Urteil des SozG Oldenburg vom 25.01.2010

SozG Oldenburg: wohnung, abgrenzung, ermessen, begriff, ausstattung, beschränkung, höchstbetrag, verfügung, umzug, notlage

Sozialgericht Oldenburg
Gerichtsbescheid vom 25.01.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Oldenburg S 45 AS 750/09
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Aufwendungen des Klägers für einen Wasserkocher und eine
Waschmaschine.
Der Kläger bezieht laufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch –
Zweites Buch – (SGB II).
Er beantragte mit Schreiben vom 1. Dezember 2008 die Übernahme seiner Aufwendungen für eine von ihm am 3. Mai
2006 beschaffte Waschmaschine in Höhe von insgesamt 847,42 EUR (669,95 EUR Anschaffungspreis, 16,95 EUR
Versandkosten, 160,52 EUR Ratenfinanzierungskosten) und für einen von ihm am 18. November 2008 beschafften
Wasserkocher in Höhe von 57,64 EUR (49,99 EUR Anschaffungspreis, 2,95 EUR Versandkosten, 4,70 EUR
Ratenfinanzierungskosten). Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 20. Januar 2009 ab. Zur Begründung verwies
er darauf, dass die Aufwendungen für beide Gegenstände aus der Regelleistung zu bestreiten seien. Nur im Einzelfall
könne er einen unabweisbaren Bedarf darlehensweise übernehmen. Schließlich sei die Bewilligung aber auch schon
deshalb abzulehnen, weil beim Kläger keine Haushaltsgründung vorgelegen habe und er vor der Beschaffung auch
keinen entsprechenden Antrag gestellt habe.
Den dagegen gerichteten Widerspruch vom 18. Februar 2009 hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. März
2009 zurückgewiesen. Der Widerspruchsbescheid ist der Prozessbevollmächtigten des Klägers ausweislich des
Empfangsbekenntnisses am 4. März 2009 zugegangen.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger am Montag, dem 6. April 2009, Klage erhoben. Diese hat er damit
begründet, dass es sich bei den beschafften Gegenständen entgegen der Ansicht des Beklagten durchaus um
Wohnungserstausstattung handele, auch wenn er seine Wohnung bereits zum 1. Januar 2005 bezogen habe. Die
Gegenstände seien auch nicht überteuert gewesen; vielmehr habe die beschaffte Waschmaschine lediglich 669,95
EUR gekostet, und die Preisdifferenz ergebe sich aus der abgeschlossenen Ratenzahlungsvereinbarung. Schließlich
sei bereits der Erstantrag auf SGB II-Leistungen so auszulegen, dass auch die Anschaffung der beiden Gegenstände
von ihm umfasst gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 20. Januar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. März 2009
aufzuheben und dem Kläger die aufgewendeten Kosten für die Anschaffung eines Wasserkochers in Höhe von 57,64
EUR sowie einer Waschmaschine in Höhe von 847,42 EUR zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er beruft sich dazu auf sein bisheriges Vorbringen.
Das Gericht hat die Beteiligten zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Wegen der weiteren Einzelheiten
des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge des
Beklagten verwiesen. Letztere sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Der Zulässigkeit der Klage steht es nicht entgegen, dass sie erst am 6. April 2009 bei Gericht eingegangen ist.
Denn der Ablauf der Klagefrist am 4. April 2009 fiel auf einen Samstag, so dass Fristablauf erst am nachfolgenden
Montag, dem 6. April 2009, war (§ 64 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Denn der Bescheid des Beklagten vom 20. Januar 2009 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 2. März 2009 erweist als rechtmäßig. Der Beklagte hat die Übernahme der Kosten für
die Waschmaschine und den Wasserkocher zu Recht abgelehnt.
Rechtsgrundlage einer möglichen Kostenübernahme ist § 23 Abs. 3 Nr. 1 SGB II. Nach dieser Vorschrift sind
Leistungen für Erstausstattungen für Wohnungen einschließlich Haushaltsgeräten nicht von der Regelleistung
umfasst; sie werden vielmehr gesondert erbracht.
a) In dem angeschafften Wasserkocher ist aber schon keine Wohnungserstausstattung zu sehen. Auch wenn der
Begriff der Erstausstattung nicht zu eng ausgelegt werden darf, so deckt er aber allenfalls diejenigen Gegenstände ab,
die für eine geordnete Haushaltsführung und ein menschenwürdiges Wohnen erforderlich sind (vgl. Eicher/Spellbrink,
SGB II, 2. Aufl. 2008, § 23 Rdnr. 101). In diesem Sinne ist ein Wasserkocher nicht erforderlich, denn Wasser ist
durchaus auch in einem Kochtopf auf dem Herd zum Kochen zu bringen, auch wenn dies möglicherweise einen
höheren Energieverbrauch hervorruft. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 SGB II liegen daher nicht vor. Auch
weitere Gründe für eine Übernahme der Anschaffungsaufwendungen sind nicht ersichtlich.
b) Demgegenüber stellt die angeschaffte Waschmaschine ohne weiteres eine Erstausstattung im Sinne des § 23 Abs.
3 Nr. 1 SGB II dar. Denn dieser Begriff ist nicht zeitlich, sondern bedarfsbezogen zu interpretieren; er meint alle
Bedarfe, die im Sachbereich von Wohnung, Hausrat und Bekleidung erstmals vom Grundsicherungsträger abgedeckt
werden sollen (vgl. vgl. Eicher/Spellbrink, SGB II, § 23 Rdnr. 97 m.w.N.).
c) Allerdings handelt es sich bei der bereits am 3. Mai 2006 angeschafften Waschmaschine im Zeitpunkt der
Antragstellung am 1. Dezember 2008 nicht mehr um einen Bedarf des Klägers. Der Sache nach begehrt dieser
vielmehr die Übernahme von bereits entstandenen Schulden.
(1) Insofern kann der ursprüngliche Antrag des Klägers auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach
dem SGB II vom 30. August 2004 nicht dahingehend ausgelegt werden, dass auch eine Beihilfe für die
Erstausstattung der Wohnung mit einer Waschmaschine beantragt worden ist. Eine mögliche, aber auch notwendige
Auslegung umfasst dabei nämlich nur solche Leistungen, die nach Lage des Falles ernsthaft in Betracht kommen
(vgl. vgl. Eicher/Spellbrink, SGB II, § 37 Rdnr. 21). Vom Grundsicherungsträger kann demgegenüber nicht verlangt
werden, dass er Ermittlungen in jegliche Richtung anstellt und ohne nähere Anhaltspunkte den Bedarf des
Hilfebedürftigen ausforscht. Insofern fehlt jeglicher Vortrag darüber, aufgrund welcher Umstände für den Beklagten
zum Zeitpunkt der Antragstellung erkennbar gewesen sein sollte, dass der Kläger beim Umzug in seine gegenwärtige
Wohnung zum 1. Januar 2005 eine Waschmaschine benötigte.
(2) Dass der Kläger die Ausstattung mit einer Waschmaschine für erforderlich hielt, war dem Beklagten daher
erstmalig mit der Antragstellung vom 1. Dezember 2008 bekannt. Dieser Antrag ist insoweit auch konstitutiv (vgl.
Eicher/Spellbrink, SGG, § 37 Rdnr. 24). Zu diesem Zeitpunkt lag hinsichtlich der am 3. Mai 2006 angeschafften
Waschmaschine aber kein aktueller Bedarf des Klägers mehr vor. Denn dieser Bedarf war bereits mit der vorherigen
Anschaffung der Waschmaschine gedeckt worden. Demgegenüber waren zum Zeitpunkt der Antragstellung am 1.
Dezember 2008 lediglich noch die aus der Anschaffung der Waschmaschine resultierenden Schulden des Klägers in
Höhe von 847,42 EUR vorhanden.
Mangels anderer Gesichtspunkte lassen sich Bedarf und Schulden bei Gegenständen zu Erstausstattung einer
Wohnung lediglich anhand des Zeitpunkts der Antragstellung unterscheiden. Anders als bei Energiekostenrückständen
(vgl. z.B. SG Hamburg, Beschl. v. 14.07.2005 - S 53 SO 347/05 ER -) stehen keine anderen geeigneten Kriterien zur
Abgrenzung zur Verfügung. Die so gefundene Abgrenzung erscheint zudem allein als sachgerecht, da es dem
Leistungsträger nur so ermöglicht wird, die entsprechenden Leistungen nach pflichtgemäßem Ermessen als Sach-
oder Geldleistungen zu erbringen § 23 Abs. 3 Satz 5 SGB II); dieses Ermessen würde ausgehebelt, wenn der
Hilfebedürftige nachträglich Kostenerstattung für bereits beschaffte Gegenstände erhalten könnte.
Unter diesen Voraussetzungen lässt sich die Beschaffung einer Waschmaschine im Mai 2006 - mehr als 30 Monate
vor der Antragstellung am 1. Dezember 2008 - schlechterdings nicht mehr als aktueller Bedarf bezeichnen; vielmehr
stellen die sich dafür aufgewendeten Kosten Schulden des Klägers dar.
(3) Schulden sind nach dem SGB II aber allenfalls dann zu übernehmen, wenn die Voraussetzungen des § 22 Abs. 5
SGB II vorliegen. Die Aufwendungen für die Beschaffung einer Waschmaschine können jedoch nicht den Kosten für
Unterkunft und Heizung zugeordnet werden. Auch eine vergleichbare Notlage im Sinne des § 22 Abs. 5 SGB II lässt
sich insofern nicht annehmen.
(4) Daneben liegen weder die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 SGB II vor, noch ist § 34 Sozialgesetzbuch -
Zwölftes Buch - (SGB XII) ergänzend anwendbar.
Zwölftes Buch - (SGB XII) ergänzend anwendbar.
(5) Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs liegen schließlich ebenfalls nicht vor.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
4. Die Berufung bedarf nicht der Zulassung, da der Gegenstandswert mit 905,06 EUR (847,42 EUR Gesamtkosten der
Waschmaschine und 57,64 EUR Gesamtkostendes Wasserkochers) den Höchstbetrag für eine zulassungspflichtige
Berufung von 750,- EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Ausführungen des Klägers auf S. 3 f. der
Klageschrift, mit denen er darauf hinweist, dass der tatsächliche Anschaffungspreis der Waschmaschine 669,95 EUR
betragen habe, sind nicht dahingehend zu verstehen, dass darin eine Beschränkung des Klagegegenstandes zu
sehen sei. Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass sämtliche für die Anschaffung von Wasserkocher und
Waschmaschine aufgewendeten Kosten inklusive der Finanzierungskosten Gegenstand des Klageverfahrens
geworden sind. -