Urteil des SozG Speyer vom 29.10.2008

SozG Speyer: arbeitsentgelt, berufsausbildung, projekt, praktikum, berufliche ausbildung, berufliche grundausbildung, praktikant, gegenleistung, arbeitskraft, versicherungspflicht

Sozialrecht
SG
Speyer
29.10.2008
S 10 AL 389/07
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld (Alg).
Die 1981 geborene Klägerin war in der Zeit vom 23.6.2006 bis 22.12.2006 als Lager- und
Produktionsarbeiterin bei der Firma Randstad beschäftigt. Vom 23.12.2006 bis 22.6.2007 war sie tätig als
Praktikantin im Projekt „Integration statt Arbeitslosengeld II (IsA)“ in Frankenthal. Projektträger waren das
CJD Speyer, das CJD Ludwigshafen und das Zentrum für Arbeit und Bildung gGmbH (ZAB). Finanziert
wurde das Projekt von der Gesellschaft für Arbeitsmarktintegration Vorderpfalz-Ludwigshafen mbH (GfA),
insbesondere in Form der Übernahme der Maßnahmekosten einschließlich der an die Teilnehmer zu
zahlenden Entgelte.
Nach der Projektbeschreibung vom 2.12.2005 handelte es sich um eine Sofortmaßnahme zur Integration
junger Menschen unter 25 Jahren in den Arbeitsmarkt zur Vermeidung des Alg-II-Bezuges durch
Beschäftigung, Qualifizierung und Begleitung. Gefördert wurden die allgemeine und fachliche Bildung, die
arbeitswelt- und berufsbezogene Kommunikation, lebenspraktische Schlüsselqualifikationen, die soziale
Kompetenz und die berufspraktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten jugendlicher Arbeitsloser. Ziel war
außerdem deren sozialpädagogische Unterstützung und die Bearbeitung individueller beziehungsweise
familiärer Problemlagen. Die Projektträger stellten mindestens 100 Teilnehmerplätze im Einzugsbereich
der GfA zur Verfügung. Angeboten wurden die Berufsfelder Metalltechnik, Farbtechnik, Hauswirtschaft,
Haushaltsdienstleistungen, Hotel- und Gaststättengewerbe, kaufmännischer Bereich, Garten- und
Landschaftsbau sowie der erzieherische Bereich. Die Maßnahmedauer des Projekts betrug 12 Monate.
Das Projekt begann am 2.1.2006 und endete am 31.12.2006. Es war gegliedert in eine Einstiegsphase
zur Ermittlung des Förderungsbedarfs des einzelnen Teilnehmers. Hierbei beobachteten
Sozialpädagogen und Fachleiter das Lern- und Arbeitsverhalten des Teilnehmers hinsichtlich Motivation,
Pünktlichkeit, Belastbarkeit, Lernkompetenz, Sprachkompetenz sowie Stärken. Nach einem
Auswertungsgespräch war eine berufspraktische Qualifizierung vorgesehen, entsprechend den
vorgenannten Berufsfeldern. Die berufspraktische Fortbildung konnte in den Praxisräumen der
Projektträger oder in externen Betrieben, die die Projektträger ermittelten und den Teilnehmern zuwiesen,
durchgeführt werden. Inhalt des Projekts waren auch Förder- und Zusatzangebote auf den Feldern
Allgemeinbildung, Sprachförderung, EDV und Bewerbungstraining. Übergeordnetes Ziel aller Instrumente
der sozialpädagogischen Arbeit war entsprechend der Projektbeschreibung die Nachhaltigkeit der
Vermittlung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Ausbildung oder in Arbeit.
Die Maßnahmeträger schlossen mit den einzelnen Jugendlichen beziehungsweise jungen Erwachsenen,
so auch der Klägerin, so genannte Praktikumsverträge für die Dauer von sechs Monaten ab. Die
Praktikumsverhältnisse wurden als sozialversicherungspflichtig behandelt und entsprechende
Sozialversicherungsbeiträge abgeführt.
Im Praktikumsvertrag der Klägerin heißt es sinngemäß u. a: Der Vertrag ist kein Arbeitsvertrag, sondern
ein Praktikumsvertrag. Das Praktikumsverhältnis wird im Auftrag der GfA durchgeführt. Im Rahmen des
Praktikums wird der Praktikant unter Berücksichtigung individueller Vorkenntnisse, Fähigkeiten und
Fertigkeiten unterstützt und gefördert, um die Arbeitsvermittlung oder einen erfolgreichen Einstieg in eine
berufliche Ausbildung zu erleichtern. Vorrangig soll die Integration des Praktikanten in ein Ausbildungs-
oder Arbeitsverhältnis angestrebt werden. Um dieses zu erreichen, setzten die Projektträger folgende
Instrumente ein: Profiling, interne beziehungsweise externe Qualifizierungspraktika, Praktikum in einem
Betrieb beziehungsweise bei einem Qualifizierungsträger, Bewerbungstraining, sozialpädagogische
Begleitung, interne und externe Schulungspraktika. Der Praktikant steht während der Praktikumsdauer
weiterhin dem Arbeitsmarkt zur Verfügung und hat währenddessen Vermittlungsvorschläge der Agentur
für Arbeit beziehungsweise der GfA zu befolgen. Im Falle des Zustandekommens eines- Arbeits- oder
Ausbildungsverhältnisses endet der Praktikumsvertrag mit Beginn der Arbeits- beziehungsweise
Ausbildungsaufnahme. Das Praktikum beginnt am 23.12.2006 und endet am 22.6.2007, ohne dass es
einer Kündigung bedarf. Im Übrigen gilt für beide Seiten die Kündigungsfrist des § 622 BGB. Das Recht
zur Kündigung aus wichtigem Grunde bleibt für beide Seiten unberührt. Das Praktikum endet außerdem
mit Abmeldung des Praktikanten seitens der GfA, ohne dass es einer Kündigung bedarf oder bei
nachgewiesener Arbeitsaufnahme beziehungsweise Ausbildungsbeginn eines Praktikanten. Der
Maßnahmeträger behält sich vor, den Praktikumsvertrag zu lösen, sollte die Finanzierung dieses Projekts
vorzeitig enden. Der Praktikant erhält eine Praktikumsvergütung in Höhe von 660.- € netto monatlich. Die
Vergütung berechnet sich analog des fiktiven individuellen Anspruchs des Praktikanten auf
Arbeitslosengeld II. Der Praktikant wird darauf hingewiesen, dass die Praktikumsvergütung angepasst
werden kann, sofern sich die Berechnungsgrundlage des fiktiven Alg-II-Anspruchs des Praktikanten,
gleich aus welchen Gründen, verändert. Der Praktikant erklärt sich damit einverstanden, dass die
gesamten Praktikumskosten zwischen den Maßnahmenträgern und dem Kostenträger direkt abgerechnet
werden. Die Arbeitszeit beträgt zurzeit 40 Stunden wöchentlich. Urlaub hat der Praktikant in einem
Umfang von zwei Urlaubstagen pro Praktikumsmonat. Im Falle der Erkrankung, ist diese unverzüglich bis
spätestens 9:00 Uhr dem Projektträger mitzuteilen und innerhalb von drei Tagen eine
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen.
Nach Ende der Projektteilnahme meldete sich die Klägerin, die dem kaufmännischen Bereich zugeordnet
war, am 26.6.2007 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Mit Bescheid vom 12.7.2007 lehnte
die Beklagte die Bewilligung ab, da das Praktikum nicht versicherungspflichtig gewesen und daher die
Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg nicht erfüllt sei. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch
ein und führte aus, sie habe ein ganzes Jahr sozialversicherungspflichtig gearbeitet. Sie bitte um
schnellstmögliche Klärung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7.8.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. In
der Begründung heißt es, eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne des § 25 Abs. 1
Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) liege nicht vor. Es handele sich weder um eine Beschäftigung
gegen Arbeitsentgelt, noch um eine Berufsausbildung. Die Klägerin habe ihr Entgelt nicht als
Gegenleistung für eine erbrachte Arbeitsleistung erhalten. Auch handele es sich nicht um eine
Berufsausbildung, da die Klägerin lediglich auf eine solche habe vorbereitet werden sollen. Diese
Vorbereitung stehe einer beruflichen Ausbildung nicht gleich. Es handele sich auch nicht um eine
Ausbildung im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz.
Daraufhin hat die Klägerin am 4.9.2007 Klage erhoben.
Zu deren Begründung macht sie geltend, sie habe in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung
gestanden. Ziel sei eine schnellere Integration in den Arbeitsmarkt durch eine Verbesserung ihrer
einzelnen berufsspezifischen Fähigkeiten und die Erzielung praktischer Berufserfahrung. Aufgrund der
Tatsache, dass das Projekt auf Initiative der GfA entstanden sei und von dieser mitfinanziert werde, hätten
sich die Träger entschieden, den Vertrag mit den Beschäftigten "Praktikumsvertrag" zu nennen, um
parallel dazu ein weiteres Zurverfügungstehen für Vermittlungen der Beschäftigten durch die GfA oder die
Beklagte in längerfristige Arbeitsverhältnisse zu ermöglichen. Dennoch habe es sich nicht um ein
entgeltfreies Praktikum, sondern um ein Beschäftigungsverhältnis gehandelt. Als Entgelt habe sie 660 €
netto monatlich erhalten, Sozialversicherungsbeiträge seien regelmäßig abgeführt worden. Sie habe
unselbstständige Arbeit verrichtet und sei an Weisungen des Projektträgers gebunden gewesen. Auch
geringfügige Verstöße hätten nach den vertraglichen Regelungen zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen
geführt. Außerdem sei sie in den Betrieb des Projektträgers eingegliedert gewesen. Es habe eine strenge
Anwesenheitspflicht geherrscht. Die Krankenkasse habe bestätigt, dass es sich um ein
sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis handele.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 12.7.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.8.2007 aufzuheben und die
Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften ab 26.6.2007
zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, es handele sich bei der durch die GfA konzipierten Maßnahme weder um eine
abhängige Beschäftigung noch um eine Beschäftigung zur Berufsausbildung. Auch wenn - zu Unrecht -
Beiträge entrichtet worden seien, führe dies nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Prozessakte sowie der
Verwaltungsakte der Beklagten. Beide waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Zu Recht hat die Beklagte die Gewährung von Alg abgelehnt. Die angefochtenen Bescheide sind
rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Wegen der gesetzlichen Voraussetzungen, die zur Begründung eines Anspruchs auf Alg vorliegen
müssen, verweist die Kammer auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom
7.8.2007 (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die Tätigkeit der Klägerin im Projekt IsA war nicht versicherungspflichtig i. S. des § 25 oder anderen
Vorschriften des SGB III.
Es handelte sich nicht um eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt.
Nach § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit,
insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Damit knüpft die Sozialversicherung den Beschäftigungsbegriff
an das Arbeitsverhältnis als den typischen Regelfall. Beide Begriffe sind weitgehend, aber nicht
vollständig identisch. Ob ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, ist
ausschließlich nach sozialversicherungsrechtlichen Regeln zu beurteilen. Die Merkmale des
Beschäftigungsverhältnisses stehen gleichwohl in engem Zusammenhang mit dem für das Arbeitsrecht
entwickelten Arbeitnehmerbegriff, denn typischerweise stehen Arbeitnehmer in einem
Beschäftigungsverhältnis. Zu den wesentlichen Merkmalen, dem Kernbestand des
Beschäftigungsverhältnisses, wird die freiwillige Arbeit aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages und die
damit verbundene persönliche Abhängigkeit von einem Arbeitgeber in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der
Arbeitsausführung, sowie die Weisungsgebundenheit und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation
des Weisungsgebers gezählt. Arbeit ist jede Betätigung, die der Befriedigung eines Bedürfnisses dient
und im Wirtschaftsleben als Arbeit qualifiziert wird. Die Arbeit muss für einen anderen, den Arbeitgeber,
geleistet werden, also fremdnützig sein. Typisch für ein Beschäftigungsverhältnis ist das
Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung in dem Sinne, dass die Gegenleistung in Form von
Arbeitsentgelt gezahlt wird für die Arbeitskraft, die fremdnützig, d. h. zum Nutzen des Betriebszwecks und
im wirtschaftlichen Interesse des Unternehmens beziehungsweise des Arbeitgebers eingesetzt wird. In
diesem Sinne muss der versicherungspflichtig Beschäftigte seine Arbeitskraft dem Betrieb zur Verfügung
stellen. Hierfür erhält er sein Arbeitsentgelt als Gegenleistung (vergleiche zum ganzen
Mutschler/Bartz/Schmidt-de Caluwe, Großkommentar zum SGB III, § 25 Randziffer 3 ff, m. w. N.).
Diese Voraussetzungen für die Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses
gegen Entgelt sind vorliegend zur Überzeugung der Kammer nicht gegeben. Ein wirtschaftliches
Austauschverhältnis von Arbeitskraft gegen Arbeitsentgelt ist vorliegend ebenso wenig gegeben wie ein
fremdnütziger Einsatz der Arbeitskraft für ein Unternehmen oder einen Betrieb. Nach der
Inhaltsbeschreibung des Projekts, die nach Mitteilung der Klägerin auch den praktizierten tatsächlichen
Verhältnissen entsprach, handelte es sich um ein Projekt, das im ganz überwiegenden Eigeninteresse der
Teilnehmer organisiert und durchgeführt wurde. Der übergeordnete Zweck bestand darin, jugendliche
Arbeitslose so zu qualifizieren, dass sie bessere Aussichten auf eine Vermittlung in Ausbildung oder
Beschäftigung hatten. Ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Eigeninteresse der Projektträger als
Vertragspartner und Erbringer der Gegenleistung an dem Einsatz der Arbeitskraft der
Praktikumsteilnehmer ist nicht erkennbar. Ein wirtschaftliches Eigeninteresse der Projektträger ist lediglich
darin zu sehen, dass die Maßnahmekosten von der Gesellschaft für Arbeitsmarktintegration für jeden
Teilnehmer erstattet wurden. Das wirtschaftliche Eigeninteresse der Gesellschaft für
Arbeitsmarktintegration bestand darin, die Teilnehmer durch Qualifizierung möglichst in den ersten
Arbeitsmarkt einzugliedern und somit die Erbringung von weiteren Sozialleistungen einzusparen. Bei
diesen wirtschaftlichen Eigeninteressen handelt es sich jedoch lediglich um eine mittelbare Folge der
Teilnahme der Jugendlichen oder jungen Erwachsenen an dem Projekt. Die Zuweisung öffentlicher Mittel
in Form von Maßnahmekosten an einen Maßnahmeträger ist ebenso wenig als Bestandteil des genannten
Austauschverhältnisses zwischen Arbeit und Arbeitsentgelt zu sehen wie das angestrebte Einsparen
öffentlicher Mittel durch verstärkte Qualifikationsbemühungen des Sozialleistungsträgers. Es besteht
keinerlei unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang dieser wirtschaftlichen Interessen zu den von den
Teilnehmern während des Projekts erbrachten Qualifikationsbemühungen als „Arbeitsleistung". Diese
bestanden allein in der eigenen Fortbildung und Qualifizierung in der Form von Profiling,
Bewerbungstraining, Verbesserung der Ausbildungs- und Arbeitsfähigkeit sowie allgemeiner
berufspraktischer Qualifizierung. Einen unmittelbaren, mit einem Arbeitsentgelt zu vergütenden
wirtschaftlichen Wert stellen diese Tätigkeiten jedoch nicht dar. Bei dem Projekt handelte es sich letztlich
und nichts Anderes als eine Maßnahme zur Eignungsfeststellung beziehungsweise um eine
Trainingsmaßnahme entsprechend §§ 48 ff. SGB III. Dass eine solche Maßnahme in eine besondere
vertragliche Konstruktion eingebettet wurde, führt nicht zur Annahme einer Versicherungspflicht der
Maßnahmeteilnehmer.
Die Auffassung der Kammer wird bestätigt durch verschiedene Passagen des Praktikumsvertrages. So
heißt es dort, der Vertrag sei kein Arbeitsvertrag, sondern ein Praktikumsvertrag. Eine dauerhafte, für die
Vertragsdauer geltende Einbindung in den Betrieb, lag nicht vor. Der Praktikant musste sich nämlich
während der Praktikumsdauer weiterhin dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen und hatte während
dessen Vermittlungsvorschläge zu befolgen. Im Falle des Zustandekommens eines Arbeits- oder
Ausbildungsverhältnisses endete der Praktikumsvertrag mit dessen Beginn, ohne dass es einer
Kündigung bedurfte. Nach dem weiteren Inhalt des Praktikumsvertrages konnte das Praktikum mit
Abmeldung des Praktikanten seitens der Gesellschaft für Arbeitsmarktintegration enden, ohne dass es
einer Kündigung bedurfte. Zudem hatte sich der Maßnahmeträger vorbehalten, den Praktikumsvertrag
(und damit die vertragliche Bindung an die Teilnehmer) zu lösen, falls die Finanzierung durch die GfA
vorzeitig enden würde. All dies zeigt, dass eine echte, für die Vertragsdauer geltende Einbindung in einen
Betrieb nicht gegeben war und das gezahlte Entgelt nicht als Gegenleistung für erbrachte Arbeit im
wirtschaftlichen Interesse des Vertragspartners erfolgte. Dieser konnte nämlich offensichtlich von einem
Moment auf den andern auf die "Arbeitskraft" einer unbestimmten Vielzahl von "Mitarbeitern" verzichten,
ohne dass hierdurch für den "Betrieb" wirtschaftliche Nachteile in Folge des Wegfalls von deren
„Arbeitsleistung“ entstanden. Dies macht deutlich, dass die Teilnehmer letztlich keine Arbeitsleistung von
wirtschaftlichem Wert als Gegenleistung für Arbeitsentgelt erbrachten.
Gegen eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt spricht auch der Umstand, dass die Vergütung, wie der
Praktikumsvertrag zeigt, nicht von beiden Vertragsparteien unter Berücksichtigung des Werts der
Arbeitsleistung ausgehandelt und vereinbart wurde, sondern dass die Vergütung dem Teilnehmer
einseitig auferlegt wurde und sich diese nach einem fiktiven individuellen Anspruch auf Alg II richtete. Es
war vereinbart, dass die Praktikumsvergütung einseitig angepasst werden konnte, sofern sich die
Berechnungsgrundlagen des fiktiven Alg-II-Anspruchs änderten, gleich aus welchen Gründen. Dies
bedeutet, dass sich das "Arbeitsentgelt" beispielsweise auch im Falle des Eintritts einer Sanktion nach §
31 SGB II vermindern konnte. Mit der Entgeltzahlung wurde nicht eine Arbeitsleistung entsprechend ihrem
wirtschaftlichen Wert vergütet, sondern nur das (seiner Höhe nach fiktiv festgesetzte) Alg II für die Dauer
der Teilnahme an der Maßnahme von der GfA weitergezahlt.
Soweit andere Kriterien vordergründig für die Annahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung
sprechen, führt dies zu keiner anderen Gesamtbeurteilung. Dies gilt insbesondere für die festgesetzten
„Arbeitszeiten" und die Pflichten im Falle der Verhinderung an der Teilnahme. Beide Regelungen hierzu
sind auch für eine Maßnahmeteilnahme nach § 48 SGB III nicht unüblich. Soweit die Teilnehmer
verpflichtet waren, Weisungen der Projektträger zu befolgen, war dies nicht Folge einer abhängigen
Beschäftigung, sondern Ausdruck der Pflichten, die sich üblicherweise aus der Teilnahme an einer
solchen Maßnahme ergeben.
Der Umstand, dass Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden und die zuständige Krankenkasse
Versicherungspflicht bejaht hat, rechtfertigt dies kein anderes Ergebnis, da eine Bindung an diese
Entscheidung weder für die Beklagte noch für das Gericht besteht.
Schließlich liegt auch keine Versicherungspflicht in Form einer Berufsausbildung gemäß § 25 Absatz 1
Satz 2 SGB III vor. Nach § 7 Abs. 2 SGB IV gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten und
Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Ausbildung als Beschäftigung. Eine Berufsausbildung im engeren
Sinne ist vorliegend nicht anzunehmen, weil es sich nicht um eine breit angelegte berufliche
Grundausbildung und Vermittlung der für einen bestimmten Ausbildungsberufs notwendigen fachlichen
Fähigkeiten und Kenntnisse in einem geordneten Ausbildungsgang mit Abschlussprüfung im Sinne des §
1 Abs. 2, 3 Berufsbildungsgesetz handelt.
Ergänzend hierzu kann versicherungspflichtig aber auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten
oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsausbildung, die nicht auf eine volle Berufsausbildung
gerichtet ist, aber auf einem Vertragsverhältnis i. S. des § 26 Berufsbildungsgesetz beruht, sein. Dieser
lautet: Soweit nicht ein Arbeitsverhältnis vereinbart ist, gelten für Personen, die eingestellt werden, um
berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen zu erwerben, ohne dass es
sich um eine Berufsausbildung im Sinne dieses Gesetzes handelt, die §§ 10 bis 23 und 25 mit der
Maßgabe, dass die gesetzliche Probezeit abgekürzt, auf die Vertragsniederschrift verzichtet und bei
vorzeitiger Lösung des Vertragsverhältnisses nach Ablauf der Probezeit abweichend von § 23 Abs. 1 Satz
1 Schadensersatz nicht verlangt werden kann. Auf dieser Grundlage können auch Praktikanten oder
Anlernlinge zur Berufsausbildung beschäftigt sein.
Der vorliegende Praktikumsvertrag erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 26 Berufsbildungsgesetz.
Praktikanten sind als Auszubildende nur versicherungspflichtig, wenn sie eine umfassende
Fachausbildung erhalten, die sie befähigt, den fraglichen Beruf selbst auszuüben, wenn ihre
Beschäftigung also nicht nur, wie dies in der Regel (und so auch hier) bei Praktikanten zutrifft, dazu dient,
sie mit den im Beruf verwendeten Materialien, Werkzeugen und Maschinen vertraut zu machen (vgl.
Bundessozialgericht, SozR 2200 § 165 Nr. 53). Eine umfassende Fachausbildung ist im vorliegenden Fall
nicht erkennbar. Die Maßnahme ist, neben berufsspezifischen Elementen, maßgeblich geprägt durch
persönlichkeitsbezogene, sozialpädagogische und allgemein bildende Elemente sowie Bewerbertraining
mit dem Ziel, die Befähigung und Qualifikation zur Begründung eines Ausbildungs- oder
Arbeitsverhältnisses überhaupt erst zu schaffen. Zwar hat die Klägerin dargelegt, während der Zeit ihrer
Teilnahme auch ein 14-tägiges betriebliches Praktikum zurückgelegt zu haben. Wie sie weiter ausgeführt
hat, wurde dieses Praktikum jedoch nicht durch einen Vertrag zwischen ihr selbst und dem
Praktikumsbetrieb begründet. Vielmehr wurde sie vom Maßnahmeträger diesem Praktikumsbetrieb
zugewiesen. Ein Vertragsabschluss mit diesem erfolgte nicht. Die Voraussetzungen des § 26
Berufsbildungsgesetz liegen somit auch hinsichtlich dieses Teils der Maßnahme nicht vor. Dieses
Praktikumsverhältnis wurde lediglich in Abhängigkeit vom Maßnahmeverhältnis begründet und von
diesem überlagert.
Infolgedessen liegt für die Zeit vom 23.12.2006 bis 22.6.2007 Versicherungspflicht nicht vor. Dieser
Zeitraum trägt somit nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg bei. Mangels
anderweitiger ausreichender Zeiten ist somit die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg nicht erfüllt.
Dieses Ergebnis ist zur Überzeugung der Kammer auch sachgerecht. Es entspricht der Systematik der
Vorschriften zur Versicherungspflicht des SGB III. Danach ist es grundsätzlich nicht möglich, während des
Bezuges oder sogar durch den Bezug von Alg gleichzeitig eine neue Anwartschaftszeit auf Alg zu
begründen (vgl. hierzu insbesondere § 27 Abs. 5 SGB III). Genau dies wäre vorliegend aber der Fall, da
die Klägerin während ihrer Teilnahme an dem Projekt wirtschaftlich gesehen Alg II als Sozialhilfeleistung
bezogen hat und hierdurch einen Anspruch auf Alg I begründen würde. Die Möglichkeit der Begründung
eines Anspruchs auf Alg durch Sozialhilfebezug ist gesetzlich nicht vorgesehen und seitens des
Gesetzgebers somit nicht gewollt. Dementsprechend kann der Anspruch auch nicht durch eine hierauf
gerichtete vertragliche Konstruktion herbeigeführt werden.
Die Klage ist daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.