Urteil des SozG Reutlingen vom 20.01.2016

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SG Reutlingen Urteil vom 20.1.2016, S 1 KR 2979/12
Krankenversicherung - Auskunftsanspruch des GKV-Spitzenverbands
gegenüber einer Apotheke bei zwischengeschaltetem Lohnhersteller
Leitsätze
1. Der GKV-Spitzenverband ist berechtigt, seinen Auskunftsanspruch nach § 129 Abs
5c Satz 4 SGB 5 gegenüber einer Apotheke im Wege des Erlasses eines
Verwaltungsaktes geltend zu machen.
2. Allerdings besteht kein Anspruch des GKV-Spitzenverbandes gegenüber einer
Apotheke auf Erteilung von Auskünften zu den tatsächlich vereinbarten
Einkaufspreisen eines zwischengeschalteten Lohnherstellers für Fertigarzneimittel in
parenteralen Zubereitungen.
Tenor
1. Der Bescheid vom 10.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
26.09.2012 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
1 Im Streit ist die Verpflichtung der Klägerin, dem Beklagten Auskünfte nach § 129
Abs. 5c Satz 4 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) zu erteilen.
2 Die Klägerin ist Inhaberin der in ... gelegenen ... Apotheke. Jedenfalls im hier
streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.10. bis 31.12.2011 wurden in der
Apotheke der Klägerin aus Fertigarzneimitteln zubereitete parenterale Zytostatika
an Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen abgegeben.
3 Der Beklagte forderte die Klägerin mit Schreiben vom 15.08.2011 auf, für
bestimmte einzeln bezeichnete Wirkstoffe die bezogenen Mengen, die
Bezugsquellen sowie die tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise für den Zeitraum
vom 01.01. bis 30.06.2011 anzugeben.
4 Die Klägerin teilte hierzu mit Schreiben vom 07.11.2011 mit, ihre Apotheke würde
parenterale Zubereitungen mit den genannten Wirkstoffen von dem behördlich
zugelassenen Herstellerbetrieb, der ... GmbH (…-GmbH) produzieren lassen.
Dieser stelle ihr die Gesamtleistung in Rechnung. Bezugspreise des
Herstellerbetriebs für die Wirkstoffe oder andere Pharmazeutika, die bei der
Produktion der Zubereitungen eingesetzt würden, lägen ihr nicht vor.
5 Mit „Anhörungsschreiben“ vom 27.03.2012 teilte der Beklagte der Klägerin
daraufhin mit, der Auskunftsanspruch bestehe auch dann, wenn die Apotheke
parenterale Zubereitungen durch einen Herstellungsbetrieb herstellen lasse. Die
Apotheke müsse die entsprechenden Informationen dort einholen. Sie
beabsichtige nunmehr ihren Auskunftsanspruch mit einem Bescheid, jetzt
allerdings für den Zeitraum vom 01.10. bis 31.12.2011 durchzusetzen.
6 Die Klägerin legte daraufhin die ihr gegenüber erstellten Rechnungen der …-
GmbH für das 4. Quartal 2011 vor, aus denen allerdings nur der jeweilige
Gesamtpreis für verwendetes Fertigarzneimittel und Zubereitung zu ersehen ist.
7 Mit Bescheid vom 10.05.2012 forderte daraufhin der Beklagte die Klägerin auf,
nach § 129 Abs. 5c Satz 4 SGB V für bestimmte, einzeln bezeichnete Wirkstoffe
Auskünfte u.a. über Bezugsmengen und Einkaufspreis der bei der Zubereitung
verwendeten Fertigarzneimittel zu erteilen.
8 Zur Begründung ihres hiergegen am 08.06.2012 eingelegten Widerspruches führte
die Klägerin u.a. aus, sie habe dem Beklagten ihre Bezugsquelle, die verarbeiteten
Mengen und ihre mit der ...-GmbH vereinbarten Einkaufspreise genannt. Soweit
der Beklagte auch die Einkaufspreise der eingesetzten Fertigarzneimittel verlange,
müsse er sich an den pharmazeutischen Unternehmer wenden. Die
Einkaufspreise der ...-GmbH über die von ihr verarbeiteten Arzneimittel würden in
den Rechnungen an sie nicht ausgewiesen, sie seien ihr unbekannt.
9 Mit Widerspruchsbescheid vom 26.09.2012 wies der Beklagte den Widerspruch im
Wesentlichen mit der Begründung zurück, die Klägerin müsse die geforderte
Auskunft bei ihrem Lohnhersteller einholen, falls die Einkaufspreise ihres
Lohnherstellers ihr nicht bekannt seien.
10 Hiergegen hat die Kläger am 26.10.2012 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG)
mit dem Begehren erhoben, die streitgegenständlichen Bescheide aufzuheben.
Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, der Beklagte habe bereits
formell keine Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts mit dem Inhalt des hier
streitigen Auskunftsanspruchs gehabt. § 129 Abs. 5c Satz 4 SGB V beinhalte
keine ausdrückliche Berechtigung des Beklagten zum Erlass eines solchen
Verwaltungsaktes. Der Beklagte stehe auch in keinem Über- und
Unterordnungsverhältnis, sondern in einem Gleichordnungsverhältnis zu ihr,
sodass auch aus diesem Verhältnis keine Verwaltungsaktbefugnis abgeleitet
werden könne. Aufgrund des belastenden Charakters des Auskunftsanspruchs sei
aber eine gesetzliche Grundlage als Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des
Bescheids als Verwaltungsakt erforderlich. Diese ergebe sich auch nicht aufgrund
einer Auslegung des § 129 Abs. 5c Satz 4 SGB V.
11 Selbst für den Fall, dass § 129 Abs. 5c Satz 4 SGB V dem Beklagten eine
Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes in Form des Bescheides gebe, sei
der Inhalt des Bescheids nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 129 Abs. 5c
Satz 4 SGB V umfasst. Adressat des Auskunftsanspruchs sei nach dem
eindeutigen Wortlaut der Ermächtigungsgrundlage ausschließlich der Apotheker,
der über die von ihm selbst vereinbarten Einkaufspreise Auskunft gegenüber den
Krankenkassen geben müsse. Eine Ausweitung der Vorschrift gegen den
ausdrücklichen Wortlaut auf diejenigen Einkaufspreise, die ein von ihr rechtlich und
wirtschaftlich völlig unabhängiger Hersteller mit seinen eigenen Vertragspartnern
im Rahmen seiner eigenen Geschäftstätigkeit vereinbart habe, könne auch nicht
durch Auslegung erreicht werden. Diese Wertung entspreche auch Sinn und
Zweck der Norm, welche die Krankenkassen dazu befähigen solle, auf
„Augenhöhe“ mit dem Deutschen Apothekerverband über die Preise von
parenteralen Zubereitungen zu verhandeln und hierfür durch den
Auskunftsanspruch ausschließlich einen allgemeinen Marktüberblick erhalten
solle. Eine anderweitige Auslegung würde darüber hinaus gegen das
Bestimmtheitsgebot, gegen die Grundsätze der Gesetzesauslegung, gegen die
grundrechtlich gewährten Rechte der Beteiligten auf Vertragsfreiheit sowie gegen
den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen verstoßen.
12 Darüber hinaus sei der Bescheid auf eine unmögliche Handlung durch sie
gerichtet und auch aus diesem Grund aufzuheben. Die begehrte Auskunft wäre ihr
nämlich unmöglich. Der beauftragte Hersteller lege ihr gegenüber seine
Einkaufspreise nicht offen. Sie habe auch weder die rechtliche Verpflichtung noch
die faktische Möglichkeit, die ...-GmbH zur Offenlegung der Preise zu zwingen.
Insbesondere ergebe sich eine Auskunftspflicht des beauftragten Herstellers ihr
gegenüber auch nicht deshalb aus einer Auslegung des Herstellungsvertrages
zwischen der Apotheke und der ...-GmbH, weil eine Abrechnung der parenteralen
Zubereitungen durch sie gegenüber der Krankenkasse ohne die Kenntnis der
Einkaufspreise des beauftragten Herstellers nicht möglich sei. Aufgrund der
bestehenden Hilfstaxe benötige sie gerade keine Kenntnis über die Einkaufspreise
ihres beauftragten Herstellers, sondern sei in der Lage, entsprechend dem
gesetzlich in § 129 Abs. 5c Satz 1 SGB V vorgegebenen Regelfall auch ohne
Kenntnis der Einkaufspreise des beauftragten Herstellers ihre an die Patienten
abgegebenen Zubereitungen gegenüber den Krankenkassen abzurechnen. Eine
Verpflichtung zur Offenlegung aufgrund einer wie auch immer gearteten
„Kooperationsverpflichtung“ zwischen den Parteien bestehe ebenfalls nicht.
13 Selbst wenn man zu Unrecht unterstellen wolle, dass sie dazu verpflichtet wäre,
die Einkaufspreise ihres beauftragten Herstellers zu ermitteln und dem Beklagten
offenzulegen, so wäre der Bescheid des Beklagten jedenfalls dem Umfang nach
unverhältnismäßig. Dies gelte einerseits im Hinblick auf den geltend gemachten
Auskunftszeitraum von 3 Monaten. Der Beklagte könne sich nämlich bereits mit
der Kenntnis der Einkaufspreise für einen wesentlich kürzeren Zeitraum einen
Marktüberblick verschaffen. Unverhältnismäßig wäre der Bescheid andererseits
auch im Hinblick auf die geforderten Belege (Rechnungen, Lieferscheine). Denn es
wäre sowohl für sie als auch für ihren beauftragten Hersteller mit einem
unverhältnismäßigen Arbeitsaufwand verbunden, sämtliche Belege für die
geforderten Informationen zu beschaffen und vorzulegen. Ungeachtet dessen sei
– wie schon im Hinblick auf die geforderten Informationen selbst – nicht ersichtlich,
inwiefern sie dazu in der Lage sein sollte, ihren beauftragten Hersteller dazu zu
verpflichten, ihr sämtliche Belege zur Verfügung zu stellen.
14 Die Klägerin beantragt,
15 den Bescheid vom 10.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
26.09.2012 aufzuheben.
16 Der Beklagte beantragt,
17 die Klage abzuweisen.
18 Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, er sei befugt gewesen, den
geforderten Auskunftsanspruch im Wege des Verwaltungsakts durchzusetzen.
Zwar sei in § 129 Abs. 5c Satz 4 SGB V nicht ausdrücklich formuliert, dass er
befugt sei, den Auskunftsanspruch im Wege des Verwaltungsakts durchzusetzen.
Die Regelung sei aber als Ermächtigungsgrundlage ausreichend. Dem
Auskunftsanspruch stünden weder die Regelung zur Bindungswirkung ihrer
Entscheidungen in § 217e Abs. 2 SGB V noch der Aufgabenkatalog in § 217f SGB
V entgegen. Zudem begründe der Auskunftsanspruch weder ein
Gleichordnungsverhältnis zwischen den Parteien noch sei er Bestandteil einer
Vertragsbeziehung.
19 Lediglich vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass der Widerspruchsbescheid
zu Recht von der Leiterin seiner Abteilung Arznei- und Heilmittel erlassen worden
sei. Eine Widerspruchsstelle sei bei ihm zu Recht nicht eingerichtet worden. Eine
entsprechende Verpflichtung hierzu bestehe nicht.
20 Entgegen der Auffassung der Klägerin sei der Auskunftsanspruch auch dann zu
erfüllen, wenn diese parenterale Zubereitungen mit verarbeiteten
Fertigarzneimitteln von einem Lohnhersteller beziehe. Eine andere Auslegung
würde den Sinn und Zweck der Regelung des § 129 Abs. 5c Satz 4 SGB V
konterkarieren, da sich – der Auffassung der Klägerin folgend – der Anspruch
entgegen dem Wortlaut nur gegen die Apotheken richten würde, die die
parenteralen Zubereitungen selbst herstellen würden.
21 Der Beklagte beantragt ferner für den Fall, dass das SG zu dem Ergebnis kommen
sollte, der Auskunftsanspruch könne nicht im Wege des Verwaltungsakts geltend
gemacht werden,
22 hilfsweise die Klägerin im Wege der Widerklage zu verurteilen,
23 1. ihm innerhalb von sechs Wochen nach Rechtskraft des Urteils über sämtliche
für das Inverkehrbringen in Deutschland zugelassene Fertigarzneimittel mit den
Wirkstoffen Doxorubicin, Paclitaxel, Irinotecan, Oxaliplatin und Carboplatin, die sie
im Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2011 zur Herstellung von
parenteralen Zubereitungen bezogen hat, Auskunft zu erteilen. Die Auskunft hat
folgende Informationen zu umfassen:
24 - Pharmazentralnummer (PZN) der genannten Arzneimittel
- Produktbezeichnung sowie Packungsgröße (Menge einer bestimmten Einheit)
- Bezugsquellen
- Bezugsdaten
- Bezugsmengen (Anzahl erworbener Packungen)
- Einkaufspreis je Packung exklusive Umsatzsteuer
- Sämtliche Einkaufsvorteile, die sich unmittelbar oder mittelbar mindernd auf den
Preis des Fertigarzneimittels auswirken (bspw. Rückvergütungen,
Preisnachlässe, Rabatte, Umsatzbeteiligungen, Bonifikationen,
rückvergütungsgleiche Gewinnbeteiligungen oder sonstige geldwerte Vorteile
insbesondere von pharmazeutischen Unternehmern oder Großhändlern)
- Tatsächlicher Einkaufspreis je Packung exklusive Umsatzsteuer (Einkaufspreis
abzüglich aller Preisvorteile)
25 Soweit ein Lohnhersteller beauftragt wurde, sind die Einkaufspreise und
Einkaufsvorteile für die vom beauftragten Lohnhersteller verwendeten
Fertigarzneimittel maßgeblich.
26 2. die unter Ziffer 1. genannten Auskünfte sind innerhalb derselben Frist durch
Vorlage korrespondierender Belege (insbesondere Rechnungen und
Lieferscheine) in Kopie nachzuweisen.
27 Zur Begründung dieser Eventualwiderklage hat er im Wesentlichen vorgetragen,
sie sei zulässig. Ihr stehe nicht entgegen, dass er nicht gesondert und außerhalb
des förmlichen Verwaltungsverfahrens seinen Leistungsanspruch auf Auskunft
gegenüber der Klägerin geltend gemacht habe. Dieser Umstand stelle das für die
Erhebung der Eventualwiderklage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis nicht in
Frage. Auch müsse er seinen Auskunftsanspruch zur Vorbereitung der
Leistungsklage nicht gesondert schriftlich geltend machen. Die Eventualwiderklage
sei auch begründet, der Auskunftsanspruch ergebe sich unmittelbar aus § 129
Abs. 5c Satz 4 SGB V.
28 Die Klägerin als Widerbeklagte beantragt,
29 die hilfsweise erhobene Widerklage abzuweisen.
30 Zur Begründung hat sie ausgeführt, nach ihren Ausführungen bestehe der geltend
gemachte Auskunftsausspruch nicht.
31 Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Beklagten und der
Gerichtsakte sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug
genommen.S 1 KR 2979/12bhenkel
Entscheidungsgründe
32 Die form- und fristgerecht beim örtlich (vgl. hierzu Beschluss des SG vom
31.07.2015) und sachlich zuständigen SG erhobene Anfechtungsklage gemäß §
54 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist zulässig und
begründet. Der Bescheid vom 10.05.2012 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 26.09.2012 ist aufzuheben, da er rechtswidrig ist
und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Sie ist nicht verpflichtet, dem Beklagten
die begehrten Auskünfte zu erteilen.
33 Mit dem Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom
17. Juli 2009 (Bundesgesetzblatt I Seite 1990) wurde mit Wirkung zum 23.07.2009
in § 129 SGB V ein neuer Absatz 5c eingefügt, mit dem die
Abrechnungsmöglichkeiten für parenterale Zubereitungen neu geregelt wurden.
Danach gelten für Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln die Preise, die zwischen
der mit der Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten
maßgeblichen Spitzenorganisation der Apotheker und dem Spitzenverband Bund
der Krankenkassen aufgrund von Vorschriften nach dem Arzneimittelgesetz
vereinbart sind. Gelten für Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen keine
Vereinbarungen über die zu berechnenden Einkaufspreise nach Satz 1, berechnet
die Apotheke ihre tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise, höchstens jedoch die
Apothekeneinkaufspreise, die bei Abgabe an Verbraucher aufgrund der
Preisvorschriften nach dem Arzneimittelgesetz oder aufgrund von Satz 1 gelten,
jeweils abzüglich der Abschläge nach § 130a Abs. 1 (§ 129 Abs. 5c Sätze 1 und 2
SGB V). Nach § 129 Abs. 5c Satz 4 SGB V in dieser ab 23.07.2009 geltenden
Fassung kann die Krankenkasse von der Apotheke Nachweise über
Bezugsquellen und verarbeitete Mengen sowie die tatsächlich vereinbarten
Einkaufspreise und vom pharmazeutischen Unternehmer über die vereinbarten
Preise für Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen verlangen.
34 § 129 Abs. 5c Satz 4 SGB V wurde durch das Gesetz zur Neuordnung des
Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.12.2010
(Bundesgesetzblatt I Seite 2262) mit Wirkung ab 02.01.2011 - somit für den hier
streitigen Zeitraum - dahingehend geändert, dass neben der Krankenkasse auch
der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der Beklagte, von der Apotheke
Nachweise über Bezugsquellen und verarbeitete Mengen sowie die tatsächlich
vereinbarten Einkaufspreise und vom pharmazeutischen Unternehmer über die
vereinbarten Preise für Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen verlangen
kann.
35 In formeller Hinsicht durfte der Beklagte entgegen der Ansicht der Klägerin die
Erteilung dieser Auskünfte im Wege des Erlasses eines Verwaltungsakts
begehren.
36 Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass aufgrund der Gesetzesbindung der
Verwaltung und des Vorbehaltes des Gesetzes (vgl. hierzu Artikel 20 Abs. 3 des
Grundgesetzes, § 31 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches) und der
weitreichenden Folgen, die die Erteilung eines Verwaltungsaktes haben kann, es
zur Begründung einer Verwaltungsaktbefugnis einer klaren rechtlichen Grundlage
bedarf. Diese Befugnis kann sich aus dem jeweils anzuwendenden materiellen
Recht ergeben (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 28.08.1997 - 8 RKn
2/97 - juris -), wie dies bspw. in § 50 Abs. 3 Satz 1 des Zehnten Buches des
Sozialgesetzbuches der Fall ist. Eine solche ausdrückliche gesetzliche
Ermächtigungsgrundlage zum Erlass eines Verwaltungsaktes ist in § 129 Abs. 5c
Satz 4 SGB V nicht enthalten. Andererseits kann sich die Verwaltungsaktbefugnis
bei fehlender, eindeutiger Ermächtigungsgrundlage aber auch aus dem
Regelungszusammenhang des maßgeblichen Normengefüges, also aus dem
materiellen Recht selbst ergeben. So wird eine Befugnis zum Erlass eines
Verwaltungsaktes in aller Regel bei Bestehen eines Über- und
Unterordnungsverhältnisses angenommen (vgl. BSG, Urteil vom 12.02.1980 - 7
RAr 26/79 - juris; von Wulffen, Kommentar zum SGB X, § 31 RdNrn. 5 und 6,
m.w.N.). Allerdings gibt es auch außerhalb eines Über-
/Unterordnungsverhältnisses durchaus Konstellationen, in denen ein
Verwaltungsakt erteilt werden kann, so bspw. im Bau- oder Immissionsschutzrecht
oder im Steuerrecht. Hier kommt den zuständigen Genehmigungsbehörden bzw.
dem Finanzamt durchaus die Befugnis zu, entsprechende Bescheide (z.B.
Baugenehmigung, Baueinstellungsverfügung, Auflagen für den Anlagenbetrieb
oder Steuerbescheid) auch gegenüber einer Gemeinde, einem Landkreis oder
einem sonstigen Hoheitsträger zu erteilen, obwohl zwischen den verschiedenen
staatlichen Stellen gerade kein Subordinationsverhältnis angenommen werden
kann. Zutreffend gelangt das Sozialgericht Mannheim daher in seinem Urteil vom
21.01.2015 (S 9 KR 3065/13 - juris -) zu dem Ergebnis, dass ein allgemein
bestehendes Gleichordnungsverhältnis nicht zwingend einer solchen
Verwaltungsaktbefugnis entgegensteht (so auch von Wulffen, a.a.O., RdNr. 8).
Vielmehr ist stets eine Einzelfallbetrachtung notwendig, die sich nicht auf eine
Beschreibung der allgemeinen Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten
beschränkt, sondern das konkrete Recht, um dessen Durchsetzung es geht, in
den Blick nimmt.
37 Vorliegend besteht zwar zwischen der Klägerin und dem Beklagten ein
Gleichordnungsverhältnis (BSG, Urteil vom 03.08.2006 - B 3 KR 7/05 R - juris -).
Hieraus folgt jedoch - wie dargelegt - nicht zwingend und vollumfänglich der
Ausschluss einer Verwaltungsaktbefugnis des Beklagten schlechthin. Vielmehr ist
auch im Rahmen des hier bestehenden Gleichordnungsverhältnisses zwischen
Klägerin und Beklagtem konkret im Hinblick auf das streitgegenständliche
Begehren zu prüfen, ob eine Verwaltungsaktbefugnis in Betracht kommt.
38 In § 129 Abs. 5c Satz 4 SGB V wird dem Beklagten die Möglichkeit eingeräumt,
Auskünfte bei Apotheken und pharmazeutischen Unternehmern in einem dort
näher beschriebenen Umfang einzuholen. Adressatenkreis und Umfang der auf
Verlangen des Beklagten abzugebenden Auskünfte sind damit in dieser Vorschrift
eindeutig bestimmt. Mit der dem Beklagten eingeräumten Befugnis, von Apotheken
und pharmazeutischen Unternehmern Auskünfte zu verlangen, wird ihm auch
gleichzeitig die Möglichkeit eingeräumt, diese Auskunftsverpflichtung ggf. durch
Zwangsmaßnahmen durchzusetzen. Anderenfalls würde die Gefahr drohen, dass
das Auskunftsverlangen des Beklagten ins Leere läuft. Vorliegend hat der
Beklagte die Klägerin mit seinem Schreiben vom 27.03.2012 zum beabsichtigten
Erlass eines Bescheides hinsichtlich seines Auskunftsverlangens angehört,
nachdem auf sein Schreiben vom 15.08.2011 hin die Klägerin die gewünschten
Auskünfte nicht gegeben hatte. Bereits in diesem Anhörungsschreiben hat der
Beklagte gegenüber der Klägerin deutlich gemacht, dass er sein
Auskunftsbegehren - nun im Wege des Erlasses eines Verwaltungsakts -
weiterverfolgen und durchsetzen wird. Im daraufhin ergangenen Bescheid vom
10.05.2012 zeigt bereits die Wortwahl („... geben wir Ihnen ... auf, ... innerhalb von
4 Wochen nach Vollziehbarkeit dieses Bescheides ... Auskunft zu erteilen“), dass
der Beklagte mit Nachdruck und einseitig befehlend sein Auskunftsbegehren
durchsetzen will. Dies belegt insbesondere auch der Hinweis im Bescheid vom
10.05.2012, dass für den Fall, dass die Klägerin ihrer Pflicht zur Auskunftserteilung
und zur Vorlage von Belegen nicht innerhalb von 4 Wochen nach Vollziehbarkeit
dieses Bescheides nachkommt, er seinen gesetzlichen Anspruch gemäß § 11
Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (VwVG) durch die
Verhängung eines Zwangsgeldes durchsetzen wird. Voraussetzung für die
Verhängung eines Zwangsgeldes ist jedoch nach § 6 Abs. 1 VwVG das Vorliegen
eines Verwaltungsaktes. Um sein Auskunftsbegehren durchsetzen zu können,
handelt vorliegend der Beklagte mit dem für das Subordinationsverhältnis
typischen Mittel von „Befehl und Gehorsam“. Die Notwendigkeit, den zweifellos
bestehenden Auskunftsanspruch des Beklagten gegenüber einer Apotheke -
unabhängig vom konkreten Inhalt - überhaupt durchsetzen zu können, rechtfertigt
es nach Ansicht der Kammer, hier dem Beklagten die Befugnis zum Erlass eines
entsprechenden Verwaltungsaktes einzuräumen.
39 Dieser Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes stehen die Regelungen
weder in § 217e Abs. 2 SGB V noch in § 217f SGB V entgegen.
40 § 217e Abs. 1 Satz 5 SGB V legt fest, welche Bestimmungen die Satzung des
Beklagten zu enthalten hat. Nach § 217e Abs. 2 SGB V gelten die vom
Spitzenverband Bund der Krankenkassen abgeschlossenen Verträge und seine
sonstigen Entscheidungen für die Mitgliedskassen des Spitzenverbandes, die
Landesverbände der Krankenkassen und die Versicherten. Nach Ansicht des
Sozialgerichtes München (Urteil vom 26.09.2013 - S 2 KR 904/13 - nicht
rechtskräftig -) und der Klägerin regelt diese Vorschrift abschließend den Kreis der
Entscheidungsadressaten des Beklagten, sodass er gegenüber der dort nicht
erwähnten Klägerin nicht befugt ist, einen Verwaltungsakt zu erlassen. Dieser
Ansicht vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. § 217e Abs. 2 SGB V soll
die Verbindlichkeit der Entscheidungen des Beklagten gegenüber seinen
Mitgliedskassen und den Kassenverbänden sowie gegenüber Versicherten
gewährleisten. Diese Vorschrift trifft hingegen keine Aussage zu dem dem
Beklagten in § 129 Abs. 5c Satz 4 SGB V eingeräumten Auskunftsanspruch.
Insbesondere lässt sich § 217e Abs. 2 SGB V nicht entnehmen, dass der Beklagte
nur gegenüber den dort genannten Adressaten zum Erlass von Verwaltungsakten
befugt ist. Wäre dies der Fall, so wäre - wie oben dargelegt - eine zwangsweise
Durchsetzung des Auskunftsanspruches des Beklagten gegenüber der Klägerin
von vorneherein ausgeschlossen, der ihm in § 129 Abs. 5c Satz 4 SGB V
eingeräumte Auskunftsanspruch würde damit „ins Leere laufen“.
41 Auch § 217f SGB V steht der Befugnis des Beklagten zum Erlass eines
Verwaltungsaktes nicht entgegen. In dieser Vorschrift sind die Aufgaben des
Beklagten geregelt. So hat nach § 217f Abs. 1 der Spitzenverband Bund der
Krankenkassen ab dem 1. Juli 2008 die ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben
zu erfüllen. Hierzu gehört nach Überzeugung der Kammer jedoch auch die
Verpflichtung, Auskünfte nach § 129 Abs. 5c Satz 4 SGB V einzuholen, falls dies
von ihm im Rahmen des ihm dort eingeräumten Ermessens („… kann …“) für
notwendig erachtet wird.
42 Entgegen der vom Sozialgericht München vertretenen Auffassung war der
Beklagte vorliegend berechtigt, im Wege des Erlasses eines Verwaltungsaktes
seinen Auskunftsanspruch gegenüber der Klägerin geltend zu machen.
43 Daher war über die hilfsweise erhobene Widerklage des Beklagten nicht mehr zu
entscheiden.
44 Im Unterschied zum Sozialgericht München (a.a.O.) steht für die Kammer fest,
dass vorliegend die Leiterin der Abteilung Arznei- und Heilmittel beim Beklagten
zum Erlass des streitgegenständlichen Widerspruchsbescheides vom 26.09.2012
befugt war.
45 Nach § 85 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGG erlässt den Widerspruchsbescheid, falls dem
Widerspruch nicht abgeholfen wird, die nächsthöhere Behörde oder, wenn diese
eine oberste Bundes- oder eine oberste Landesbehörde ist, die Behörde, die den
Verwaltungsakt erlassen hat. Da der Beklagte nach § 217d SGB V der Aufsicht
des Bundesministeriums für Gesundheit untersteht, ist die nächsthöhere Behörde
im Falle des Beklagten eine oberste Bundesbehörde. Der Beklagte war daher als
die Behörde, die den Bescheid vom 10.05.2012 erlassen hat, auch für die
Entscheidung über den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin zuständig
und damit befugt, den Widerspruchsbescheid vom 26.09.2012 zu erlassen (vgl.
hierzu auch BSG, Urteil vom 28.02.2006 - B 3 KR 28/05 R - juris -). § 85 Abs. 2
Satz 1 Nr. 2 SGG, wonach in Angelegenheiten der Sozialversicherung die von der
Vertreterversammlung bestimmte Stelle zu entscheiden hat, steht dieser Befugnis
zum Erlass des Widerspruchsbescheides nicht entgegen. Diese Vorgabe gilt nur
dann, wenn auch tatsächlich die Pflicht zur Einrichtung einer entsprechenden
Widerspruchsstelle besteht bzw. eine Widerspruchsstelle freiwillig eingerichtet
wurde. Nach der für den Beklagten maßgebenden Vorschrift des § 217e Abs. 1
Satz 5 SGB V besteht keine Verpflichtung zur Einrichtung einer
Widerspruchsstelle. Es gilt daher der allgemeine Grundsatz des § 36a Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches, wonach Träger der
Sozialversicherung zwar eine Widerspruchsstelle einrichten können, wenn sie
nicht in anderem Zusammenhang ausdrücklich dazu verpflichtet werden.
Ausweislich seiner Satzung vom 18.06.2007 hat der Beklagte allerdings von dieser
Möglichkeit zur Einrichtung einer Widerspruchsstelle keinen Gebrauch gemacht.
46 Während somit in formeller Hinsicht das Auskunftsverlangen des Beklagten nicht
zu beanstanden ist, besteht jedoch in materieller Hinsicht keine Verpflichtung der
Klägerin, dem Beklagten die gewünschten Auskünfte zu erteilen.
47 Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 129 Abs. 5c Satz 4 SGB V richtet sich der
dort normierte Auskunftsanspruch des Beklagten lediglich gegen Apotheken und
pharmazeutische Unternehmer, nicht hingegen gegen Lohnhersteller oder
Pharma-Großhändler. Nach Überzeugung der Kammer richtet sich dabei der
Auskunftsanspruch des Beklagten nur an solche Apotheken, die parenterale
Zubereitungen selbst herstellen, also nicht gegen Apotheken, die - wie die Klägerin
- parenterale Zubereitungen von einem nach § 13 des Arzneimittelgesetzes (AMG)
zugelassenen Lohnhersteller produzieren lassen.
48 Dies belegt bereits der Wortlaut der im Zusammenhang zu sehenden Sätze 4 und
2 des § 129 Abs. 5c SGB V. Nach Satz 4 des § 129 Abs. 5c SGB V kann der
Beklagte von der Apotheke Nachweise u.a. über „die tatsächlich vereinbarten
Einkaufspreise“ für Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen verlangen. Ob
mit den „tatsächlich vereinbarten Einkaufspreisen“ nur die von der Apotheke selbst
tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise oder auch die vom zwischengeschalteten
Lohnhersteller tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise für Fertigarzneimittel
gemeint sind, lässt sich dem Wortlaut des § 129 Abs. 5c Satz 4 SGB V nicht
eindeutig entnehmen. Erst im Zusammenhang mit Satz 2 des § 129 Abs. 5c SGB
V wird deutlich, dass mit den in § 129 Abs. 5c Satz 4 SGB V erwähnten tatsächlich
vereinbarten Einkaufspreisen nur die von der Apotheke selbst tatsächlich
vereinbarten Einkaufspreise gemeint sein können. So berechnet nach Satz 2 des
§ 129 Abs. 5c SGB V die Apotheke ihre tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise,
falls für Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen keine Vereinbarungen
über die zu berechnenden Einkaufspreise gelten. Vergleicht man die Sätze 2 und
4 des § 129 Abs. 5c SGB V wird deutlich, dass trotz des Fehlens des Wortes „ihre“
in Satz 4 auch dort nur die von der Apotheke selbst tatsächlich vereinbarten
Einkaufspreise gemeint sind. Für die Sichtweise des Beklagten, von § 129 Abs. 5c
Satz 4 SGB V seien auch die vom zwischengeschalteten Lohnhersteller
tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise umfasst, fehlt es an entsprechenden
Anhaltspunkten. Wäre diese Sichtweise des Beklagten zutreffend, hätte es
nahegelegen, dass der Gesetzgeber in § 129 Abs. 5c Satz 4 SGB V eine
entsprechende klarstellende Regelung getroffen hätte, was jedoch nicht der Fall
ist. In diesem Falle wäre also zu erwarten gewesen, dass der Gesetzgeber durch
eine entsprechende Regelung klargestellt hätte, dass die Auskunftsverpflichtung
auch den Lohnhersteller hinsichtlich der von ihm mit dem pharmazeutischen
Unternehmer bzw. Pharma-Großhändler tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise
umfasst. Dies wäre dem Gesetzgeber nach Ansicht der Kammer auch ohne
weiteres möglich gewesen, zumal ihm auch während des
Gesetzgebungsverfahrens durchaus bekannt gewesen sein dürfte, dass aus
Fertigarzneimitteln zubereitete parenterale Zytostatika nicht allein durch
Apotheken, sondern auch durch entsprechende Lohnhersteller produziert werden.
49 Eine Ausweitung der Auskunftsverpflichtung der Klägerin auch auf die von ihrem
zwischengeschalteten Lohnhersteller tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise für
Fertigarzneimittel lässt sich auch den Materialien zum Gesetz zur Änderung
arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften nicht entnehmen, mit dem § 129
Abs. 5c SGB V mit Wirkung zum 23.07.2009 eingefügt wurde. Nach dem
Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 16/12256, Seite 35) ist Ziel
der Regelungen, dass Einkaufsvorteile bzw. Rabatte von pharmazeutischen
Unternehmern für Arzneimittel, die aufgrund besonderer Fallgestaltung nicht unter
das Rabattverbot des § 78 Abs. 3 AMG fallen, wie insbesondere Rabatte bei
parenteralen Zubereitungen (Infusionen) insbesondere aus Zytostatika, an die
Krankenkassen zur Entlastung der Beitragszahlerinnen und -zahler weitergeleitet
werden. Dementsprechend werden für die Abrechnung von parenteralen
Zubereitungen (Infusionen) aus Fertigarzneimitteln zwischen Apotheken und
Krankenkassen spezielle Regelungen getroffen, damit Einkaufsvorteile und
Rabatte an die Krankenkassen fließen. Soweit im Rahmen der Vorschrift des § 5
der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) Vereinbarungen über abzurechnende
Einkaufspreise für Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen getroffen sind,
gelten diese Preise für die Abrechnung der Apotheken mit den Krankenkassen.
Bestehen entsprechende Preisvereinbarungen nicht, berechnet die Apotheke der
Krankenkasse für Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen die
tatsächlichen Einkaufspreise, die sie bezahlt hat. Die Verpflichtung der Apotheken
und der pharmazeutischen Unternehmer, auf Anforderung Bezugsquellen und
Einkaufspreise nachzuweisen, sichert die kontrollierte Einhaltung des Verfahrens
(BT-Drucksache 16/12256, Seite 66). Auch der Beschlussempfehlung und dem
Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Gesetzentwurf der Bundesregierung
(BT-Drucksache 16/13428) kann nicht entnommen werden, dass die
Auskunftsverpflichtung der Apotheke auch die Einkaufspreise ihres
Lohnherstellers umfasst. So heißt es dort lediglich, dass die Krankenkassen auf
Anforderungen Nachweise für tatsächliche Einkaufspreise verlangen können
sollen. Hierbei soll der Auskunftsanspruch über vereinbarte Preise für
Fertigarzneimittel in Zubereitungen gegenüber pharmazeutischen Unternehmern
bestehen (BT-Drucksache 16/13428, Seite 93). Aus den Gesetzesmaterialien ist
zwar zu ersehen, dass durch die Regelung in § 129 Abs. 5c Satz 4 SGB V dem
Beklagten die Möglichkeit eingeräumt werden soll, „auf Augenhöhe“ mit dem
Deutschen Apothekerverband über die nach § 129 Abs. 5c Satz 1 SGB V zu
vereinbarenden Preise für Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln zu verhandeln. In
Übereinstimmung mit dem Beklagten geht auch die Kammer davon aus, dass für
solche Verhandlungen „auf Augenhöhe“ es für ihn von entscheidender Bedeutung
ist, einen zutreffenden und umfassenden Überblick über die Marktsituation und die
Marktentwicklung zu haben. Auch ist es zweifellos sinnvoll ist, zur Gewinnung
dieses Überblicks über Marktsituation und Marktentwicklung auch Kenntnis von
den tatsächlich vereinbarten Einkaufspreisen von Lohnherstellern für
Fertigarzneimittel zu erhalten. Allerdings lässt sich weder dem Wortlaut des § 129
Abs. 5c Satz 4 SGB V - wie bereits dargestellt - noch den Gesetzesmaterialien ein
solcher Auskunftsanspruch entnehmen. Insbesondere gibt es in den
Gesetzesmaterialien keinen Anhaltspunkt dafür, dass die in § 129 Abs. 5c Satz 4
SGB V ausdrücklich erwähnte Apotheke zur Auskunft über die vom Lohnhersteller
tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise verpflichtet ist.
50 Der vom Lohnhersteller mit einem pharmazeutischen Unternehmer bzw. einem
Pharma-Großhändler tatsächlich vereinbarte Einkaufspreis für Fertigarzneimittel
beruht auf entsprechenden Verhandlungen. Dieser tatsächlich vereinbarte
Einkaufspreis bildet für den Lohnhersteller u.a. die Kalkulationsgrundlage für den
dann seinem Kunden, der Apotheke, in Rechnung gestellten Gesamtpreis für die
parenterale Zubereitung. Es entspricht hierbei den üblichen Gepflogenheiten im
Wirtschaftsleben, dass die Kalkulationsgrundlage des Herstellers dem Kunden
gegenüber nicht offenbart wird. Vielmehr handelt es sich bei dieser
Kalkulationsgrundlage um ein geschütztes Betriebs- und Geschäftsgeheimnis, zu
dessen Offenbarung der Hersteller ohne gesetzliche Grundlage nicht verpflichtet
ist. Daher sind nach der Begründung des Entwurfes der Bundesregierung zum
Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften (BT-
Drucksache 16/12256, Seite 66) bei der Verpflichtung der Apotheken zur
Auskunftserteilung bereits aufgrund allgemeiner Rechtsvorschriften Betriebs- und
Geschäftsgeheimnisse gegenüber Dritten zu wahren. Auch dies belegt zur
Überzeugung der Kammer, dass die Auskunftspflicht der Klägerin vorliegend sich
nicht auf die tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise der ...-GmbH für
Fertigarzneimittel erstreckt.
51 Auch aus dem Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 16.07.2009
ergibt sich keine entsprechende Auskunftsverpflichtung. Nach dort vertretener
Auffassung hat die Apotheke in ihren Verträgen für den Bezug der Zubereitungen
zu gewährleisten, dass sie den Einkaufspreis der Fertigarzneimittel in der
Zubereitung kennt.
52 Bei diesem Schreiben handelt es sich lediglich um eine Meinungsäußerung, der
keine rechtsverbindliche Wirkung zukommt.
53 Zudem erging dieses Schreiben einen Tag vor Veröffentlichung des Gesetzes zur
Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften im Bundesgesetzblatt,
mit dem u.a. in § 129 SGB V ein Abs. 5c eingefügt wurde.
54 Auch ging das Bundesministerium für Gesundheit in seinem Schreiben
offensichtlich noch davon aus, dass in Zukunft in der Hilfstaxe nur Zuschläge auf
die tatsächlichen Einkaufspreise der in parenteralen Zubereitungen verwendeten
Fertigarzneimittel geregelt würden. So ist ausweislich dieses Schreibens nicht der
vereinbarte Einkaufspreis für die Zubereitung, sondern der Einkaufspreis der
Fertigarzneimittel in der Zubereitung (zuzüglich des Zuschlags für die Zubereitung
nach AMPreisV bzw. Hilfstaxe) abzurechnen. Offensichtlich ging das
Bundesministerium der Gesundheit auf dieser Grundlage dann auch davon aus,
dass die Apotheke in ihren Verträgen für den Bezug der Zubereitung zu
gewährleisten hat, dass sie den Einkaufspreis der Fertigarzneimittel in der
Zubereitung kennt. Nur in diesem Fall, also bei Kenntnis des Einkaufspreises für
Fertigarzneimittel, wäre sie dann in der Lage, gegenüber den Krankenkassen
abzurechnen.
55 Allerdings haben sich der Beklagte und der Deutsche Apothekerverband auf der
Grundlage der §§ 4 und 5 AMPreisV im Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und
Zubereitungen aus Stoffen, gültig ab 01.10.2009 in Anlage 3 Teil 2 „Preisbildung
für zytostatikahaltige parenterale Lösungen sowie parenterale Lösungen mit
monoklonalen Antikörpern“ („Hilfstaxe“) unter Ziffer 2 darauf geeinigt, dass eine
Abrechnung anhand des fiktiven Einkaufspreises eines Referenzprodukts
(„zweitgünstigster Apothekeneinkaufspreis“) erfolgen soll. Für die Abrechnung
gegenüber den Krankenkassen muss die Apotheke daher nur wissen, welche
Fertigarzneimittel in der jeweiligen parenteralen Zubereitung enthalten sind. Eine
Kenntnis der tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise für die darin enthaltenen
Fertigarzneimittel ist weder im hier streitgegenständlichen Zeitraum noch zum
jetzigen Zeitpunkt erforderlich. Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass dies bei
einer Kündigung der Hilfstaxe anders wäre, mag dies zwar durchaus sein, eine
entsprechende Kündigung ist allerdings bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht erfolgt,
sodass die zwischen dem Beklagten und dem Deutschen Apothekerverband
vereinbarte Hilfstaxe nach wie vor Gültigkeit hat.
56 Soweit der Beklagte aus dem Schreiben des Bundesministeriums der Gesundheit
vom 16.07.2009 den Schluss zieht, die Klägerin müsse in ihren Verträgen mit der
...-GmbH eine vertragliche Vereinbarung dahingehend treffen, dass die ...-GmbH
ihr die tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise für Fertigarzneimittel mitteilen muss,
übersieht der Beklagte zum einen, dass sein geltend gemachter
Auskunftsanspruch einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum betrifft, für den
bereits vertragliche Vereinbarungen zwischen Klägerin und der ...-GmbH getroffen
wurden. Wäre die Auffassung des Beklagten zutreffend, müsste die Klägerin somit
rückwirkend eine Änderung eines bereits bestehenden Vertrages erwirken. Dies
widerspricht dem im gesamten Recht geltenden Grundsatz „pacta sunt servanda“.
Zum anderen greift der Beklagte mit diesem Verlangen massiv in die
Vertragsautonomie und Vertragsfreiheit sowohl der Klägerin als auch ihres
Lohnherstellers ein, ohne dass es hierfür eine gesetzliche Grundlage und
Verpflichtung gibt. Auch dies steht dem geltend gemachten Auskunftsanspruch
entgegen.
57 Weiter scheitert der Auskunftsanspruch des Beklagten daran, dass es der Klägerin
unmöglich ist, diesen zu erfüllen. Es besteht keinerlei vertragliche Verpflichtung der
...-GmbH gegenüber der Klägerin, die von ihr tatsächlich vereinbarten
Einkaufspreise für Fertigarzneimittel ihr mitzuteilen. Eine entsprechende
Verpflichtung ergibt sich auch nicht aufgrund der Tatsache, dass der Ehemann der
Klägerin Mitgeschäftsführer der ...-GmbH war. Zudem verfügt die Klägerin über
keinerlei Unterlagen zu den von der ...-GmbH tatsächlich vereinbarten
Einkaufspreise. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung hat vortragen
lassen, wurde ihr entsprechendes Begehren von der ...-GmbH mündlich abgelehnt.
58 Ob das Auskunftsbegehren des Beklagten überdies unverhältnismäßig ist, wie von
der Klägerin behauptet, kann dahinstehen, da es hierauf aus den dargestellten
Gründen nicht ankommt.
59 Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 der
Verwaltungsgerichtsordnung, da weder Klägerin noch Beklagter zu den in § 183
SGG genannten Personen gehören.