Urteil des SozG Münster vom 10.10.2002

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Sozialgericht Münster, S 2 KA 15/00
Datum:
10.10.2002
Gericht:
Sozialgericht Münster
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 2 KA 15/00
Sachgebiet:
Vertragsarztrecht
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat der Beklagten deren
außergerichtliche Kosten zu erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche
Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte im Nov. 1999 noch Honorar des
Klägers für die Quartale I/1993 bis IV/1996 berichtigen durfte und zwar in den Fällen, in
denen der Kläger die Nr. 54 b des Gebührentarifs A bei der Resektion mehrerer
Wurzelspitzen an einem Zahn im Seitenzahnbereich mehrfach abgerechnet hatte.
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Die Nr. 54 b des Gebührentarifs A lautet "Wurzelspitzenresektion an einem Seitenzahn."
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Die Beigeladene beantragte mit am 10.09.1993 bei der Beklagten eingegangenem
Antrag die gebührenordnungsmäßige Berichtigung u.a. des Honorars des Klägers aus
dem Quartal I/1993 in den Fällen, in denen er bei der Resektion mehrerer Wurzelspitzen
an einem Seitenzahn die Nr. 54 b des Gebührentarifs A mehrfach abgerechnet hatte.
Die Beklagte hatte diesem Honorarberichtigungsantrag zunächst nicht stattgeben
wollen. Sie einigte sich mit der Beigeladenen darüber, diesen und die folgenden
Honorarberichtigungsanträge, die die Beigeladene für die hier streitigen Quartale
jeweils innerhalb eines halben Jahres nach Erhalt der Abrechnung eingereicht hatte,
zunächst zurückzustellen, bis es zu einer endgültigen gerichtlichen Klärung gekommen
sei.
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Nachdem das Landessozialgericht Schleswig-Holstein (Az.: L 6 Ka 2/91) die Auffassung
vertreten hatte, die Gebührennummer 54 b sei ggfs. mehrfach abzurechnen, hatten sich
in der Folgezeit das Sozialgericht Düsseldorf (Az.: S 2 Ka 181/92) und das Sozialgericht
Bremen (Az: S 24 Ka 2/93) erneut mit dieser Rechtsfrage zu beschäftigen. Während das
Sozialgericht Düsseldorf die Auffassung vertreten hatte, dass die Gebührennummer 54
b an einem Zahn nur einmal abzurechnen war, hatte sich das Sozialgericht Bremen der
Auffassung des LSG Schleswig-Holstein angeschlossen. Gegen beide Urteile war
Berufung eingelegt.
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Mit Schreiben vom 08.06.1994 informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass die
Streitfrage Gegenstand von Gerichtsverfahren sei und noch nicht rechtskräftig
entschieden sei. Da seine Interessen berührt würden, bat sie den Kläger um Mitteilung,
ob er sich unter Verzicht auf die Einrede der Verjährung ebenfalls mit einer
Zurückstellung des beigefügten Antrages bzw. Einspruches der Krankenkasse
einverstanden erkläre.
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Daraufhin unterschrieb der Kläger am 03.07.1994 die Erklärung, dass er sich mit der
Zurückstellung des rechnerischen Antrages bzw. Einspruches einverstanden erkläre,
und sandte diese Erklärung an die Beklagte zurück.
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In der Folgezeit wurde ebenso verfahren, bis der Kläger die Anfrage der Beklagten vom
29.01.1996 bzgl. der Honorarabrechnung für das Quartal II/95 zunächst so beantwortete,
dass er um eine Entscheidung der KZVWL bitte und nicht damit einverstanden sei, dass
die rechtskräftige Entscheidung des inzwischen beim Bundessozialgericht anhängigen
Rechtsstreits mit dem Aktenzeichen 6 RKa 28/94 abgewartet werde. Diese Erklärung
vom 30.01.1996 änderte der Kläger am 07.02.1996 und kreuzte auch für das Quartal
II/1995 dann den Satz an:
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"Ich bin damit einverstanden, dass eine Entscheidung über den im Betreff bezeichneten
Honorarberichtigungsantrag sowie ggfs. weitere Honorarberichtigungsanträge bis zur
endgültigen gerichtlichen Klärung der Rechtmäßigkeit der Abrechenbarkeit der
Gebührennummer 54 b und 54 c je resezierter Wurzelspitze zurückgestellt wird. Ich
unterwerfe mich insoweit dem rechtskräftigen Ausgang des beim Bundessozialgericht
anhängigen Rechtsstreits mit dem Aktenzeichen 6 RKa 28/94."
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Nachdem das Bundessozialgericht durch Urteil vom 13.05.1998 (B 6 Ka 34/97 R)
entschieden hatte, dass die Gebührennummer 54 b auch bei der Resektion mehrerer
Wurzelspitzen an einem Seitenzahn nur einmal abgerechnet werden könne, berichtigte
die Beklagte nach Anhörung des Klägers durch Bescheid vom 05.11.1999 das Honorar
des Klägers für die Quartale I/1993 bis IV/1996 um 36.693,41 DM.
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In dem am 16.11.1999 eingegangenen Widerspruch wandte sich der Kläger gegen die
Honorarberichtigung. Er widersprach der vom Bundessozialgericht geäußerten
Auffassung, dass die Nr. 54 b bei der Resektion mehrerer Wurzelspitzen eines Zahnes
nur einmal abrechenbar sei.
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Weiterhin machte er geltend, dass eine Krankenkasse keine
Honorarberichtigungsanträge stellen könne, weil eine Pauschalvergütung und keine
Einzelfallvergütung vereinbart sei.
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Schließlich sei die Antragsfrist versäumt. Der Zahnarzt-Ersatzkassenvertrag (EKV-Z)
bestimme eine Frist von zwei Monaten.
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Außerdem sei Verjährung eingetreten. Die Verjährungsfrist sei durch seine Erklärungen
nicht unterbrochen, weil sich aus ihnen zum Teil nicht ergebe, für welches Quartal sie
abgegeben seien.
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Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 13.03.2000
zurück.
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Mit der am 17.03.2000 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger
weiterhin gegen die Entscheidung der Beklagten.
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Er führt zur Begründung ergänzend aus, dass im § 12 EKV-Z eine Antragsfrist von zwei
Monaten geregelt sei und deshalb die Arbeitsgemeinschaft durch den Beschluss 103
vom 16.02.1984 keine Sechs-Monats-Frist habe festlegen dürfen.
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Schließlich sprächen Vertrauensschutzgesichtspunkte dagegen, dass die Beklagte
nunmehr die Honorarberichtigung vornehme, weil sie selbst in ihren Hinweisen zur
Abrechnung auf dem neuen Erfassungsschein für die Zeit ab 01.01.1997 die Auffassung
vertreten habe, dass wie bisher für jede Resektion einer Wurzelspitze die
Leistungsnummer abzurechnen sei.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 05.11.1999 und den Widerspruchsbescheid vom
13.03.2000 aufzuheben.
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Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Nach ihrer Meinung ist im EKV-Z nur geregelt, dass Prüfanträge innerhalb von zwei
Monaten nach Erhalt der Abrechnung von der Krankenkasse zu stellen seien. Das
betreffe nur die Wirtschaftlichkeitsprüfung. Da nach § 22 EKV-Z die Arbeitsgemeinschaft
die sich aus der Durchführung des Vertrages ergebenden grundsätzlichen Fragen durch
Beschluss zu klären habe, sei der Beschluss 103, wonach Anträge auf
Honorarberichtigung innerhalb eines halben Jahres nach Erhalt der Abrechnung durch
die Krankenkasse gestellt werden können, wirksam und verbindlich.
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Im übrigen hält sie die angefochtene Entscheidung nicht aus Gründen des
Vertrauensschutzes für rechtswidrig, weil der Kläger von Anfang an darüber informiert
gewesen sei, dass es zwischen der Beklagten und der Beigeladenen unterschiedliche
Auffassungen über die Abrechenbarkeit der Nr. 54 b des Gebührentarifs A gebe und
dass insoweit die Honorarberichtigungsanträge der Beigeladenen noch nicht
beschieden worden seien, sondern zunächst die obergerichtliche Klärung dieser
Streitfrage hätte abgewartet werden sollen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt
der von ihnen eingereichten Schriftsätze verwiesen. Bezug genommen wird auf die
Verwaltungsakten der Beklagten, deren Inhalt, soweit er entscheidungserheblich ist,
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
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Entscheidungsgründe:
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Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 05.11.1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 13.03.2000 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger
daher nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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Die Beklagte hatte das Honorar des Klägers in den hier streitigen Einzelfällen, in denen
er die Nr. 54 b jeweils mehrfach abgerechnet hat, wenn er mehrere Wurzelspitzen an
einem Zahn reseziert hat, zu berichtigen, denn auch bei der Resektion mehrerer
Wurzelspitzen kann die Nr. 54 b an einem Zahn nur einmal abgerechnet werden.
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Insoweit folgt das Gericht nach eigener Prüfung der Entscheidung des
Bundessozialgerichtes vom 13.05.1998 (B 6 KA 34/97 R - SozR 3 - 5555 § 10 Nr. 1), die
das BSG im Beschluss vom 15.05.2002 (B 6 KA 82/01 B), noch einmal bestätigt hat.
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Der Wortlaut der Nr. 54 b ist nicht klar in dem Sinne, dass die Wurzelspitzenresektion an
einem Seitenzahn die Resektion nur einer Wurzelspitze umfasse, denn die Nr. 54 b
enthält nicht den Zusatz "je Wurzelspitze". Auch im übrigen ist von den Vertragspartnern
des EKV-Z z.B. zu Geb.Nr. 62 in der Abrechnungsbestimmung die Resektion der
Alveolarfortsätze vereinbart worden und auch das kann mehrere
Resektionseinzelmaßnahmen umfassen. Da ein Zahnarzt nicht zunächst die Resektion
einer Wurzelspitze vom Anfang bis zum Ende ausführt und danach mit der Resektion
der nächsten Wurzelspitze beginnt, erfolgen einige Arbeitsphasen wie das Aufklappen
des Zahnfleisches, das Freiliegen der Wurzeln, die abschließende Wundreinigung und
Versorgung sowie das Glätten der Ränder in einem gemeinsamen Arbeitsgang, so dass
die Verwendung des Begriffs Resektion wegen dieses Zusammenhangs bei dem
Arbeitsablauf vom Wortlaut her auch die Resektion mehrerer Wurzelspitzen umfassen
kann. Da die Geb. Nrn. 28 (Extirpation der vitalen Pulpa), 32 (Aufbereiten des
Wurzelkanalsystems), 35 (Wurzelkanalfüllung) jeweils den Zusatz "je Kanal" enthalten,
wäre im Vergleich mit diesen ähnlichen Leistungsbeschreibungen notwendig gewesen,
auch in die Geb. Nr. 54 b einen entsprechenden Zusatz einfügen, falls sie je Zahn
mehrfach, nämlich je Wurzelspitze hätte abrechenbar sein sollen.
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Da Grundlage für die Vergütung Einzelleistungen sind, auch wenn wegen einer
Budgetierung nicht der vereinbarte Punktwert für jede Einzelleistung voll gewährt wird,
hat eine Krankenkasse das Recht, Honorarberichtigungsanträge zu stellen.
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Die Antragsfrist ist hier in jedem Fall von der Beigeladenen gewahrt worden, denn sie
hat die Anträge jeweils innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der Rechnungen
bei ihr beanstandet. Das entspricht dem Beschluss der Arbeitsgemeinschaft Nr. 103.
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Während im § 12 Abs. 1 S. 3 EKV-Z nur geregelt ist, das Prüfungsanträge innerhalb von
zwei Monaten zu stellen sind, ist in dem EKV-Z selbst keine Regelung über die Fristen
für Honorarberichtigungsanträge getroffen worden. Prüfungsanträge beziehen sich auf
Anträge auf Wirtschaftlichkeitsprüfung. Deshalb war die Arbeitsgemeinschaft gemäß §
22 Abs. 2 a EKV-Z berechtigt, für Honorarberichtigungsanträge eine Frist zu
vereinbaren.
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Zwar ist der Honorarberichtigungsbescheid der Beklagten vom 05.11.1999 nicht mehr
innerhalb der Ausschlussfrist von vier Jahren seit Erhalt der Abrechnung für das
jeweilige Quartal erfolgt (vgl. BSG: SozR 3 - 5535 Nr. 119 Nr. 1 S. 2 f), soweit er die
Quartale I/1993 bis II/1995 betrifft.
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Am 05.11.1999 dürfte der Kläger bereits die Abrechnung für das Quartal II/1999 erhalten
haben und die Abrechnung für das Quartal II/1995 mithin mehr als vier Jahre vorher.
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Gleichwohl hatte die Beklagte die Honorarberichtigungen auch für die Zeit der Quartale
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I/1993 bis II/1995 noch vorzunehmen, weil der Kläger sich nicht auf den Ablauf der
Ausschlussfrist berufen kann. Er war jeweils nach Stellung des Antrages, jedenfalls
innerhalb der Ausschlussfrist von vier Jahren darüber informiert worden, dass keine
Einigung zwischen der Beklagten und der Beigeladenen über den von der
Beigeladenen jeweils gestellten Honorarberichtigungsantrag erzielt werden könne, und
hatte sich damit einverstanden erklärt, dass die Entscheidung der Beklagten bis zur
rechtskräftigen Entscheidung dieser Streitfrage zurückgestellt wurde. Jedenfalls,
seitdem der Kläger die erste diesbezügliche Erklärung am 03.07.1994 unterschrieben
hat, wusste er, dass insoweit noch Streit zwischen der Beklagten und der Beigeladenen
bestand, dass es unterschiedliche Urteile gab und die Streitfrage abschließend
obergerichtlich geklärt werden sollte. Er hat sich damit einverstanden erklärt, dass
solange mit der Entscheidung über die Honorarberichtigungsanträge gewartet werde.
Deshalb kann er sich nunmehr nicht auf den Ablauf der Ausschlussfrist berufen (vgl.
BSG Beschluss vom 15.05.2002 - aaO).
Das gilt auch, obwohl die Beklagte offenbar in einem Mitgliederrundschreiben bzgl. der
Abrechnungen für die Zeit ab Januar 1997 darauf hingewiesen hat, dass sie weiterhin
die Auffassung vertrete, dass bei der Resektion mehrerer Wurzelspitzen im
Seitenzahnbereich die entsprechende Gebührenposition auch mehrfach abgerechnet
werden könne. Schon durch die Formulierung wird klar, dass damit nur eine Meinung
der Beklagten geäußert ist und nicht festgestellt wird, dass diese Abrechnung so richtig
sei. Daraus konnte selbst ein Leser, der die Vorgänge nicht genau kannte, erkennen,
dass diese Meinung nicht unumstritten war. Wenn jemand wie der Kläger aber so
umfassend von der Beklagten über die Streitfragen und die unterschiedlichen
Gerichtsurteile und den Umstand, dass die Frage noch nicht abschließend geklärt war,
unterrichtet war, konnte er allein auf Grund des Abrechnungshinweises nicht darauf
schließen, dass die Abrechnung nunmehr geklärt war.
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Im übrigen mag die Beklagte ihre Auffassung auch vorsorglich im Interesse ihrer
Mitglieder geäußert haben. Wenn die obergerichtliche Entscheidung anders ausgefallen
wäre, hätten Zahnärzte nachträglich die Abrechnung für länger zurückliegende Zeiten
nicht mehr ändern können und für die zurückliegende Zeit die Mehrfachabrechnung
nicht mehr vornehmen können.
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Nach alledem ist die angefochtene Entscheidung der Beklagten rechtmäßig, so dass die
Klage abzuweisen war. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG, insbesondere §
193 Abs. 4 SGG in der bis zum 01.01.2002 geltenden und deshalb hier maßgeblichen
Fassung.
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