Urteil des SozG Regensburg vom 05.07.2006

SozG Regensburg: krankengeld, arbeitsunfähigkeit, erwerbsfähigkeit, arbeitslosenhilfe, arbeitslosigkeit, krankenversicherung, lohnausfall, vertreter, arbeitsgemeinschaft, datum

Sozialgericht Regensburg
Urteil vom 05.07.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 2 KR 404/05
Bayerisches Landessozialgericht
Bundessozialgericht B 1 KR 38/06R
I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Sprungrevision wird
zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger über den 07.06.2005 bis 31.08.2005 Anspruch auf Krankengeld
hatte.
Der 1981 geborene Kläger war zuletzt wegen Bezugs von Arbeitslosengeld durch die Agentur für Arbeit Schwandorf
seit dem 17.09. 2004 bei der Beklagten pflichtversichert. Mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) vom 31.05.2005
des Neurologen Dr.P. wurde der Kläger wegen einer vorliegenden akuten Belastungsreaktion erstmals arbeitsunfähig
geschrieben. Die Agentur für Arbeit zahlte entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen bis einschließlich
06.06.2005 Arbeitslosengeld weiter, mit Ablauf dieses Tages wurde die Leistung eingestellt, da der Anspruch auf
Arbeitslosengeld erschöpft war.
Am 10.06.2005 beantragte der Kläger die Zahlung von Krankengeld, mit Bescheid vom 08.07.2005 lehnte die Beklagte
dies ab mit der Begründung, Krankengeld habe Entgeltersatzfunktion, diese Funktion nehme das Krankengeld jedoch
nur dann wahr, wenn der Krankengeldbezieher auch tatsächlich einen Ausfall von Arbeitslosengeld habe, sei dieser
Arbeitslosengeldanspruch jedoch wegen Anspruchserschöpfung verloren gegangen bestehe auch kein Anspruch auf
Krankengeld.
Hiergegen erhob der Kläger am 04.08.2005 Widerspruch, mit der Begründung, er sei bis 31.08.2005 arbeitsunfähig
gewesen, seit dem 01.09.2005 stehe er wieder in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis.
Der von der Beklagten wegen der Frage der Arbeitsunfähigkeit des Klägers eingeschaltete MDK nahm nach einem
Beratungsgespräch mit dem Kläger unter dem Datum 20.07.2005 dahingehend Stellung, der Kläger verfüge über die
psychische Belastbarkeit für eine vollschichtige Erwerbstätigkeit.
Am 04.08.2005 legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, er habe, solange er arbeitsunfähig gewesen sei,
"laut Gesetz" keinen Antrag auf Arbeitslosengeld II stellen können, seit dem 01.09.2005 sei er wieder in einem
sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis, so dass auch hier ein Antrag auf Arbeitslosengeld II nicht möglich
gewesen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2005 wies die Beklagte den Rechtsbehelf als unbegründet zurück wiederum mit
der Begründung, das Krankengeld habe Entgeltersatzfunktion, diese Funktion sei mit Ende des Arbeitslosengeldes
mit dem 06.06.2005 entfallen, der Kläger hätte Antrag auf Arbeitslosengeld II stellen können, da dieser Anspruch nach
den gesetzlichen Vorschriften an die Erwerbsfähigkeit des Versicherten und nicht an die Arbeitsfähigkeit anknüpfe.
Diesen Antrag habe der Kläger nicht gestellt, folglich sei ein Arbeitslosengeld II-Anspruch nicht entstanden und somit
gehe die Entgeltersatzfunktion des Krankengeldes ins Leere.
Hiergegen erhob der Bevollmächtigte am 11.11.2005 Klage mit der Begründung, der Kläger habe während der Zeit der
noch bestehenden Arbeitsunfähigkeit nach dem 06.06.2005 bis zum 31.08.2005 keinen Leistungsanspruch gegen
irgendeinen Sozialleistungsträger gehabt, er sei in dieser Zeit allein auf das Krankengeld angewiesen gewesen, eine
Antragstellung auf Arbeitslosengeld II sei wegen der bestehenden Arbeitsunfähigkeit von vornherein nicht möglich
gewesen, dies sei dem Kläger ausdrücklich von der Arbeitsagentur Cham bzw. der Arbeitsgemeinschaft Cham-Land
erklärt worden, auch ein Bediensteter der Beklagten habe dies dem Kläger so mitgeteilt.
Die Beklagte beantragte die Klageabweisung mit der Begründung, entscheidend für den Anspruch auf
Arbeitslosengeld II sei nach der bestehenden Rechtslage allein das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit, soweit auf dem
Leistungsnachweis der Agentur für Arbeit schriftlich erklärt wurde, dass während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit
Arbeitslosengeld II nicht gewährt werden könnte, so sei dies unrichtig, der AOK Bundesverband habe sich in dieser
Sache bereits an die Agentur für Arbeit gewandt.
In der mündlichen Verhandlung beantragte der Bevollmächtigte sinngemäß,
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 08.07.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
26.10.2005 verurteilt, dem Kläger in der Zeit vom 07.06.2005 bis31.08.2005 Krankengeld zu gewähren.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kostendes Klägers zu tragen.
Der Vertreter der Beklagten beantragte,die Klage abzuweisen.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Verwaltungsakten der Beklagten,
auf deren Inhalt sowie auf den Inhalt der gegenständlichen Streitakte wird hinsichtlich des weiteren Sach- und
Streitstandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, sie ist aber nicht begründet, die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt für den Zeitraum vom
07.06. bis 31.08.2005 dem Kläger Krankengeld zu zahlen.
Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass der Kläger kein Arbeitslosengeld II erhalten hat, da er den für diese
Leistung notwendigen Antrag (§ 16 Abs.1 SGB I) nicht gestellt hat. Folglich hat die Beklagte zutreffend die
Gewährung von Krankengeld abgelehnt mit der Begründung, dieses habe Lohnersatz- bzw. Entgeltersatzfunktion,
nachdem der Kläger nach dem 06.06.2005 bis 31.08.2005 weder Lohn noch Entgelt noch Entgeltersatz erhalten habe,
könne folglich auch kein Krankengeld gezahlt werden. Dieser Begründung ist zu folgen, maßgeblich für die
Begründung von Leistungsansprüchen (hier Krankengeld) ist die Art der Versicherung, nicht das Bestehen der
Versicherung an sich. Während das Krankengeld bei Beschäftigten als Entgeltersatzleistung den krankheitsbedingten
Ausfall des bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bezogenen Arbeitsentgeldes ausgleichen soll (vgl. BSG vom 08.02.2000
B 1 KR 11/98 R), stellt sich in der Krankenversicherung der Arbeitslosen das Krankengeld nicht als Ersatz für
Lohnausfall, sondern als Ersatz für eine entgehende Leistung wegen Arbeitslosigkeit dar (vgl. BSG Beschluss vom
30.12.2004, Az: B 1 KR 27/03 B). Verdeutlicht wird diese Lohnersatzfunktion durch die Vorschrift des § 47b Abs.1
SGB V, wonach das Krankengeld für Versicherte nach § 5 Abs.1 Nr.2 SGB V (Arbeitslosengeldbezieher) in Höhe des
Betrags des Arbeitslosenentgeltes oder der Arbeitslosenhilfe gewährt wird, d. h. auch aus diesem Gesichtspunkt
ergibt sich ein Krankengeldanspruch des Klägers nicht für den streitigen Zeitraum.
Die Beklagte hat es daher zu Recht abgelehnt, dem Kläger für den streitigen Zeitraum Krankengeld zu bezahlen, die
Klage war daher abzuweisen.
Für vorliegenden Streitfall ist es nicht relevant, ob die Arbeitsagentur den Kläger unrichtig hinsichtlich der
Antragstellung und Anspruchsvoraussetzungen für das Arbeitslosengeld II beraten hat, insoweit könnte ein
sozialrechtlicher Herstellungsanspruch des Klägers gegen die Agentur für Arbeit bestehen, dies ist jedoch nicht
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Sprungrevision nach § 161 SGG war zuzulassen, da nach Ansicht der Kammer die Rechtssache grundsätzliche
Bedeutung hat (§ 161 Abs.2 i.V.m. § 160 Abs.2 Nr.1 SGG), die Beklagte hat dem entsprechenden Antrag des
Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung zur Niederschrift des Gerichtes zugestimmt.