Urteil des SozG Reutlingen vom 14.06.2016

befreiung, satzung, erstellung, versicherungspflicht

SG Reutlingen Entscheidung vom 14.6.2016, S 8 R 985/14
Rentenversicherung - zur Befreiung einer als Immobilienbewerterin beschäftigten Architektin
von der Versicherungspflicht - berufsspezifische Architektentätigkeit
Leitsätze
1. Die Beurteilung, ob eine Tätigkeit dem Berufsbild des Architekten entspricht, richtet sich vorrangig nach
berufsrechtlichen Maßgaben.
2. Die Möglichkeit, dass eine bestimmte Tätigkeit auch von Angehörigen anderer Berufsgruppen ausgeübt
werden kann, steht ihrer Einstufung als berufsspezifische Architektentätigkeit nicht zwingend entgegen.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 22.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2014
wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin ab dem 01.06.2013 hinsichtlich ihrer Tätigkeit für die Beigeladene
zu 2. als Immobilienbewerterin von der Rentenversicherungspflicht zu befreien.
3. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Beigeladenen.
Tatbestand
1 Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
2 Die Klägerin ist ausgebildete Architektin und bei der Beigeladenen zu 2. als Immobilienbewerterin angestellt.
3 Ausweislich ihres Befreiungsantrages vom 30.04.2013 zum 01.06.2013 sei sie bei der Beigeladenen zu 2.
berufsspezifisch als Architektin beschäftigt und seit dem 01.03.2003 gesetzliches Pflichtmitglied in der
Architektenkammer Baden-Württemberg und Pflichtmitglied bei der Beigeladenen zu 1. als
berufsständischem Versorgungswerk.
4 Ausweislich einer hierzu vorgelegten Erklärung der Beigeladenen zu 1. sei die Klägerin ab dem 01.05.2003
kraft Gesetzes Mitglied des Versorgungswerkes.
5 Hierzu legte die Klägerin im Weiteren eine Kopie ihres Arbeitsvertrages, eine Kopie der diesbezüglichen
Stellenausschreibung, eine Stellen- und Funktionsbeschreibung der Beigeladenen zu 2. und eine Bestätigung
über die fortdauernde Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2. vor. Insoweit wird auf die beigezogene
Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
6 Mit Bescheid vom 22.10.2013 lehnte die Beklagte die Befreiung von der Versicherungspflicht ab, weil es sich
bei der Beschäftigung als Immobiliengutachterin um keine berufsspezifische Tätigkeit als Architektin handele.
Eine Befreiung könne nur für die Beschäftigung erfolgen, wegen der der Versicherte aufgrund Gesetzes
Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung seiner Berufsgruppe und
Mitglied einer berufsständischen Kammer sei. Es müsse also ein innerer Zusammenhang zwischen der
Tätigkeit, für die die Befreiung begehrt werde, und dem Versicherungsschutz durch die berufsständische
Versorgungseinrichtung bestehen. Ein solcher innerer Zusammenhang werde durch das Merkmal
„berufsspezifisch“ gewährleistet. Architekten entwürfen Bauwerke und städtebauliche Anlagen vorwiegend
im Bereich Hochbau, sie planten und überwachten die Ausführung des Baus. Bei der von der Klägerin
ausgeübten Beschäftigung handle es sich um keine berufsspezifische Tätigkeit, weil für diese Tätigkeit die
Zulassung als Architektin keine unabdingbare Zugangsvoraussetzung sei. Die für eine Immobiliengutachterin
erforderlichen fachlichen Kenntnisse könnten durch diverse Ausbildungen und Berufserfahrung erworben
werden. Wenn der Arbeitgeber sich dafür entscheide, die Stelle mit einer Architektin zu besetzen, so sei dies
eine rein betriebswirtschaftliche Entscheidung.
7 Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin mit am 03.11.2013 bei der Beklagten eingegangenem
Schreiben Widerspruch. Zur Begründung legte sie ein Schreiben der Architektenkammer Baden-
Württemberg vor, nach welchem sie als Architektin in die Architektenliste eingetragen sei. Daher gelte für
sie das Architektengesetz. Zu diesen Berufsaufgaben gehöre u.a. die Erstattung von Fachgutachten. Die
Erstellung von Gutachten beziehe sich auf typischerweise von Architekten erbrachte Bereiche, wie
Gutachten für Schäden an Gebäuden, Wertermittlungen und zur Beurteilung von Architektenhonoraren.
Die Klägerin habe Wertermittlungsgutachten zu erstellen. Dieser Bereich gehöre zu den Kernaufgaben der
Architektentätigkeit. Unerheblich sei, dass bei der Ausschreibung neben dem Abschluss als Architekt auch
ein Abschluss als Dipl. Ingenieur oder Bautechniker eine Voraussetzung darstellen konnte. Dies sei so zu
verstehen, dass der Arbeitgeber für den Fall, dass sich keine Architekten auf die Stelle bewerben, hier auch
andere Angehörige anderer Berufe einstellen könne. Dies sei aber mit einer Veränderung des Leistungsbildes
verbunden.
8 Mit Bescheid vom 21.02.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die maßgebliche Tätigkeit als
Immobiliengutachterin sei nicht als berufsspezifisch anzusehen. Als Nachweis, dass für die Tätigkeit, für die
die Befreiung begehrt werde, ein erfolgreich absolviertes Studium der Architektur zwingend erforderlich sei,
könne auch die entsprechende Stellenausschreibung oder die interne Stellenbeschreibung dienen. Daraus
müsse deutlich werden, dass es sich um eine Tätigkeit handle, die allein durch die Berufsgruppen ausgeübt
werden könnten. Da die Position als Immobiliengutachterin auch von Personen mit anderen Ausbildungen
zugänglich gewesen sei, sei eine berufsspezifische Tätigkeit als Architektin nicht gegeben.
9 Ausweislich des in der Beklagtenakte enthaltenen Versandkuverts wurde der Widerspruchsbescheid am
21.02.2014 als Einschreiben abgeschickt. Am 17.03.2014 gelangte er zurück an die Beklagte. Ausweislich
eines Vermerks des Versandunternehmens sei das Schreiben nicht abgeholt worden. Eine erneute
Versendung erfolgte am 20.03.2014.
10 Mit am 22.04.2014 zugegangenem Schreiben hat die Klägerin hierauf Klage beim hiesigen Gericht erhoben.
Über ihr Vorbringen aus dem Widerspruch hinaus trägt sie vor, ihre Kernaufgaben bestünden in der
bautechnischen Beurteilung von Gebäuden und Sachverhalten, die Prüfung von Kostenberechnungen,
insbesondere bei komplexen Gebäuden und Umbauten, die Erstellung von Planunterlagen für Objekte, bei
denen keine Planunterlagen vorhanden seien und die Koordination der hausinternen Bauvorhaben. Ihr
täglicher Ablauf bestehe im Wesentlichen aus der Beurteilung und Prüfung der geplanten Bauvorhaben
hinsichtlich der Kosten und der Machbarkeit im Hinblick auf die baurechtlichen und bautechnischen
Anforderungen. Hierbei erstelle sie insbesondere Rentabilitätsberechnungen, Kosten- und
Plausibilitätsprüfungen, Prüfung von Beleihbarkeit baulicher Objekte und die Überprüfung von Sicherheiten
in Form von Immobilie. Es sei geplant, dass sie die Leitung der Koordination der Planungsphase und
Baubegleitung für den Bau eines Bankgebäudes in naher Zukunft übernehme.
11 Die Klägerin beantragt,
12 1. den Bescheid der Beklagten vom 22.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2014
aufzuheben,
13 2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab Vorliegen der Voraussetzungen Befreiung von der
gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nach § 6 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) zu gewähren.
14 Die Beklagte beantragt,
15 die Klage abzuweisen.
16 Über ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden hinaus trägt die Beklagte vor, die Klägerin sei
weder in einem typischen Berufsfeld für Architekten noch berufsspezifisch als Architektin tätig. Es sei weder
die Ausbildung zum Architekten erforderlich, noch bildeten die berufsspezifischen Tätigkeiten den deutlichen
Schwerpunkt.
17 Die Beigeladene zu 1. stellt keinen Antrag. Sie trägt vor, die Erstattung von Fachgutachten gehöre zu den
im baden-württembergischen Architektengesetz geregelten Berufsaufgaben. Diese Fachgutachten müssten
sich selbstverständlich auf die üblichen Architektentätigkeiten beziehen. Hierzu gehöre das Erstellen von
Gutachten im Bereich der Wertermittlung von bebauten und unbebauten Grundstücken, neuerdings als
Immobilienbewertung bezeichnet. Dass dies eine wichtige Aufgabe sei, die von Architekten wahrgenommen
werde, ergebe sich aus dem umfangreichen Seminarkatalog der Architektenkammer. Es werde eine eigene
Fachliste „Immobilienbewertung“ für Mitglieder mit besonderen Qualifikationen in diesem Bereich geführt.
Eine spezielle Art der Berufstätigkeit als Architekt stelle die Tätigkeit als Bausachverständiger dar. Ähnliche
Aufgaben nähmen Immobilienabteilungen von Sparkassen und Banken wahr. Es bestehe deshalb kein
Zweifel, dass die Tätigkeit als Immobilienbewerterin bei einer Sparkasse zu den typischen Berufsaufgaben
von Architekten zähle.
18 Die Beigeladene zu 2. stellt ebenfalls keinen Antrag. Sie trägt vor, die Klägerin sei im Schwerpunkt mit der
Erstellung von Gutachten im Zuge des Kreditvergabeprozesses bei gewerblichen Immobilien sowie die
Beleihungswertermittlung für diese beschäftigt. Dies beinhalte Objektbesichtigungen,
Baufortschrittskontrollen, Baukostenanalysen, Plausibilisierung und Festsetzung von Bewertungen weiterer
Gutachter und Sachverständiger. Darüber hinaus führe sie Marktwertrecherchen, Analysen und
Plausibilisierungen von Bauplänen und Wohnflächenberechnungen sowie Prüfungen hinsichtlich der
baurechtlichen Zulässigkeit von baulichen Vorhaben durch. Darüber hinaus sei potenziell vorgesehen, bei
größeren Bauprojekten die Klägerin unterstützend bei der Planung und Durchführung der Baumaßnahmen
einzubinden. Dies werde gegenwärtig jedoch nicht ausgeübt. Die im Profil der Stellenanzeige genannten
Qualifikationen als Dipl.-Ingenieur oder Bautechniker seien zum Zeitpunkt der Ausschreibung als generell
geeignet angesehen worden. Allerdings habe sich im Zuge der Bewerbungsgespräche gezeigt, dass
letztendlich nur Bewerber mit dem Abschluss als Architekt diese Anforderungen vollumfänglich erfüllt
hätten.
19 Das Gericht hat die Beteiligten zur Möglichkeit der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch
Gerichtsbescheid angehört. Einwendungen wurden nicht erhoben.
20 Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird
auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, welche
Gegenstand des Erörterungstermins vom 14.07.2015 war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
21 Die Klage, über welche das Gericht nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch
Gerichtsbescheid gem. § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden konnte, da der Sachverhalt
geklärt ist und die Sache keine Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist, ist zulässig, aber
unbegründet.
22 Die Klage ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht beim sachlich und örtlich zuständigen
Gericht erhoben. Hinsichtlich der Einhaltung der Klagefrist nach § 87 Abs. 1 S. 1 SGG ist anzumerken, dass
nach der ersten Versendung, welche zu einem Rücklauf der Postsendung führte, kein fristauslösender
Zugang belegt ist. Daher konnte auf diesen Zeitpunkt nicht abgestellt werden.
23 Die Klage ist auch begründet. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt
die Klägerin in ihren Rechten.
24 Die Klägerin hat einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen
Rentenversicherung gegen die Beklagte hinsichtlich ihrer Tätigkeit als bei der Beigeladenen zu 2. angestellte
Immobilienbewerterin.
25 Grundsätzlich sind gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte in der gesetzlichen Rentenversicherung
versicherungspflichtig, vgl. § 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI). Von der Versicherungspflicht werden
jedoch Beschäftigte für die Beschäftigung befreit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten
oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung
oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich
kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn am jeweiligen Ort der
Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine
gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, für sie nach
näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der
Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und aufgrund
dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für
Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen
Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist, vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI.
26 Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
27 Die Klägerin ist in die Architektenliste eingetragen (§§ 3 f. Architektengesetz Baden-Württemberg - ArchG)
und Pflichtmitglied sowohl in der für sie maßgeblichen berufsständischen Kammer, der Architektenkammer
Baden-Württemberg, und der Beigeladenen zu 1. als dem entsprechenden Versorgungswerk (§ 13 Abs.1
ArchG i.V.m. § 11 Abs. 1 der Satzung der Beigeladenen zu 1.). In der Architektenkammer bestand weiter die
in § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI geforderte Verpflichtung zur Mitgliedschaft (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 a) SGB VI i.V.m. § 11
Abs. 1 ArchG), sie hat einkommensbezogene Beiträge an die Beigeladene zu 1. zu entrichten (§ 6 Abs. 1 Nr.
1 b) SGB VI i.V.m. § 17 der Satzung der Beigeladenen zu1.), welche im Gegenzug Leistungen für den Fall
des Alters oder der verminderten Erwerbsfähigkeit gewährt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1c) SGB VI i.V.m. §§ 24 ff. der
Satzung der Beigeladenen).
28 Weiter ist die Klägerin auch gerade wegen der hier zu beurteilenden Beschäftigung als
Immobilienbewerterin Pflichtmitglied bei der Beigeladenen zu 1. und der Architektenkammer Baden-
Württemberg. Der erforderliche tätigkeitsbezogene, innere Zusammenhang zwischen der Beschäftigung der
Klägerin und der Mitgliedschaft besteht.
29 Voraussetzung der Pflichtmitgliedschaft in der Architektenkammer Baden-Württemberg ist für Architekten
die Eintragung in die Architektenliste (vgl. § 11 Abs. 1 ArchG und § 3 Abs.1 der Satzung der
Architektenkammer Baden-Württemberg), die Pflichtmitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 1.) folgt, von
hier offenkundig nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen, aus der Mitgliedschaft bei u.a. der
Architektenkammer Baden-Württemberg § 11 Abs.1 der Satzung der Beigeladenen zu 1.).
30 Somit ist nach Ansicht des Gerichts für die Frage des Zusammenhangs maßgeblich darauf abzustellen, ob die
Beschäftigung der Klägerin die fachlichen Voraussetzungen zur Eintragung in die Architektenliste erfüllen
würde (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 2 S.1 ArchG). Unerheblich ist für diese Bewertung, ob die
Eintragungsvoraussetzungen -tätigkeitsbezogene und persönliche- ggf. bereits zuvor erfüllt wurden.
31 Hierzu ist zu fordern, dass die Beschäftigung die Ausübung einer praktischen Tätigkeit im Aufgabenbereich
der Fachrichtung darstellt.
32 Der Aufgabenbereich der Fachrichtung ergibt sich zunächst aus § 1 Abs. 1 u. 4 ArchG. Damit ist
Berufsaufgabe der Architekten die gestaltende, technische, wirtschaftliche, ökologische und soziale Planung
von Bauwerken, die Beratung, Betreuung und Vertretung des Auftraggebers oder Dienstherrn in allen die
Planung, Ausführung und Überwachung eines Vorhabens betreffenden Angelegenheiten unter Beachtung
der die Sicherheit der Nutzer und der Öffentlichkeit betreffenden Gesichtspunkte. Zu den Berufsaufgaben
können auch Sachverständigen-, Forschungs-, Lehr- und Entwicklungstätigkeiten sowie sonstige
Dienstleistungen bei der Vorbereitung und Steuerung von Planungs- und Baumaßnahmen, bei der Nutzung
von Bauwerken sowie die Wahrnehmung der damit verbundenen sicherheits- und gesundheitstechnischen
Belange gehören, ebenso Überwachungstätigkeiten im Hinblick auf die Einhaltung öffentlich-rechtlicher
Vorschriften.
33 Im Hinblick auf diese Maßgaben ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Tätigkeit der Klägerin
als berufsspezifische Architektentätigkeit einzustufen ist. Die konkrete Tätigkeit der Klägerin ist
gekennzeichnet durch die Erstellung von Wertgutachten im Rahmen von Kreditvergabe zur Erstellung und
Beleihung von Immobilien, die Überprüfung der baurechtlichen Zulässigkeit von Bauvorhaben sowie die
Analyse von Bauplänen.
34 Dies stellt eine berufsspezifische Architektentätigkeit in Gestalt einer Sachverständigentätigkeit dar, denn
die Klägerin ist somit mit der Überwachung und Betreuung von Bauvorhaben in technischer, rechtlicher und
wirtschaftlicher Hinsicht sowie der diesbezüglichen Beratung der Beigeladenen zu 2. und deren Kunden
betraut. Einzig die eigentliche Bauwerksplanung ist - derzeit - nicht gegeben, die fachliche Kontrolle
architektonischer Planung sehr wohl. Für die Einstufung als Architektentätigkeit ist aber, wie sich aus den
Maßgaben des § 1 ArchG ergibt, keineswegs die zeitgleiche Erfüllung sämtlicher möglicher Merkmale zu
fordern.
35 Ein weiteres Indiz für die Einstufung der Tätigkeit der Klägerin als berufsspezifisch ist die - wie von der
Klägerin und der Beigeladenen zu 2. übereinstimmend und schlüssig berichtet - perspektivisch vorgesehene
Durchführung eigener Bauvorhaben der Beigeladenen zu 2. unter der planenden Ägide der Klägerin.
36 Der Einstufung einer Architektentätigkeit steht die Möglichkeit der Wahrnehmung der Tätigkeit durch
Mitglieder anderer Berufsgruppen, bspw. Bauingenieure, nicht entgegen. Dies folgt daraus, dass dies
wesensverwandte Berufsgruppen betrifft, deren Tätigkeitsprofil naturgemäß Überschneidungen aufweist.
Bezüglich der Bauingenieure ergibt sich dies etwa aus der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure,
welche in ihren Vergütungsregelungen aufzeigt, dass auch die von der Beklagten für die Annahme der
Berufsspezifität geforderten planerischen Tätigkeiten von beiden Berufsgruppen ausgeführt werden können.
Dies ändert an der Bewertung dieser Tätigkeiten als - jeweils - berufsspezifisch nichts (so auch SG Duisburg,
Urteil vom 18. Januar 2013 – S 37 R 777/11 –, juris).
37 Im Übrigen ist nach den glaubhaften Ausführungen der Beigeladenen zu 2. zu beachten, dass die zu
beurteilende Tätigkeit weiter gefasst ist, als sich aus der ursprünglichen Stellenausschreibung ergibt. Wie die
Beigeladene zu 2. betont, zeigte sich im Rahmen der Bewerbungsgespräche, dass einzig Architekten die
gewünschten Fähigkeiten in ausreichendem Maße mitbringen, weswegen sich im weiteren Auswahlprozess
auf Architekten beschränkt wurde. Dies eröffnete auch die Möglichkeit, zukünftig eigenständige, bauliche
Planungsvorhaben ins Auge zu fassen.
38 Die Befreiung wirkt vom 01.06.2013 an, da an diesem Tag die vorgenannten Voraussetzungen vorlagen, der
Antrag rechtzeitig gestellt wurde und die Klägerin erstmals die Tätigkeit aufnahm, für welche sie die
Befreiung beantragt hatte, vgl. § 6 Abs. 4, 5 SGB VI.
39 Die Kostenentscheidung beruht einheitlich (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10.
Oktober 2014 – L 4 R 2204/13 –, juris) auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG und berücksichtigt den Verfahrensausgang
sowie hinsichtlich der Beigeladenen den Umstand, dass auch sie durch die rechtswidrige Entscheidung der
Beklagten betroffen und in dieses Verfahren hineingezwungen wurden.