Urteil des SozG Oldenburg vom 20.02.2009

SozG Oldenburg: anrechenbares einkommen, haftentlassung, nachzahlung, haus, auflage, verwertung, verordnung, behinderung, gerichtsakte, erlass

Sozialgericht Oldenburg
Urteil vom 20.02.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Oldenburg S 47 AS 1732/08
Der Beklagte hat an den Kläger den Betrag von 895,30 EUR nachzu- zahlen, insoweit wird der Bescheid vom
25.08.2008, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2008, geändert durch den Bescheid vom 09.12.2008,
aufgehoben. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein dem Kläger nach § 51 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) ausgehändigtes
Übergangsgeld als Einkommen auf den Bedarf nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) an Leistungen zur
Sicherung des Lebensunter-halts angerechnet werden kann.
Der im Jahre E. geborene Kläger steht im laufenden Bezug für Leistungen der Grundsi-cherung für Arbeitsuchende
nach dem SGB II beim Beklagten.
Der Kläger war vom 16.01.2008 bis zum 14.07.2008 in der Justizvollzugsanstalt F. in Haft. Am Entlassungstag, dem
14.07.2008, erhielt der Kläger aufgrund seiner Arbeitstä-tigkeit während der Haftzeit ein Überbrückungsgeld im Sinne
des § 51 StVollzG ausge-händigt. Dieses hatte er während der Haftzeit durch Arbeitstätigkeit erwirtschaftet. Es
erreichte die Höhe von 1.045,32 EUR. Außerdem erhielt er weitere Barmittel in Höhe von 88,97 EUR ausgehändigt.
Mit Bescheid vom 31.07.2008 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen des SGB II für den Zeitraum 15.07.2008
bis Dezember 2008. Hierbei wurden in den Monaten August bis Oktober 2008 jeweils 378,10 EUR abzüglich der
Versicherungspauschale von 30,- EUR als Einnahmen angerechnet. Der Bescheid wurde mit Bescheid vom
25.08.2008 für den glei-chen Zeitraum dahingehend geändert, dass in den Monaten August bis Oktober 2008 ein
Betrag von 226,85 EUR abzüglich der Versicherungspauschale von 30,- EUR als sonstiges Einkommen angerechnet
wurde und in den Monaten November und Dezember 2008 der Betrag von 226,85 EUR ohne Abzug einer
Versicherungspauschale. Hierbei handelte es sich ausweislich des Bescheides wiederum um die Anrechnung des
ausgezahlten Überbrü-ckungsgeldes.
Zuletzt mit Bescheid vom 09.12.2008 wurde die Leistungsbewilligung für den Zeitraum 01.08.2008 bis 31.12.2008
dahingehend geändert, dass nur noch monatlich 209,06 EUR abzüglich jeweils der Versicherungspauschale von 30,-
EUR im Zeitraum August bis De-zember 2008 als Einnahme aus Überbrückungsgeld angerechnet wurden.
Der Kläger ist der Auffassung, dass das ihm ausgezahlte Überbrückungsgeld nach Ab-lauf von 4 Wochen nach Ende
seiner Haftzeit nicht als Einkommen angerechnet werden könne. In § 51 Abs. 1 StVollzG. sei gesetzlich festgelegt,
dass das Überbrückungsgeld nur innerhalb der ersten 4 Wochen als Einkommen angerechnet werden könne.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 25.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 09.09.2008 aufzuheben,
soweit dem Kläger für die Zeit nach dem 11.08.2008 Überbrückungsgeld als Einkommen angerechnet wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass das Überbrückungsgeld als einmalige Einnahme anzurechnen sei. Der Betrag
des Überbrückungsgeldes sei auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und anzurechnen, wobei der
Krankenversicherungsschutz des Hil-feempfängers sichergestellt sein müsse, die Hilfebedürftigkeit also durch die
Anrechnung nicht vollständig entfallen dürfe.
Das mit Erlass des Bescheides vom 09.12.2008 durch den Beklagten abgegebene Teil-anerkenntnis, dass nur das
Überbrückungsgeld und nicht die weiteren 88,97 EUR als Ein-nahmen angerechnet würden und dass die
Versicherungspauschale in Höhe von 30,- EUR in jedem Monat der Anrechnung abgesetzt wurde, hat der Kläger
angenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die vom Beklagten als
Verwaltungsvorgänge vorgelegten Unterlagen und den Inhalt der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die durch den Beklagten vorgenommene Anrechnung des Überbrückungsgeldes
gemäß § 51 StVollzG für einen Zeitraum nach Ablauf von 4 Wochen nach Haftentlassung ist rechtswidrig.
Dementsprechend war der aus dem Tenor ersichtliche Betrag an den Kläger nachzuzahlen.
Bei dem Überbrückungsgeld im Sinne des § 51 StVollzG handelt es sich um eine Geld-zahlung, die nach Ablauf von 4
Wochen nach Ende der Haftzeit nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II als zweckbestimmte Einnahme nicht auf die
Leistungen nach dem SGB II durch den Beklagten angerechnet werden kann. (vgl. BVerwG vom 21.06.1990, Az. 5 C
64/86)
Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunter-halts nach dem SGB II liegen
vor. Der Kläger ist Berechtigter i. S. des § 7 Abs. 1 SGB II. Er hat das 15. Lebensjahr vollendet und das 65.
Lebensjahr noch nicht vollendet (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der
Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Er ist erwerbsfähig i. S. v. § 8 SGB II (§ 7 Abs. 1 Satz
1 Nr. 2 SGB II), da dem Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte für das Vorlie-gen einer Krankheit oder Behinderung, die
ihn an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für
mindestens drei Stunden täglich hindern könnte, zu entnehmen sind. Zudem ist er gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
SGB II in Verbindung mit §§ 9, 11, 12 SGB II hilfebedürftig, weil er voraussichtlich für die Dauer von sechs Monaten
nicht über ein eigenes, seinen Hilfebedarf deckendes Einkommen (§ 11 SGB II, s.u.) und auch nicht über für die
sofortige Verwertung zu be-rücksichtigendes Vermögen im Sinne des § 12 SGB II verfügt. Schließlich war er wäh-rend
des streitigen Zeitraumes allein stehend, weil er weder mit Angehörigen im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II in einer
Bedarfsgemeinschaft noch mit Verwandten in einer Haus-haltsgemeinschaft zusammen gelebt hat.
Das an den Kläger ausgezahlte Überbrückungsgeld im Sinne des § 51 StVollzG stellt für den Zeitraum ab dem
11.08.2008 kein anrechenbares Einkommen im Sinne des § 11 SGB II dar. Dies ergibt sich aus der Regelung des §
11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II in Verbin-dung mit § 51 Abs. 1 StVollzG. Aus der Regelung des § 51 Abs. 1 StVollzG ergibt
sich eine ausdrückliche gesetzliche Zweckbestimmung im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II.
Nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II sind Geldwertezuflüsse dann nicht als Einkommen zu berücksichtigen, wenn sie
einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig
beeinflussen, dass daneben Leis-tungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären. Diese Regelung ist im Regelfall
dann anwendbar, wenn eine Zweckbestimmung der Einnahmen und Zuwendungen be-steht, die nicht den Zwecken der
Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II ent-spricht. (Mecke in Eicher/Spellbrink SGB II, Kommentar 2.
Auflage 2008 § 11 Rn. 39 m.w.N.)
In § 51 Abs. 1 StVollzG ist ausdrücklich gesetzlich der Zweck des Überbrückungsgeldes bestimmt. Das
Überbrückungsgeld soll den notwendigen Lebensunterhalt des Gefange-nen und seiner Unterhaltsberechtigten für die
ersten 4 Wochen nach seiner Entlassung sichern. Dies ist auch der Zweck der Leistungen nach dem SGB II. Somit
ist das Überbrückungsgeld grundsätzlich auf den Bedarf nach dem SGB II anzu-rechnen. (vgl. BVerwG a.a.O.)
Dieser gleiche Zweck wie derjenige der Leistungen nach dem SGB II ist jedoch in § 51 StVollzG ausdrücklich zeitlich
beschränkt. Das Überbrückungsgeld dient nur für die ers-ten 4 Wochen nach der Haftentlassung dem Lebensunterhalt
des Gefangenen. Aus die-ser zeitlichen Begrenzung der Zweckbestimmung folgt, dass das Überbrückungsgeld nur in
den ersten 4 Wochen als Einkommen anzurechnen ist und eine längere Anrechnung auf nachfolgende Zeiträume
ausgeschlossen wird. Ebenso folgt nach Auffassung des erkennenden Gerichtes aus dieser Regelung, dass nach
Ablauf der ersten 4 Wochen evtl. verbleibendes Überbrückungsgeld nicht mehr den gleichen Zwecken dienen soll,
bzw. nicht als weiteres Einkommen angerechnet werden kann. Die Regelung des § 2 Abs. 4 der Verordnung zur
Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld
II (Alg II -V) steht dem nicht ent-gegen. Die höherrangige gesetzliche Regelung des § 51 StVollzG beschränkt den An-
rechnungs- und Verteilzeitraum bezüglich einmaliger Einnahmen, der in der Regelung des § 2 Abs. 4 Alg II -V
festgelegt ist.
Die Höhe der Nachzahlung ergibt sich daraus, dass über fünf Monate nach Ende der gleichen Zweckbestimmung
jeweils 179,06 EUR als sonstiges Einkommen angerechnet worden sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
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