Urteil des SozG Speyer vom 15.08.2008

SozG Speyer: schulgeld, schüler, besuch, schule, klagebegehren, quelle, zuwendung, ergänzung, widerspruchsverfahren, leistungsbezug

Sozialrecht
SG
Speyer
15.08.2008
S 14 AS 179/08
1. Der Bescheid vom 13.09.2007 in Gestalt des Änderungs-
bescheides vom 02.10.2007 in Gestalt des Widerspruchs-
bescheides vom 15.01.2008 wird geändert. Die Beklagte
wird verurteilt, für die Zeit vom 01.10. bis 31.12.2007 der
Klägerin Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 325,28 €
monatlich zu gewähren.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
2. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen
Kosten des Verfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe von Leistungen nach dem SGB II. Streitig ist insbesondere, ob das
von einem Dritten gezahlte Schulgeld als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin lebt mit ihren mittlerweile erwachsenen Söhnen P. und M. zusammen. Seit 01.01.2005 steht
sie im Leistungsbezug nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 31.05.2007 wurden der Bedarfsgemeinschaft
zuletzt für die Zeit ab 01.07. bis 31.12.2007 Leistungen in Höhe von 329,07 € bewilligt.
Seit August bzw. September 2007 besuchen beide Söhne der Klägerin zwei Privatschulen. Das Schulgeld
wird vom Exehemann der Klägerin und Vater der gemeinsamen Söhne gezahlt und direkt an die
Privatschulen überwiesen.
Mit Bescheid vom 13.09.2007 hob die Beklagte ihren Bewilligungsbescheid vom 31.05.2007 ab
01.10.2007 auf, da aufgrund von Unterhalts- und Schulgeldzahlungen für die Söhne der Klägerin die
Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft entfallen sei.
Mit Änderungsbescheid vom 02.10.2007 wurden der Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 01.08. bis
31.12.2007 Leistungen in Höhe von 3,79 € monatlich gewährt. Zur Begründung führte die Beklagte aus,
der Bedarf der Söhne sei durch Schulgeld-, Unterhalts- und Kindergeldzahlungen gedeckt.
Im Widerspruchsverfahren trug die Klägerin vor, ihr geschiedener Ehemann zahle an sie und ihre Söhne
Unterhalt, welcher gerichtlich festgesetzt worden sei. Bei beiden Kindern handele es sich um
Problemkinder, weshalb das Aufsuchen von Privatschulen erforderlich gewesen sei. Die Kosten hierfür
zahle der Vater direkt an die Schulen. Sie seien daher zweckgebunden und freiwillig und stünden für den
Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft nicht zur Verfügung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.2008 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Die
Beklagte hielt an ihrer Rechtsauffassung fest, wonach das gezahlte Schulgeld als Einkommen der Söhne
zu berücksichtigen sei.
Mit ihrer am 18.02.2008 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie hat insbesondere
Nachweise darüber vorgelegt, dass das zu zahlende Schulgeld für beide Söhne direkt vom Konto des
geschiedenen Ehemannes und Vaters an die Schulen fließt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 13.09.2007 in der
Fassung des Änderungsbescheides vom 02.10.2007
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
15.01.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verur-
teilen, an die Klägerin ab 01.10.2007 Leistungen der
Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetz-
buch (SGB II) in Höhe von monatlich 329,07 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen für zutreffend.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der
Beklagten, der Gegenstand der Entscheidungsfindung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Beklagte hat in den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen rechtswidrig das gezahlte Schulgeld
als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt und damit die Klägerin in ihren Rechten verletzt.
Insoweit liegen die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht vor. Danach sind Einnahmen in
Geld oder Geldeswert mit Ausnahme bestimmter Leistungen als Einkommen zu berücksichtigen. Gemäß §
11 Abs. 3 SGB II sind Einnahmen, soweit sie zweckbestimmt sind, nicht als Einkommen zu
berücksichtigen. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt.
Bereits nach der herrschenden Rechtsprechung der Instanzgerichte ist Schüler- BAföG bei der
Berechnung der Höhe der Leistungen nach dem SGB II nur insoweit als Einkommen anzurechnen, als es
die schulbezogenen Aufwendungen überschreitet. Zu den schulbezogenen Aufwendungen zählt auch
das Schulgeld (vgl. Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 13.06.2008 - L 5 ER 124/08
AS; Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 21.12.2007 - L 3 AS 73/06; Urteil des Sächsischen
Landessozialgerichts vom 25.10.2007 - L 2 AS 43/07; anderer Ansicht lediglich Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.08.2007 - Az: L 5 B 949/07 AS ER). Wenn also schon vom
Schüler-BAföG zu zahlendes Schuldgeld nicht als Einkommen angerechnet werden darf, muss dies erst
recht im vorliegenden Fall geltend, wo die finanzielle Unterstützung durch einen Dritten der
Bedarfsgemeinschaft überhaupt nicht zufließt und die freiwillig gezahlten Aufwendungen ganz
offensichtlich zweckgebunden und mit dem Besuch der Schule verknüpft sind. Die Beklagte hat in diesem
Zusammenhang nicht darlegen können, wie die Klägerin bzw. ihre Söhne das gezahlte Schulgeld für
ihren Lebensunterhalt verwenden könnten. Dies ist weder theoretisch noch praktisch vorstellbar.
Die Beklagte übersieht in diesem Zusammenhang auch die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 2
Arbeitslosengeld II /Sozialgeldverordnung - Alg II - V. Darin ist geregelt, dass außer den in § 11 Abs. 3 des
2. Sozialgesetzbuchs genannten Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, Zuwendungen
Dritter, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch dienen, soweit
sie die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen der
Grundsicherung für Arbeitsuche nicht gerechtfertigt wären. Da die Bedarfsgemeinschaft über die
Zuwendung des geschiedenen Ehemannes und Vaters weder verfügen kann noch darauf Zugriff hat, sind
daneben weitere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gerechtfertigt.
Ein solcher Anspruch besteht aber nur in Höhe von 325,28 € im streitigen Zeitraum von Oktober bis
Dezember 2007. Der zustehende Anspruch in Höhe von 329,07 € monatlich wurde durch den
Änderungsbescheid vom 02.10.2007 in Höhe von 3,79 € monatlich befriedigt, so dass die Differenz den
im Urteilstenor ausgesprochenen Betrag ergibt. Die insoweit weitergehende Klage war daher in Höhe von
3,79 € monatlich abzuweisen.
Nach alledem war der Klage im weit überwiegenden Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Umstand, dass
das Klagebegehren fast umfänglich erfolgreich war.