Urteil des SozG Osnabrück vom 26.08.2009

SozG Osnabrück: arbeitsunfähigkeit, gefährdung der gesundheit, befristeter vertrag, schwangerschaft, zustand, analogie, arbeitslosigkeit, krankengeld, krankheitsfall, verfügung

Sozialgericht Osnabrück
Urteil vom 26.08.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Osnabrück S 16 AL 131/08
1. Der Bescheid der Beklagten vom 15.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.04.2008 wird
aufgehoben. 2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid vom 13.12.2007 zurückzunehmen. 3. Die Beklagte wird
verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 13.12.2007 bis 08.02.2008 Leistungen nach §§ 117 ff. SGB III in gesetzlicher
Höhe zu gewähren. 4. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der
Beigeladenen.
Tatbestand:
Die Beklagte begehrt im vorliegenden Verfahren die Gewährung von Leistungen nach §§ 117 ff. Sozialgesetzbuch
Drittes Buch (SGB III) für die Zeit eines absoluten Beschäftigungsverbots.
Die Klägerin stand in der Zeit vom 01.03.2006 bis 30.04.2007 in einem Arbeitsverhältnis bei der Firma I ... Am
23.03.2007 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten und stellte einen Antrag auf Leistungen nach §§ 117 ff. SGB
III dem mit Verfügung vom 03.04.2007 entsprochen wurde.
In einer am 07.11.2007 bei der Beklagten eingegangenen ärztlichen Bescheinung bescheinigte der Zeuge Dr. J. der
Klägerin für die Zeit vom 01.11.2007 bis 30.11.2007 ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 des
Mutterschutzgesetzes (MuSchG). Mit weiteren Bescheinigungen vom 23.11.2007 und 17.01.2008 sprach der Zeuge
Dr. K. jeweils ein weiteres Beschäftigungsverbot für die Zeit vom 01.12.2007 bis 31.12.2007 bzw. 01.01.2008 bis
31.01.2008 aus.
Mit Bescheid vom 13.12.2007 hob die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 13.12.2007
auf, da die Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall ausgelaufen sei.
Am 11.02.2008 stellte die Klägerin einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 13.12.2007 nach § 44 SGB X.
Sie sei nicht krank gewesen, sondern lediglich schwanger gewesen. Sie habe einem Beschäftigungsverbot
unterlegen, da eine Risikoschwangerschaft vorgelegen habe. Deshalb liege keine Leistungsfortzahlung im
Krankheitsfall vor. Zudem bezog sich die Klägerin auf ein Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (Az.: L 9 AL
35/04).
Diesen Antrag wies die Beklagte mit Bescheid vom 05.02.2008 zurück. Zwar sei es richtig, dass keine Krankheit
(Arbeitsunfähigkeit) vorliege, sondern ein Beschäftigungsverbot, allerdings lägen dann die Voraussetzungen bereits
seit dem 01.11.2007 nicht vor. Allerdings werde auf eine Rückforderung der Leistung für die Zeit vom 01.11.2007 bis
13.12.2007 verzichtet.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 22.02.2008 Widerspruch ein. Nach der Ansicht der
Beklagte bekäme sie weder Krankengeld noch Arbeitslosengeld. Dies sei unzumutbar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. § 44 SGB X sei hier bereits
deshalb nicht anwendbar, da es hier nicht um die Rücknahme eines nicht begünstigenden Verwaltungsaktes gehen
würde. Die Entscheidung vom 13.12.2007 sei hier deshalb ein begünstigender Verwaltungsakt, da eigentlich bereits
früher eine Aufhebung hätte durchgeführt werden müssen. Die Voraussetzung der Gewährung von Arbeitslosengeld
hätte hier allerdings nicht vorgelegen, da die Klägerin nicht verfügbar gewesen sei. Wegen des
Beschäftigungsverbotes hätte sie keine Tätigkeit von mehr als 15 Stunden pro Woche ausüben können. Auch aus §
126 Abs. 1 SGB III ergäbe sich hier kein Anspruch, da keine Krankheit vorliege. Zudem handele es sich bei dem
Urteil des Hessischen Landessozialgerichts um einen Einzelfall. Allerdings sei eine Rückforderung deshalb nicht
durchzuführen, da die Klägerin nur unzureichend über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall unterrichtet worden sei.
Gegen den Bescheid vom 15.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2008 hat die Klägerin
am 20.05.2008 Klage erhoben. Die Beklagte sei nach der Rechtssprechung des Hessischen Landessozialgerichts hier
als "Ersatzarbeitgeber" anzusehen. Deshalb müsse die Agentur die Kosten des Beschäftigungsverbots tragen.
Die Klägerin beantragt,
1.) den Bescheid der Beklagten vom 15.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2008
aufzuheben,
2.) die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 13.12.2007 zurückzunehmen,
3.) die Beklagte zu verurteilen, für die Zeit vom 13.12.2007 bis 08.02.2008 Leistungen nach §§ 117 ff. SGB III in
gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre Bescheide für rechtmäßig. Entweder könne hier noch ein Teilbereich des Arbeitsmarktes abgedeckt
werden, was eine Restverfügbarkeit zur Folge hätte, oder die Klägerin sei nicht mehr verfügbar und dementsprechend
arbeitsunfähig.
Das Gericht hat durch Beschluss vom 10.02.2009 die Techniker Krankenkasse zu dem Verfahren beigeladen, da sie
als leistungspflichtig in Betracht kam (§ 75 Abs. 2 Satz 1 Zweite Alternative SGG).
Das Gericht hat zudem mit Verfügung vom 31.03.2009 einen um zwei Fragen ergänzten Befundbericht bei dem
Zeugen Dr. J. eingeholt. Bezüglich dieses Befundberichts wird auf Blatt 35-36 der Gerichtsakte verwiesen. Zudem hat
das Gericht Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Dr. K ... Bezüglich des Inhalts der Beweisaufnahme wird
auf der Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 26.08.2009 verwiesen.
Zudem wird ergänzend auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte verwiesen. Die Akten sind
Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und gegenüber der Beklagten begründet.
Die angegriffenen Bescheide erweisen sich als rechtswidrig und beschweren die Klägerin damit. Die Beklagte hat den
Bescheid vom 13.12.2007 nach § 44 Abs. 1 SGB X zurückzunehmen, da die Klägerin für die Zeit vom 13.12.2007 bis
08.02.2008 einen Anspruch auf Leistungen nach §§ 117 ff. SGB III in gesetzlicher Höhe hat.
Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die
Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht
unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit
deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Hier wurde das
Recht unrichtig angewandt; die Klägerin hat für die Zeit vom 13.12.2007 bis 08.02.2008 einen Anspruch auf
Leistungen nach §§ 117 ff. SGB III. Dabei ist der Bescheid bezüglich dieser Zeit auch nicht begünstigend.
Die Klägerin hat für die Zeit vom 13.12.2007 bis 08.02.2008 einen Anspruch auf Leistungen nach §§ 117 ff. SGB III.
Nach § 118 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind,
sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Diese Voraussetzungen –
insbesondere die Arbeitslosigkeit i.S.d. § 119 SGB III – lagen auch nach dem 13.12.2008 vor. Arbeitslos ist i.S.d. §
119 Abs. 1 SGB III ein Arbeitnehmer, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit),
sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und den Vermittlungsbemühungen der
Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Insbesondere war die Klägerin auch in der Zeit des absoluten Beschäftigungsverbots verfügbar im Sinne des § 119
Absatz 5 SGB III. Bei der Klägerin lag für die streitgegenständliche Zeit ein absolutes Beschäftigungsverbot nach § 3
Absatz 1 MuSchG vor, welches nicht von einer gleichzeitigen Arbeitsunfähigkeit verdrängt wurde (dazu unter 1).
Dieses absolute Beschäftigungsverbot steht hier einer Verfügbarkeit im Sinne des § 119 Absatz 5 SGB III nicht
entgegen (dazu unter 2).
1. Für die streitgegenständliche Zeit vom 13.12.2007 bis 08.02.2008 lag ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1
MuSchG vor. Eine Arbeitsunfähigkeit lag nicht vor.
a) Hier lag ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG vor.
Ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG liegt vor, wenn die Voraussetzung der Arbeit mit einer
Gefährdung der Gesundheit von Mutter oder Kind verbunden ist. Unbeachtlich ist dabei die genaue Ursache der
Gefährdung. Die Arbeitstätigkeit der Schwangeren oder ihr räumlicher Arbeitsbereich müssen nicht
gesundheitsgefährdend sein. Ein Beschäftigungsverbot ist vielmehr auch dann auszusprechen, wenn die
Beschäftigung für andere Frauen, unabhängig von der Schwangerschaft, keine Gefährdung ergibt, aber im Einzelfall
aufgrund der individuellen Verhältnisse der Schwangeren Frau die Gesundheit von Mutter oder Kind gefährden würden
(vgl. BAG, Urteil vom 13.12.2002, Az.: 5 AZR 753/00). Dass eine solche Gefährdung hier vorliegt hat der Zeuge Dr. K.
in seinem Befundbericht vom 31.03.2009 und der Aussage in der mündlichen Verhandlung am 26.08.2009 umfassend
dargelegt. Die Risikofaktoren waren hier zum einen die Adipositas der Klägerin, ihr relativ hohes Gebäralter, die
Tatsache, dass sie Zwillinge erwartet und der Abort in der vorherigen Schwangerschaft. Diese Gefährdung ist
zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Streitig ist vielmehr, ob gleichzeitig auch eine Arbeitsunfähigkeit
eingetreten ist, was zum Ausschluss des Anspruchs aus § 11 MuSchG führen würde (vgl. BAG, Urteil vom
13.12.2002, Az.: 5 AZR 753/00), und hier zum vorigen vorrangigen Anspruch auf Krankengeld führen würde (vgl. zu
diesem Vorrang: § 142 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III).
b) Eine solche Arbeitsunfähigkeit lag hier jedoch nicht vor.
Zwar hat das BAG ausgeführt, dass wohl meist ein Gleichlauf von Arbeitsunfähigkeit und Beschäftigungsverbot
vorliegen dürfte, allerdings wurde in der gleichen Entscheidung dem Arzt auch ein gewisser Beurteilungsspielraum
zugesprochen (vgl. BAG, Urteil vom 13.12.2002, Az.: 5 AZR 753/00; siehe auch: LAG Niedersachsen, Urteil vom
20.01.2003, Az.: 5 Sa 833/02).
aa) Danach kommt es vor allem darauf an, ob ein krankhafter Zustand, sei es im Zusammenhang mit der
Schwangerschaft, sei es unabhängig von dieser, besteht, der zur Arbeitsunfähigkeit der Schwangeren führt. Ist dies
der Fall, so ist eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen. Liegt dagegen keine Krankheit vor oder
führt diese nicht zur Arbeitsunfähigkeit, bleibt das Beschäftigungsverbot (vgl. BAG, Urteil vom 13.12.2002, Az.: 5
AZR 753/00). So lag es nach der Zeugenaussage des Herrn Dr. K. im vorliegenden Fall. Der Zustand der Klägerin war
im Zeitpunkt des Ausspruchs des Beschäftigungsverbotes nicht krankhaft. Zwar handelte es sich um eine
Risikoschwangerschaft, dies allein stellte jedoch noch keinen krankhaften Zustand dar. Der Zeuge hat die
Risikofaktoren hier in der Hypertonie der Klägerin, der Gefahr einer Gestose (sogenannte
Schwangerschaftsvergiftung), dem Übergewicht, der vorherigen Fehlgeburt und der Tatsache, dass es sich um eine
Zwillingsschwangerschaft handelt begründet. Dabei hat der Zeuge aufgeführt, dass es sich hierbei jeweils nicht um
krankhafte Zustände handelt. Einzig die Hypertonie kann für sich bereits einen krankhafter Zustand darstellen. Hier
handelte es sich jedoch noch um eine Erkrankung im Grenzbereich, die für sich gesehen noch keinen objektiven
Krankheitswert hatte, so der Zeuge Dr. K ... Zudem erklärte der Zeuge überzeugend, dass hier lediglich eine
Gefährdung einer Gestose vorlag, diese jedoch nicht eingetreten sei. Erst bei Realisierung derartiger Risiken wäre ein
krankhafter Zustand eingetreten.
bb) Zudem ist nach der Rechtssprechung des BAG zu fordern, dass die Gefährdung bei Fortführung der
Beschäftigung die Ursache ausschließlich in der Schwangerschaft hat (vgl. BAG, Urteil vom 13.12.2002, Az.: 5 AZR
753/00). Dies ist der Fall. Die genannten Risikofaktoren stellen ohne die Schwangerschaft keine Gefährdung bei
Fortführung der Erwerbstätigkeit dar. Dies gilt notwendigerweise für das höhere Alter der Klägerin, die
Zwillingsschwangerschaft und die Gestosegefahr, aber auch für das Übergewicht der Klägerin und die im Randbereich
liegende Hypertonie.
cc) Die Risikoschwangerschaft als solche stellt keine Krankheit dar, welche zur Arbeitsunfähigkeit führt. Würde allein
die Gefährdung der Mutter oder der Leibesfrucht zu einer Arbeitsunfähigkeit führen, so liefe § 3 Absatz 1 MuSchG leer
(vgl. dazu auch: BAG, Urteil vom 13.12.2002, Az.: 5 AZR 753/00, Rn. 21). Dabei geht die Kammer allerdings nicht so
weit, dass im Zweifel von einem Beschäftigungsverbot auszugehen ist, also nur dann, wenn die Schwangerschaft
überhaupt keinen Einfluss auf die Gefährdung hat, von einer Arbeitsunfähigkeit auszugehen ist (vgl. dazu ausführlich:
Lembke in: NZA 1998, 349 ff.). Allerdings folgt die Kammer auch nicht der Ansicht des LSG Sachsen-Anhalt, welches
wohl bereits deshalb eine Arbeitsunfähigkeit angenommen hat, da es sich nicht um "normale" Schwangerschaft
gehandelt hat (vgl. dazu: LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23.06.2009, Az.: L 2 AL 41/06, Seite 7). Könnte lediglich
ein vollständig normaler Schwangerschaftsverlauf zu einem Beschäftigungsverbot führen können, so liefe die
Vorschrift ebenfalls praktisch leer. Schließlich muss eine Gefährdung für Mutter oder Leibesfrucht vorliegen, um
überhaupt in den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 MuSchG zu gelangen. Dies wird bei einem vollständig normalen
Schwangerschaftsverlauf wohl kaum der Fall sein. Vielmehr ist dementsprechend eine Beurteilung anhand des
Einzelfalls vorzunehmen. Eine Risikoschwangerschaft allein führt jedenfalls nicht dazu, dass zwingend eine
Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Vielmehr stellt auch die Risikoschwangerschaft für sich genommen noch keinen
krankhaften Zustand dar (so im Ergebnis auch: Schliemann/König, NZA 1998, 1030, 1035).
2. Trotz des vorliegenden Beschäftigungsverbots ist hier von einer Verfügbarkeit im Sinne des § 119 Abs. 5 SGB III
auszugehen. Die Verfügbarkeit ist vorliegend zu fingieren.
Dies ergibt sich vorliegend unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Gesichtspunkte aus einer Analogie zu §
126 Abs. 1 SGB III. Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenslage
voraus (vgl. zu diesen Voraussetzungen der Analogie statt vieler: BSG, Urteil vom 27.06.2007, Az.: B 6 KA 24/06 R).
a) Eine planwidrige Regelungslücke ist hier gegeben.
Dies ergibt sich vorliegend daraus, dass bei einem Beschäftigungsverbot grundsätzlich der Anspruch aus § 11
MuSchG besteht. Im Fall der Arbeitsunfähigkeit besteht zudem ein Anspruch auf Krankengeld. Dass der Fall der
Arbeitslosigkeit hier seitens des Gesetzgebers für den Fall des absoluten Beschäftigungsverbots übersehen wurde,
liegt nahe. Die im Mutterschutzgesetz geregelten Konstellationen beziehen sich vielmehr auf die Ausübung eines
Arbeitsverhältnisses. Grundsätzlich ist auch von einem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses auszugehen, da
während dieser Zeit Kündigungsschutz besteht (§ 9 MuSchG). Zu der vorliegenden Konstellation kommt es lediglich in
den Fällen, dass während eines Beschäftigungsverbots ein befristeter Vertrag ausläuft oder bereits bei Beginn des
Beschäftigungsverbotes Arbeitslosigkeit bestanden hat. Für diesen Fall liegt eine planwidrige Regelungslücke vor.
b) Die Interessenslage ist vorliegend auch vergleichbar.
Zwar handelt es sich bei § 126 Abs. 1 SGB III grundsätzlich um eine Ausnahmevorschrift, die nach allgemeinen
Grundsätzen nur in besonderen Fällen einer erweiternden Auslegung bzw. Analogie zugänglich ist; hier ergibt dies sich
jedoch im Hinblick auf verfassungsrechtliche Erwägung. Hieraus ergibt sich nämlich, dass die werdende Mutter, die
nach Artikel 6 Abs. 4 Grundgesetz (GG) unter dem besonderen Schutz des Staates steht, nicht gerade in der
prekären Situation des absoluten Beschäftigungsverbots, ohne Schutz dastehen kann.
aa) Art 6 Abs. 4 GG enthält neben einem Grundrecht und einem Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber auch eine
wertentscheidende Grundsatznorm (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.05.2005, Az.: 1 BvR 906/04). Art. 6 Abs. 4 GG
ist Ausdruck einer verfassungsrechtlichen Wertentscheidung, die für den gesamten Bereich des privaten und des
öffentlichen Rechts verbindlich ist (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 25.01.1972, Az.: 1 BvL 3/70). Danach hat jede,
insbesondere jede werdende Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der staatlichen Gemeinschaft (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 13.12.1979, Az.: 1 BvL 24/77). Der Schutzauftrag, der darin zum Ausdruck kommt, beruht
mit darauf, dass die Mutterschaft auch im Interesse der Gemeinschaft liegt und deren Anerkennung verlangt (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 28.05.1993, Az.: 2 BvF 2/90). Dem ist auch bei der Auslegung und Anwendung des
einfachen Gesetzesrechts Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.05.2005, Az.: 1 BvR 906/04). Zwar
ergibt sich aus Art. 6 Abs. 4 GG nicht, dass die Kosten des Mutterschutzes ausschließlich vom Staat zu tragen sind,
vielmehr wird die "Gemeinschaft" in die Pflicht genommen, zu der auch die Arbeitgeber gehören (vgl. BVerfG,
Entscheidung vom 23.04.1974, Az.: 1 BvL 19/73). Der Gesetzgeber kann sich bei seiner Aufgabe, Mütter und Kinder
zu schützen, auch Dritter bedienen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.05.1993, Az.: 2 BvF 2/90). Eine Aufteilung der
Kosten des Mutterschutzes zwischen Bund, Krankenkassen und Arbeitgeber ist daher im Hinblick auf Art. 6 Abs. 4
GG grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.11.2003, Az.: 1 BvR 302/96). Hier kommt
jedoch kein übernahmepflichtiger Dritter in Betracht, da zum Zeitpunkt des Beschäftigungsverbots kein
Arbeitsverhältnis mehr bestand und keine Arbeitsunfähigkeit vorlag.
bb) Die Situation ist vorliegend deshalb mit § 126 Absatz 1 SGB III vergleichbar, da auch hier trotz fehlender
konkreter Verfügbarkeit eine Weitergewährung von Arbeitslosengeld geregelt ist. Ergänzend kann auf den Gedanken §
11 MuSchG zurückgegriffen werden (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 14.10.1998, Az.: L 6 AL 496/98, Urteil vom
20.08.2007, Az.: L 9 AL 35/04; SG Frankfurt, Urteil vom 08.12.2006, Az.: S 33 AL 854/05).
Dem stehen die Entscheidungen des BSG aus dem Jahre 1999 und 2008 nicht entgegen. Zwar hat das BSG im Jahre
1999 ausgeführt, dass ein generelles Beschäftigungsverbot wohl ohne eine die Verfügbarkeit ausschließende
Arbeitsunfähigkeit nicht denkbar seien dürfte, hierbei handelte es sich jedoch lediglich um ein obiter dictum (vgl. BSG,
Urteil vom 09.09.1999, Az.: B 11 AL 77/98 R). Zudem hat es ausgeführt, dass nicht ersichtlich sei, welche
Beschäftigungsmöglichkeit für einen Arbeitsvermittler dann noch in Betracht käme. Auch hier handelt es sich jedoch
lediglich um ein obiter dictum. Zudem ergibt sich aus der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde im Jahre
2008 nichts Gegenteiliges (vgl. dazu: BSG, Beschluss vom 05.08.2008, Az.: B 11a AL 167/07 B).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).