Urteil des SozG Stuttgart vom 07.07.2010

SozG Stuttgart (antrag, sgg, stationäre behandlung, bescheinigung, aug, hauptsache, anordnung, umfang, www, versorgung)

SG Stuttgart Beschluß vom 7.7.2010, S 24 AS 3645/10 ER
Arbeitslosengeld II - Auslegung der neuen Mehrbedarfsregelung gem § 21 Abs 6 SGB 2 für Härtefälle
bei laufendem besonderen Bedarf - Hilfe zur Haushaltsführung bzw Haushaltshilfe in der postoperativen
Rekonvaleszenszeit
Leitsätze
Die Gewährung einer Hilfe zur Haushaltsführung als Mehrbedarf nach dem SGB II kommt nur in engen
Ausnahmefällen in Betracht. Voraussetzung dafür ist jedenfalls, dass es dem Hilfebedürftigen nicht möglich und
nicht zumutbar ist, übergangsweise die grundlegendsten und absolut notwendigen Verrichtungen des täglichen
Lebens ohne fremde Hilfe zu besorgen. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen, um dass gesetzgeberische
System der pauschalierten Bedarfsdeckung mittels der Regelleistung nicht zu konterkarieren.
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin J. aus … wird abgelehnt.
Tatbestand
1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Antragstellerin im Wege einstweiligen Rechtsschutzes ein
Anspruch auf Hilfe zur Haushaltsführung zusteht.
2
Die … 1952 geborene deutsche Antragstellerin steht seit Anfang 2005 beim Antragsgegner im Leistungsbezug
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 10.05.2010 und Änderungsbescheid
vom 07.06.2010 bewilligte ihr der Antragsgegner zuletzt für die Zeit vom 01.06.2010 bis 30.11.2010 Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhaltes.
3
Am 26.05.2010 beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner eine Haushaltshilfe. Sie begründete ihren
Antrag damit, dass bei ihr am 21.05.2010 ein bösartiges Brustkarzinom und aus der Achsel ein Knoten entfernt
worden sei. Demnächst werde über die Nachbehandlung entschieden. Ihr Hausarzt und ihre Physiotherapeutin
hätten ihr jegliche Hausarbeit verboten. Die Krankenkasse habe sie an das Sozialamt, das Sozialamt an den
Antragsgegner verwiesen. Dem Antrag waren der Entlassbericht über die stationäre Behandlung der
Antragstellerin in der Zeit vom 20.05.2010 bis 26.05.2010 des Frauenarztes Prof. Dr. K. vom 21.05.2010 und
die Bescheinigung des Allgemeinmediziners Dr. H. vom 26.05.2010 beigefügt. Prof. Dr. K. berichtet in seinem
Entlassbericht über einen regelgerechten postoperativen Verlauf nach partieller Mamma- und
Lymphknotenexzision sowie nach Destruktion des Mammagewebes. Die Drainagen hätten fristgerecht entfernt
werden, die Antragstellerin mit reizlosen Wundverhältnissen und bei Wohlbefinden entlassen werden können.
Die endgültige Histologie stehe noch aus. Dr. H. teilt in seiner Bescheinigung vom 26.05.2010 mit, dass die
Antragstellerin noch an ausgeprägten Schmerzen und einer deutlichen Bewegungseinschränkung im Bereich
des rechten Armes leide. Ebenso bestehe ein ausgeprägtes Lymphödem. Aus seiner Sicht sei die
Bereitstellung einer Haushaltshilfe zur Sicherstellung der häuslichen Versorgung im Umfang von drei Stunden
pro Woche bis auf Weiteres dringend erforderlich. In der Verwaltungsakte befinden sich zudem diverse
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Aus der letzten Bescheinigung vom 14.06.2010 ergibt sich, dass die
Antragstellerin bis einschließlich 16.07.2010 arbeitsunfähig erkrankt ist.
4
Mit Bescheid vom 07.06.2010 lehnte der Antragsgegner den Antrag ohne weitere Begründung ab. Mit ihrem
dagegen unter dem 17.06.2010 erhobenen Widerspruch machte die Antragstellerin im Wesentlichen geltend,
dass sie einen Anspruch auf Finanzierung einer Haushaltshilfe zur Sicherstellung der häuslichen Versorgung in
einem Umfang von drei Wochenstunden habe. Sie beruft sich insoweit auf den neu eingefügten § 21 Abs. 6
SGB II. Ein entsprechender Härtefall liege bei ihr vor, was sich aus der Bescheinigung des Dr. H. vom
26.05.2010 ergebe. Soweit die Bundesagentur für Arbeit in ihrer Geschäftsanweisung Nr. 08/10 vom
17.02.2010 ausführe, dass ein Sonderbedarf in Gestalt einer Putz- bzw. Haushaltshilfe nur bei Rollstuhlfahrern
in Betracht komme, könne dem nicht gefolgt werden. Darauf habe bereits die Bundesarbeitsgemeinschaft der
Freien Wohlfahrtspflege in ihrer Stellungnahme vom 14.04.2010 hingewiesen. Ihr Sonderbedarf weiche darüber
hinaus auch erheblich vom durchschnittlichen Bedarf ab, wenn man wöchentliche Kosten in Höhe von rund 120
Euro in Ansatz bringe (Stundensatz der Sozialstation rund 25,64 Euro zuzüglich Fahrtkosten in Höhe von 0,35
Euro pro Kilometer). Leistungen der sozialen Pflegeversicherung bzw. der Sozialhilfe habe sie überdies nicht
zu erwarten.
5
Unter dem 17.06.2010 hat die Antragstellerin beim beschließenden Gericht einen Antrag auf einstweiligen
Rechtsschutz und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin J. aus
Stuttgart gestellt.
6
Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und beantragt, den Antragsgegner im
Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihr gemäß § 21 Abs. 6 SGB II Leistungen zur
Finanzierung einer Haushaltshilfe zur Sicherstellung der häuslichen Versorgung in einem Umfang von drei
Wochenstunden zu gewähren.
7
Der Antragsgegner beantragt,
8
den Antrag abzulehnen.
9
Eine atypische Bedarfslage nach dem SGB II könne nur in engen Fällen anerkannt werden. Vorrangig seien
Ansprüche gegen die Krankenkasse. Einen entsprechenden Ablehnungsbescheid habe die Antragstellerin
indes nicht vorgelegt. Außerdem sei nicht glaubhaft gemacht, dass bei der Antragstellerin ein längerfristiger,
dauerhafter bzw. regelmäßig wiederkehrender besonderer Bedarf vorliege. Die Bescheinigung des Dr. H.
enthalte dazu und auch zur weiteren Behandlungsbedürftigkeit keine konkreten Angaben.
10 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die
beigezogene Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
11 Der Eilantrag ist zulässig aber unbegründet.
12 1. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag, soweit
nicht ein Fall des § 86 b Abs. 1 SGG vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand
treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung
eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen
sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig,
wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG).
Der Antrag nach § 86 b Abs. 2 SGG ist gemäß § 86 b Abs. 3 SGG schon vor Klageerhebung zulässig.
13 Als Sicherungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG ist der Antrag darauf gerichtet, einen bestehenden
Zustand aufrechtzuerhalten, wobei wegen des Vorrangs des § 86 b Abs. 1 SGG der Eingriff in einen
bestehenden Zustand nicht durch einen anfechtbaren Verwaltungsakt erfolgt sein darf. Die
Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG dient hingegen der vorläufigen Einräumung einer bislang
noch nicht bestehenden Rechtsposition.
14 Unter Zugrundelegung dessen ist der Antrag insgesamt als Regelungsanordnung im Sinne des § 86 b Abs. 2
Satz 2 SGG statthaft, denn der Antragstellerin geht es vorliegend nicht um die Sicherung eines bereits
bestehenden Zustandes, sondern um die gegenwärtige und künftige Gewährung von zusätzlichen Leistungen.
15 2. Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
16 Eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt einen Anordnungsanspruch, also die
hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs sowie einen
Anordnungsgrund voraus. Letzterer ist gegeben, wenn wegen Eilbedürftigkeit die Regelung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile geboten ist. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind vom Antragsteller
glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung
[ZPO]). Der Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn bei der im Verfahren gebotenen summarischen Prüfung
ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, wobei auch wegen der mit der einstweiligen
Regelung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache ein strenger Maßstab anzulegen ist. Denn grundsätzlich
soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der
Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl.
Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz [GG]), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne
die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden,
zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, siehe
zum Vorstehenden statt vieler nur LSG Ba.-Wü., Beschl. v. 06.05.2009 – L 1 AS 1259/09 ER-B, m. w. N.,
abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/sgbe .
17 Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kommt der begehrte Erlass einer Regelungsanordnung nicht in
Betracht. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihr gegen den Antragsgegner ein
Anordnungsanspruch auf Übernahme der angemessenen Kosten für eine Haushaltshilfe nach dem SGB II
zusteht.
18 Gemäß § 21 Abs. 6 SGB II in der Fassung des Art. 3 a Nr. 2 lit. b) des „Gesetzes zur Abschaffung des
Finanzplanungsrates und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur
Änderung weiterer Gesetze“ ( StabRuaÄndG ) vom 27.05.2010 (BGBl. I, Nr. 26, Seite 671 ff.) – zukünftig nur
noch § 21 Abs. 6 SGB II n. F. –, dessen Einführung mit Wirkung zum 03.06.2010 die Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts, BVerfG, Urt. v. 09.02.2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, NJW 2010, S.
505 ff., umsetzt, erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Mehrbedarf, soweit im Einzelfall ein
unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar,
wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von
Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem
durchschnittlichen Bedarf abweicht. Ausweislich der Gesetzesbegründung, BR-Drs. 17/1465, S. 8 f., soll der
Sonderbedarfsanspruch unter den Aspekten des nicht erfassten atypischen Bedarfs sowie eines
ausnahmsweise höheren, überdurchschnittlichen Bedarfs angesichts seiner engen und strikten
Tatbestandsvoraussetzungen auf wenige Fälle begrenzt sein. Ein Anspruch auf Übernahme dieses
individuellen Mehrbedarfs könne nämlich nur dann entstehen, wenn es sich um einen regelmäßig
wiederkehrenden, dauerhaften, längerfristigen, unabweisbaren atypischen oder um einen ausnahmsweise
überdurchschnittlichen Bedarf handele. Für die Beurteilung der Regelmäßigkeit sei auf den
Bewilligungszeitraum abzustellen. Die Gesetzesbegründung nennt als Anwendungsfälle der Härtefallklausel
des § 21 Abs. 6 SGB II n. F. beispielhaft die dauerhafte Notwendigkeit von Hygienemitteln bei bestimmten
Erkrankungen, Putz- bzw. Haushaltshilfen für Rollstuhlfahrer sowie die Übernahme von Kosten zur
Wahrnehmung des Umgangsrechts bei getrennt lebenden Eltern.
19 Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist vorliegend ein unabweisbarer besonderer Bedarf im Sinne des § 21
Abs. 6 SGB II n. F. nicht glaubhaft gemacht. Dabei kann zunächst offen bleiben, ob die Gewährung einer
Haushaltsbeihilfe in jedem Fall nur bei Rollstuhlfahrern in Betracht kommt. Denn die Antragstellerin hat schon
nicht glaubhaft gemacht, dass es ihr nicht möglich ist, die grundlegenden alltäglichen Haushaltsverrichtungen
während der Zeit ihrer Rekonvaleszenz ohne fremde Hilfe zu besorgen. Ausweislich des Entlassberichtes des
Prof. Dr. K. vom 21.05.2010, der im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden kann, verlief die
postoperative Phase regelgerecht, ohne reizlose Wundverhältnisse und bei Wohlbefinden. Auch
Allgemeinmediziner Dr. H. berichtet in seiner Bescheinigung vom 26.05.2010 (ebenfalls im Wege des
Urkundenbeweises verwertbar) lediglich über ausgeprägte Schmerzen und eine deutliche
Bewegungseinschränkung im Bereich des rechten Armes sowie über ein Lymphödem, freilich ohne objektiv-
klinische Befunde mitzuteilen. Seine Einschätzung, dass eine Haushaltshilfe dringend erforderlich ist,
begründet er nicht weiter. Auch teilt er nicht mit, welche Verrichtungen genau der Antragstellerin nicht möglich
sein sollen. Die Antragstellerin selbst hat lediglich angegeben, dass ihr „Tragen, Bewegungen, Berührung mit
heißem Wasser etc. verboten sei“. Daraus lässt sich indes nach Überzeugung des Gerichts das Erfordernis
einer Haushaltshilfe für die grundlegendsten, notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens nicht ableiten.
Der Antragstellerin ist es zumutbar, für eine Übergangszeit auf das Heben, Tragen und Bewegen von schweren
Lasten im Haushalt zu verzichten und ungeschützten Kontakt mit heißem Wasser zu vermeiden bzw. ihre
Hausarbeit allgemein auf das Notwendigste zu beschränken. Dass ihr leichte, absolut notwendige Bewegungen
im häuslichen Umfeld gänzlich unmöglich wären, kann den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht
entnommen werden.
20 Wie bereits oben dargelegt, ist bei der Anwendung des § 21 Abs. 6 SGB II n. F. ein strenger Maßstab
anzulegen und ein entsprechender Anspruch nur bei Vorliegen eines dauerhaften besonderen Bedarfes
anzuerkennen. Eine andere Auslegung würde das gesetzgeberische System der pauschalierten
Bedarfsdeckung mittels der Regelleistung konterkarieren, vgl. dazu Münker , jurisPR-SozR 12/2010, Anm. 3,
ohne dass dies verfassungsrechtlich gefordert wäre.
21 Davon abgesehen ist vorliegend auch nicht glaubhaft gemacht, dass die von der Antragstellerin behaupteten
Einschränkungen „laufend“ im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II n. F. bzw. „dauerhaft“ im Sinne der Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts, BVerfG, Urt. v. 09.02.2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, NJW 2010, S.
505 (517), besonders bedarfserhöhend wirken. Die Antragstellerin hat sich zu Stand und Verlauf ihrer
Heilbehandlung nicht weiter erklärt. Dr. H. schreibt in seiner Bescheinigung vom 26.05.2010 – ohne weitere
Begründung – lediglich vom Erfordernis einer Haushaltshilfenbereitstellung „bis auf Weiteres“. Im Hinblick auf
den regelgerechten postoperativen Verlauf (Entlassbericht des Prof. Dr. K. vom 21.05.2010) und mangels
objektiver Verschlechterungsbefunde kann ein dauerhafter, scil. den Bewilligungszeitraum vom 01.06.2010 bis
30.11.2010 – jedenfalls im Wesentlichen – durchgehend umfassender, besonderer gesundheitsspezifischer
Mehrbedarf nicht angenommen werden.
22 Unabhängig davon war die Antragstellerin in der Zeit ab Entlassung aus der stationären Behandlung am
26.05.2010 bis heute offensichtlich auch in der Lage, sich grundlegend selbst zu versorgen.
Entgegenstehendes ist jedenfalls weder vorgetragen noch ersichtlich. Dass ihr dies weiterhin nicht möglich
wäre, ist nicht glaubhaft gemacht. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
23 Weitere Anspruchsgrundlagen enthält das SGB II nicht, statt vieler nur LSG Ba.-Wü., Beschl. v. 19.12.2006 –
L 8 AS 4586/06 ER-B; Beschl. v. 15.05.2006 – L 13 AS 1708/06 ER-B, beide abrufbar unter
www.sozialgerichtsbarkeit.de/ sgb/sgbe , jeweils zur Rechtslage bis zur Entscheidung des BVerfG bzw. bis zur
Einfügung des § 21 Abs. 6 SGB II n. F.
24 Die Antragstellerin vermag ihren vermeintlichen Anspruch gegen den Antragsgegner auch nicht auf Vorschriften
des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII) erfolgreich zu stützen. Mit Einfügung des § 21 Abs. 6 SGB II
n. F. wurde zugleich § 3 Abs. 3 Satz 2 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der
Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20.07.2006 (BGBl. I, Nr. 36, S. 1706 ff.), wonach eine abweichende
Festlegung der Bedarfe nach dem SGB II ausgeschlossen war, aufgehoben. Damit besteht jedenfalls seit dem
02.06.2010 keinerlei Grundlage und auch keine Veranlassung mehr, im gegebenen Zusammenhang
Vorschriften des SGB XII im Anwendungsbereich des SGB II entsprechend anzuwenden, so auch LSG Bln.-
Bbg., Beschl. v. 09.06.2010 – L 34 AS 2009/09 NZB, juris.
25 Inwieweit der Antragstellerin möglicherweise (unmittelbar) Ansprüche nach §§ 70, 73 SGB XII gegenüber dem
Sozialhilfeträger oder nach § 38 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bzw. § 36 Elftes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB XI) gegenüber der Kranken-/Pflegekasse zustehen, ist nicht im hiesigen Verfahren
gegen den Antragsgegner zu klären. Von einer Beiladung des Sozialhilfeträgers und der Kranken- bzw.
Pflegekasse im einstweiligen Rechtsschutzverfahren hat das Gericht abgesehen, siehe dazu auch LSG Ba.-
Wü., Beschl. v. 21.12.2009 – L 13 AS 5211/09 ER-B, Beschl. v. 06.05.2009 – L 1 AS 1259/09 ER-B; LSG
NRW, Beschl. v. 22.03.2007 – L 19 B 21/07 AS ER, alle abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/sgbe
; LSG Bln.-Bbg., Beschl. v. 20.12.2007 – L 5 B 2073/07 AS ER, juris.
26 Der Antragstellerin steht es frei, sich gegebenenfalls unmittelbar an die genannten Leistungsträger zu wenden
und dort entsprechende (förmliche) Anträge zu stellen.
27 3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 Satz 1
SGG. Es entspricht vorliegend der Billigkeit, dass die Antragstellerin als unterliegender Teil ihre
außergerichtlichen Kosten (§ 193 Abs. 2 SGG analog) selbst zu tragen hat.
28 4. Da der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz entsprechend der obigen Ausführungen zu Ziffer 1 keinen
Erfolg hat, war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin J. aus
den Gründen des § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO abzulehnen.