Urteil des SozG Regensburg vom 28.07.2005

SozG Regensburg: direktversicherung, leistung des arbeitgebers, eintritt des versicherungsfalls, wiederkehrende leistung, öffentliches interesse, freiwillige versicherung, versicherungsvertrag

Sozialgericht Regensburg
Urteil vom 28.07.2005 (rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 10 KR 64/05
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 06.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2005 wird
abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anrechnung einer Kapitalleistung aus einer betrieblichen Altersversorgung auf die
Beiträge des Klägers zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung.
Mit Schreiben vom 30.06.2004 meldete das Unternehmen Deutscher Herold Lebensversicherung AG in Ausführung
seiner Mitteilungspflicht der Beklagten die Leistungsauszahlung im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung. Der
Auszahlungstermin war auf 01.06.2004 festgelegt. Die Kapitalzahlung aus der Versicherungsleistung belief sich auf
24.662,49 EUR. Mit Bescheid vom 06.07.2004 rechnete die Beklagte diese Kapitalleistung zu Einhundertzwanzigstel
auf die monatliche Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers um, sodass sich ab 01.07.2004
ein Beitragsteil für die Krankenversicherung von 30,62 EUR und für die Pflegeversicherung von 3,49 EUR, also
insgesamt 34,11 EUR ergab. Der Versicherungsschein war ausgefertigt am 17.04.1985 mit Versicherungsbeginn zum
01.03.1985. Die Versicherungsdauer war auf 19 Jahre festgelegt. Die Versicherung war als Vario-Dynamik-Police
bezeichnet, Versicherungsnehmer und versicherte Person war der Kläger.
Gegen den oben genannten Bescheid legte der Kläger am 21.07.2004 Widerspruch ein. Er wies darauf hin, dass die
Laufzeit für die Direktversicherung des Deutschen Herold falsch berechnet wurde, da diese Direktversicherung vorher
eine Lebensversicherung war mit einer Laufzeit bis 29.10.1996 und somit bei seinem Arbeitgeber zu Sozialbeiträgen
herangezogen wurde. Erst ab dem 30.10.1996 erfolgte die Umstellung zur Direktversicherung, was eine Laufzeit für
die Berechnung ab dem genannten Datum ausmache. Im Rahmen der Ermittlungen der Beklagten im
Widerspruchsverfahren teilte der Deutsche Herold der Beklagten am 29.11.2004 mit, dass der Versicherungsvertrag
im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung über den seinerzeitigen Arbeitgeber Dehn und Söhne für den Kläger
abgeschlossen wurde. Zum 01.06.1996 wurde der Vertrag auf den Kläger privat übertragen und ab diesem Zeitpunkt
als Privatvertrag geführt. Es handle sich dabei um eine Direktversicherung. Beigelegt war eine Vereinbarung zwischen
dem Kläger und seinem seinerzeitigen Arbeitgeber, wonach in Abänderung des Arbeitsvertrages mit Wirkung vom
19.02.1996 der Anspruch des Klägers als Arbeitnehmer auf Einmalzahlungen einhalbjährlich in Höhe von 1.008,- DM
als Anspruch auf Versicherungsschutz in Form einer Direktversicherung gewährt wurde. Mit Widerspruchsbescheid
vom 27.01.2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Leistungen aus der betrieblichen
Altersversorgung seien für 120 Monate auf die Beiträge des Klägers umzurechnen, wobei es unerheblich sei, wer die
Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Ergebnis finanziert habe und diese somit Versorgungsbezüge auch
dann darstellen würden, soweit sie auf Beiträgen des Arbeitnehmers beruhen. Der Versorgungsanspruch sei unteilbar.
Diese Unteilbarkeit liege nicht nur dann vor, wenn der Versicherungsvertrag durch die Beschäftigung begründet und
nach dem Ausscheiden vom Versicherten fortgesetzt würde, sondern auch dann, wenn der Versicherungsvertrag
ursprünglich von dem Versicherten begründet wurde und dann in eine Direktversicherung übergeführt wurde.
Dagegen erhob der Kläger zum Sozialgericht Regensburg am 22.02.2005 Klage. Er begehrt, dass er nur ab November
1996 zu Leistungen herangezogen werde, da seine Versicherung zunächst nicht priviligiert gewesen sei. Die Beklagte
wies demgegenüber darauf hin, dass ab 01.01.2004 alle Kapitalleistungen, die der Altersversorgung dienen, der
Beitragspflicht unterliegen würden und Voraussetzung nur der Bezug zum früheren Erwerbsleben sei.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
27.01.2004 zu verurteilen, den Kläger von Beitragsleistungen aus der Versicherung bis einschließlich Oktober 1996
freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie auf die
Verwaltungsakte der Beklagten. Sämtlicher Inhalt war Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Gerichtsbescheid entscheiden, da die
Angelegenheit keine besondere Schwierigkeit rechtlicher und tatsächlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt
ist. Die Beteiligten wurden dazu gehört.
Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative SGG zulässig. Soweit vom Kläger ein
Freistellungsanspruch darüberhinaus begehrt wird, ist dieser nicht erforderlich, da mit einer teilweisen Aufhebung der
streitgegenständlichen Bescheide zum Ende Oktober 1996 das Begehren des Klägers erfüllt werden kann.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) - bei
versicherungspflichtigen Rentnern anwendbar über § 237 Satz 2 SGB V - bestimmt, dass als beitragspflichtige
Einnahmen diejenigen Versorgungsbezüge anzusehen sind, soweit sie zur Altersversorgung erzielt werden. Renten
aus der betrieblichen Altersversorgung sind dabei ausdrücklich genannt. Nach Satz 3 dieser Vorschrift gilt 1/120stel
der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens für 120 Monate, wenn an die Stelle der
Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung tritt oder eine solche Leistung vor Eintritt des
Versicherungsfalls vereinbart bzw. zugesagt wurde. Diese Modalität wurde durch Gesetz vom 14.11.2003 eingefügt,
gilt ab 01.01.2004. Nach der Verlautbarung der Spitzenverbände vom 12.02.2004 über die beitragsrechtliche
Behandlung solcher Versorgungsbezüge nach diesem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) ist der im Gesetz
verwandte Begriff der Versorgungsbezüge dahingehend zu verstehen, dass an eine frühere Erwerbstätigkeit
angeknüpft wird. Hierunter fallen Leistungen der Altersversorgung, die unmittelbar oder mittelbar aus Anlass eines
früheren Arbeitsverhältnisses zufließen. Nach der neugefassten Vorschrift des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V würden
somit auch Kapitalleistungen darunter fallen. Es kommt darauf an, dass der Versorgungsbezug mit dem Berufsleben
des Versicherten in Zusammenhang stünde. Leistungen aus einer Direktversicherung sind dazuzurechnen.
Nach Auffassung des Gerichts ist der Bescheid vom 06.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
27.01.2005 nicht zu beanstanden, da er Ausfluss der genanten Vorschriften bzw. der genannten Verlautbarung der
Spitzenverbände ist, die dem Gericht als überzeugend erscheint. Damit ist nicht ausschlaggebend, ob der
Versicherungsvertrag nach dem Beschäftigungsverhältnis vom Versicherten fortgesetzt wurde oder ursprünglich - wie
hier - vom Versicherten begründet wurde und dann (hier zum 30.10.1996) in eine Direktversicherung überführt wurde.
Schon die abgegebene Vereinbarung über die Umwandlung von Barlohn in Versicherungsschutz vom 21.02.1996 des
ehemaligen Arbeitgebers des Klägers spricht unstreitig von einer Direktversicherung. Die Leistung des Arbeitgebers
ist nach dem seinerzeit gültigen § 1 Abs. 2 BetrAVG als Direktversicherung begründet worden. Nach der gefestigten
Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG vom 11.10.2001, B 12 KR 4/00 R) gehören Renten auch dann zur
betrieblichen Altersversorgung, soweit sie selbst finanziert sind. Es macht keinen Unterschied, dass es sich im
vorliegenden Fall um eine Kapitalversicherung aus einer Direktversicherung handelt, da nach dem ab dem 01.01.2004
geltenden § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V diese Einmalzahlung auf 120 Monate zu verteilen ist. Im Übrigen ist zu
bemerken, dass die genannte Rechtsprechung sich ohnehin nicht sklavisch an die Definition des § 1 BetrAVG hält,
sondern den Begriff der betrieblichen Altersversorgung als eigenständig auslegt. Im Übrigen hat das BSG in der
genannten Entscheidung ausgeführt, dass der Beitragspflicht sogar nicht entgegenstehen würde, wenn die Mittel für
die freiwillige Versicherung selbst aufgebracht und der Arbeitgeber sich daran nicht beteiligt hätte. Im Übrigen wird die
Beitragspflichtigkeit der betrieblichen Altersversorgung und die Tragung der Beiträge allein vom Versicherten schon
mit Urteil des BSG vom 06.02.1992 (Aktenzeichen 12 RK 37/91) bestätigt. Für die nunmehr gegebene Rechtslage
nach dem GMG hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz am 09.05.2005 (Aktenzeichen L 5 ER 7/05 KR) bereits
entschieden, dass die Heranziehung von Lebensversicherungsbezügen aus einer betrieblichen Direktversicherung zur
Beitragsbemessung auch hinsichtlich bereits vor den Inkrafttreten dieses Gesetzes geschlossener
Direktversicherungsverträge verfassungsrechtlich unbedenklich sei, auch wenn die Lebensversicherung erst nach
dem 01.01.2004 fällig geworden ist. Dieser Ansicht schließt sich das Gericht an. In besagter LSG-Entscheidung ist
nachvollziehbar ausgeführt, dass die Direktversicherung einen Versorgungsbezug im Sinne des § 229 SGB V
darstellt. Die bis 31.12.2003 geltende Rechtslage zu Kapitalleistungen, wie sie das BSG ausgelegt hat (BSG
25.08.2004, B 12 KR 30/03 R) ist somit zum 01.01.2004 überholt. Verfassungsrechtliche Bedenken wurden durch den
Kläger nicht dargetan, wären auch nach Auffassung des Gerichts nicht gegeben. Bezüglich der Rückwirkung der
neuen Norm ist mit dem LSG davon auszugehen, dass ein erhebliches öffentliches Interesse an der Neufassung des
§ 229 SGB V auch im vorliegenden Fall besteht. Ebenso kann kein Verstoß gegen Artikel 14 Grundgesetz erkannt
werden, da eine übermäßige Belastung des Klägers schon durch den insgesamten Beitragssatz von 34,11 EUR nicht
zu erkennen ist. Nachdem es somit unerheblich ist, wer die Rente bzw. die Kapitallebensversicherung finanziert hat
und wie sie steuerlich behandelt wird, kann die Klage auch bezüglich des Zeitraumes bis 30.10.1996 keinen Erfolg
haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.