Urteil des SozG Münster vom 17.09.1998

SozG Münster (anlage, 1995, kläger, honorar, abrechnung, sgg, grund, minderung, konto, vergütung)

Sozialgericht Münster, S 2 KA 38/97
Datum:
17.09.1998
Gericht:
Sozialgericht Münster
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 2 KA 38/97
Sachgebiet:
Vertragsarztrecht
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat der Beklagten deren
außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten darüber, wie sich nachträgliche Honorarkürzungen auf Grund von
Wirtschaftlichkeitsprüfungen auswirken, wenn die Beklagte früher für die selben
Quartale vom vom Kläger angeforderten vertragszahnärztlichen Honorar Abzüge gem.
der Anlage 1 zu ihrem Honorarverteilungsmaßstab (HVM) gemacht hat.
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Der Kläger ist als Zahnarzt in T niedergelassen und zur vertragszahnärztlichen
Versorgung zugelassen.
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Die Beklagte hatte im Benehmen mit den Krankenkassenverbänden in § 7 Abs. 1 S. 2
HVM und in Anlage 1 zum HVM durch Beschluss der Vertreterversammlung vom
08.06.1994 die Honorarverteilung für die Abrechnungszeiträume bis zum 31.12.1995 für
die Leistungen geregelt, die von der Budgetierung gem. § 85 Abs. 3 a des 5.
Sozialgesetzbuches (SGB V) erfasst sind. Nach § 85 Abs. 3 a SGB V i.d.F. des
Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 21.12.1992 (BGBl I 2266) durfte sich das
Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragszahnärztlichen
Leistungen - abgesehen von zahnprothetischen und kieferorthopädischen Leistungen -
in den Jahren 1993, 1994 und 1995 höchstens um den vom-Hundert-Satz verändern,
um den sich die nach den §§ 270 und 270 a SGB V zu ermittelnden beitragspflichtigen
Einnahmen der Mitglieder aller Krankenkassen mit Sitz in den alten Bundesländern je
Mitglied veränderten.
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Entsprechend hatte die Beklagte durch bestandskräftige Bescheide
Honorarminderungen bei dem Kläger wie folgt vorgenommen: Für den
Ersatzkassenbereich waren im 3. Quartal 1994 22.907,31 DM budgetrelevant gewesen,
die um 1.827,16 DM oder um 7,976 % reduziert wurden.
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Das budgetrelevante Ersatzkassenhonorar für das Quartal IV/1994 von 26.036,81 DM
war um 1.098,03 DM oder 4,217 % und das budgetrelevante Ersatzkassenhonorar für
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das Quartal I/1995 von 22.225,64 DM um 455,58 DM oder 2,050 % verringert worden.
Das budgetrelevante Honorarvolumen im Primärkassenbereich für das Quartal III/1994
von 21.249,15 DM war um 1.712,27 DM oder um 8,058 % verringert worden, während
das budgetrelevante Honorarvolumen im Primärkassenbereich für das Quartal IV/1994
von 21.813,39 DM um 747,29 DM oder 3,426 % gekürzt war.
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Im Ersatzkassenbereich war von dem budgetrelevanten Honorarvolumen für das Quartal
II/1995 von 26.907,49 DM ein Betrag von 456,59 DM oder 1,697 % abgezogen worden
und für das Quartal III/1995 von 26.492,83 DM 1.446,36 DM oder 5,459 %.
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Vom budgetrelevanten Primärkassenhonorar für das Quartal II/1995 von 44.012,91 DM
wurden Abzüge von 7.635,31 DM oder 17,348 % vorgenommen und für das 3. Quartal
1995 von 27.738,55 DM eine Minderung von 1.761,80 DM oder 6,351 %.
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In der Folgezeit wurden Wirtschaftlichkeitsprüfungen für die Quartale III/1994 bis I/1995
sowie für die Quartale II und III/1995 vorgenommen. Für die Quartale III/1994 bis I/1995
wurde ein Erstattungsbetrag von 7.989,93 DM festgesetzt, den der Kläger anerkannte.
Für die Quartale II und III/1995 wurde der Erstattungsbetrag vergleichsweise auf 30.000
DM festgesetzt.
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Die Beklagte ermittelte, welche Anteile der Erstattungsbeträge aus den
Wirtschaftlichkeitsprüfungen auf welches Quartal und auf den Ersatzkassen- bzw.
Primärkassenbereich entfielen. Die sich so ergebenden Teilbeträge reduzierte sie
jeweils um den selben Prozentsatz, um den sie vorher das budgetrelevante
Honorarvolumen des Klägers entsprechend Anlage 1 zum HVM verringert hatte. Der
Kürzungsbetrag aus der Wirtschaftlichkeitsprüfung für das Quartal III/1994 im
Ersatzkassenbereich von 1.484,37 DM wurde danach um 7,976 % = 118,39 DM
verringert. Für das Quartal IV/1994 wurde der Kürzungsbetrag aus der
Wirtschaftlichkeitsprüfung im Ersatzkassenbereich von 1.311,54 DM um 4,217 % oder
55,29 DM verringert, während der sich aus der Wirtschaftlichkeitsprüfung ergebende
Kürzungsbetrag im Ersatzkassenbereich für das Quartal I/1995 von 1.203,81 DM um
2,05 % = 24,67 DM reduziert wurde. Aus der Wirtschaftlichkeitsprüfung hatte sich für den
Primärkassenbereich für das Quartal III/1994 ein Erstattungsbetrag von 1.377,24 DM
ergeben, der um 8,058 % oder 110,93 DM verringert wurde. Der Erstattungsbetrag für
das Quartal IV/1994 von 1.038,79 DM wurde um 3,426 % oder 35,59 DM reduziert, so
dass die Beklagte das Konto des Klägers wegen der Honorarkürzungen für die Quartale
III/1994 bis I/1995 in der Buchungsmitteilung vom 13.01.1997 nicht mit den festgesetzten
7.989,93 DM, sondern nur mit 7.645,06 DM belastete.
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In der Buchungsmitteilung vom 14.01.1997 belastete sie das Konto des Klägers anstelle
der durch Vergleich festgesetzten 30.000 DM mit 27.722,03 DM. Dabei ging sie davon
aus, dass sich der Erstattungsbetrag für das Quartal II/1995 für den Ersatzkassenbereich
von 7.139,83 DM um 1,697 % oder 121,17 DM verringerte, so wie der Regressbetrag
aus der Wirtschaftlichkeitsprüfung für das Quartal III/1995 im Ersatzkassenbereich von
5.511,44 DM um 5,459 % oder 300,88 DM. Den Kürzungsbetrag aus der
Wirtschaftlichkeitsprüfung für das Quartal II/1995 im Primärkassenbereich von 8.267,18
DM verringerte sie um 17,348 % oder 1.434,25 DM und den Kürzungsbetrag im
Primärkassenbereich für das Quartal III/1995 von 6.638,98 DM um 6,351 % bzw. 421,67
DM.
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Gegen beide Buchungsmitteilungen, die nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen
waren, erhob der Kläger mit einem am 17.02.1997 eingegangenen Schreiben
Widerspruch. Darin vertrat er die Auffassung, dass die Minderung nach Anlage 1 zum
HVM der Beklagten nunmehr nach Festsetzung der Kürzungsbeträge durch die
Wirtschaftlichkeitsprüfungen neu berechnet werden müsse. Dabei müssten die durch
die Wirtschaftlichkeitsprüfung gekürzten Beträge von dem von ihm ursprünglich
abgerechneten Honorar abgezogen werden. Erst danach dürfe die Honorarminderung
nach Anlage 1 zum HVM errechnet werden.
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Dann falle die Honorarminderung nach der Anlage 1 zum HVM wesentlich geringer aus,
so dass nach seiner Meinung die Kürzungsbeträge aus der Wirtschaftlichkeitsprüfung
etwa um 9.500 DM und nicht nur um 344,87 DM bzw. 2.277,97 DM reduziert werden
müssten.
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Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 22.04.1997
zurück. Sie stützte ihre Entscheidung auf § 5 Abs. 2 der Anlage 1 zum HVM. Diese
Bestimmung lautet:
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"Werden Leistungen des Teil I Bema-Z bzw. Gebührentarifs A nach der Anwendung der
Honorarverteilung nach dieser Anlage geringer vergütet, sind diese Kürzungsbeträge
auf die Kürzungsbeträge im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung anzurechnen. Dies
erfolgt nur, wenn die Kürzungsbeträge im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung die
geringeren Vergütungen aus der Honorarverteilung nach dieser Anlage nicht
berücksichtigt haben."
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Entsprechend dieser Regelung in der Anlage 1 zum HVM habe die Beklagte die in den
Wirtschaftlichkeitsprüfungen festgesetzten Erstattungsbeträge jeweils um den selben
Prozentsatz reduziert, um den die Honoraranforderungen des Klägers entsprechend der
Anlage 1 zum HVM verringert worden seien.
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Mit der am 15.05.1997 bei Gericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger weiterhin
gegen die Entscheidungen der Beklagten gewandt.
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Er führt zur Begründung ergänzend aus, dass ihm der ursprünglich abgerechnete
Honorarbetrag in Höhe der bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung festgesetzten
Erstattungsbeträge wegen Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise nicht
zugestanden habe. Das werde nur berücksichtigt, wenn man nach der
Wirtschaftlichkeitsprüfung die Erstattungsbeträge zunächst von dem vom Kläger
ursprünglich angeforderten Honorar abrechne und erst danach die Honorarminderung
nach der Anlage 1 zum HVM der Beklagten vornehme.
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Der Kläger beantragt,
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die Bescheide der Beklagten vom 13. und 14.01.1997 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 22.04.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten,
erneut eine Abrechnung entsprechend der Auffassung des Gerichtes vorzunehmen.
21
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Nach ihrer Meinung stützt sich die von ihr vorgenommene Abrechnung auf § 5 Abs. 2
der Anlage 1 zum HVM. Sie verweist weiter darauf, dass jede andere Art der
Berechnung, insbesondere so wie sie der Kläger wolle, unpraktikabel wäre, weil dann
die gesamten Honorarminderungen nach der Anlage 1 des HVM für alle Zahnärzte in
Westfalen-Lippe erneut berechnet werden müssten.
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Die Umsetzung der Budgetierung in ihrem HVM auch im Rahmen des § 5 Abs. 2 der
Anlage 1 verstoße nicht gegen höherwertiges Recht. Die Regelung sei sachlich
gerechtfertigt, nicht willkürlich und am Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit orientiert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der von den
Beteiligten eingereichten Schriftsätze verwiesen. Bezug genommen wird auf die
Verwaltungsakten der Beklagten, deren Inhalt, soweit er entscheidungserheblich ist,
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
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Entscheidungsgründe:
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Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die
angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 13. und 14. Januar 1997 und der
Widerspruchsbescheid vom 22.04.1997 sind rechtmäßig und beschweren den Kläger
daher nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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Nach § 5 Abs. 2 der Anlage 1 zum HVM der Beklagten hat die Beklagte zu Recht die in
den Wirtschaftlichkeitsprüfverfahren festgesetzten Erstattungsbeträge nur um den
selben Prozentsatz reduziert, in dem sie bereits früher getrennt nach Ersatzkassen und
Primärkassen das vom Kläger abgerechnete Honorar nach der Anlage 1 zum HVM
vermindert hatte.
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§ 5 Abs. 2 S. 1 der Anlage 1 zum HVM bestimmt, dass die Kürzungsbeträge, die sich
nach der Anwendung der Honorarverteilung nach dieser Anlage bei der Vergütung der
Leistungen des Teiles I Bema-Z bzw. des Gebührentarifs A ergeben haben, auf die
Kürzungsbeträge im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung anzurechnen sind. Dies gilt
jedenfalls nach § 5 Abs. 2 S. 2 dieser Anlage dann, wenn die Kürzungsbeträge im
Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung die geringere Vergütung aus der
Honorarverteilung nicht berücksichtigt haben. Im vorliegenden Fall sind die
Honorarminderungen nach Anlage 1 zum HVM der Beklagten bei der Festsetzung der
Erstattungsbeträge durch die Prüfgremien bzw. im Wege des Vergleiches mit dem
Kläger nicht berücksichtigt worden.
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Nach dem Wortlaut von § 5 Abs. 2 S. 1 der Anlage 1 zum HVM ist mithin nicht, wie der
Kläger meint, der Regressbetrag aus der Wirtschaftlichkeitsprüfung von seinem
ursprünglich abgerechneten Honorar abzuziehen und dann die Anlage 1 zum HVM
anzuwenden. Vielmehr sind nach dem Wortlaut von § 5 Abs. 2 S. 1 der Anlage 1 zum
HVM die sich aus der Honorarminderung nach Anlage 1 ergebenden Kürzungsbeträge
auf die Erstattungsbeträge aus der Wirtschaftlichkeitsprüfung anzurechnen.
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Diese sich aus dem Wortlaut des § 5 der Anlage zum HVM ergebende Auslegung
entspricht auch Sinn und Zweck der Regelungen über die Honorarminderung und die
Honorarkürzung auf Grund von Wirtschaftlichkeitsprüfverfahren. Die Honorarminderung
nach der Anlage 1 zum HVM ist jeweils gleich bei der Abrechnung erfolgt, während die
Prüfgremien für die Wirtschaftlichkeitsprüfung erst später ihre Entscheidungen treffen, so
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dass es auch ein erheblicher Verwaltungsaufwand wäre, danach alles noch mal erneut
aufzurollen. Außerdem ergibt sich bei einem Erstattungsbetrag auf Grund von
unwirtschaftlicher Behandlungsweise auch nie, welche Leistungen im einzelnen nun
unwirtschaftlich waren und damit nicht hätten erbracht und mithin auch nicht
abgerechnet werden können, sondern es wird eine Schätzung vorgenommen und ein
Schadensersatzbetrag ermittelt.
Da sich die Honorarminderung nach der zulässigen Gesamtvergütung richtet und vom
von allen Zahnärzten abgerechneten Honorar abhängig ist, würde es außerdem dazu
führen, dass alle Honorarminderungen für alle Zahnärzte in Westfalen-Lippe neu
berechnet werden müssten, wenn in einem Fall nachträglich nach einer
Wirtschaftlichkeitsprüfung ein Regressionsbetrag festgesetzt wird.
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Deshalb ist es sachgerecht, die Kürzungsbeträge, die sich aus der Anwendung der
Anlage 1 zum HVM ergeben haben, anzurechnen auf die später bei der
Wirtschaftlichkeitsprüfung festgesetzten Erstattungsbeträge.
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Die Regelung in § 5 Abs. 2 der Anlage 1 zum HVM entspricht auch insoweit der
Billigkeit, als es unbillig wäre, bei einem Zahnarzt, der seine Leistungen nicht mit dem
vereinbarten Punktwert, sondern geringer vergütet erhalten hat, dann den
Schadensersatzbetrag im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach den vereinbarten
Punktwerten zu bestimmen, so dass es folgerichtig ist, dass dann auch der
Regressbetrag sich entsprechend so mindert, wie sich das ursprünglich vom Kläger
abgerechnete Honorar nach der Anlage 1 zum HVM gemindert hat.
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Deshalb hat die Beklagte zu Recht die selbe prozentuale Verringerung des Honorars,
die sie nach Anlage 1 zum HVM für die entsprechenden Quartale getrennt nach
Ersatzkassen- und Primärkassenhonorar bereits vorgenommen hatte, auch auf die
Erstattungsbeträge aus den Wirtschaftlichkeitsprüfungen angewandt. § 5 Abs. 2 der
Anlage 1 zum HVM entspricht ebenso wie die gesamte Anlage 1 des HVM der
Beklagten der Ermächtigungsgrundlage des § 85 Abs. 3 a S. 1 i.V.m. Abs. 4 SGB V und
verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. Insoweit nimmt das Gericht Bezug auf
das Urteil des LSG NW - L 11 Ka 131/96 - vom 18.12.1996 und das zu Grunde liegende
Urteil des erkennenden Gerichtes S 2 Ka 87/95 vom 20.06.1996.
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Auch § 5 Abs. 2 der Anlage 1 zum HVM erfüllt die Voraussetzungen, dass
Honorarverteilungsregelungen praktikabel sein müssen. Deshalb können keine
überspannten Anforderungen nach Einzelfallgerechtigkeit erhoben werden. Außerdem
ist die Regelung sachlich gerechtfertigt, weil die Honorarminderungen nach Anlage 1
zum HVM vor den Wirtschaftlichkeitsprüfungen durchgeführt werden. Sie ist auch frei
von Willkür, sondern entspricht der Billigkeit, wie bereits ausgeführt ist.
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Nach alle dem ist die Klage unbegründet.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich den §§ 193, 183 SGG, insbesondere aus § 193
Abs. 4 SGG.
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