Urteil des SozG Neuruppin vom 13.12.2010

SozG Neuruppin: beherrschende stellung, geschäftsführer, versicherungspflicht, sozialversicherung, gesellschafterversammlung, geschäftsbetrieb, einfluss, urlaub, vergütung, gewinnbeteiligung

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Gericht:
SG Neuruppin 25.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 25 KR 138/06
Dokumenttyp:
Gerichtsbescheid
Quelle:
Normen:
§ 25 Abs 1 SGB 3, § 7 Abs 1 SGB
4, § 5 Abs 1 Nr 1 SGB 5, § 1 S 1
Nr 1 SGB 6, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1
SGB 11
Sozialversicherungspflicht - Fremdgeschäftsführer einer GmbH -
abhängige Beschäftigung - selbständige Tätigkeit - Abgrenzung
Leitsatz
1. Bei der Abgrenzung der versicherungspflichtigen Beschäftigung von der selbständigen
Tätigkeit setzt die Annahme einer Beschäftigung wesentlich voraus, dass der Arbeitnehmer
vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit
vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko und die frei gestaltete Tätigkeit und
Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Diese Grundsätze sind auch beim sog. Fremdgeschäftsführer einer GmbH regelmäßig auch
anzuwenden. Ist der Geschäftsführer nicht am Kapital der Gesellschaft beteiligt, so liegt in der
Regel ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor.
3. Dies gilt auch dann, wenn der Betroffene seine Arbeit praktisch frei gestalten kann und sich
Ort, Zeit und Dauer der Arbeitsleistung allein aus den betrieblichen Erfordernissen und nicht
aus Weisungen des Arbeitgebers ergeben.
4. Bei der Frage der Versicherungspflicht eines Fremdgeschäftsführers einer Familien - GmbH
ist regelmäßig auf die (Rechts)macht, unliebsame Entscheidungen auch im nur theoretischen
Konfliktfall zu verhindern, abzustellen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit als
Geschäftsführer für die Beigeladene zu 1) im Zeitraum vom 01. Juli 2002 bis zum 10. Mai
2004.
Der im Juni 1972 geborene Kläger, der im Juli 2000 vor der Handwerkskammer Potsdam
die Meisterprüfung im Installateur- und Heizungsbauer-Handwerk abgelegt hat, ist seit
dem 01. Juli 2002 als Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 1) tätig. Die Beigeladene
zu 1) wurde durch notariellen Vertrag vom 11. Juni 2002 gegründet und am 27.August
2002 in das Handelregister des Amtsgerichts Neuruppin eingetragen. Gegenstand des
Unternehmens sind Dachdecker- und Dachklempnerleistungen, Dachgeschossausbau,
Zimmerleistungen, Sanitär-, Gas-, Wasser-, Heizungs- und Lüftungsinstallation, Grund-
und Rohrleitungsbau, Transportleistungen für Eigen- und Fremdbedarf, Vermietung von
Baumaschinen, Hebezeuge und Fördermittel, deren Instandsetzung,
Bauserviceleistungen sowie Baustoffhandel. Das Stammkapital der Beigeladenen zu 1)
beträgt 25.000,00 €, die Anteile werden zu 49 % (12.000,00 €) von der Mutter des
Klägers – Frau M T – und zunächst zu 51 % (13.000,00 €) von einer weiteren
Gesellschafterin – Frau S J –, zu der keine familiäre Bindung bestand, gehalten. Der
Kläger wurde mit Wirkung zum 02. Juli 2002 als Geschäftsführer bestellt. Er ist zur
Vertretung der Gesellschaft allein berechtigt und von den Beschränkungen des § 181
BGB befreit. Mit Wirkung ab dem 11. Mai 2004 veräußerte die Zeugin J ihren
Mehrheitsgesellschaftsanteil in Höhe von 51 % an die Lebensgefährtin des Klägers –
Frau C P – (Urkunde der Notarin G F vom 14. Mai 2004).
In dem zuvor unter dem 11. Juni 2002 geschlossenen Gesellschaftervertrag, der durch
die Gesellschafterversammlung vom 10. Mai 2004 im Wesentlichen unverändert
geblieben war, ist unter anderem geregelt, dass die Geschäftsführung zur Vornahme
von Handlungen und Rechtsgeschäften, die der Bedeutung und dem Umfange nach von
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von Handlungen und Rechtsgeschäften, die der Bedeutung und dem Umfange nach von
besonderem Gewicht sind oder über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der
Gesellschaft hinausgehen, bei mehreren Gesellschaftern die Zustimmung der
Gesellschaftsversammlung benötigt (§ 5 Ziffer 3 des Gesellschaftervertrages vom 11.
Juni 2002). Ferner ergibt sich aus dem Gesellschaftervertrag, dass die
Gesellschafterversammlung nur beschlussfähig ist, wenn mindestens die Hälfte des
Stammkapitals vertreten ist (§ 7 Ziffer 3 des Gesellschaftervertrages).
Der zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) unter dem 02. Juli 2002
geschlossene Geschäftsführerdienstvertrag enthielt im Wesentlichen folgende
Regelungen:
- Führung der Geschäfte nach Maßgabe der Gesetze, dieses Vertrages, des
Gesellschaftsvertrages der GmbH sowie den in der Gesellschafterversammlung
gefassten Beschlüssen
- Zurverfügungstellung der gesamten Arbeitskraft
- Anzeigepflicht von Nebentätigkeit und Übernahme nur nach schriftlicher
Zustimmung
- regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 40 bzw. 37,5 Arbeitsstunden
- Arbeitszeit: montags bis freitags von 7:00 bis 17:30 Uhr
- Einstellungen und Entlassungen grundsätzlich nur nach Rücksprache mit den
Gesellschaftern
- Investitionen gemäß Investitionsplan mit Gesellschaftsversammlungsbeschluss
- 13 Monatsgehälter in Höhe von monatlich 2.500,00 €
- Gewinnbeteiligung in Höhe von 10 % des sich aus der Handelsbilanz ergebenen
Jahresgewinns vor Steuern; Deckelung der Gewinnbeteiligung auf 25 % der
Jahresvergütung
- jährlicher Urlaub von 30 Arbeitstagen unter Gewährung von Urlaubsgeld für jeden
genommenen Urlaubstag in Höhe von 25,00 € pro Tag
- Entgeltfortzahlung bei Erkrankung oder Tod für drei Monate
- Abschluss einer Lebensdirektversicherung in Höhe von ca. 150,00 € mit
widerruflichem Bezugsrecht
- Befristung bis zum 31. Dezember 2003
- Verlängerung jeweils um zwei Jahre, wenn nicht unter Einhaltung einer
Kündigungsfrist von 6 Monaten durch einen der beiden Vertragspartner schriftlich
gekündigt wird.
Mit Schreiben vom 29. Dezember 2005 bat der Kläger bei der Beklagten um die
versicherungsrechtliche Beurteilung seines sozialversicherungsrechtlichen Status. In
einem „Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines
Geschäftsführers einer Familien-GmbH“ vom 25. Oktober 2005, der von dem Kläger und
der weiteren Gesellschafterin Frau M T unterzeichnet worden ist, gab der Kläger unter
anderem an, dass er durch Sonderrechte über seine Lebenspartnerin und über seine
Mutter Gesellschafterbeschlüsse herbeiführen oder verhindern könne, keinem
Direktionsrecht unterliege und bezüglich der Zeit, der Art und des Ortes seiner
Beschäftigung frei sei, dass er seine Tätigkeit in der Gesellschaft frei bestimmen und
gestalten könne, selbständig Personal einstellen und/oder entlassen könne, dass er sich
seinen Urlaub nicht genehmigen lassen müsse, in den letzten drei Jahren lediglich eine
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seinen Urlaub nicht genehmigen lassen müsse, in den letzten drei Jahren lediglich eine
Woche Urlaub genommen habe, ferner dass von der Vergütung Lohnsteuer entrichtet
werde, die Verbuchung seiner Vergütung als Betriebsausgabe erfolge, dass er eine
Gewinnbeteiligung abhängig von der Höhe des Gewinnes der Beigeladenen zu 1) erhalte
und dass er der Beigeladenen zu 1) ein Darlehen in Höhe eines Betrages von 15.000,00
€ gewährt habe.
Mit Bescheid vom 23. Januar 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, bis zum 10. Mai
2004 Arbeitnehmer der GmbH gewesen zu sein. Erst durch den Gesellschafterbeschluss
vom 10. Mai 2004 mit der Veräußerung und der Abtretung des Kapitalanteils der
Mehrheitsgesellschafterin an die Lebensgefährtin des Klägers seien familiäre
Verhältnisse eingetreten, so dass ab dem 11. Mai 2004 von einer „Familien-GmbH“
ausgegangen werden könne. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 22. Februar
2006 „Teilwiderspruch“ und begehrte die Aufhebung des Bescheides insoweit, als dass
für den Zeitraum vom 01. Juli 2002 bis zum 10. Mai 2004 von einer Versicherungspflicht
ausgegangen werde und darüber hinaus die Feststellung, dass in dem genannten
Zeitraum Versicherungsfreiheit in allen Zweigen der Sozialversicherung bestehe. Zur
Begründung führte er aus, unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts entwickelten Grundsätze stelle sich die angegriffene Entscheidung
als unzutreffend dar. Es sei zunächst festzuhalten, dass es sich – im maßgeblichen
Zeitraum – bei den Gesellschafterinnen M T und S J um eine gelernte Krankenschwester
sowie eine gelernte Erzieherin handele. Frau J als gelernte Erzieherin habe überdies im
fraglichen Zeitraum eine Kindertagesstätte geleitet, habe als mit dem Betrieb der GmbH
nichts zu tun gehabt. Der Kläger habe im Juli 2000 die Meisterprüfung im Installateur-
und Heizungsbauhandwerk bestanden. Er allein verfüge demnach über die fachlichen
Voraussetzungen, die der Gegenstand des Unternehmens voraussetze. Aus dieser
fachlichen Qualifikation und dem Umstand, dass die Gesellschafterinnen
Krankenschwester bzw. Erzieherin gewesen seien, folge ohne weiteres, dass der Kläger
Weisungen der Gesellschafter in Bezug auf Art, Ort und Zeit seiner Leistungserbringung
für das Unternehmen gerade nicht unterlag, weil derartige Weisungen auf Grund der bei
dem Kläger vorhandenen Fachkenntnisse gar nicht haben erteilt werden können. Der
Kläger sei Kopf und Seele des Unternehmens. Seine Auffassung habe – auch bei
grundlegenden strategischen Unternehmensentscheidungen – die Beschlussfassung der
Gesellschafterinnen, deren Funktion sich auf eine reine Kapitalbeteiligung beschränkt
habe, bestimmt. Auf die inhaltliche und die fachliche Unternehmensführung hätten die
Gesellschafterinnen keinerlei Einfluss ausüben gewollt und gekonnt. Im Übrigen sei der
Beklagten zwar zuzugeben, dass erst mit Wirkung ab dem 11. Mai 2004 von einer
„Familien-GmbH“ ausgegangen werden könne, gleichwohl habe bereits zuvor die Mutter
des Klägers eine Beteiligung von 49 % gehalten. Am tatsächlichen Erscheinungsbild der
Tätigkeit des Klägers habe sich seit der Aufnahme der Tätigkeit am 01. Juli 2002 nicht
das Geringste geändert, so dass auch ab diesem Zeitpunkt eine beherrschende Stellung
des Klägers als Geschäftsführer vorgelegen habe. Allein diese beherrschende Stellung
sei ausreichend, um eine nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegende
Beschäftigung des Klägers anzunehmen. Unter Berücksichtigung der Kapitalbeteiligung
der Mutter des Klägers, der Ausbildungen beider Gesellschafterinnen und des
Umstandes, dass die mit 51 % beteiligte Gesellschafterin im Unternehmen in keiner
Weise tätig gewesen sei, sondern eine Kindertagesstätte geleitet habe, sei in jedem Falle
von einer nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auszugehen. Hinzu trete
ferner, dass der Kläger von Beginn an von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit
gewesen sei, allein über Fach- und Branchenkenntnisse sowie den erforderlichen
Meistertitel verfügt habe und Tantiemen in Höhe von 10 % des Jahresgewinnes erhalten
habe.
Mit Schreiben vom 05. April 2006 ergänzte die Beklagte ihren Bescheid vom 23. Januar
2006 und führte aus, eine so genannte „Familien-GmbH“ ab dem 01. Juli 2002 liege
nicht vor. Voraussetzung für das Eintreten von Versicherungspflicht sei, dass eine
Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt werde. Der Kläger sei an der GmbH kapitalmäßig
nicht beteiligt gewesen und habe weder Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft
nehmen können, noch nicht genehme Gesellschafterbeschlüsse – insbesondere das
eigene Arbeitsverhältnis betreffend – verhindern können. Daran ändere auch nichts,
dass die Mutter des Klägers einen Kapitalanteil an der GmbH von 49 % innehatte.
Gesellschafterbeschlüsse würden mit einfacher Mehrheit gefasst, angesichts der
Kapitalverteilung von 51 zu 49 % sei sie jederzeit überstimmbar gewesen. Die
Organstellung als Geschäftsführer ohne Kapitalbeteiligung an der GmbH und die damit
verbundene Arbeitgeberfunktion reiche nicht für die Annahme einer Selbstständigen
Tätigkeit aus. Wesentlich sei, dass der Kläger im Hinblick auf das ihm monatlich
zustehende Bruttogehalt ein eigenes Unternehmerrisiko nicht getragen habe. Der Kläger
habe seit dem 01. Juli 2002 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gegen
Entgelt zur Beigeladenen zu 1) gestanden und der Sozialversicherungspflicht gemäß den
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Entgelt zur Beigeladenen zu 1) gestanden und der Sozialversicherungspflicht gemäß den
§§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 1 Nr. 1 SGB IV, 25 Abs. 1 SGB III und 20 Abs. 1 SGB XI unterlegen.
Den weiterhin aufrecht erhaltenen Widerspruch wies die Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2006 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte
sie aus, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stehe ein Geschäftsführer
einer GmbH, der selbst an dieser Gesellschaft nicht beteiligt ist und der eine von der
Ertragslage der GmbH unabhängige monatlich gleich bleibende Vergütung sowie
bezahlten Urlaub erhalte, grundsätzlich in einem abhängigen, die
Sozialversicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis, wobei nur im
Ausnahmefall eine abweichende Beurteilung möglich sei. Der Kläger mag zwar im
täglichen Geschäftsbetrieb bereits in der Zeit vom 01. Juli 2002 bis zum 10. Mai 2004
„im Wesentlichen frei walten und schalten“ gekonnt und auch was Ort, Zeit und Dauer
seiner Arbeitsleistung betraf weitgehend weisungsfrei agiert haben, gleichwohl habe die
GmbH die Geschäftspolitik bestimmt. Gemäß § 5 Ziffer 3 des Gesellschaftervertrages
vom 11. Juni 2002 sei vereinbart worden, dass sich die Geschäftsführung auf alle
Handlungen und Rechtsgeschäfte, die der gewöhnliche Geschäftsbetrieb mit sich bringe
und welche zur Erreichung des Gesellschaftszwecks erforderlich erscheinen, erstrecke.
Zur Vornahme von Handlungen und Rechtsgeschäften, die der Bedeutung und den
Umfang nach von besonderem Gewicht seien oder über den gewöhnlichen
Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehen, sei jedoch bei mehreren Gesellschaftern
die Zustimmung der Gesellschaftsversammlung erforderlich. Der Kläger habe keine
Möglichkeit gehabt, entscheidenden Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen. Die
Gesellschafter der GmbH hätten das Recht gehabt, dem Kläger jederzeit Weisungen zu
erteilen. Der Kläger habe auch kein Unternehmerrisiko getragen. Er habe ein festes
monatliches Gehalt erhalten, das nicht von der unmittelbaren Ertragslage der GmbH
abhängig gewesen sei. Er habe auch den Wegfall der Bezüge bei schlechter
Geschäftslage nicht befürchten müssen. Auftretende Schwankungen gezahlter
Tantiemen würden dem Entgeltrisiko entsprechen, das ein vom Umsatz abhängig
bezahlter Arbeitnehmer ebenfalls zu tragen habe. Auch der Verzicht von
Urlaubsansprüchen und Urlaubsgeldzahlungen machten den Kläger nicht zu einem
Selbständigen. Die Beigeladene zu 1) sei in dem streitbefangenen Zeitraum auch nicht
von dem Kläger geführt worden. Er habe weder die Gesellschafter der GmbH persönlich
dominiert, noch seien diese von ihm wirtschaftlich abhängig gewesen. Erst ab dem
Zeitpunkt, an dem die Mehrheitsgesellschafterin ihre Anteile am Gesellschaftskapital auf
die Lebensgefährtin des Klägers übertragen habe, sei von einer so genannten „Familien-
GmbH“ auszugehen und bei Würdigung der Gesamtumstände davon auszugehen, dass
der Kläger ab diesem Zeitpunkt trotz des weiterhin fehlenden Unternehmerrisikos, woran
auch die Darlehensgewährung vom 06. Mai 2004 nichts ändere, in keinem abhängigen
Beschäftigungsverhältnis mehr zur Beigeladenen zu 1) stehe. Hierbei sei entscheidend,
dass der Kläger erst ab dem 11. Mai 2004 Geschäftsführer einer so genannten
„Familien-GmbH“ sei, dass er als einziger über die für die Führung des Betriebes
notwendigen Branchenkenntnisse verfüge und auf Grund der Familienbeziehungen
nunmehr allein seine Meinung bei Gesellschafterbeschlüssen in der Regel den Ausschlag
geben würde. Insoweit könne erst ab diesem Zeitpunkt nicht mehr von
Weisungsgebundenheit ausgegangen werden. Im Übrigen habe der Kläger selbst auch
nur erklärt, dass er über seine Lebensgefährtin oder über seine Mutter
Gesellschafterbeschlüsse herbeiführen oder verhindern könne. Auch habe gemäß § 7
des Geschäftsführerdienstvertrages Einigkeit zwischen den Vertragsparteien bestanden,
dass der Kläger als Geschäftsführer sozialversicherungspflichtig sei. Auch die von der
Beigeladenen zu 1) abgeschlossene Lebensdirektversicherung spreche für eine
abhängige Beschäftigung. Denn die Direktversicherung sei eine Form der betrieblichen
Altersversorgung, die in der Regel zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer
vereinbart werde. Vom Arbeitsentgelt seien Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge
entrichtet worden und es sei als Betriebsausgabe gebucht worden. Es müsse davon
ausgegangen werden, dass die damaligen Meldungen ordnungsgemäß durchgeführt
worden seien und auch den tatsächlichen Verhältnissen entsprochen hätten. Der von
der Beigeladenen zu 1) im Jahr 2002 durchgeführten versicherungsrechtlichen
Beurteilung werde höheres Gewicht beigemessen, als der nunmehr vertretenen
Auffassung, dass der Kläger von Anbeginn seiner Tätigkeit nicht abhängig beschäftigt
gewesen sei. Denn nach den vorgelegten Unterlagen sei das Beschäftigungsverhältnis
zunächst als abhängige Tätigkeit gelebt worden. Eine rückwirkende Einschätzung
aufgrund einer geänderten Motivationslage könne nicht zur Annahme einer
selbständigen Tätigkeit bereits in dem Zeitraum vor dem 11. Mai 2004 führen. Die
gesamten Sozialversicherungsbeiträge seien entsprechend der gesetzlichen
Verpflichtungen der §§ 28 ff. SGB IV abgeführt und die Jahresmeldungen sowie
Beitragsnachweise abgegeben worden. Die Beiträge seien daher auch zu Recht
entrichtet worden, eine Beitragserstattung scheide im Hinblick auf § 26 Abs. 2 SGB IV,
wonach nur zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten seien, aus.
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Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 14. August 2006 bei dem Sozialgericht
Neuruppin Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung
verweist er im Wesentlichen auf seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren und
vertieft diese.
Er beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2006 aufzuheben und festzustellen, dass der
Kläger seit dem 01. Juli 2002 in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungsfrei
ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf den Inhalt des angefochtenen
Widerspruchsbescheides.
Das Gericht hat die D GmbH (Beigeladene zu 1)), die D (Beigeladene zu 2)), die B
(Beigeladene zu 3)), sowie die P der Beklagten (Beigeladene zu 4)), mit Beschluss vom
19. Mai 2008 zum Verfahren notwendig beigeladen.
Die Beigeladenen zu 2) bis 4) haben sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen;
die Beigeladene zu 1) hat sich im Verfahren nicht geäußert. Keiner der Beigeladenen hat
Anträge gestellt.
Das Gericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 01. Dezember 2009 den
Kläger persönlich angehört sowie Beweis erhoben durch Vernehmung der früheren
Mehrheitsgesellschafterin Frau S J und der Mutter des Klägers – Frau M T – als Zeugen.
Wegen des Ergebnisses der persönlichen Anhörung sowie der Beweisaufnahme wird
Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 01. Dezember 2009. Nachdem die
Kammer aufgrund des Ausbleibens des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Termin
zur mündlichen Verhandlung und zur Beweisaufnahme den Rechtstreit vertagt hatte und
den Beteiligten zum Ergebnis der Beweisaufnahme und der persönlichen Anhörung des
Klägers Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, hat die Kammer die
Beteiligten mit Verfügung vom 05. November 2010 zur beabsichtigten Entscheidung
durch Gerichtsbescheid angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Prozessakte und des Verwaltungsvorganges der Beklagten Bezug genommen. Diese
Unterlagen lagen vor und waren – soweit wesentlich – Gegenstand der
Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
1.
23. Januar 2006 in der Fassung des in entsprechender Anwendung des § 86 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens
gewordenen Ergänzungsschreibens vom 05. April 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2006, mit dem die Beklagte über die
Versicherungspflicht des Klägers zur Kranken-, Sozialen Pflege-, Renten- und
Arbeitslosenversicherung ab dem 01. Juli 2002 entschieden hat. Nach dem
Gesamtzusammenhang des Vortrages der Beteiligten ist dabei lediglich noch der
Zeitraum vom 01. Juli 2002 bis zum 10. Mai 2004 zur Entscheidung des Gerichts gestellt.
b)
kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage statthafte und auch im Übrigen
zulässige Klage, über die die Kammer gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 und S. 2 SGG durch
Gerichtsbescheid entscheiden kann, weil die Sache keine besonderen tatsächlichen oder
rechtlichen Schwierigkeiten aufweist und die Beteiligten zu der beabsichtigten
Entscheidungsform mit gerichtlicher Verfügung vom 05. November 2010
ordnungsgemäß angehört worden sind, ist unbegründet.
2.
Beklagte festgestellt, dass die vom Kläger angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht
zu beanstanden sind, denn der Kläger unterlag – entgegen seiner Auffassung –während
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zu beanstanden sind, denn der Kläger unterlag – entgegen seiner Auffassung –während
des noch streitigen Zeitraums vom 01. Juli 2002 bis zum 10. Mai 2004 bei seiner
Tätigkeit als Fremdgeschäftsführer der Beigeladenen zu 1) der
Sozialversicherungspflicht; Der Kläger ist durch die angegriffenen Entscheidungen der
Beklagten dementsprechend auch nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG).
Dementsprechend besteht ein Anspruch des Klägers auf die begehrte – entgegen
gesetzte – Feststellung seiner Sozialversicherungsfreiheit in allen Zweigen der
Sozialversicherung nicht. Die Beklagte ist bei der Entscheidung über die
Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in dem von der Klägerin eingeleiteten
Verfahren gemäß § 28h Abs. 2 S. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch –
Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) auf Grund einer
Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis
gelangt, dass der Kläger, wie dies auch der geübten Beitragspraxis der Beigeladenen zu
1) seit dessen Eintritt in die Firma entspricht, im nur noch streitgegenständlichen
Zeitraum in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu diesem stand und der
Versicherungspflicht unterlag.
a)
Einzugsstelle zuständig. Einzugsstelle ist jeweils die Krankenkasse, von der die
Krankenversicherung eines abhängig Beschäftigten durchgeführt wird (vgl. § 28i SGB IV).
Gemäß § 28h Abs. 2 S. 1 Hs. 1 SGB IV entscheidet die Einzugsstelle über die
Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Sozialen Pflege- und
Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Sie erlässt auch den
Widerspruchsbescheid (Halbsatz 2). Das Gesetz trägt mit dieser umfassenden
Zuständigkeitszuweisung an die Einzugsstelle dem Umstand Rechnung, dass in den
genannten Versicherungszweigen die Versicherungspflicht mit der Anknüpfung an die
abhängige Beschäftigung weithin gleichen Grundsätzen folgt und die Beiträge für alle
Versicherungszweige einheitlich berechnet und als Gesamtsozialversicherungsbeitrag
abgeführt werden. Diese Zuständigkeit gemäß § 28h Abs. 2 S. 1 SGB IV ist nicht auf
Entscheidungen zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe gegenüber dem
Arbeitgeber als dem Schuldner der Beiträge beschränkt. Sie besteht vielmehr auch,
wenn entsprechende Fragen, wie vorliegend, vom Beschäftigten aufgeworfen werden und
entschieden werden müssen (Bundessozialgericht, Urteil vom 23. September 2003, - B
12 RA 3/02 R, zitiert nach juris).
b)
Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- und Beitragspflicht (§
5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung
– (SGB V); § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch – Soziale
Pflegeversicherung – (SGB XI); § 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch –
Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) und § 25 Abs. 1 des Dritten Buches
Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III)). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen
einer abhängigen Beschäftigung ist dabei § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung
die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte
für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die
Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts, der die Kammer folgt, setzt eine Beschäftigung voraus, dass der
Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in
einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb
eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden
Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann –
vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht
dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine
selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das
Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene
Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit
gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt
davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das gesamte Bild der
Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen
die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung
zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Die Kriterien für die Annahme einer
abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit sind im Rahmen einer
Gesamtbetrachtung gegeneinander abzuwägen. Jedes Kriterium hat dabei lediglich
indizielle Wirkung (vgl. hierzu eingehend: Bundessozialgericht, Urteil vom 11. März 2009,
- B 12 KR 21/07; Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R sowie Urteil vom 04. Juli
2007, - B 11 a AL 5/06 R, jeweils zitiert nach juris).
Bei den Organen juristischer Personen, zu denen auch Geschäftsführer einer GmbH
gehören, ist eine abhängige Beschäftigung im Sinne der Sozialversicherung nicht bereits
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gehören, ist eine abhängige Beschäftigung im Sinne der Sozialversicherung nicht bereits
deshalb ausgeschlossen, weil sie arbeitsrechtlich nicht als Arbeitnehmer gelten (vgl. § 5
Abs. 1 S. 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes), im Verhältnis zu sonstigen Arbeitnehmern der
Gesellschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen und in der Regel keinen Weisungen
Dritter bezüglich Zeit, Art und Ort ihrer Arbeitsleistung unterliegen. Demgemäß ist
sowohl bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH als auch bei Gesellschafter-
Geschäftsführern mit einer Minderheitsbeteiligung an der Gesellschaft regelmäßig eine
abhängige Beschäftigung gegeben, es sei denn, sie sind aufgrund ihres Kapitaleinsatzes
in der Lage, ihnen nicht genehme Entscheidungen der Gesellschaft zu verhindern oder
ihr tatsächlicher Einfluss auf die Gesellschaft ist größer als der ihnen aufgrund ihres
Geschäftsanteils an sich zustehende Einfluss (Bundessozialgericht, Urteil vom 18.
Dezember 2001, - B 12 KR 10/01 R sowie Urteil vom 07. September 1988, - 10 RAr
10/87, jeweils zitiert nach juris). Dabei ist jedoch die Nichtausübung eines Rechtes
unbeachtlich, solange die Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist, die
Rechtsmacht also noch besteht, selbst wenn von dieser tatsächlich kein Gebrauch
gemacht wird (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. August 1990, - 11 RAr 77/89, zitiert
nach juris). Die Kriterien für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung oder
selbstständigen Tätigkeit sind im Rahmen einer Gesamtbetrachtung gegeneinander
abzuwägen. Jedes Kriterium hat dabei lediglich indizielle Wirkung. Die Abgrenzung ist
ausgehend von der Rechtslage vorzunehmen, die zwischen den Beteiligten des
Arbeitsprozesses bestanden hat. Maßgeblich sind die Vertragsvereinbarungen oder,
wenn solche nicht getroffen worden sind, der weitere rechtliche Rahmen, innerhalb
dessen die Arbeiten verrichtet werden. Eine im Widerspruch hierzu stehende tatsächliche
Ausgestaltung der Beziehungen oder die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf
die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligte des
Arbeitsprozesses geht der insoweit nur formalen Vereinbarung vor, soweit eine formlose
Abbedingung rechtlich möglich ist. Andererseits ist es unerheblich, wenn eine
Rechtsposition tatsächlich nicht ausgeübt worden ist, solange sie nicht wirksam
abbedungen ist. Entscheidend ist hierbei auf die jeweilige Rechtsmacht der am
Arbeitsprozess Beteiligten abzustellen (Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Januar 2007,
B 12 KR 31/06 R, zitiert nach juris).
Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 12. Juli 2006 stellt die rechtlichen
Zusammenhänge und Maßstäbe zutreffend dar und würdigt den Sachverhalt
überzeugend. Der Bewertung und Gewichtung der einzelnen Merkmale durch die
Beklagte schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage
ausdrücklich an. Hierauf nimmt die Kammer daher zur Vermeidung unnötiger
Wiederholungen Bezug. Die Kammer macht die Erwägungen der Beklagten zur
Grundlage ihrer eigenen Entscheidung (§ 136 Abs. 3 SGG). Nur ergänzend bleibt
hinzuzufügen: Die Kammer teilt zunächst die Auffassung der Beklagten, dass der
Geschäftsführer einer GmbH, der am Stammkapital – wie hier – nicht beteiligt ist (so
genannter Fremdgeschäftsführer), grundsätzlich abhängig Beschäftigter der GmbH und
versicherungspflichtig ist. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(vgl. Urteil vom 18. Dezember 2001, - B 12 KR 10/01 R, zitiert nach juris). Eine
Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nur unter besonderen Umständen
insbesondere bei Familiengesellschaften in Betracht, wenn ein externer Geschäftsführer
die Gesellschaft faktisch wie ein Alleininhaber nach eigenem Gutdünken führt, „schalten
und walten“ kann, wie er will, weil er die Gesellschafter persönlich dominiert oder sie
wirtschaftlich von ihm abhängig sind. Diese Situation ist im Falle des Klägers nicht
gegeben und außerhalb von Familiengesellschaften auch kaum denkbar. Dass der
Kläger faktisch auch frei „schalten und walten“ konnte, wie er wollte, reicht allein nicht
aus, um eine abhängige Beschäftigung zu verneinen. Gegen eine selbstständige
Tätigkeit des Klägers spricht vor allem das Fehlen eines Unternehmerrisikos. Der
Tätigkeit des Klägers für die Beigeladenen zu 1) liegt für den hier zu beurteilenden
Zeitraum ein schriftlicher Arbeitsvertrag (Geschäftsführerdienstvertrag vom 02. Juli
2002) zugrunde, an den bei der Beurteilung der Versicherungspflicht zunächst
anzuknüpfen ist. Die Regelungen des Arbeitsvertrages sprechen eindeutig für eine
abhängige Beschäftigung: Dem Kläger steht danach – unabhängig von der Ertragslage
des Unternehmens – ein festes monatliches Entgelt für eine fest umrissene Tätigkeit zu,
er hat einen für Arbeitnehmer üblichen Urlaubsanspruch, erhält nach den
übereinstimmenden Angaben im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen
Beurteilung eines Geschäftsführers einer „Familien-GmbH“ vom 25. Oktober 2005
Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall. Gekündigt worden ist der Vertrag bis
heute nicht, weder schriftlich noch mündlich. Entsprechend der arbeitsvertraglichen
Verpflichtung ist auch die äußere Abwicklung erfolgt, das heißt die Beigeladene zu 1) hat
u. a. die Personalausgaben für den Kläger als Betriebsausgabe verbucht, Lohnsteuer
und Sozialversicherungsbeiträge für diese entrichtet und darüber hinaus schloss die
Beigeladene zu 1) ausweislich des Geschäftsführerdienstvertrages eine
Lebensversicherung zu Gunsten des Klägers ab und zahlte die monatlichen
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Lebensversicherung zu Gunsten des Klägers ab und zahlte die monatlichen
Versicherungsprämien. Dies sind für die Kammer in einer wertenden Betrachtung
herausragende Indizien, die für eine abhängige Beschäftigung und gegen ein
Unternehmerrisiko sprechen. Demgegenüber hat der Umstand, dass der Kläger seine
Arbeit als Geschäftsführer der GmbH selbst einteilen, er Zeit, Ort und Art ihrer
Ausführung selbst bestimmen konnte und er insoweit keinen Weisungen Dritter unterlag
und er von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches befreit war,
keine entscheidende, gegen eine abhängige Beschäftigung sprechende Bedeutung. Dies
ist bei so genannten Diensten höherer Art nicht ungewöhnlich. Entscheidend ist auch
insoweit auf die jeweilige Rechtsmacht abzustellen. Unerheblich ist insoweit, dass eine
Rechtsposition tatsächlich nicht ausgeübt wird, solange sie nicht wirksam abbedungen
ist. Die Gesellschafter haben hier dem Kläger – nach ihren Ausführungen im Rahmen der
mündlichen Verhandlung – zwar bei der Unternehmensführung bis zu herausragenden
organisatorischen und strukturellen Entscheidungen weitgehend freie Hand gelassen.
Ihre Rechtsmacht haben die Gesellschafter jedoch nie aufgegeben. Deutlich wird dies –
neben der ausdrücklichen Regelung im Gesellschaftervertrag vom 11. Juni 2002, wonach
der Geschäftsführer zur Vornahme von Handlungen und Rechtsgeschäften, die der
Bedeutung und dem Umfang nach von besonderem Gewicht sind oder über den
gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehen, der Zustimmung der
Gesellschafterversammlung bedarf (§ 5 Ziffer 3 S. 2), die beschlussfähig ist, wenn
mindestens die Hälfte des Stammkapitals vertreten ist (§ 7 Ziffer 3 S. 1) – insbesondere
auch durch die Ausführungen der Zeugin J im Rahmen der mündlichen Verhandlung, die
– unwidersprochen – darauf hinwies, dass sie sich ein gewisses Mitspracherecht habe
erhalten wollen und den Blick auf das von ihr investierte Geld, eine gewisse Sicherheit
und auch Kontrolle über ihr Geld behalten wollte. Darüber hinaus hält es die Kammer in
diesem Zusammenhang auch für bedeutsam, dass der Kläger Nebentätigkeiten nur
nach schriftlicher Zustimmung durch die Gesellschaft übernehmen darf (§ 1 Ziffer 3 des
Geschäftsführerdienstvertrages) und Investitionen nur mit
Gesellschaftsversammlungsbeschluss erfolgen können (§ 1 Ziffer 6 des
Geschäftsführerdienstvertrages). Selbst wenn der Kläger als Geschäftsführer der
Beigeladenen zu 1) im fraglichen Zeitraum – entsprechend seinem Vortrag und den
Angaben der im Rahmen des Termins zur mündlichen Verhandlung und
Beweisaufnahme gehörten Zeugen – über eine erhebliche Machstellung verfügt haben
mag und auch wichtige unternehmerische Entscheidung eigenständig treffen durfte,
ändert dies nichts an der Einstufung dieser „höheren“ Tätigkeit als
versicherungspflichtig. Es bleibt dabei, dass bei Fremdgeschäftsführern in der Regel eine
abhängige Beschäftigung angenommen werden muss (vgl. Bundessozialgericht, Urteil
vom 18. Dezember 2001, - B 12 KR 10/01 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 14). Besondere
Umstände, die eine andere Sichtweise gebieten könnten, dominieren im Falle des
Klägers nicht; das hält die Kammer für eindeutig. So war er im noch streitbefangenen
Zeitraum insbesondere der Mehrheitsgesellschafterin J gerade nicht verwandtschaftlich
verbunden. Es kann auch nicht davon die Rede sein, dass er die Beigeladene zu 1)
„faktisch wie ein Alleininhaber nach eigenem Gutdünken“ führte; er konnte nicht
„schalten und walten“, wie er wollte, weil er etwa die Gesellschafter persönlich
dominierte und diese wirtschaftlich von ihm anhängig waren. Allein faktische
wirtschaftliche Macht und privilegierte Vertragsbedingungen ändern noch nichts an der
abhängigen Stellung des Klägers als Fremdgeschäftsführer. Entscheidend bleibt, dass
dem Kläger – zumindest im streitgegenständlichen Zeitraum – die Rechtsmacht fehlte,
Beschlüsse der Gesellschafterversammlung in seinem Sinne herbeizuführen, um ihm
nicht genehme Entscheidungen zu verhindern. Entscheidend kann insoweit nur der
theoretische Konfliktfall sein, für den die Gesellschafter im Rahmen des
Gesellschaftsvertrages ausdrücklich eine rechtliche Lösungsregelung getroffen haben.
Daher ist es auch unerheblich, über welche Ausbildung die Gesellschafterinnen J und T
verfügen.
Schließlich stellt zwar die Gewährung des Darlehens in Höhe eines Betrages von
15.000,00 € auch nach Auffassung der Kammer ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit
des Klägers dar, da ein solches Engagement arbeitnehmeruntypisch ist. Andererseits
erhielt der Kläger (wie ausgeführt) ein festes - von der monatlichen Ertragslage des
Beigeladenen zu 1) unabhängiges - monatliches Gehalt. Die Annahme einer
selbständigen Tätigkeit ist indes erst dann gerechtfertigt, wenn ein echtes
Unternehmerrisiko getragen wird, wovon unter anderem jedoch erst dann ausgegangen
werden kann, wenn trotz fehlender Einnahmen Betriebsausgaben zu tragen sind
(Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. November 2005, - L 13 R
112/05, zitiert nach juris), was hier zu keinem Zeitpunkt der Fall gewesen ist. In der
vorzunehmenden Gesamtbetrachtung kann die Höhe des finanziellen Engagements die
gegen eine selbständige Tätigkeit des Klägers sprechenden Umstände nicht überlagern.
Die Tatsache, dass er weder tatsächlich noch rechtlich zur Bestimmung der Geschicke
des Beigeladenen zu 1) in der Lage war, wiegt zu schwer. Dabei hatte die Kammer im
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des Beigeladenen zu 1) in der Lage war, wiegt zu schwer. Dabei hatte die Kammer im
Übrigen auch zu berücksichtigen, dass die Hingabe des Darlehens erst am 06. Mai 2004,
mithin kurz vor dem Ende des hier noch streitgegenständlichen Zeitraumes, zur
Auszahlung gelangte und daher – in der Zusammenschau mit dem Wechsel in der
Zusammensetzung der Gesellschafter zum 10. Mai 2004 – die Beklagte zu Recht erst
mit Wirkung ab dem 11. Mai 2004 vom Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit
ausgegangen ist. Dieser Sichtweise entsprechen im Übrigen auch die eigenen Angaben
des Klägers im Feststellungsbogen vom 25. Oktober 2005, der dort angab,
Gesellschaftsbeschlüsse über seine Lebenspartnerin und über seine Mutter verhindern
zu können, womit er sich erkennbar erst auf einen Zeitraum bezog, in dem seine
Lebenspartnerin und seine Mutter Gesellschafterinnen der Beigeladenen zu 1) gewesen
sind. Weil sich die Mehrheitsgesellschafterin J erst am 10. Mai 2004 durch die
Veräußerung ihrer Gesellschaftsanteile der von ihr im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung
betonten Kontroll- und Mitsprachemöglichkeit begeben hat, verbleibt es auch bis zu
diesem Zeitpunkt bei der Beurteilung der Tätigkeit des Klägers als abhängige
Beschäftigung.
c)
der steuerrechtlichen von der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung der
klägerischen Tätigkeit zu teilen. Richtig ist zwar, dass zwischen diesen Rechtsgebieten
keine Bindungswirkung besteht, also der Einzugsstelle jeglicher Beurteilungsspielraum
und jegliche Entscheidungskompetenz bei Vorlage eines Steuerbescheides genommen
wäre, doch besteht eine starke Indizwirkung im Sinne eines Regel-Ausnahme-
Verhältnisses. Dies hat der Gesetzgeber etwa in § 28p SGB IV berücksichtigt, wonach bei
Betriebsprüfungen auf die Lohnsteuerprüfungen zurückgegriffen werden kann (§ 10 Abs.
2 der Beitragsverfahrensordnung). Auch findet sich ein entsprechender der Bezug in § 1
Abs. 1 Nr. 1 der Sozialversicherungsentgeltverordnung, als Nachfolgevorschrift der
früheren Arbeitsentgeltverordnung. Die Kammer kann und will nicht darüber
hinweggehen, dass der Kläger bei Abgabe seiner Steuererklärung – gegebenenfalls über
seinen Steuerberater – stets seine Arbeitnehmereigenschaft vorgetragen hat. Im
Übrigen ist die steuerrechtliche Behandlung auch nicht nur eine bloße Formalie. Wenn
gegenüber dem Finanzamt über Jahre hinweg nach besten Wissen und Gewissen erklärt
wird, als Arbeitnehmer sein Geld zu verdienen und gegebenenfalls auch entsprechende
Vergünstigungen steuerlicher Art in Anspruch genommen werden, ist dies ein
gewichtiges Indiz, das für die Qualifizierung als abhängiges Beschäftigungsverhältnis
spricht. Dies gilt auch für die Betriebsprüfungen. Dass die in der Vergangenheit
mehrfach durchgeführten Betriebsprüfungen keinerlei Beanstandungen dieser Praxis
ergeben haben, ist rechtlich nicht ausschlaggebend, ergänzt aber das Bild einer
zutreffend als abhängige Beschäftigung eingestuften Tätigkeit des Klägers.
Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger und die Beigeladene zu 1) bei der Frage, ob
der Kläger ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ausübt, in einem Rechtsirrtum
befanden, bestehen nicht, denn in dem Betrieb des Beigeladenen zu 1) sind und waren
fortlaufend Arbeitnehmer beschäftigt, für die eine Meldung zur Sozialversicherung zu
erfolgen hatte, für die der Kläger die Verantwortung trug. Die Frage der
Sozialversicherungspflicht und die diese begründenden Tatsachen waren daher dem
Kläger vertraut, so dass – entgegen der Auffassung des Klägers – nichts dafür spricht,
die Meldung habe auf einer fehlerhaften rechtlichen Einschätzung beruht.
d)
– auch keine rechtlich vernünftigen Gründe dafür, nunmehr rückwirkend in das jahrelang
mit Billigung aller Beteiligten bestehende Versicherungsverhältnis einzugreifen.
Schwerwiegende Fehler, Ungereimtheiten oder Erschleichung eines
Versicherungsschutzes sind auszuschließen. Gerade, weil eine solche in die
Vergangenheit zielende Umwandlung eines jahrelang aus dem Blickwinkel
verschiedenster Beteiligter zutreffenden Rechtszustandes zu Unklarheiten und
Unsicherheiten führt, hat das Bundessozialgericht den einleuchtenden Rechtssatz
formuliert, dass die Versicherungsverhältnisse grundsätzlich nicht nachträglich geändert
werden sollen (vgl. hierzu etwa Urteil vom 08. Dezember 1999, - B 12 KR 12/99 R, zitiert
nach juris). Der Gedanke von der Kontinuität eines Versicherungslebens, wonach
Änderungen darin erst für die Zukunft gelten sollen, ist ein beachtlicher Grundsatz und
Grundlage einer soliden Zukunftssicherung.
3.
Versicherungsfreiheit in allen Zweigen der Sozialversicherung nicht durchzudringen
vermochte, war die Klage auch hinsichtlich des Anfechtungsbegehrens abzuweisen.
Denn der Kläger war in dem zur Beurteilung gestellten Zeitraum vom 01. Juli 2002 bis
zum 10. Mai 2004 mehr als nur geringfügig abhängig beschäftigt und unterlag daher
nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI, § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XI
sowie § 25 SGB III der Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Kranken- und
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sowie § 25 SGB III der Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Kranken- und
Rentenversicherung, in der Sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der
Arbeitsförderung.
b)
und ihrem Gesamtzusammenhang nicht nur über die Versicherungspflicht dem Grunde
nach entschieden, sondern – zumindest im Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2006 –
eine umfassende Entscheidung für den zur Beurteilung gestellten Zeitraum
herbeigeführt, so dass es sich nicht lediglich um eine rechtswidrige
Elementenfeststellung handelt (vgl. zu diesem Aspekt eingehend: Bundessozialgericht,
Urteil vom 11. März 2009, - B 12 R 11/07 R, zitiert nach juris). Die Problematik der
unzulässigen Elementenfeststellung und der Verpflichtung zur konkreten
Verbescheidung über das Vorliegen der Versicherungspflicht stellt sich im Übrigen nach
Auffassung der Kammer schon deshalb nicht, weil für den Kläger in der Vergangenheit –
entsprechend seinem Bruttoarbeitsentgelt – tatsächlich
Gesamtsozialversicherungsbeiträge abgeführt worden sind (vgl. hierzu auch:
Sozialgericht Neuruppin, Urteil vom 15. September 2010, - S 25 KR 186/06 sowie Urteil
vom 06. Oktober 2010, - S 25 KR 73/06, jeweils zitiert nach juris).
4.
außergerichtlichen Kosten zu erstatten (§ 193 SGG). Auch hält es die Kammer nicht für
geboten, dem unterlegenen Kläger eventuelle Kosten der Beigeladenen zu 1)
aufzuerlegen.
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