Urteil des SozG Speyer vom 24.06.2008

SozG Speyer: bestattungskosten, öffentlich, erbe, bestattungsinstitut, handbuch, sozialhilfe, nachlass, erbschaft, lfg, gefährdung

Sozialrecht
SG
Speyer
24.06.2008
S 3 SO 15/07
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 6. September 2006 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2007 verurteilt, 2.481,32 EUR für die Bestattung des
Ehemannes der Klägerin zu übernehmen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Bestattungskosten nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes
Buch (Sozialhilfe) − SGB XII −.
Die Klägerin ist die Witwe des am 9. Juni 2006 verstorbenen A*** P***, der mit ihr in zweiter Ehe
verheiratet war. Für die Bestattung ihres Ehemannes, die sie in Auftrag gegeben hatte, stellte ihr das
Bestattungsinstitut B*** unter dem 14. Juni 2006 einen Betrag in Höhe von insgesamt 2.494,32 EUR in
Rechnung. Der Verstorbene hatte aus erster Ehe zwei Abkömmlinge, S*** H*** und E*** P***, die beide
das Erbe ihres Vaters ausschlugen. Demgegenüber verzichtete die Klägerin auf eine Erbausschlagung.
Am 12. Juni 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der ihr in Rechnung
gestellten Bestattungskosten. Sie verfügte damals über ein monatliches Einkommen in Höhe von
209,16 EUR (Lohn: 129,77 EUR; Witwenrente: 79,39 EUR).
Unter dem 13. Juni 2006 schrieb die Beklagte sowohl S*** H*** als auch E*** P*** an und forderte beide
auf, ihre Einkommens- und Vermögenssituation darzulegen und nachzuweisen. Während S*** H*** dieser
Aufforderung nachkam, rief E*** P*** bei der Beklagten am 19. Juni 2006 an und teilte ihr mit, dass der
Verstorbene nicht sein leiblicher Vater gewesen sei. Zu seinen Einkommens- und
Vermögensverhältnissen machte er keine Angaben.
Mit Bescheid vom 6. September 2006 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung
führte sie aus, dass auch der Sohn des Verstorbenen als Verpflichteter im Sinne des § 74 SGB XII
anzusehen sei. Da er keinen Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten gestellt habe, könne nicht
abschließend beurteilt werden, ob einer der Verpflichteten in der Lage sei, die Bestattungskosten zu
tragen.
Den hiergegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies der Stadtrechtsausschuss der Beklagten
mit Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 2007 zurück. Die Klägerin treffe die Kostenlast nicht von
vornherein unausweichlich, weil für sie die Möglichkeit bestehe, die Erbschaft auszuschlagen, die Haftung
auf den Nachlass zu beschränken und die Dürftigkeitseinrede zu erheben. Bei fehlender
Leistungsfähigkeit treffe die Kostenlast nicht den Erben, sondern den Unterhaltspflichtigen. Der Klägerin
stehe ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch gegen den Sohn des Verstorbenen zu. Dass dieser
nicht in der Lage wäre, die Bestattungskosten zu tragen, sei nicht dargelegt und nachgewiesen.
Am 19. Februar 2007 hat die Klägerin Klage erhoben.
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, weder erbrechtlich noch unterhaltsrechtlich in der Lage zu
sein, die ihr in Rechnung gestellten Bestattungskosten zu begleichen. Die erste Ehefrau des Verstorbenen
oder seine Tochter S*** H*** seien nicht zur Übernahme der Bestattungskosten verpflichtet. Ob dies auch
für E*** P*** gelte, habe nicht abschließend geklärt werden können. Daher könne sie, die Klägerin, von
ihm keinen Kostenersatz verlangen, weshalb eine Kostenübernahme durch die Beklagte auch nicht dem
Subsidiaritätsprinzip widersprechen würde. Im Übrigen sei Verpflichteter im Sinne des § 74 SGB XII auch
derjenige, der aufgrund eines Rechtsgeschäfts zur Zahlung von Bestattungskosten verpflichtet sei, wenn
er dieses Rechtsgeschäft nicht aus freien Stücken eingegangen sei, sondern als verpflichteter Erbe, um
eine öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht zu erfüllen. Ein Abwarten, gegen wen die Ordnungsbehörde
vorgehe, sei nicht zulässig, und ihr als Witwe im Übrigen auch nicht zumutbar. Schließlich seien die in
Rechnung gestellten Bestattungskosten erforderlich gewesen.
Die Klägerin beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, unter Aufhebung des Bescheides vom 6. September 2006 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2007 die Bestattungskosten für die Bestattung des Ehemannes
A*** P***, geboren ***1938, verstorben 9. Juni 2006, gemäß Rechnung des Beerdigungsinstituts B***,
***straße ***, ***, vom 14. Juni 2006 in Höhe von 2.494,32 EUR zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Ablehnungsbescheid und trägt
ergänzend vor, dass im Zeitpunkt der Bestattung sowohl die Klägerin als auch die beiden Kinder des
Verstorbenen in ihrer Eigenschaft als Erben nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften bestattungspflichtig
gewesen seien. Hieraus resultiere ein Ausgleichsanspruch, der auch durch die spätere Erbausschlagung
der beiden Kinder nicht untergegangen sei. Es sei allgemein anerkannt, dass der Erbe, der selbst
leistungsunfähig sei, grundsätzlich Ausgleich beim Unterhaltsverpflichteten suchen könne. Die Klägerin
habe zumindest einen unterhaltsrechtlichen Freistellungsanspruch gegen den voraussichtlich
leistungsfähigen Sohn des Verstorbenen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die von der
Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen
Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage, über die trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung
entschieden werden konnte, weil sie hierauf in der Ladung hingewiesen wurde, ist zum überwiegenden
Teil begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Bestattung ihres
verstorbenen Ehemannes A*** P*** in Höhe von 2.481,22 EUR. Insoweit ist der Bescheid der Beklagten
vom 6. September 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2007 rechtswidrig und
beschwert die Klägerin im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes − SGG −. Im Übrigen
ist die von ihr erhobene Klage abzuweisen.
Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 74 SGB XII. Danach werden die erforderlichen
Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die
Kosten zu tragen.
Die Klägerin ist Verpflichtete im Sinne des § 74 SGB XII. Verpflichteter ist dabei nur derjenige, den die
Kostentragungspflicht (ganz oder teilweise) rechtlich notwendig, im Verhältnis zu Dritten endgültig und
damit vorrangig trifft (vgl. Berlit in LPK-SGB XII, 8. Aufl. 2008, § 74 Rn. 4 m. w. Nachw.). In Anbetracht
dessen ist die Klägerin hier in erster Linie als Erbin gemäß § 1968 des Bürgerlichen Gesetzbuches
− BGB − zur Tragung der Bestattungskosten verpflichtet. Daran ändert auch die ihr gesetzlich eingeräumte
Möglichkeit nichts, das Erbe auszuschlagen (§ 1942 Abs. 1 BGB), weil die sechswöchige
Ausschlagungsfrist des § 1944 Abs. 1 BGB bereits abgelaufen ist. Zudem konnte die Klägerin weder ihre
Erbenhaftung auf den Nachlass beschränken (§ 1975 BGB) noch die Dürftigkeitseinrede (§ 1990 BGB)
geltend machen. Denn ungeachtet dessen, dass beides nichts an ihrer Verpflichtung aus § 1968 BGB
geändert hätte, sind die Voraussetzungen der beiden vorstehenden Regelungen − (untunliche)
Anordnung der Nachlassverwaltung oder Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens bzw. Aufhebung
der Nachlassverwaltung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens − nicht erfüllt.
Eine Verpflichtung der Klägerin kommt darüber hinaus aber auch mit Blick auf den ihr gegenüber dem
Bestattungsinstitut B*** erteilten Auftrag zur Bestattung des verstorbenen A*** P*** in Betracht.
Den Ersatz der Bestattungskosten oder eines Teils davon durch den Sozialhilfeträger kann nach § 74
SGB XII jedoch nur ein Verpflichteter erhalten, dem nicht zugemutet werden kann, die Kosten selbst zu
tragen.
Das ist bei der Klägerin zu bejahen. Zwar ist es zutreffend, dass eine Kostentragung nur dann unzumutbar
ist, wenn von anderer Seite kein Ersatz erlangt werden kann. Entgegen der von der Beklagten geäußerten
Auffassung steht der Klägerin jedoch kein derartiger Anspruch gegen Dritte nicht zu, insbesondere auch
nicht gegen den Sohn des Verstorbenen.
Das beruht darauf, dass die unterschiedlichen Pflichten zur Tragung der Bestattungskosten nicht
gleichrangig nebeneinander bestehen, sondern insoweit eine bestimmte Reihenfolge vorgegeben ist.
Diese stellt sich wie folgt dar (vgl. hierzu: H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl.
2006, § 74 Rn. 5; Baur in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe Teil II, 9. Erg.-Lfg.,
Stand: August 2007, § 74 SGB XII Rn. 10):
1. derjenige, der sich vertraglich gegenüber dem Verstorbenen zur Tragung der Bestattungskosten
verpflichtet hat;
der Erbe (§ 1968 BGB);
der Vater des nichtehelichen Kindes beim Tode der Mutter (§ 1615m BGB);
der Unterhaltsverpflichtete (u. a. § 1615 Abs. 2 BGB);
derjenige, der aufgrund Rechtsgeschäfts die Bestattungskosten zu tragen hat, weil er in Erfüllung
öffentlich-rechtlicher Bestattungspflichten die Beisetzung veranlasst hat.
Diese Darstellung macht deutlich, dass vorliegend die Klägerin als Erbin vorrangig zur Tagung der
Bestattungskosten ihres Ehemannes A*** P*** verpflichtet ist. Ein etwaiger Ausgleichsanspruch gemäß
§ 426 BGB könnte somit allenfalls gegen weitere Erben bestehen. Solche sind aber nicht vorhanden, weil
beide Kinder des Verstorbenen die Erbschaft ausgeschlagen haben.
Die von der Beklagten vorgebrachten Argumente, mit denen sie einen Ausgleichsanspruch der Klägerin
zu begründen versucht, greifen nicht durch.
Soweit sie einen derartigen Anspruch aus dem Umstand ableiten will, dass die Klägerin auch für die
beiden nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften (§ 9 Abs. 1 Satz 1 des rheinland-pfälzischen
Bestattungsgesetzes − BestG −) bestattungspflichtigen Kinder des Verstorbenen tätig geworden ist,
überzeugt dies nicht. Zwar besteht die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht unbeschadet der
zivilrechtlichen Pflicht zur Tragung der Bestattungskosten (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 19. August
1994 − 1 B 149/94 −, veröffentlicht in juris). Allerdings sind die Klägerin und die beiden Kinder schon
deshalb nicht öffentlich-rechtlich zur Bestattung verpflichtet gewesen, weil diese Pflicht so konzipiert ist,
dass der Staat die Bestattung zunächst den Angehörigen überlässt und er erst dann tätig wird, wenn
mangelnde Totenfürsorge zu einer Gefährdung der öffentlichen Gesundheit oder Ordnung führt bzw. die
Verletzung größerer Kreise der Bevölkerung in ihrem sittlichen Gefühl droht (vgl. Gaedke, Handbuch des
Friedhofs- und Bestattungsrechts, 9. Auf. 2004, S. 104). Da die Klägerin jedoch von sich aus die
Bestattung ihres verstorbenen Ehemannes A*** P*** übernommen hatte, war ein Rückgriff auf die
öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht gemäß § 9 BestG nicht erforderlich. Ungeachtet dessen hat der
Erbe wegen der oben dargestellten Reihenfolge der zur Tragung der Bestattungskosten Verpflichteten
keinen Ausgleichsanspruch gegen den öffentlich-rechtlichen Bestattungspflichtigen. Vielmehr steht
demjenigen ein Ersatzanspruch aus § 1968 BGB gegen den Erben zu, der die Kosten zunächst getragen
hat, ohne Erbe geworden zu sein (vgl. Palandt/Edenhofer, 64. Aufl. 2005, § 1968 BGB, Rn. 1).
Dass ein Ausgleichsanspruch des die Bestattung beauftragenden, aber leistungsunfähigen Erben gegen
den Unterhaltspflichtigen grundsätzlich anerkannt ist, mag durchaus zutreffend sein. Dies gilt aber nur,
wenn die Bestattung des Verstorbenen aufgrund der öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht veranlasst
wurde. Dies ist hier − wie soeben dargestellt − jedoch nicht der Fall gewesen.
Ferner ist ohne Bedeutung, dass der Unterhaltsverpflichtete gemäß § 1615 Abs. 2 BGB für die
Bestattungskosten haftet. Denn diese Haftung ist im Verhältnis zur Kostentragungspflicht des Erben
subsidiär (vgl. Palandt, a. a. O., § 1968 BGB Rn. 2 m. w. Nachw.), so dass allenfalls einem
Unterhaltsverpflichteten ein Ausgleichsanspruch gegen den vorrangig verpflichteten Erben zustehen
könnte. Darüber hinaus ist bei einem monatlichen Einkommen von 209,16 EUR durchaus zu bezweifeln,
ob die Klägerin überhaupt leistungsfähig und damit unterhaltspflichtig wäre. Ein Ausgleichanspruch
gemäß § 1615 Abs. 2 BGB ist aber nur zwischen mehreren Unterhaltspflichtigen denkbar. Im Übrigen ist
nach § 1615 Abs. 2 BGB nur derjenige anspruchsberechtigt, der die Bestattungskosten tatsächlich
getragen hat (vgl. Born in Münchner Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2002, § 1615 Rn. 8). Das jedoch trifft
allenfalls auf das Bestattungsinstitut B*** zu, nicht aber auf die Klägerin.
In Anbetracht der vorstehenden rechtlichen Erwägungen steht der Klägerin wegen der Bestattungskosten
kein Ausgleichs- oder Ersatzanspruch gegen Dritte zur Seite mit der Folge, dass ihr eine Tragung dieser
Kosten nicht zugemutet werden kann im Sinne des § 74 SGB XII.
Allerdings erfolgt im Rahmen des § 74 SGB XII lediglich eine Übernahme der erforderlichen Kosten. Zu
übernehmen sind deshalb die Kosten für eine angemessene Bestattung in einfacher, aber würdiger und
ortsüblicher Form (vgl. Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, 12. Lfg., Stand: Dezember 2007, K § 74 Rn. 15 m.
w. Nachw.). Dabei sind auch die angezeigten kirchlichen und bürgerlichen Feierlichkeiten als
erstattungsfähige Aufwendungen anzusehen (vgl. Berlit, a. a. O., § 74 Rn. 13).
Daran gemessen begegnen die einzelnen, in der Rechnung des Bestattungsinstituts B*** vom 14. Juni
2006 aufgeführten Rechnungspositionen grundsätzlich keinen durchgreifenden Bedenken. Bei den
Aufwendungen handelt es sich allesamt um solche, die im Zusammenhang mit einer einfachen, aber
würdigen und ortsüblichen Bestattung anfallen. Dennoch ist der Rechnungsbetrag dahingehend zu
korrigieren, dass statt eines Betrages von 1.027 EUR für die Friedhofs- und Grabgebühren lediglich
914 EUR in Ansatz zu bringen sind. Das folgt aus dem Gebührenbescheid des Garten- und
Friedhofsamtes der Beklagten vom 21. Juli 2006, der lediglich diesen geringeren Betrag ausweist.
Insgesamt ergibt sich dann ein Rechnungsbetrag in Höhe von 2.481,32 EUR.
Nach alledem hat die Klägerin einen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Bestattung ihres
verstorbenen Ehemannes A*** P*** in Höhe von 2.481,32 EUR. Die Beklagte ist daher unter Aufhebung
ihres Bescheides vom 6. September 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2007
entsprechend zu verurteilen. Hinsichtlich des verbleibenden Betrages von 13 EUR ist die Klage dagegen
abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. In Anbetracht dessen, dass die Klägerin nur zu einem
geringen Teil unterliegt, ist eine nur anteilige Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten nicht geboten.