Urteil des SozG Stade vom 31.08.2009

SozG Stade: einkommen aus erwerbstätigkeit, berechtigte person, niedersachsen, verfügung, steuerberater, satzung, geburt, arbeitsförderung, mitgliedschaft, behandlung

Sozialgericht Stade
Urteil vom 31.08.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Stade S 13 EG 3/09
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Neuberechnung des ihm bewilligten Elterngeldes ohne Berücksichtigung der
Altersvorsorgebeiträge, die er an ein berufsständisches Versorgungswerk zahlt.
Der Kläger, geboren im Jahr 1975, ist als Steuerberater tätig und als solcher Pflichtmitglied der Steuerberaterkammer
Niedersachsen sowie des berufsständischen Versor-gungswerks, der Steuerberaterversorgung Niedersachsen. Im
Zeitraum April 2007 bis März 2008 zahlte der Kläger monatlich einen Beitrag zwischen 420,00 und 440,00 EUR an das
Versorgungswerk.
Am 2. Mai 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten für den zweiten und dritten Lebensmonat seiner am 3. April
2008 geborenen Tochter F. Elterngeld gemäß den Vorga-ben des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG).
Mit Bescheid vom 8. Juli 2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger Elterngeld für die beantragte zwei Monate iHv
jeweils 1.459,07 EUR. Bei der Berechnung des maßgeblichen Durchschnittseinkommens in den zwölf
Kalendermonaten vor der Geburt zog die Beklagte dabei vom Bruttoeinkommen des Klägers, das im
Bemessungszeitraum zwischen 4.200,00 EUR und rund 4.500,00 EUR schwank-te, unter anderem auch die von ihm
monatlich entrichteten Beiträge zum Versorgungs-werk ab und ermittelte ein Durchschnittseinkommen iHv 2.177,71
EUR netto. Im Widerspruch vom 31. Juli 2008 wandte er sich gegen die Berücksichtigung der Beiträ-ge zum
Versorgungswerk und erbat eine Neuberechnung. Dies lehnte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. März
2009 ab. Am 1. April 2009 hat der Kläger Klage erhoben.
Zur Begründung trägt er vor, er sei von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht be-freit sei, so dass es bei den
Beiträgen an das Versorgungswerk nicht um Pflichtbeiträge iS des § 2 Abs 7 Satz 1 BEEG handele. Anders als ein
gesetzlich Versicherter müsse er die Beiträge zum Versorgungswerk auch während des Elterngeldbezugs
weiterzahlen, um seine Altersversorgung zu sichern, so dass ihm faktisch nicht die vom Gesetzgeber vorgesehenen
67 % des durchschnittlichen Netto-Erwerbseinkommens als Elterngeld zur Verfügung ständen. Die Beiträge zum
Versorgungswerk müssten deshalb bei der Berechnung des Durchschnittseinkommens außer Betracht bleiben, um ihn
nicht zu benachteiligen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 8. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. März
2009 zu verpflichten, das ihm gewährte Elterngeld ohne die bisherige Berücksichtigung der Beiträge zum
Versorgungswerk neu zu berechnen und ihm höheres Elterngeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen und zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte
und die vorliegende Verwaltungsakte der Beklagten, die der Kammer bei der Entscheidung ohne mündliche
Verhandlung am 31. August 2009 vorlagen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 Sozi-algerichtsgesetz (SGG)
entscheiden, nachdem der Kläger diesem Vorgehen im Schriftsatz vom 18. August 2009 und die Beklagte im
Schriftsatz vom 17. August 2009 zugestimmt hatten.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Klage hat keinen Erfolg.
Die angegriffene Bewilligungsentscheidung der Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstan-den und beschwert den
Kläger daher nicht, § 54 Abs 2 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höheres Elterngeld.
Die Berechnungen der Beklagten entsprechen auch in Bezug auf die Berücksichtigung der Beiträge des Klägers zum
Versorgungswerk der Steuerberater den gesetzlichen Vorgaben. Gemäß § 2 Abs 1 BEEG wird Elterngeld in Höhe von
67 Prozent des in den zwölf Kalen-dermonaten vor dem Monat der Geburt durchschnittlich erzielten monatlichen
Einkom-mens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 EUR monatlich für volle Monate gezahlt,
in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstä-tigkeit erzielt. Als Einkommen aus Erwerbstätigkeit
ist die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit und
nichtselbständi-ger Arbeit im Sinne von § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 des Einkommenssteuergesetzes nach Maßgabe
der Absätze 7 bis 9 zu berücksichtigen. Gemäß § 2 Abs 7 Satz 1 BEEG ist als Einkommen aus nichtselbständiger
Arbeit der um die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten
Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe der gesetzlichen Anteils der beschäftigten Person einschließlich der
Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte Überschuss der Einnahmen in Geld oder Geldeswert über die mit einem
Zwölftel des Pauschbetrags nach § 9a Abs 1 Satz 1 Nr 1a EStG anzusetzenden Werbungskosten zu berück-
sichtigen.
Zutreffend hat die Beklagte bei der Berechnung des monatlichen Einkommens im Be-messungszeitraum vom
Bruttolohn des Klägers neben der Lohn- und Kirchensteuer, dem Solidaritätszuschlag, der Arbeitsförderung und den
Werbungskosten auch den Beitrag zum Versorgungswerk abgesetzt. Zwar ist zutreffend, dass der Kläger von der
gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 Abs 1 Nr 1a SGB VI befreit ist. Die Pflichtmitgliedschaft in einem
Versorgungswerk stellt jedoch eine der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare Sicherungsform dar (vgl Fichte
in: Hauck/Haines, SGB VI, § 6 Rn 13). Die Beiträge zum Versorgungswerk erfüllen insoweit den gleichen Zweck wie
die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und beruhen ebenfalls auf einer gesetzlichen Beitragspflicht. Sofern
die Beiträge vor diesem Hintergrund nicht ohnehin schon als "Pflichtbeiträge" im Sinne des unmittelbaren Wortlauts
des § 2 Abs 7 Satz 1 BEEG angesehen werden, so ist jedenfalls eine Gleichsetzung der Beiträge zum
Versorgungswerk mit den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversiche-rung und in der Folge eine entsprechende
Behandlung sachlich gerechtfertigt. Dies entspricht Sinn und Zweck der Berechnungsvorgabe.
Der Kläger wird dadurch auch nicht benachteiligt. Dadurch, dass er die Beiträge zum Versorgungswerk in den zwei
Monaten seiner Elternzeit weiter gezahlt hat, stand ihm zwar tatsächlich ein geringeres Elterngeld zur Verfügung als
einem Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung. Allerdings hätte er sich von der Beitragszahlung befreien lassen
können. Denn gemäß § 14 Abs 8 Satz 3 der Satzung des Steuerberaterversorgungs-werks Niedersachsen kann ein
Mitglied während der Kinderbetreuungszeit auf Antrag von der Zahlung von Beiträgen befreit werden, wenn es während
dieser Zeit keine Ein-künfte aus dem die Mitgliedschaft begründenden Beruf erzielt. Der Kläger hätte es also in der
Hand gehabt, in den Monaten des Elterngeldbezugs keine Beiträge zahlen zu müs-sen. Von Gesetzes wegen besteht
keine Ungleichbehandlung des Klägers als Mitglied eines Versorgungswerks gegenüber einem pflichtversicherten
Arbeitnehmer, vielmehr ist der Kläger durch seine Gestaltungsmöglichkeit letztlich sogar besser gestellt.
Dem Kläger wären durch die Aussetzung der Beitragszahlung im Vergleich zu gesetzlich Rentenversicherten auch
keine Nachteile hinsichtlich seiner Anwartschaften entstanden. Zwar bleiben die Zeiten der Beitragsbefreiung gemäß §
14 Abs 8 Satz 3 (zweiter Teil) der Satzung für die Anrechnung der Versicherungsjahre unberücksichtigt. Nach der
Recht-sprechung des Bundessozialgerichts werden Kinderberücksichtigungszeiten aber bei der Deutschen
Rentenversicherung vorgemerkt, auch wenn eine Befreiung von der Versiche-rungspflicht aufgrund der Mitgliedschaft
in einem Versorgungswerk besteht, sofern nach den Statuten des Versorgungswerk keine gleichwertige
Berücksichtigung stattfindet (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 31. Januar 2008 - B 13 R 64/06 R -). Auch insoweit
ist aus rechtlicher Sicht keine Benachteiligung des Klägers erkennbar, die eine Ausklammerung bei Beiträge zum
Versorgungswerk bei der Berechnung des maßgeblichen Durch-schnittseinkommens gemäß § 2 Abs 1 und 7 BEEG
rechtfertigen könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Berufung gegen dieses Urteil wird gemäß § 144 Abs 1 SGG zugelassen. Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung
im Sinne § 144 Abs 2 Nr 1 SGG, weil - soweit ersichtlich - noch keine obergerichtliche Klärung der Frage der
Berücksichtigung von Beiträgen zu einem Versorgungswerk im Rahmen der Elterngeldberechnung nach dem BEEG in
der Rechtsprechung erfolgt ist. Der Berufungsstreitwert von 750,00 EUR gemäß § 144 Abs 1 Nr 1 SGG wird an sich
nicht erreicht, da die mögliche Erhöhung des Elterngeldes in den beiden Bezugsmonaten nach überschlägiger
Berechnung unter diesem Wert läge.