der Eintritt der Rechtsfolge bezogen wird, mit der Regelung rechnen
musste, etwa weil die bisher herrschende Rechtsüberzeugung Gesetz wurde,
wenn das geltende Recht unklar und verworren ist oder eine Änderung der
Rechtsprechung durch den Gesetzgeber korrigiert wird, sich eine Rechtsnorm im
Nachhinein als ungültig erweist und durch eine rechtlich einwandfreie Norm
ersetzt wird oder wenn es sich um eine Bagatelle handelt. Ebenso können
zwingende Belange des Gemeinwohls echte Rückwirkung rechtfertigen (BVerfG,
Beschluss vom 3. Dezember 1997 – 2 BvR 882/97).
188 Die Klägerin konnte nicht auf den Bestand der Regelungen vertrauen, sondern
musste vielmehr mit einer Regelung rechnen. Bereits im Rundschreiben vom
Dezember 2008 wurde sowohl auf die Bereinigungsproblematik als auch auf eine
Konvergenzregelung hingewiesen. Zudem wurde in § 15 HVV hinsichtlich der
Bereinigung der Regelleistungsvolumina auf die Beschlüsse des (erweiterten)
Bewertungsausschusses verwiesen. Die RLV-Zuweisungsbescheide waren mit
entsprechenden Vorbehalten versehen. Die Klägerin musste somit mit den
entsprechenden Regelungen rechnen. Darüber hinaus dienen sowohl die
Bereinigung als auch die Konvergenzregelung Belangen des Gemeinwohls. Mit
ihnen sollen Doppelfinanzierungen und überproportionale Honorarverluste
vermieden und somit die flächendeckende Versorgung mit vertragsärztlichen
Leistungen sichergestellt werden. Die Sicherung einer angemessenen
Versorgung der großen Mehrzahl der Bürger im Krankheitsfall stellt einen
Gemeinwohlbelang von überragender Wichtigkeit dar. Soll die
Gesundheitsversorgung der Bevölkerung mit Hilfe eines
Sozialversicherungssystems erreicht werden, stellt auch dessen Finanzierbarkeit
einen wichtigen Gemeinwohlbelang dar (vgl. z. B. LSG Baden-Württemberg, Urteil
vom 22. März 2006 – L 5 KA 796/03 m. w. N.). Selbst wenn man also eine echte
Rückwirkung annehmen würde, wäre eine solche zulässig.
189 Im Übrigen wurde auch eine Beschwer der Klägerin nicht dargetan, da die die
Klägerin von der Konvergenzregelung profitiert und eine Stützung in Höhe von
26.490,81 EUR erhalten hat.
190
B. Fehler in der ab 1. Januar 2009 geltenden
Honorarverteilungsvereinbarung (HVV 2009) der KV Baden-Württemberg mit
den (Landesverbänden der) Krankenkassen
191
I. Fehlerhafte Umsetzung der Vorgaben des Gesetzgebers
192 1. Vereinbarung der Punktwerte nach dem 15. November 2008
193 Nach § 87c Absatz 2 Satz 1 SGB V (in der Fassung vom 26. März 2007)
vereinbaren die Kassenärztliche Vereinigung und die Landesverbände der
Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich auf der
Grundlage der Orientierungswerte gemäß § 87 Absatz 2e Satz 1 Nummer 1 bis 3
jeweils bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres Punktwerte, die zur Vergütung
der vertragsärztlichen Leistungen im Folgejahr anzuwenden sind. Für das Jahr
2009 sieht § 87c Absatz 3 Satz 2 SGB V (in der Fassung vom 26. März 2007)
vor, dass eine Vereinbarung bis zum 15. November 2008 erfolgen kann.
194 Der HVV 2009 lässt sich – insoweit ist der Klägerin zuzustimmen – ein
Vergütungspunktwert nicht entnehmen. Ob hierin jedoch ein Verstoß gegen § 87c
Absatz 2 Satz 1 SGB V (in der Fassung vom 26. März 2007) liegt, ist fraglich. Das
Gesetz sieht nicht vor, dass die Punktwerte mitgeteilt werden. Vielmehr ist nach §
87a Absatz 2 Satz 6 SGB V (in der Fassung vom 26. März 2007) aus den
vereinbarten Punktwerten und dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab für
ärztliche Leistungen eine regionale Gebührenordnung mit Europreisen zu
erstellen. Insoweit ist in § 3 Ziffer 1 HVV 2009 geregelt, dass die Vergütung der
vertragsärztlichen Leistungen grundsätzlich auf der Basis der gemäß § 87a
Absatz 2 Satz 6 SGB V zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen baden-
württembergischen Euro-Gebührenordnung erfolgt. Die Regelung in § 3 Absatz 1
HVV 2009 dürfte ausreichend sein, nach der die Vergütung grundsätzlich auf der
Basis der gemäß § 87a Absatz 2 Satz 6 SGB V zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen
baden-württembergischen Euro-Gebührenordnung erfolgt. Über diese regionale
Euro-Gebührenordnung – wie über die gesamte HVV 2009 – wurden die
Vertragsärzte bereits mit Dezemberrundschreiben 2008 informiert, gleichzeitig
wurde die entsprechende Austauschlieferung des Kommentars Wezel-Liebold,
die allen Vertragsärzten zur Verfügung gestellt wurde, für die nächsten Tage
angekündigt. Des Weiteren hat die Beklagte mit diesem Rundschreiben auch
über die vertraglich vereinbarten Leistungen außerhalb des EBM
(Sonderverträge) informiert. Damit war den Vertragsärzten unmissverständlich
klar, zu welchen Preisen die ab 1. Januar 2009 erbrachten vertragsärztlichen
Leistungen vergütet werden.
195 Letztlich kommt es jedoch auch die Beurteilung dieser Frage nicht an, da die
Klägerin eine Beschwer durch die (fehlende oder verspätete) Regelung nicht
vorgetragen hat.
196 2. Rechtzeitige Vereinbarung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen
197 Die Klägerin rügt vorsorglich, dass die morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen
entsprechend § 87a Absatz 3 Satz 1 i. V. m. § 87c Absatz 4 Satz 1 SGB V nicht
rechtzeitig bis zum 15. November 2008 vereinbart worden sei, da sich den der
Klägerin vorliegenden Unterlagen dies nicht entnehmen lasse.
198 Auch hier ist jedoch eine konkrete Beschwer der Klägerin weder substantiiert
vorgetragen noch ersichtlich. Die Klägerin übersieht, dass vorliegend das Quartal
I/2009 streitgegenständlich ist und die entsprechenden Leistungen bzw. die
Regelleistungsvolumina spätestens im folgenden Abrechnungsquartal, also im
Quartal II/2009, zu vergüten bzw. anzupassen sind. Eine Nichterfüllung dieser
Vorgaben würde für das streitgegenständliche Quartal I/2009 keine
Auswirkungen haben. Unabhängig davon übersieht die Klägerin, dass § 9 HVV
2009 den unvorhersehbaren Anstieg der Morbidität gemäß § 87a Absatz 3 Satz 4
SGB V und § 87b Absatz 2 Satz 5 SGB V (in der Fassung vom 26. März 2007)
bereits ab dem Quartal I/2009, regelt. § 9 HVV 2009 nimmt auf Teil E und F der
Beschlüsse EBewA 2008 Bezug. In Teil E dieser Beschlüsse hat der EBewA das
Verfahren zur Bestimmung des Umfangs des nicht vorhersehbaren Anstiegs des
morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfs nach § 87a Absatz 3 Satz 4 geregelt.
In Teil F Ziffer 3.3 ist geregelt, dass Nachzahlungen von Krankenkassen auf
Grund des im Beschluss Teil E festgelegten Verfahrens zu Nachzahlungen im
Rahmen der Honorarbescheidung der Abrechnungsquartale nach den
angeforderten Leistungen führen. Diese Regelung findet sich nahezu wortgleich
in § 9 HVV 2009. Den gesetzlichen Vorgaben wurde damit Rechnung getragen.
199 3. Anpassungen bei nicht vorhersehbarem Anstieg der morbiditätsbedingten
Behandlungsbedarfs
200 Soweit die Klägerin vorträgt, § 9 HVV 2009 regele nicht, wie gesetzlich in § 87a
Absatz 3 Satz 4 SGB V vorgesehen, dass Leistungen, die sich aus einem nicht
vorhersehbaren Anstieg des morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfs ergeben,
von den Krankenkassen spätestens im Folgequartal zu vergüten sind, ist auch
hier für das allein streitgegenständliche Quartal I/2009 keine Beschwer der
Klägerin zu erkennen.
201
II. Umsetzung in der HVV 2009 entsprechend den Vorgaben des
Bewertungsausschusses
202 1. Ausnahmen bezüglich der RLV-relevanten Arztgruppen ohne gesetzliche
Grundlage und Differenzierung nach Qualitätsmerkmalen (Ziffer 2 der Anlage 1 zu
Teil B HVV 2009)
203 Soweit die Klägerin ihre Argumentation darauf stützt, die Vertragsparteien hätten
von der Ermächtigung in Ziffer 2 der Anlage 1 zu Teil F der Beschlüsse EBewA
2008 Gebrauch gemacht und Abweichungen bei Arztgruppen von dem
Beschluss des Bewertungsausschusses vorgenommen, was auf Grund der
nichtigen Vorgaben des Bewertungsausschusses zu einer Unwirksamkeit führe,
wird auf die Ausführungen zu A. III. 4. verwiesen.
204 Soweit die Klägerin die Ansicht vertritt, HVV 2009 sei insofern rechtswidrig, als
darin die nichtige Vorgabe des EBewA zu Differenzierungen nach
Qualitätsmerkmalen umgesetzt würde, wird ebenfalls auf die Ausführungen zu A.
II. 4. verwiesen.
205 2. Nichtberücksichtigung des Morbiditätskriteriums „Geschlecht“ (3.2.3)
206 Die Klägerin meint, der Bewertungsausschuss habe zu Unrecht das
Morbiditätskriterium „Geschlecht“ außer Betracht gelassen. Dies sei in der HVV
2009 konsequent, aber ebenfalls in rechtswidriger Weise so umgesetzt worden
(Teil B § 5 Nummer 4 HVV 2009). Die Kammer geht jedoch davon aus, dass der
EBewA aufgrund der genauen Analyse des Datenmaterials festgestellt hat, dass
sich das Kriterium Geschlecht nicht zur Abbildung der Morbidität eignet, da das
abgerechnete Volumen durch dieses Kriterium nicht signifikant beeinflusst wird
(s.o.).
207
III. Fehlerhafte Umsetzungen der Vorgaben des Bewertungsausschusses in
der HVV 2009
208 1. Vorwegabzug im fachärztlichen Bereich – Ziffer 2.2 der Anlage 4 zu Teil B der
HVV 2009
209 Gemäß § 87b Absatz 4 SGB V (in der Fassung vom 26. März 2007) bestimmt der
Bewertungsausschuss das Verfahren zur Berechnung der
Regelleistungsvolumina. (…) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die
Krankenkassen stellen gemäß den Vorgaben des Bewertungsausschusses die
für die Zuweisung der RLV nach Absatz 5 anzuwendende Berechnungsformel
fest.
210 Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass keine Grundlage in den Beschlüssen
des EBewA zu finden sei für die in Ziffer 2.2. der Anlage 4 zu Teil B der HVV 2009
vorgenommenen Vorwegabzüge für:
211 - anästhesiologische Leistungen
- Leistungen der Gastrokopie
- Leitungen der Bronchoskopie
- Leistungen der Cystoskopie
- Leitungen der Koronarangiographie
- kurativ-stationäre Leistungen, sofern diese nicht entsprechend Teil A der HVV
außerhalb der MGV vergütet werden.
212 Jedoch können nach § 87b Absatz 2 Satz 7 SGB V (in der Fassung vom 26.
März 2007) weitere vertragsärztliche Leistungen außerhalb der
Regelleistungsvolumina vergütet werden, wenn sie besonders gefördert werden
sollen oder soweit dies medizinisch oder aufgrund von Besonderheiten bei
Veranlassung und Ausführung der Leistungserbringung erforderlich ist. Dabei
bestimmt der Bewertungsausschuss nach § 87b Absatz 4 Satz 2 SGB V (in der
Fassung vom 26. März 2007) Vorgaben zur Umsetzung von Absatz 2 Satz 3, 6
und 7. Die Vorgaben des erweiterten Bewertungsausschusses hat die Beklagte
in ihren HVV übernommen. Sie hat neben den Vorgaben des EBewA lediglich
weitere besonders förderungswürdige Leistungen im HVV aufgenommen.
Dadurch hat die Beklagte die rechtlichen Grenzen ihrer Gestaltungsmacht, die vor
allem aus grundrechtlichen Rechtsgehalten, dem Sicherstellungsauftrag nach §
72 Absatz 1 Satz 1 SGB V sowie den Bestimmungen des § 87b Absatz 2 Satz 7
SGB V (in der Fassung vom 26. März 2007) folgen, nicht verletzt. Aus dem
Wortlaut des Gesetzes lässt sich nicht entnehmen, dass der
Bewertungsausschuss die besonders förderungswürdigen Leistungen
abschließend festlegt. Das Gesetz geht lediglich davon aus, dass der
Bewertungsausschuss Vorgaben zur Umsetzung von § 87b Absatz 2 Satz 7 SGB
V bestimmt, nicht aber, dass er den Inhalt dieser Leistungen abschließend
festlegt.
213 Der Bewertungsausschuss ist nach § 87b Absatz 4 Satz 2 SGB V (in der
Fassung vom 26. März 2007) ermächtigt, bundeseinheitlich Vorgaben zu den
besonders förderungswürdigen Leistungen festzulegen. Von dieser
Ermächtigung hat der EBewA in dem angeführten Beschluss Gebrauch gemacht.
Hingegen ist ein Beschluss zur grundsätzlichen Unzulässigkeit weiterer
besonders förderungswürdiger Leistungen nicht gefasst worden. Der Beschluss
des erweiterten Bewertungsausschusses hinsichtlich der Vorgaben zu den
besonders förderungswürdigen Leistungen kann nicht als Verbot der Festlegung
weiterer besonders förderungswürdiger Leistungen ausgelegt werden.
214 Bestätigt wird die Kompetenz der Vertragspartner auf Landesebene, über den
Beschluss des Bewertungsausschusses hinaus weitere vertragsärztliche
Leistungen als besonders förderungswürdige Leistungen aus dem RLV
auszunehmen, auch durch die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 27. Juni
2012 – B 6 KA 28/11 R). Das BSG betont die auch im Zusammenhang mit den
förderungswürdigen Leistungen weiterhin bestehende Kompetenz der regionalen
Vertragspartner und deren Gestaltungsspielraum (BSG, Urteil vom 27. Juni 2012
– B 6 KA 28/11 R, Rn. 37ff.).
215 Im Übrigen ist in keiner Weise substantiiert dargetan, inwieweit die Klägerin durch
die entsprechenden Regelungen im HVV beschwert ist.
216 2. Abgestaffelte Vergütung nach Nr. 1.3 der Anlage zu Teil B HVV (3.3.5)
217 Zwar vertritt die Klägerin die Ansicht, Anlage 2 zu Teil B HVV 2009, Ziffer 1.3,
wonach die Leistungen, die gemäß 1.2. nach Ausschöpfung des
Honorarvolumens verbleiben, mit abgestaffelten Preisen vergütet werden, habe
im Beschluss des Bewertungsausschusses (Anlage 1 zu Teil F Nr. 5) keine
Grundlage. Jedoch ergibt sich die Rechtmäßigkeit der abgestaffelten Vergütung
bereits aus den gesetzlichen Regelungen zum RLV, wonach entsprechend § 87b
Absatz 2 Satz 3 SGB V (in der Fassung vom 26. März 2007) RLV-
Überschreitungen abgestaffelt zu vergüten sind.
218 3. Ausgleich überproportionaler Honorarverluste durch die Beklagte § 12 Absatz
1 HVV 2009
219 Entgegen Teil F der Beschlüsse EBewA 2008, wonach vorgegeben ist, dass
Ausgleichszahlungen bei überproportionalen Honorarverlusten von den
Kassenärztlichen Vereinigungen im Einvernehmen mit den (Landesverbänden
der) Krankenkassen geleistet werden können, bestimmt § 12 Absatz 1 HVV
2009, dass die Beklagte allein hierfür zuständig ist.
220 Die Klägerin hat jedoch nicht substantiiert vorgetragen, inwiefern sie durch § 12
Absatz 1 HVV 2009 beschwert ist, insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein
Ausgleich frühestens im Quartal II/2009 möglich ist.
221
IV. Perpetuierung der Fehler in der HVV 2009
222 Soweit die Klägerin angibt, der Bewertungsausschuss habe die Vorgaben des
Gesetzgebers fehlerhaft umgesetzt und diese Fehler würden in der HVV 2009
perpetuiert, wird auf die Ausführungen zu A. verwiesen, wonach die
angegriffenen Beschlüsse des EBewA nicht fehlerhaft sind bzw. etwaige die
Klägerin nicht beschweren.
223
C. Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot
224 Die Klägerin rügt einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot. Das
Bestimmtheitsgebot besagt jedoch lediglich, dass die Rechtsvorschriften so
gefasst sein müssen, dass der Betroffene seine Normunterworfenheit und die
Rechtslage konkret erkennen kann. Er muss sein Verhalten danach ausrichten
können (vgl. BVerfGE 108, 52, 75 m.w.N.). Dabei dürfen die Anforderungen an
die Klarheit und Bestimmtheit jedoch nicht übersteigert werden. Müsste jeder
Tatbestand mit exakt erfassbaren Merkmalen bis ins Letzte beschrieben sein,
dann wären die Normen sehr starr und/oder rein kasuistisch und könnten deshalb
der Vielgestaltigkeit des Lebens und den Besonderheiten des Einzelfalls nicht
mehr gerecht werden (vgl. BayVerfGH NZS 2004, 264, 265). Die Regelungen
müssen lediglich so genau gefasst sein, wie dies nach der Eigenart des zu
ordnenden Lebenssachverhalts und mit Rücksicht auf den Normzweck
gerechtfertigt ist (vgl BVerfGE 110, 371, 396 m.w.N.). Eine
Auslegungsbedürftigkeit macht eine Norm nicht unbestimmt. Dem
Bestimmtheitserfordernis ist vielmehr genügt, wenn Auslegungsprobleme mit
herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden können (vgl BVerfGE 82,
209, 224 ff; 110, 370, 396 f m.w.N.). So können unbestimmte Rechtsbegriffe
verwendet werden, sofern sie der Konkretisierung durch Auslegung zugänglich
sind (vgl zB BVerfGE 82, 209, 224 bis 227 zu Begriffen wie Bedarfsgerechtigkeit,
Leistungsfähigkeit und Kostengünstigkeit).
225 Diesen Erfordernissen entsprechen die Regelungen des EBM, des
Bewertungsausschusses und des HVV. Die Komplexität der Regelungen
begründet keinen Verstoß gegen das Gebot der Normenklarheit. Der EBM und
die Honorarverteilungsmaßstäbe müssen die Komplexität der von ihnen zu
regelnden Verhältnisse berücksichtigen und gelegentlich auch durch
generalklauselartige Ermächtigungen des Vorstandes und durch teilweise
komplexe mathematische Formeln zu Einzelfall- und Härtefall-Entscheidungen
Raum für sachgerechte Lösungen atypischer Fälle geben. Dementsprechend
dürfen bei komplexen Regelungen die Anforderungen an ihre Klarheit und
Eindeutigkeit nicht überspannt werden (vgl. BSG, Urteil vom 09. Dezember 2004 -
B 6 KA 40/03 R, Rn. 53 zitiert nach juris,).
226
D. Konvergenzregelung
227 Der Klägerin ist zuzugeben, dass die Konvergenzregelung in Baden-Württemberg
fehlerhaft umgesetzt wurde (BSG, Urteil 05. Juni 2013 – B 6 KA 47/12 R), jedoch
ist auch hier eine Beschwer der Klägerin nicht dargetan, da sie von der
Konvergenzregelung profitiert und eine Stützung in Höhe von 26.490,81 EUR
erhalten hat.
228
E. Verspätete RLV-Zuweisung
229 Die Klägerin geht fehl in der Annahme, die Zuweisung des RLV hätte spätestens
zum 20 November 2008 erfolgen müssen. Nach § 87b Absatz 5 Satz 4 SGB V (in
der Fassung vom 26. März 2007) gilt das bisherige, dem Arzt oder der Arztpraxis
zugewiesene RLV vorläufig fort, wenn ein RLV "nicht rechtzeitig vor Beginn des
Geltungszeitraums" zugewiesen werden kann. Voraussetzung für eine
Fortgeltung des bisherigen RLV ist mithin eine "nicht rechtzeitige" Zuweisung des
neuen RLV. "Nicht rechtzeitig" i.S. des § 87b Absatz 5 Satz 4 SGB V (in der
Fassung vom 26. März 2007) ist die Zuweisung nach dem Wortlaut der Norm
dann, wenn das RLV nicht "vor Beginn des Geltungszeitraums" zugewiesen
worden ist. Geltungszeitraum des RLV ist der "Abrechnungszeitraum" (vgl. § 87b
Absatz 2 Satz 5 SGB V(in der Fassung vom 26. März 2007)), mithin das Quartal
(BSG, Urteil vom 15. August 2012 – B 6 KA 38/11 R). Das RLV für das Quartal
I/2009 ist der Klägerin am 19. Dezember 2008 und damit rechtzeitig vor Beginn
des Geltungszeitraums – hier der 1. Januar 2009 – zugewiesen worden.
230 Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Absatz 1 Satz 1 SGG sind die §§ 154
bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung.
231 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Absatz 1 Satz 1 SGG in Verbindung
mit §§ 1 Absatz 2 Nummer 3, 63 Absatz 2 Satz 1, 52 Absatz 1 des
Gerichtskostengesetzes. Der Streitwert beträgt 60.814.91 EUR.
232 Die Sprungrevision war nicht zuzulassen, da der Sache aus Sicht der Kammer
keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.