Urteil des SozG Oldenburg vom 09.08.2010

SozG Oldenburg: anspruch auf bewilligung, verzinsung, fälligkeit, rücknahme, pauschalierung, niedersachsen, aufenthalt, behörde, zukunft, unrichtigkeit

Sozialgericht Oldenburg
Urteil vom 09.08.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Oldenburg S 25 AY 43/09
Die Beklagte wird verurteilt, unter Aufhebung des Bescheides vom 05.05.2009 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 30.11.2009, Leistungen gemäß § 2 AsylbLG unter Anrechnung der bereits bezahlten
Leistungen nach § 3 AsylbLG für die Zeit ab dem 01.03.2005 bis zum 31.05.2008 zu gewähren. Die
Leistungsbescheide für diesen Zeitraum werden ebenfalls entsprechend geändert. Die Beklagte hat den
Nachzahlungsbetrag für die Zeit ab dem 01.06.2008 zu verzinsen gemäß § 44 SGB I (4 %). Die Beklagte trägt 90 %
der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Klägerinnen in der Zeit von März 2005 bis Mai 2008 Leistungen nach
§ 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) von der Beklagten zu beziehen.
Die Klägerin zu 1. ist die Mutter der Klägerin zu 2. Die Klägerin zu 1. ist im Jahre 1993 erstmalig nach Deutschland
eingereist. Sie ist ausweislich des Vorbringens der Beteiligten dem Volke der Roma zugehörig und stammt aus dem
Kosovo. Beide Klägerinnen waren im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum Inhaberinnen von Duldungen nach §
60a des Aufenthaltgesetzes (AufenthG). Sie bezogen jahrelang durchgängig Leistungen nach § 3 AsylbLG von der
Beklagten. Diese Leistungen wurden mit zahlreichen Bescheiden im streitgegenständlichen Zeitraum bewilligt.
Ausweislich des Vorbringens der Beteiligten bezogen die Klägerinnen jedenfalls länger als 48 Monate Leistungen nach
§ 3 AsylbLG.
Auf einen Antrag der Klägerinnen gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) vom 23.03.2009 erging der
hier streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 05.05.2009. Mit diesem Bescheid wurden den Klägerinnen auf
ihren Antrag hin für die Zeit vom 01.06.2008 an rückwirkend Leistungen nach § 2 AsylbLG bewilligt. Die
Differenzbeträge der rückwirkend bewilligten Leistungen nach § 2 AsylbLG zu denjenigen nach § 3 AsylbLG wurden
den Klägerinnen ausbezahlt. Für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.05.2008 wurde eine Nachbewilligung der
entsprechenden Leistungen mit dem Argument abgelehnt, dass sich der Aufenthalt der Klägerinnen vor diesem Datum
als rechtsmissbräuchlich dargestellt habe.
Die Klägerinnen sind der Auffassung, dass ihr Aufenthalt auch in der Zeit vom 01.03.2005 bis 31.05.2008 sich nicht
als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 2 AsylbLG dargestellt habe. Insbesondere sei nach der aktuellen
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Entscheidung vom 17.06.2008, Az. B 8/9b AY 1/07 R) ihr Aufenthalt auch
in vorherigen Zeiträumen rechtmäßig gewesen.
Die Klägerinnen beantragen,
1. den Beklagten zu verurteilen, unter entsprechender Aufhebung seines Bescheides vom 05.05.2009 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 30.11.2009, zugestellt am 02.12.2009, den Klägern Analog-Leistungen gemäß § 2
AsylbLG entsprechend dem SGB XII nach Maßgabe des § 44 SGB X unter Anrechnung der gewährten
Grundleistungen nach § 3 AsylbLG und unter entsprechender Abänderung der früheren Verwaltungsakte, für den
Zeitraum ab 01.03.2005, nach dem AsylbLG zu gewähren,
2. den Beklagten zu verurteilen, den Nachzahlungsbetrag zu Ziffer II mit 4 % ab Juni 2008 zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass bei einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur eine
Verpflichtung der Beklagten besteht, entgegen dieser Rechtsprechung ergangene Bescheide gemäß eines Antrages
nach § 44 SGB X für die Zeit ab Entstehen der entsprechenden Rechtsprechung aufzuheben. Eine Aufhebung für die
Vergangenheit - vor Ergehen der entsprechenden Rechtsprechung - sei nur möglich, wenn eine Änderung der
Tatsachen im Einzelfall vorliege. Insbesondere sei im Fall der Klägerinnen zu beachten, dass nach der Entscheidung
des BSG abweichende Entscheidungen von Landessozialgerichten ergangen seien, die die BSG-Entscheidung
kritisieren. Dementsprechend bestehe keine einheitliche Rechtsprechung.
Gegenstand der Entscheidungsfindung waren das Vorbringen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung, die
Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte. (Bl. 1-208 für die Zeit ab dem 24.11.2003)
In der mündlichen Verhandlung vom 09.08.2010 haben die Klägerinnen ihren Antrag insoweit zurückgenommen, als
dass Leistungen gemäß § 2 AsylbLG erst für den Zeitraum ab dem 01. März 2005 begehrt wurden. Des Weiteren
haben sie in der mündlichen Verhandlung ihren Zinsantrag dahingehend beziffert, dass eine Verzinsung der Forderung
erst für die Zeit ab dem 01.06.2008 begehrt wird.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nach Rücknahme der weitergehenden Anträge in vollem Umfang begründet.
Die Klägerinnen haben gegen die Beklagte auch für die Zeit vom 01.03.2005 bis 31.05.2008 Anspruch auf Bewilligung
von Leistungen gemäß § 2 AsylbLG. Die Klägerinnen haben über eine Dauer von mindestens 48 Monaten Leistungen
nach § 3 AsylbLG erhalten und die Dauer ihres Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 2 Abs. 1
AsylbLG selbst beeinflusst.
1.
Ausweislich der übereinstimmenden Stellungnahmen der Beteiligten und der vorgelegten Bescheide erhielten die
Klägerinnen für einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten Leistungen gemäß § 3 AsylbLG.
2.
Bezüglich des Verbleibs der Klägerinnen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland liegt kein Rechtsmissbrauch im
Sinne des § 2 AsylbLG vor.
Das erkennende Gericht schließt sich hierbei der nunmehr mehrfach bestätigten Rechtsprechung des
Bundessozialgerichtes an. (BSG vom 17.06.2008, Az. B 8/9b AY 1/07 R; und Az. B 8 AY 8/07 R; BSG vom
02.02.2010, Az. B 8 AY 1/08 R; ebenso LSG NRW vom 31.03.2010, Az. L 20 B 3/09 AY ER) Nach dieser
Rechtsprechung stellt sich das alleinige Verbleiben einer abgelehnten Asylbewerberin im Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland trotz inhaltlich bestehender Ausreiseverpflichtung bei Innehaben einer sogenannten Duldung nicht als
rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG dar.
Die in einer Entscheidung des Landessozialgerichtes Niedersachsen-Bremen (vom 20.01.2009, Az. L 11 AY 2/08)
geäußerten Bedenken bezüglich dieser nunmehr ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts teilt die
erkennende Kammer des Sozialgerichtes Oldenburg nicht. Es ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass die Bedenken
nicht zu einer abweichenden Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen (s.o.) geführt haben, da diese nicht
entscheidungserheblich waren. Insoweit weicht das erkennende Gericht nicht von der Rechtsprechung des LSG
Niedersachsen-Bremen ab. Ebensowenig besteht eine ausdrücklich von den Entscheidungen des BSG (a.a.O.)
abweichende Rechtsprechung eines anderen Obergerichts.
Nach Auffassung der erkennenden Kammer (in Übereinstimmung mit dem BSG und LSG NRW a.a.O.) ist folglich ein
über das bloße Verbleiben und Stellen eines Asyl- bzw. Asylfolgeantrags hinausgehendes vorsätzliches Verhalten
gefordert. Eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer liegt nicht schon in der zur
Aufenthaltsverlängerung führenden Nutzung der Rechtsposition, die der Leistungsempfänger durch die Duldung und
damit einhergehende vorübergehende Aussetzung der Abschiebung erlangt hat. Ein solches Verhalten der Klägerinnen
ist nicht erkennbar.
Im Übrigen weist das erkennende Gericht ergänzend darauf hin, dass eine Abschiebung der Klägerinnen im
streitgegenständlichen Zeitraum wohl nicht rechtmäßig möglich gewesen wäre. Dementsprechend fehlt es schon an
der Voraussetzung einer konkreten Abschiebemöglichkeit bezüglich der Klägerinnen im streitgegenständlichen
Zeitraum. Diese Möglichkeit ist wohl erforderlich. (vgl. LSG NRW a.a.O.) Dies stellt sich nach Auffassung des
erkennenden Gerichts jedoch nicht als entscheidungserheblich dar, da bereits aus anderem Grunde (s.o.) keine
rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer vorliegt.
3.
Der Anspruch der Klägerinnen besteht für die Zeit ab dem 01.03.2005. Der Anwendung der Regelung des § 44 SGB X
auch für diesen Zeitraum stehen keine tragfähigen Bedenken entgegen. Die Entscheidungen sind nach Änderung der
Rechtsprechung des BSG mit dem 17.06.2008 (Az. B 8/9b AY 1/07 R) auch für die zuvor liegenden Zeiträume
abzuändern.
Dies gilt insbesondere bezüglich der durch die Beklagte vorgetragenen Argumentation, dass eine nachträgliche
Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG aufgrund eines Antrages nach § 44 SGB X bei einem Wandel der
höchstrichterlichen Rechtsprechung erst ab dem Zeitpunkt des Wandels der Rechtsprechung möglich ist.
Im Fall der Klägerinnen liegt ausweislich des Vorbringens der Beteiligten und der in Bezug genommenen Bescheide
ein solcher Wandel in der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes vor.
Bis zur Entscheidung vom 17.06.2008 (Az. B 8/9b AY 1/07 R) wurde das Verbleiben der Klägerinnen im Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland in der einschlägigen Rechtsprechung, insbesondere auch vom BSG als mögliches
rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des § 2 AsylbLG angesehen. (vgl. nur BSG vom 08.02.2007, Az. B 9b AY
1/06 m.w.N.) Von dieser Rechtsprechung hat das Bundessozialgericht sich mit der Entscheidung vom 17.06.2008
(a.a.O.) ausdrücklich distanziert und abweichend entschieden. (vgl. oben) Gewandelte Umstände sozialer oder
wirtschaftlicher Art liegen nicht vor, es handelt sich um eine Erkenntnis der Unrichtigkeit der bisherigen
Rechtsprechung.
Bei einem Wandel in der höchstrichterlichen Rechtsprechung in dieser Form ist ein Verwaltungsakt oder sind mehrere
Verwaltungsakte nach § 44 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
a)
Die entgegenstehende Regelung des § 330 Abs. 1 des Dritten Buch des Sozialgesetzbuches Arbeitsförderung (SGB
III) ist im Rahmen der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht anwendbar.
b)
Im Rahmen des § 44 SGB X wirken Auslegungen durch spätere höchstrichterliche Rechtsprechung zurück, auch
wenn sie im Gegensatz zu vorher herrschender Auffassung stehen. Dies nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichtes jedenfalls dann, wenn die Änderung in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aufgrund
einer Erkenntnis der Unrichtigkeit der bisherigen Rechtsprechung ergeht. (BSG vom 30.01.1985, Az. 1 RJ 2/84, vgl.
auch Waschull in LPK-SGB X 2. Aufl. 2007 § 48 Rn 85 ff., Pilz in Gagel SGB III 38. EL § 330 Rn 13 m.w.N.) Eine
Aufhebung gemäß § 44 SGB X allein für die Zukunft ab dem Datum der Änderung der höchstrichterlichen
Rechtsprechung ist demgegenüber nach Auffassung des BSG nur dann vorzunehmen, wenn die Änderung der
Rechtsprechung gewandelten sozialen, wirtschaftlichen oder rechtlichen Umständen Rechnung trägt. (BSG vom
25.10.1984, Az. 11 RAZ 3/83; BSG vom 30.01.1985, Az. 1 RJ 2/84) Dieser Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts schließt sich die erkennende Kammer an.
Eine Anwendung von § 48 Abs. 2 SGB X steht dem nicht entgegen. § 48 Abs. 2 SGB X trifft eine Klarstellung, dass §
44 SGB X in seiner Anwendung unberührt bleibt. Im Übrigen legt er alleine ausdrücklich dar, dass höchstrichterliche
Rechtsprechung auch nach einer Änderung in jedem Fall für die Zukunft zu berücksichtigen ist. (Heße in BeckOK
SGB X § 48 Rn. 36 m.w.N. Stand 01.06.2010; Steinwedel in Kasseler-Kommentar SGB X § 48 Rn. 58 Stand Mai
2006 EL 50 m.w.N.)
4.
Dem geänderten Antrag der Klägerinnen entsprechend waren Leistungen für die Zeit ab dem 01.03.2005
nachzuzahlen. Eine Beschränkung auf einen kürzeren Zeitraum kommt vor dem Hintergrund der Regelungen des § 44
Abs. 4 SGB X nicht in Betracht. Leistungen werden (längstens) für einen Zeitraum bis zu 4 Jahren vor der
Rücknahme erbracht.
5.
Eine Beschränkung der nachträglich zu erstattenden Leistungen aufgrund des sogenannten "Aktualitätsprinzips"
kommt nach Auffassung der Kammer nicht in Betracht. Dies resultiert aus der Pauschalierung der Leistungen nach
dem AsylbLG. Bei pauschal gedeckten Bedarfen ist im Falle rechtswidrig zu niedrig gewährter Leistungen regelmäßig
von noch fortdauernden ungedeckten Bedarfen auszugehen. Dies resultiert zum einen aus einem angenommenen
Anteil für Ansparungen innerhalb der Leistungen. Dieser könnte bei zu niedrig bewilligten Leistungen für die
Vergangenheit nicht gebildet werden. Diese Bewertung ergibt sich zum anderen aus der Tatsache der Pauschalierung
der Leistungen an sich und ihrer Höhe. Hintergrund der Pauschalierung ist, dass dem Hilfebedürftigen Mittel zur
selbständigen und eigenverantwortlichen Verteilung auf die Einzelbedarfe zur Verfügung gestellt werden sollen. In
diesem Rahmen sollen sie nicht nur die jeweils aktuellen, sondern auch zukünftig anfallende Bedarfe unter
längerfristiger Ausgabenplanung in ihr privates Wirtschaften einbeziehen. Dies bedeutet, dass eine prinzipielle
Nachholbarkeit von Ausgaben besteht und nicht auf das Aktualitätsprinzip abzustellen ist. (LSG NRW vom
17.05.2010, Az. L 20 AY 10/10; SG Gelsenkirchen vom 18.01.2010, Az. S 12 AY 43/09)
6.
Bezüglich des Antrages zu 2. sind nach Auffassung der Kammer Zinsen ab dem 01.06.2008 zu zahlen. Die
Verzinsung beruht auf der Regelung des § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch Allgemeiner Teil (SGB I).
Hiernach sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis
zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 v. H. zu verzinsen.
Nach Auffassung der Kammer ist bezüglich der Fälligkeit der Leistungen im Falle des Antrags nach § 44 SGB X vor
dem Hintergrund einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung auf den Zeitpunkt der
Rechtsprechungsänderung abzustellen.
In der Rechtsprechung werden bezüglich des Zeitpunkts des Beginns der Verzinsung von aufgrund eines Antrages
nach § 44 SGB X nachzuzahlenden Leistungen unterschiedliche Ansichten vertreten. Nach einer Ansicht ist die
Leistung ab der Antragstellung nach § 44 SGB X zu verzinsen. (vgl. BSG vom 26.08.2008, B 8 SO 26/07 R) Nach
einer anderen Ansicht ist erst eine Verzinsung ab dem Zeitpunkt der Rücknahme der Bescheide einschlägig. (vgl.
BSG a.a.O. m.w.N.) Nach einer wiederum abweichenden Ansicht kommt eine Verzinsung ab einem Zeitpunkt von 6
Monaten nach dem ursprünglichen Leistungsantrag in Betracht. (vgl. wohl BSG vom 17.11.1981, 9 RV 26/81)
Bei Beachtung der allgemeinen Regeln der Fälligkeit von Leistungen nach dem AsylbLG könnte eine Verzinsung
sechs Monate nach dem Beginn des jeweiligen beschiedenen Monats denkbar sein. Dies entsprechend der Regelung
des § 44 Abs. 2 SGB I. Die daseinssichernden Leistungen des AsylbLG sind im Moment des Bedarfes fällig, also
jeweils monatsweise für den Monat des Bedarfes.
Die Kammer nimmt jedoch im Falle einer Änderung der Rechtsprechung als frühest möglichen denkbaren Zeitpunkt
der Fälligkeit der nachzuzahlenden Leistungen den Zeitpunkt der Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
an. Hintergrund dieser Annahme ist, dass überhaupt erst ab dem Änderungszeitpunkt in der Rechtsprechung eine
Fälligkeit der höheren Analogleistungen nach § 2 AsylbLG denkbar war. In zeitlich davor liegenden Zeiträumen der
ursprünglichen Leistungsbewilligungsbescheide hat die leistungsbewilligende Beklagte rechtmäßig gehandelt. (vgl.
frühere Rspr. BSG a.a.O.) Eine Verzinsung nachträglich zu zahlender Leistungen für davor liegende Zeiträume
erscheint der Kammer nicht sachgerecht. Die Leistungen nach § 2 AsylbLG waren erst ab der Entscheidung des BSG
vom 17.06.2008, also dem Monat Juni 2008, überhaupt denkbar. Im übrigen wird diese Auffassung auch durch den
Wortlaut des § 44 SGB X gestützt, wonach ein Antrag des Leistungsempfängers nicht ausdrücklich erforderlich ist,
also eine Aufhebung der Behörde von Amts wegen möglich ist, was sich auch aus § 44 Abs. 4 S. 3 SGB X ergibt
(Schütze in Von Wulffen SGB X Kommentar 6. Aufl. 2008 § 44 Rn 39 m.w.N.). Eine Änderung durch die Behörde von
Amts wegen wäre erst ab dem Zeitpunkt der Änderung der Rechtsprechung denkbar, denn wie bereits ausgeführt war
zuvor das Verhalten der Behörde vor dem Hintergrund der vormaligen Rechtsprechung als rechtmäßig zu bewerten.
Eine Veranlassung zur Handlung von Amts wegen war bis zur Rechtsprechungsänderung nicht angezeigt. Eine
Verpflichtung zur Verzinsung für frühere Zeiträume erschiene vor diesem Hintergrund als widersprüchlich.
7.
Bezüglich der bestandskräftigen Leistungsbescheide für die hier streitige Zeit vom 01.03.2005 bis 31.05.2008 stellt
das Gericht klar, dass die Beklagte zur Aufhebung dieser Bescheide verurteilt worden ist. Dies entspricht der
ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. (vgl. Eicher in Eicher/Schlegel SGB III - Kommentar § 330 Rn.
12a m.w.N.)
8.
Die Kostenentscheidung resultiert aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Klägerinnen sind aufgrund ihrer teilweisen Rücknahme mit ihrem Begehren bezüglich der Monate Januar und
Februar 2005 unterlegen, im Übrigen haben sie vollständig obsiegt. Dies rechtfertigt nach Auffassung der Kammer
eine 90%ige Pflicht der Beklagten zur Kostentragung.
9.
Der Berufungsstreitwert des § 144 Abs. 1 SGG ist erreicht, so dass eine Berufung keiner Zulassung bedurfte.