Urteil des SozG Münster vom 09.12.2002

SozG Münster: ärztliche verordnung, krankenpflege, haushalt, form, gerichtsakte, versorgung, preisliste, pflegeheim, verpflegung, gesetzesänderung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Sachgebiet:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Rechtskraft:
Sozialgericht Münster, S 8 (3) KR 141/01
09.12.2002
Sozialgericht Münster
8. Kammer
Urteil
S 8 (3) KR 141/01
Krankenversicherung
nicht rechtskräftig
Die Beklagte wird unter teilweiser Abänderung des Bescheides vom
19.04.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2001
verurteilt, mit Wirkung ab dem 01.01.2002 die Kosten für die häusliche
Krankenpflege für die Klägerin gemäß § 37 SGB V zu tragen. Im Übrigen
wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen
außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2/3.
Tatbestand:
Streitig ist die Übernahme von Kosten der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 Fünftes
Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für die am 00.00.1925 geborene, bei der Beklagten
krankenversicherte und in einer Einrichtung des betreuten Wohnens lebende Klägerin.
Die Klägerin ist seit dem 1998 wohnhaft im "Seniorenhaus im T" in I, Kreis D. Die
Grundlage für ihren Aufenthalt dort bilden zwei zum 00.00.1998 zwischen der Klägerin und
den Betreibern des Seniorenhauses im T, der O E, B C GbR ( Gesellschaft Bürgerlichen
Rechts ), abgeschlossene zivilrechtliche Verträge. In dem einen Vertragswerk ist ein
Mietverhältnis geregelt über einen Wohn- und Schlafraum, eine Kochnische und ein Bad zu
einer Grundfläche von insgesamt 25 Quadratmetern als einzelne Wohneinheit. Der
Mietzins dafür beträgt monatlich 650 DM und ist im Rahmen der EURO-Umstellung nicht
erhöht worden. Zu dem Vertragswerk ist eine sogenannter Betreuungsvertrag
(Zusatzvertrag zum Mietvertrag) für Senioren-Wohnungen ebenfalls mit Wirkung ab
00.00.1998 geschlossen worden. Im Betreuungsvertrag, § 3, Leistungskatalog, sind
Grundleistungen und frei wählbare Zusatzleistungen unterschieden. Die Grundleistungen
umfassen u.a. die Beratung und Vermittlung von Hilfsdiensten, Hilfe bei
Behördenangelegenheiten, Betreuungsangebote verschiedener Art, Angebote zur
Kommunikation und Beschäftigung, Hilfen bei der Gestaltung des Tagesablaufs,
Fahrdienste und Rufbereitschaft. Frei wählbare Zusatzleistungen sind davon unabhängig,
und zwar Leistungen der Verpflegung für sämtlich Mahlzeiten nach freiem Wunsch der
Bewohner, Reinigung der Räumlichkeiten, Bereitstellung der Bettwäsche und ein im
einzelnen detailliert geregelter Wäschedienst. Für den Bereich der sogenannten
Grundleistung im Sinne von § 3 Betreuungsvertrag ist ein pauschales monatliches
Betreuungsentgelt in Höhe von 150,- DM vereinbart. Die Zusatzleistungen sind nach einer
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dem Vertrag beigefügten gesonderten Preisliste für jede einzelne Leistung täglich einzeln
abzurechnen, die Kosten für Verpflegung, Reinigung, Zimmer, Bereitstellen von
Bettwäsche bzw. Wäschedienst ergeben sich aus dieser Liste. Wegen der weiteren
Einzelheiten sowohl des Mietvertrages als auch des Betreuungsvertrages wird voll
inhaltlich auf die bei der Gerichtsakte Bl. 18 - 31 befindlichen Ablichtungen der
Vertragsgrundlagen zwischen der Klägerin und den Betreibern des Seniorenhaus im T zur
Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
Die Klägerin nahm während der Dauer ihres Aufenthaltes im Seniorenheim im T seit Mai
1998 regelmäßig Leistung der häuslichen Krankenpflege im Sinne von § 37 Abs. 2 SGB V
in Form der Überwachung der Medikamentengabe in Anspruch. Zu dem Zweck ist auf
ärztliche Verordnung hin jeweils ein privater Pflegedienst zweimal täglich, sieben mal die
Woche, in ihrer Wohneinheit im Seniorenheim im T erschienen und hat die
Medikamentenstellung und Medikamenteneinnahme überwacht. Zugrundeliegende,
verordnungsrelevante Diagnosen sind dabei nach ständiger Bescheinigung des
behandelnden Internisten Dr. Q aus I insbesondere Depressionen und Analphabetismus
der Klägerin gewesen. Über Jahre hinweg genehmigte die Beklagte diese Form der
Leistungserbringung, Medikamentengabe und Medikamentenüberwachung, als Leistung
häuslicher Krankenpflege.
Mit einem am 09.03.2001 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben beantragte der
private Pflegedienst "D1-Pflege-GmbH" aus T1 bei der Beklagten die Übernahme der
Kosten für die Medikamentenbestellung für die Klägerin im Zeitraum 01.03.2001 -
31.03.2001. Erneut lag eine ärztliche Verordnung für häusliche Krankenpflege von Dr. Q
bei. Nach einem internen Vermerk der Beklagten ist angesichts der Wohnanschrift "L U"
eine weitere Bewilligung nicht vorzunehmen, die Beklagte teilte schließlich mit
gleichlautenden Schreiben vom 19.04.2001 sowohl an den behandelnden Internisten Dr.
Q, den Pflegedienst D1 in T1 sowie die Klägerin persönlich mit, dass häusliche
Krankenpflege für den Monat April 2001 nur bis zum 22.04.2001 übernahmefähig sei. Die
weitere Kostenübernahme über den 22.04.2001 hinaus lehnte sie ab, da ein eigener
Haushalt der Versicherten nicht mehr vorläge, sie vielmehr in einer Altenwohnung lebe und
die Versorgung dort grundsätzlich im Rahmen des sog. betreuten Wohnens schon
begrifflich kein eigener Haushalt im Sinne der Vorschriften des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 SGB
V sei.
Mit dem dagegen am 25.04.2001 bei der Beklagten eingegangenen, für die Klägerin von
ihrer Betreuerin erhobenen, Widerspruch rügte die Klägerin u. a., dass aus Anlass einer
Ortsbegehung durch Mitarbeiter der Beklagten die Eigenschaft der einzelnen
Wohneinheiten im Seniorenhaus im T in I bereits uneingeschränkt als selbständige
Wohneinheiten bestätigt worden sei. Insoweit sei für sie nicht nachvollziehbar, weshalb
jetzt die Ablehnung der häuslichen Krankenpflege eingreife. Die Beklagte veranlasste
darauf eine neuerliche Begehung im Rahmen eines Hausbesuches in der Einrichtung und
ein Gespräch mit der Betreuerin und Klägerin persönlich. Wegen der Einzelheiten wird auf
den Inhalt des Vermerks in den Akten der Beklagten vom 30.05.2001, Bl. 69
Verwaltungsakte der Beklagten, Bezug genommen. Sodann erteilte die Beklagte am
20.06.2001 einen abschlägigen Widerspruchsbescheid. Darin verblieb sie dabei, dass im
umstrukturierten früheren Pflegeheim im T in I, keine eigenen Haushalte für die dortigen
Bewohner vorgehalten werden würden, vielmehr handele es sich um eine
Altenheimeinrichtung mit der Folge, dass auch mangels Wahlmöglichkeiten der Bewohner
Kosten für häusliche Krankenpflege zugunsten der Klägerin nicht übernommen werden
könnten.
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Dagegen richtet sich die am 12.07.2001 bei dem Sozialgericht Münster anhängig gemachte
Klage. Zur Begründung trägt die Klägerin im wesentlichen vor, dass es sich um eine
Einrichtung des betreuten Wohnens oder auch Service-Wohnens handele. Der
Betreuungsvertrag biete allein Zusatzleistungen an. Die Entscheidung über die
Inanspruchnahme einzelner Betreuungsangebote läge vollständig bei den jeweiligen
Bewohnern. Die Zusatzleistungen würden auch nur auf Wunsch gewährt. Eine
selbständige hauswirtschaftliche Versorgung sei im Einzelfall möglich. Insgesamt sei die
Einrichtung im Seniorenhaus im T ohne weiteres unter den Begriff des Haushalts im Sinne
von § 37 SGB V zu subsumieren und dementsprechend die Inanspruchnahme von
Pflegeleistungen der Klägerin dort auch nach den Grundsätzen über die Gewährung
häuslicher Krankenpflege an Versicherte gem. § 37 Abs. 2 SGB V zu beurteilen. Die
Bevollmächtigten der Klägerin überreichten im übrigen in der Folgezeit vollständige Kopien
der Vertragsgrundlagen, nämlich des Mietvertrages sowie des ergänzend
abgeschlossenen Betreuungsvertrages, einschließlich der Preisliste für Zusatzleistungen,
Bl. 18 - Bl. 31 der Gerichtsakte. Darüber hinaus wurde für die Klägerin darauf aufmerksam
gemacht, dass eine Anerkennung der Einrichtung als Pflegeheim bereits im Jahre 1996
widerrufen worden sei. Dazu beziehen sich die Bevollmächtigten der Klägerin auf ein in
Kopie beigefügtes Schreiben des damaligen Oberkreisdirektors des Kreises D vom
04.11.1996. Damit war nach § 15 Abs. 2 Heimgesetz (HeimG) die Erlaubnis von Dezember
1993 gegenüber der O E/B C GbR zum Betrieb eines Altenheims mit Pflegeabteilung mit
insgesamt 18 Plätzen widerrufen worden. Auch dies spricht nach Auffassung der Klägerin
gegen die Beurteilung des Seniorenhaus im T als eine Einrichtung im Sinne des
Heimgesetzes. Die neue Form des betreuten Wohnens oder sog. Service-Wohnens sei
davon nämlich abweichend zu beurteilen. Eine vollständige Fremdversorgung wie bei
einem Altenheim oder Pflegeheim läge dort jedenfalls nicht vor und die Klägerin habe
weiterhin die Möglichkeit zu einer eigenen Haushaltsführung. Schließlich bezieht sich die
Klägerin auch noch auf die Gesetzesnovelle zur Neufassung des Heimbegriffes in § 1
HeimG durch Änderungsgesetz vom 05.11.2001 mit Wirkung ab 01.01.2002.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 19.04.2001 in Form des Widerspruchsbescheides vom
20.06.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über den 22.04.2001 hinaus
Kosten für ihre häusliche Pflege zu übernehmen, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen,
jedenfalls ab dem 01.01.2002 die Kosten für häusliche Krankenpflege für sie zu
übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich im Wesentlichen auf den Inhalt ihres angefochtenen
Widerspruchsbescheides. Darüber hinaus rügt sie im einzelnen, dass die Form des
Wohnens und der hauswirtschaftlichen Versorgung der Klägerin in der Senioreneinrichtung
insgesamt bereits begrifflich unter die Voraussetzung des HeimG zu fassen sei, was für
einzelne Verrichtungen wie Nahrungszubereitung, Versorgen der Wäsche, Reinigen der
Räumlichkeiten etc., sämtlich als Fremdversorgung anzusehen, geltend müsste. Sie
verbleibt dabei, dass häusliche Krankenpflege mangels Vorhandenseins eines Haushaltes
nicht mehr zu gewähren sei. Darüber hinaus bezieht sie sich auf die Einordnung der
Wohnform als Einrichtung im Sinne des HeimG nach Maßgabe eines gemeinsamen
Rundschreibens der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherungen vom
03.03.1978 und legt Kopie dieses Rundschreibens vor, Bl. 62 - 64 der Gerichtsakte.
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Zusammengefasst ist die Beklagte der Auffassung, dass eine eigenständige
Haushaltsführung der Klägerin in dieser Wohnform nicht vorläge und dementsprechend
eine Kostenübernahme gemäß § 37 Abs. 2 SGB V aus gesetzlichen Gründen ausscheiden
müsse.
Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen, darüber hinaus den
Beteiligten Ablichtungen von verschiedenen sozialgerichtlichen Urteilen, u.a. SG Hamburg
vom 22.12.1993, S 22 KR 40/92, LSG NRW 22.01.1998, L 2 KN 7/95 und LSG Baden
Württenberg vom 16.06.2000, L 4 KR 4615/ 99, im Volltext bzw. in Leitsätzen beigezogen
und den Beteiligten zur Kenntnis gebracht. Sodann ist im Termin zur mündlichen
Verhandlung Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Frau N E1 als Zeugin zur
Frage der Umstände des Wohnens der Klägerin in Seniorenhaus im T in I. Wegen der
Einzelheiten der Bekundungen der Zeugin im Termin zur mündlichen Verhandlung am
09.12.2002 vor der erkennenden Kammer wird auf die Anlage 1 zur Sitzungsniederschrift
vom 09.12.2002, Bl. 109 bis Bl. 111 dieser Gerichtsakte, Bezug genommen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Inhalt der
Krankenversicherungsakte sowie dieser Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen
Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung war, im vollen Umfang verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Die Klägerin hat aus
Rechtsgründen mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neufassung des HeimG zum
01.01.2002 Anspruch auf Kostentragung durch die Beklagte für die Kosten häuslicher
Krankenpflege im Sinne von § 37 Abs. 2 SGB V. Darüber hinaus ist allerdings die Klage,
soweit sie den Zeitraum vom April 2001 bis 31.12.2001 betraf, abzuweisen gewesen.
Mithin sind im zusprechenden Umfang des Tenors die angefochtenen Bescheide,
Bescheid vom 19.04.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2001,
wegen eingetretener Rechtswidrigkeit ab dem 01.01.2002 abzuändern gewesen. Zu
Überzeugung der Kammer hat die Klägerin aus Rechtsgründen ab 01.01.2002 Anspruch
auf Übernahme der notwendigen Kosten für häusliche Krankenpflege in Form der
Inanspruchnahme eines Pflegedienstes nach § 37 Abs. 2 SGB V. Gemäß § 37 Abs. 2 S. 1
SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt als häusliche Krankenpflege
Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung
erforderlich ist. Die zugrundeliegenden vertragsärztlichen Verordnungen des Dr. Q aus I
geben in medizinischer Hinsicht keine Veranlassung zu Zweifeln. Die ärztliche
Notwendigkeit insbesondere zur Überwachung der Medikamentengabe an die Klägerin
aus medizinischen Gründen vor dem Hintergrund speziell auch ihres Analphabetismus ist
damit zur Überzeugung der Kammer nachgewiesen. Weitere Voraussetzung ist nach der
besagten Norm jedoch die Tatsache, dass sich die versicherte Person u. a. in ihrem
Haushalt aufhalten muss. Der Leistungsort ist damit definiert, vgl. zuletzt auch Urteil des
BSG vom 21.11.2002, B 3 KR 13/02, wobei danach aber auch eine allein häusliche
Bindung nicht vorausgesetzt wird. Haushalt bedeutet jedenfalls die private Lebens- und
Wirtschaftsführung des Versicherten als den Ort, von dem aus oder an dem menschliche
Grundbedürfnisse wie Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hygiene, Ruhe und Schlaf
zumeist regelmäßig erfüllt werden. Entscheidend ist dabei, dass es sich um einen eigenen
Haushalt des Versicherten handeln muss, wobei für die Lebens- und Wirtschaftsführung
eben eine Abgrenzung zur Unterbringung im Heimeinrichtungen geboten ist. In
Wohnheimen, Wohnstiften, Altenheimen oder Altenpflegeheimen befindet sich ein
Haushalt von Versicherten im Sinne von § 37 SGB V nur dann, wenn sie sich dort auch
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wirtschaftlich selbst versorgen, herrschende Meinung, Kasseler Kommentar - Höfler Bd. 1,
§ 37 SGB V, Rdz. 13, 14, mit weiteren Nachweisen. Zur Auslegung des Merkmals eines
eigenen Haushaltes hat sich das Gericht zum einen auf die ständige höchstrichterliche
Rechtsprechung u. a. des. BSG bezogen. Danach handelt es sich bei einem Haushalt, im
Sinne des Anspruchs auf häusliche Pflege gem. § 37 SGB V, um eine wohnungsmäßige,
familienhafte Wirtschaftsführung, BSG SozR. 2200, § 199 Nr. 3, S. 4, vgl. im übrigen auch
Urteil des BSG vom 09.10.2001, B 1 KR 50/00 R. Diesbezüglich ist für die Auslegung zur
Überzeugung des Gerichts die Einordnung der Wohnform der Klägerin auch unter
Berücksichtigung der gesetzlichen Bewertung durch das HeimG in der jeweils geltenden
Fassung maßgeblich. Die Einrichtungen des betreuten Wohnens sind bis zur
Rechtsänderung zum 31.12.2001 regelmäßig als anzeigepflichtiges Heim im Sinne des
HeimG beurteilt worden. Nach der Rechtsprechung u. a. des Oberverwaltungsgerichts für
das Land Brandenburg, Beschluss vom 01.12.1999, 4 B 127/99, NJW 2000, 1435 - 1437,
können auch Einrichtungen des betreuten Wohnens Heime i.S.v. § 1 Abs. 1 HeimG a. F.
sein. Dabei steht dem Heimcharakter auch nicht entgegen, wenn der Träger einer solchen
Einrichtung Betreuungsleistungen durch einen Pflegedienst vorhält, der dann im Rahmen
der häuslichen Pflege auch gegenüber Dritten ambulant tätig wird. Mit dieser
Rechtsprechung ist festzuhalten, dass das HeimG von sachlichen Anwendungsbereich her
auch auf Altenwohnungen im Rahmen des sog. betreuten Wohnens anzuwenden ist und
damit das HeimG Anwendung findet, mithin ein eigenständiger Haushalt begrifflich
ausgeschlossen ist. Gleiches hat zur Rechtslage vor der Gesetzesänderung mit Wirkung ab
01.01.2002 auch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen vertreten,
Urteil vom 28.01.1999, 4 A 589/98, NWVBl 1999, 398, 399. In dieser Entscheidung ist
ebenfalls ausgeführt, dass Einrichtungen des sog. betreuten Wohnens ein Heim im Sinne
von § 1 Abs. 1 HeimG sein können. Die Entscheidungen beziehen sich auf die frühere
Rechtslage, wonach eine nicht dem HeimG unterfallende Altenwohnung nur dann
angenommen wurde, wenn eine Gewährung oder Vorhaltung von Verpflegung und/oder
Betreuung nicht vorliege, vgl. Urteile des OVG NRW vom 28.01.1999, a.a.o. Unabhängig
von der Frage der Entziehung der Heimerlaubnis bzw. der Erlaubnispflichtigkeit der
Einrichtung Seniorenhaus T in I hier im Einzelfall gilt danach, dass jedenfalls die Form der
Vermietung von Wohneinheiten an Senioren unter gleichzeitigem Angebot von
Zusatzleistungen mittels eines sog. Betreuungsvertrages mit ergänzendem Angebot für
hauswirtschaftliche Versorgung, Ernährung, Fürsorge für Kleidung und Wohnung,
begrifflich bis 31.12.2001 einen Aufenthalt in einem Heim im Sinne von § 1 Abs. 1 HeimG
a. F. begründete. Es handelte sich insoweit gesetzlich nicht um eine selbständige
Altenwohnung. Dagegen spricht nämlich bereits die Zusatzvereinbarung, der
Betreuungsvertrag und insbesondere das Angebot differenzierter Dienstleistungen
einschließlich gesonderter Preisliste nach dem von der Klägerin selbst vorgelegten
Vertragsgrundlagen vom 01.05.1998.
Anders ist hingegen die Rechtslage zur Überzeugung der Kammer mit Wirkung ab
Inkrafttreten des Änderungsgesetzes zum 01.01.2002 zu beurteilen. Nunmehr hat die
gesetzliche Regelung zum Anwendungsbereich des HeimG, § 1 Abs. 1 HeimG n. F. i. V. m.
Absatz 2, eine erhebliche Änderung im Hinblick auf die Form des betreuten Wohnens
erfahren. Danach ist die Anwendung des HeimG dann nicht allein vorzunehmen, wenn die
Mieter vertraglich verpflichtet sind, allgemeine Betreuungsleistung wie Notrufdienst oder
Vermittlung von Dienstleistung und Pflegeleistung von bestimmten Anbietern anzunehmen
und das Entgelt hierfür im Verhältnis zur Miete von untergeordneter Bedeutung ist, § 1 Abs.
2 S. 1, S. 2, HeimG n. F., BGBl I 2970, Neufassung vom 05.11.2001.
Maßgebliches gesetzgeberisches Motiv des Deutschen Bundestages für diese
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Rechtsänderung war gerade, dass in der Vergangenheit u. a. durch die bereits zitierten
Urteile einzelner Oberverwaltungsgerichte betreutes Wohnen ausdrücklich auch dem
HeimG unterfallen sollte, vgl. dazu den Aufsatz von Sunder/Konrad, Betreuungsrecht Info,
3/2002, herausgegeben vom Landeswohlfahrtsverband Württemberg-Hohenzollern, S. 11
ff. Um diese Einbeziehung der Einrichtung betreutes Wohnens entgegenzuwirken, wurde §
1 Abs. 2 HeimG wie zitiert modifiziert. Nach der Gesetzesbegründung, BT-Drucksache
14/5399, S. 19 ist die maßgebliche Grenze überschritten, wenn die Betreuungspauschale
für die allgemeinen Betreuungsleistungen (Grund-Service) erheblich über 20 % der Miete
incl. der Betriebskosten liegt. Dies ist zur Überzeugung der Kammer nicht der Fall.
Ausweislich der Bekundungen der Zeugin Frau E1 in der Beweisaufnahme von der
erkennenden Kammer am 09.12.2002 sind im Falle der Klägerin konkret die Kosten seit
Vertragsschluss im Mai 1998 gleichgeblieben, wurden allein auf die neue EURO-Währung
umgestellt. Danach liegt hier ein Verhältnis zwischen der Miete als solcher zu den
allgemeinen Betreuungsleistungen, Grundleistung i. S. v. § 3 des Betreuungsvertrages,
Zusatz zum Vertrag zum Mietvertrag, Bl. 26, 27 der Gerichtsakte, von rund 23% vor. Diese
leichte Abweichung ist noch keine erhebliche Überschreitung der Kostengrenze für die
Betreuungsleistungen. Im Verhältnis zur Miete ist das Entgelt für den Grund-Service zur
Überzeugung der erkennenden Kammer weiterhin von noch untergeordneter Bedeutung.
Nach der gesetzgeberischen Entscheidung soll danach das betreute Wohnen unter
Berücksichtigung dieser konkreten Einzelumstände nicht mehr vom HeimG umfasst
werden. Damit ist die Wohnform der Klägerin im Seniorenheim im T ab dem 01.01.2002
ersichtlich auch als Haushalt zu beurteilen. Dies ist als gesetzgeberisch gewollt nach § 1
Abs. 2 HeimG n. F. anzusehen. Die Beklagte war danach diesbezüglich antragsgemäß ab
dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung zum 01.01.2002 wie geschehen zu
verurteilen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG, wobei das überwiegende Obsiegen der
Klägerin durch die tenorierte Quote festzustellen war.