Urteil des SozG Oldenburg vom 04.07.2008

SozG Oldenburg: sanktion, zumutbare arbeit, kündigung, gemeinde, datum, koch, firma, beruf, rechtsschutz, auflage

Sozialgericht Oldenburg
Beschluss vom 04.07.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Oldenburg S 47 AS 1240/08 ER
Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller für den Zeitraum vom 26.06.2008 an Leistungen nach dem
Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ohne Abzüge für Sanktionen aufgrund der Bescheide vom 23.04.2008,
07.05.2008 und 29.05.2008 zu gewähren. Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des
Antragstellers zu tragen, § 193 Sozialgerichtsgesetz entsprechend.
Gründe:
Sämtliche auf den Zeitraum ab Antragstellung im einsteiligen Rechtsschutz wirkende Sanktionsbescheide des
Antragsgegners stellen sich nach dem Ergebnis der summarischen Prüfung im Gerichtsverfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes als auch in einem Hauptsacheverfahren als höchstwahrscheinlich unwirksam heraus.
I. Der Antragsteller und seine Partnerin stehen seit September 2007 im Leistungsbezug beim Beklagten – Gemeinde
Edewecht. Außerdem gehört zu der Bedarfsgemeinschaft des Antragstellers die gemeinsame im Jahre 2008 geborene
Tochter.
Der Antragsteller hat eine Ausbildung/Umschulung zum Koch erfolgreich abgeschlossen. Er befand sich bis zum
15.02.2008 in einer Anstellung bei dem Hotel-Restaurant-Saalbetrieb C. in D ... Dieses Anstellungsverhältnis wurde
mit Kündigung von 31.01.2008 betriebsbedingt zum 15.02.2008 beendigt. In dieser Kündigung wurde mitgeteilt, dass
die Hoffnung und der Wille bestehe, ihn ab dem 01.04.2008 wieder einzustellen.
Mit Datum vom 02.04.2008 schloss der Antragsteller mit der Gemeinde Edewecht eine Eingliederungsvereinbarung, in
der er sich dazu verpflichtete, jeden Monat fünf aussagekräftige Bewerbungen vorzulegen. Am gleichen Tage wurden
ihm drei Stellenangebote überreicht, auf die er sich bewerben sollte. Die Ergebnisse der Bewerbungen sollte er bis
zum 10.04. der Gemeinde Edewecht mitteilen. Am 03.04.2008 stellte der Antragsteller sich bei der Gaststätte E.
aufgrund einer Bewerbung als Koch/Beikoch für deutsche Küche vor. Die Stelle dort war als Vollzeitarbeitsstelle
ausgeschrieben. Als Vergütung war Tariflohn angeboten. Nachdem der Antragsteller schon am 03.04. kurz bei dem
Betrieb E. probearbeiten konnte, machte er vom 08.04 bis zum 14.04.2008 ein "Vorpraktikum" bei diesem Betrieb.
Direkt im Anschluss an das Vorpraktikum wurde er am 15.04. beim Landgasthaus E. als Koch für die Arbeitszeit von
30 Stunden pro Woche unbefristet fest angestellt. Die Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche sollte in einem
absehbaren Zeitraum auf eine 40-Stunden-Woche erhöht werden.
Mit Datum vom 16.04.2008 hörte der Antragsgegner den Antragsteller bzgl. einer 30%-igen Sanktion wegen fehlender
Bewerbungsbemühungen an. Der Antragsteller habe sich bis zum 10.04.2008 bei den drei ihm mitgeteilten Firmen zu
bewerben gehabt. Am 23.04.2008 erging dann für die Zeit vom 01.05. bis zum 31.07.2008 eine Sanktion in Höhe von
30% der für den Antragsteller maßgebenden Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts. Im gleichen
Schreiben wurde er aufgefordert, mit denjenigen drei Firmen Kontakt aufzunehmen, die ihm bereits am Tag der
Eingliederungsvereinbarung mitgeteilt wurden. Bei diesen Firmen handelte es sich um die Firma F., dort um eine
Stelle als Baumschulmitarbeiter, die Firma G. bzgl. einer Stelle als Koch für deutsche Küche und die Firma H. bzgl.
einer Stelle als Verpackungshelfer in der Geflügelverarbeitung in I ...
Nachdem der Antragsteller bis zum ihm gesetzten Datum vom 02.05.2008 keine Kontaktaufnahme mit den oben
aufgeführten drei Firmen nachwies, erließ der Antragsgegner mit Datum vom 07.05.2008 ohne weitere Anhörung
wegen wiederholter Pflichtverletzung eine Sanktion in Höhe von weiteren 60% für die Zeit vom 01.06. bis zum
31.08.2008.
Dem Antragsteller wurde wegen angeblicher Verletzungen der Pflichten aus seinem Arbeitsvertrag aufgrund
Fehlverhaltens mündlich am 01.05.2008 vom Landgasthaus E. gekündigt. Eine schriftliche Bestätigung der Kündigung
legte der Antragsteller mit Datum vom 12.06.2008 vor.
Mit Datum vom 09.05.2008 wurde er zu einer weiteren Sanktion in Höhe von 100% seiner Leistungen wegen der
Beendigung der Arbeit beim Landgasthaus E. angehört. Gegen dieses Schreiben legte er unter dem 13.05.2008
Widerspruch ein.
Unter dem 09.05.2008 erhielt der Antragsteller von der Gemeinde Edewecht ein weiteres Stellenangebot der Firma J.
Service GmbH&CoKG bzgl. eines Arbeitsplatzes als Hilfsarbeiter in einer Ziegelei mit der Aufforderung, sich dort zu
bewerben. Sofort am 09.05.2008 kontaktierte der Antragsteller die Firma und erhielt dort nach Vorstellung zum
13.05.2008 die Festanstellung in obiger Stellung, die er heute noch ausübt.
Unter dem 13.05.2008 legte der Antragsteller auch Widerspruch gegen die Bescheide vom 23.04.2008 und 07.05.2008
ein.
Auf den Widerspruch des Antragstellers ergingen unter dem 17.06. und unter dem 18.06.2008 insgesamt drei
Widerspruchsbescheide, die den Widerspruch zweimal als unbegründet und einmal als unzulässig zurückwiesen.
Mit Datum vom 29.05.2008 erging eine weitere Sanktion in Höhe von 100% der Leistungen für den Zeitraum Juli 2008
bis September 2008.
Nachdem der Antragsteller unter dem 13.05.2008 eine neue Arbeitsstelle angetreten hat, reduzierte der Antragsgegner
mit Datum vom 20.06.2008 die 100%-ige Sanktion auf 60% der Regelleistung gemäß § 31 Abs. 5 Satz 5 SGB II.
Am 26.06.2008 beantragte der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen der Sanktionsbescheide.
Diesen Antrag begründete er damit, dass ihm zum einen vom Arbeitgeber C. eine Wiedereinstellung zum 01.04.2008
zugesichert worden sei, zum anderen er die Stellenofferte des Landgasthauses E. gefunden und sich dort daraufhin
beworben habe, er gar ab dem 15.04. in unbefristeter Weise mit 30 Wochenstunden angestellt worden sei, ihm eine
Zusage bzgl. einer Erhöhung der Wochenstunden gegeben worden sei und er deswegen davon ausgegangen sei, dass
er sich nicht weiter habe bewerben müssen. Außerdem habe er die Kündigung beim Landgasthaus E. nicht selbst
verschuldet.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm für den Zeitraum ab
Antragstellung Leistungen nach dem SGB II ohne Abzüge aufgrund von Sanktionen zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass die Sanktion vom 29.05.2008 gerechtfertigt sei, da der Antragsteller aufgrund seines
Verhaltens eine Sperrzeit nach dem SGB III hätte bekommen müssen. Die Sanktion vom 07.05.2008 sei rechtmäßig,
da der Antragsteller sich nicht fristgemäß auf die von der Gemeinde Edewecht vorgelegten drei Stellenangebote
beworben habe. Gleiches gelte für die Sanktion vom 23.04.2008, die ergangen sei, da der Antragsteller sich nicht bis
zum 10.04. auf die Angebote, die durch die Gemeinde Edewecht übermittelt worden waren, gemeldet habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die vom Antragsgegner als
Verwaltungsvorgänge vorgelegten Unterlagen und die Ergebnisse der Verhandlungen im Termin zur Erörterung des
Sachverhaltes am 04.07.2008 Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch begründet. Die streitigen Sanktionen sind
jedenfalls für den streitgegenständlichen Zeitraum ab Antragstellung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
nicht rechtmäßig ergangen. Die Erfolgsaussichten eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz beurteilen sich nach
§ 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige
Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des
bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert
werden könnte (S. 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein
streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung nötig erscheint (S. 2). Voraussetzung für den Erlass
einer einstweiligen Anordnung ist, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber der Antragsgegnerin besteht
(Anordnungsanspruch) und die Antragstellerin ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile
erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen
materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile
müssen glaubhaft gemacht werden (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -). Dabei
darf die einstweilige Anordnung jedoch wegen des summarischen Charakters des Verfahrens im einstweiligen
Rechtsschutz grundsätzlich nicht die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen. Bei offenem Ausgang des
Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und/oder Rechtslage im Eilverfahren nicht
möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dies jedenfalls dann, wenn die grundrechtlichen
Belange des Antragstellers betroffen sind, weil die Gerichte sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des
Einzelnen stellen müssen. Bei offensichtlicher Betroffenheit der Grundrechte sind die grundrechtlichen Belange der
Antragsteller umfassend in die Abwägung einzustellen. (Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 12.05.2005 zum
AZ 1 BvR 569/05).
Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II liegen
hier vor. Der Kläger ist Berechtigter i. S. des § 7 Abs. 1 SGB II. Er hat das 15. Lebensjahr vollendet und das 65.
Lebensjahr noch nicht vollendet (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der
Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Er ist erwerbsfähig i. S. v. § 8 SGB II (§ 7 Abs. 1 Satz
1 Nr. 2 SGB II), da dem Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Krankheit oder Behinderung, die
ihn an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für
mindestens drei Stunden täglich hindern könnte, zu entnehmen sind. Zudem ist er gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
SGB II in Verbindung mit §§ 9, 11, 12 SGB II in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang hilfebedürftig, weil er
voraussichtlich für die Dauer von sechs Monaten weder über ein eigenes, seinen Hilfebedarf deckendes Einkommen
(§ 11 SGB II) noch über für die sofortige Verwertung zu berücksichtigendes Vermögen im Sinne des § 12 SGB II
verfügt. Ebensowenig verfügten die weiteren Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft über Einkommen oder Vermögen
im obigen Sinne.
Der insoweit maßgebliche Hilfebedarf ist anhand der gesetzlich vorgesehenen Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes (§§ 19 ff. SGB II) zu bestimmen. Nach § 19 Satz 1 SGB II in der hier anwendbaren Fassung des
Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954) erhalten
erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich
der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung sowie unter den Voraussetzungen des § 24 SGB II einen
befristeten Zuschlag. Der monatliche Gesamtbedarf des Antragstellers besteht aus der Regelleistung in Höhe von
312,00 Euro, da der Antragsteller in Bedarfsgemeinschaft mit Frau K. und dem gemeinsamen Kind L. lebt. Dazu
kommen die zu berücksichtigenden Kosten der Unterkunft und der Heizung.
Eine Absenkung bzw. ein Wegfall des Arbeitslosengeldes II ist nur unter den engen Voraussetzungen des § 31 SGB
II möglich. Die Tatbestände, auf die die einzelnen Sanktionen des Antragsgegners gestützt worden sind, sind nicht
einschlägig, so dass keine rechtmäßige Sanktion möglich war. Dies ergibt sich im Einzelnen aus Folgendem:
1) Die Sanktion vom 29.05.2008 wurde vom Antragsgegner auf den Tatbestand des § 31 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3b SGB II
gestützt. Dieser besagt, dass bei einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, der die in dem Dritten Buch genannten
Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit erfüllt, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf
Arbeitslosengeld begründen, eine Sanktionierung möglich ist.
Es ist in Rechtsprechung und juristischer Literatur nicht eindeutig geklärt, ob im Fall der Beendigung eines
Arbeitsverhältnisses eine Sanktion überhaupt auf diesen Tatbestand des § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II gestützt werden
kann oder nicht vorrangig § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II anwendbar ist, wenn eine Beschäftigung während des
Leistungsbezugs nach SGB II aufgegeben wird (Rixen in Eicher/Spellbrink SGB II Kommentar 2. Auflage 2008 § 31
Rn. 31a; Berlit in LPK-SGB II 2. Auflage 2007 § 31 Rn. 126; Valgolio in Hauck/Noftz/Voelzke § 31 Rn. 133 m.w.N.).
Eine Entscheidung zwischen diesen beiden Tatbeständen ist jedoch nicht erforderlich, da eine Sanktion weder auf den
einen noch auf den anderen hätte rechtmäßig gestützt werden können.
Eine Sperrzeit im Rahmen des SGB III ist nur dann zulässig, wenn eine arbeitsrechtlich wirksame Kündigung vorliegt.
Neben der Tatsache, dass nach § 623 BGB zwingend zur Wirksamkeit einer Kündigung eines Arbeitsverhältnisses die
Schriftform erforderlich ist und dies nach dem Ergebnis des Erörterungstermins und der vorliegenden Akten jedenfalls
bis zum 12.06.2008 nicht der Fall war und die Kündigung schon deswegen unwirksam wäre, ist die Kündigung auch
aus anderen Gründen unwirksam. Vor dem Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung ist zwingend die vorherige
Abmahnung des Arbeitnehmers erforderlich (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts; vgl. BAG vom
17.02.1994 Az.: 2 Azr 616/93). Die Kündigung des Antragstellers wurde auf (angebliches) Fehlverhalten in der Form
der Schlechterfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten gestützt, ohne vorher eine Abmahnung auszusprechen und
ist schon deswegen unwirksam.
Sofern die Sanktion des Antragstellers auf § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II gestützt werden sollte, wäre der
Tatbestand der Weigerung der Fortführung einer zumutbaren Arbeit denkbar. Eine Weigerung des Antragstellers in
diesem Sinne ist nicht zu ermitteln. Eine solche läge nur dann vor, wenn der Hilfebedürftige die Durchführung der
Arbeiten von sich aus beendet hätte, beispielsweise durch Eigenkündigung/Aufhebungsvertrag oder Nichterscheinen
bei der Arbeit (vgl. Berlit in LPK-SGB II a.a.O. § 31 Rn. 38 f. m.w.N.). Bei einer verhaltensbedingten
Arbeitgeberkündigung liegt eine Fortführungsverweigerung nur dann vor, wenn den Hilfebedürftigen schwerwiegende
Verletzungen arbeitsvertraglicher Haupt- oder Nebenpflichten vorgeworfen werden können (vgl. Berlit a.a.O. § 31 Rn.
40 ff. m.w.N.). Unstreitig liegt keine entsprechend schwerwiegende Pflichtverletzung des Antragstellers vor, er hat
selbst nach Vortrag des vormaligen Arbeitgebers nur "seine Arbeiten nicht ordnungsgemäß ausgeführt".
Außerdem ist es bedenkenswert, ob eine Sanktionierung einer vergangenen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses
noch möglich ist, wenn die zu sanktionierende Person sich wieder in einem neuen Arbeitsverhältnis befindet. Es
könnte davon auszugehen sein, dass die vormalige Aufgabe des Arbeitsplatzes durch die neuerliche Aufnahme eines
anderen Arbeitsverhältnisses gegenstandslos ist. Dies würde sich auch damit decken, dass die Verhängung einer
Sperrzeit für das Arbeitslosengeld I nach dem SGB III nach einer neuerlichen Arbeitsaufnahme gegenstandslos wird.
2) Mit Datum vom 07.05.2008 wurde gegen den Antragsteller eine Sanktion in Höhe von 60% der Regelleistung für
den Zeitraum Juni 2008 bis August 2008 verhängt.
Diese Sanktion wurde daran angeknüpft, dass sich der Kläger auch bis zum 02.05.2008 nicht bei den ihm schon
bekannten drei angebotenen Arbeitsstellen beworben hatte. Mit dem Sanktionsbescheid vom 23.04.2008 war der
Kläger zugleich aufgefordert worden, sich bis zum 02.05.2008 bei diesen drei Firmen zu bewerben. Diese Sanktion
vom 07.05.2008 konnte jedoch ebenfalls nicht rechtmäßig ergehen.
Die Sanktion wurde auf den Tatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II gestützt. In dem Unterlassen der
Bewerbung sollte die Weigerung der Aufnahme einer zumutbaren Arbeit zu sehen sein.
Das Verhalten des Antragsstellers stellt jedoch keine tatbestandsrelevante Weigerung der Aufnahme einer
zumutbaren Arbeit dar. Aufgrund der Tatsache, dass sich der Antragsteller im Zeitraum bis zum 01.05.2008 in
ungekündigter Festanstellung befand und in dieser Anstellung laut der vorliegenden Stellenanzeige Tariflohn gezahlt
wurde, war die Unterlassung der Bewerbung auf andere Arbeitsangebote nicht mit einer Sanktion zu belegen.
Dies ergibt sich daraus, dass die Weigerung, eine besser bezahlte und zumutbare Arbeit aufzunehmen, im Grundsatz
ein Sanktionstatbestand sein kann. Hieraus ergibt sich auch, dass ein Leistungsempfänger nur dann verpflichtet sein
kann, eine von ihm ausgeübte Beschäftigung auszuüben, wenn er sich und seine evtl. Bedarfsgemeinschaft von
dieser Beschäftigung nicht ernähren kann (vgl. OVG Bremen vom 01.06.2006 Az.: S 1b 140/06; Geiger Leitfaden zum
Arbeitslosengeld II 4. Auflage 2007 Seite 519 m.w.N.). Aufgrund der Tatsache, dass von einem Leistungsempfänger
nur dann die Aufgabe einer Arbeit verlangt werden kann, wenn eine besser bezahlte und zumutbare Arbeit angetreten
werden kann, kann von einem Leistungsempfänger konsequenterweise auch nicht verlangt werden, sich auf eine
Arbeitsstelle zu bewerben, für die er seine tatsächliche ausgeübte Stellung nicht beenden müsste. Eine Pflicht zur
Bewerbung auf eine nicht besser dotierte Stellung, bzw. eine Stellung, die keine besseren Perspektiven bietet, wäre
vor dem Hintergrund, dass die tatsächlich ausgeübte Arbeit nicht aufgegeben werden muss sinnlos. In Anbetracht der
Tatsache, dass eine Sanktionierung des Leistungsempfängers nach § 31 SGB II einen großen Einschnitt in seine
grundgesetzlich gewährleisteten Rechte beinhaltet, kann eine solche auch nur auf eine nachweislich besser dotierte
und in größerem Umfang ausgeübte Arbeitsstelle, auf die sich der Leistungsempfänger nicht bewirbt, gestützt werden.
Der Antragsteller befand sich im Zeitraum vom 23.04.2008 (Aufforderung zur Bewerbung) bis zum 01.05.2008 in einer
ungekündigten unbefristeten Anstellung als Koch, also in seinem erlernten Beruf, wobei die Tätigkeit jedoch nur einen
Zeitraum von 30 Stunden pro Woche umfasste. Die vom Antragsgegner dem Antragsteller übermittelten
Arbeitsangebote beziehen sich nicht auf nachweislich besser dotierte Arbeitsstellen. Die Stellung bei F. als
Baumschulmitarbeiter, wie auch die Stelle bei der H. als Verpackungshelfer in der Geflügelverarbeitung bieten weiter
keine Anstellung in dem erlernten Beruf des Antragstellers. Es handelt sich um Angebote für ungelernte Arbeitskräfte.
Diese bieten keine bessere Perspektive als eine zum Zeitpunkt des vom Antragsgegner angeführten angeblichen
Fehlverhaltens ausgeübte Tätigkeit im erlernten Beruf des Antragstellers. Die dritte Tätigkeit bei der Firma M. bezog
sich auf eine Tätigkeit als Koch, die dem erlernten Beruf des Antragstellers entsprach, jedoch nicht auf eine "bessere
Anstellung" als diejenige im Landgasthaus E., die er bis zum 01.05.2008 ausübte. Es handelte sich bestenfalls um
eine gleichwertige Tätigkeit, wobei Aussagen zum Anstellungsumfang aus der Stellenanzeige nicht ersichtlich waren.
Aussagen zu den Dotierungen finden sich in allen drei Stellenanzeigen nicht, so dass in Anbetracht der Tatsache,
dass es sich um Angebote für ungelernte Arbeitskräfte handelt, und in Ermangelung anderer Informationen davon
ausgegangen wird, dass keine bessere Dotierung bestand als in der ausgeübten Anstellung.
Die Tatsache, dass er am 01.05.2008 eine Kündigung erhielt, kann nicht dazu führen, dass er innerhalb eines Tages
(Bewerbungsfrist bis zum 02.05.2008 aus Bescheid vom 23.04.2008) seine Pflichten zu erfüllen hätte. Eine
Sanktionierung auf die Nichtbewerbung an einem einzigen Tage zu stützen wäre unverhältnismäßig.
Aufgrund der Tatsache, dass die Sanktion schon aus diesem Grunde unwirksam ist, kann es dahingestellt bleiben, ob
eine Aufforderung zur Bewerbung in einem Bescheid mit einem Sanktionsbescheid wirksam möglich ist und eine
Sanktion hierauf gestützt werden kann. Ebenso kann dahingestellt bleiben, dass bzgl. der Sanktionierung unter dem
07.05.2008 keine Anhörung des Antragstellers stattgefunden hat.
3) Auch der Sanktionsbescheid unter dem 23.04.2008 wegen des Unterlassens der Bewerbung auf die von der
Gemeinde Edewecht angebotenen Anstellungen ist nicht rechtmäßig möglich. Der Tatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1c SGB II ist aus den gleichen Gründen nicht einschlägig, die auch die Unwirksamkeit des Sanktionsbescheides
vom 07.05.2008 bedingen.
Zum Zeitpunkt des angeblichen Fehlverhaltens - Bewerbungen bis zum 10.04.2008 - hatte der Antragsteller eine feste
Anstellung in seinem erlernten Beruf im Landgasthaus E. fest in Aussicht. Er befand sich seit dem 08.04.2008 in
einem betrieblichen Praktikum, welches nach Abschluss mit großer Sicherheit zu einer Festanstellung führen sollte.
Zu diesem Zeitpunkt konnte der Antragsteller davon ausgehen, dass er für 40 Stunden in der Woche, also Vollzeit,
eingestellt werden würde. Dies war ihm vom Arbeitgeber in Aussicht gestellt worden. Eine Reduktion auf 30 Stunden
fand erst nach Beginn des Arbeitsverhältnisses am 15.04.2008 statt. Somit stellten die von der Gemeinde Edewecht
übermittelten Angebote keine ein besser dotierten oder bessere Perspektiven bietende Angebote dar. Im Übrigen
ergibt sich aus den in der Akte befindlichen Stellenangeboten, die der Antragsteller über die Gemeinde Edewecht
erhalten hat, nicht einmal die genaue Dotierung des angebotenen Arbeitsplatzes, geschweige denn die anvisierte
Arbeitszeit. Somit war dem Antragsteller eine Bewertung der weiteren Arbeitsangebote in Bezug auf deren bessere
Chancen im Vergleich zu dem in Aussicht gestellten Arbeitsplatz beim Landgasthaus E. nicht möglich.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entsprechend.
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