Urteil des SozG München vom 03.07.2008

SozG München: elterliche sorge, treu und glauben, sorgerecht, erfüllung, anspruchsvoraussetzung, bestätigung, geburt, anknüpfung, verwaltungsrecht, drucksache

Sozialgericht München
Urteil vom 03.07.2008 (rechtskräftig)
Sozialgericht München S 33 EG 102/07
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat ih-res 2007 geborenen Sohnes
T.
Mit am 04.04.2007 eingegangenem Antrag beantragte die Klägerin die Gewährung von Elterngeld für den 1. bis 14.
Lebensmonat ihres Sohnes. Nachdem vom Jugendamt die Auskunft erteilt wurde, dass für den Sohn der Klägerin ein
gemeinsames Sorgerecht be-stehe, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 25.06.2007 der Klägerin Elterngeld für
den 1. bis 12. Lebensmonat. Mit Widerspruch, eingegangen am 30.07.2007, machte die Klägerin die Gewährung von
Elterngeld für 14 Monate geltend. Sie wies darauf hin, dass sie gemeinsam mit dem Vater des Kindes sich im
Interesse ihres Sohnes für ein gemein-sames Sorgerecht entschieden habe, jedoch nicht mit dem Vater ihres Sohnes
in einem Haushalt lebe.
Der Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2007 den Widerspruch der Klä-gerin zurück. Nachdem der
leibliche Vater des Sohnes der Klägerin ebenso das Sorge-recht besitze, könne Elterngeld nur für 12 Monate bewilligt
werden.
Mit hiergegen erhobener Klage vom 31.10.2007 verwies der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf die in § 4 Abs. 3
Satz 4 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz – BEEG) bestimmten
Anspruchsvoraussetzun-gen für die Gewährung von Elterngeld für 14 Monate. Dort sei geregelt, dass entweder dem
Antragsteller die elterliche Sorge allein zustehen müsse oder zumindest das Aufent-haltsbestimmungsrecht. Laut
beigefügter Originalbestätigung des Vaters des Sohnes der Klägerin vom 19.10.2007 sei dieser ab Geburt des Sohnes
am XXXX2007 damit einver-standen gewesen, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein bei der Klägerin liege.
In seiner Klageerwiderung weist der Beklagte darauf hin, dass eine Bewilligung von El-terngeld für 14 Monate nur dann
in Betracht käme, wenn der Mutter das Aufenthaltsbe-stimmungsrecht vorläufig vom Familiengericht übertragen
worden wäre, die vorliegende Bestätigung des leiblichen Vaters reiche dagegen nicht aus. Mit Schriftsatz vom
06.12.2007 führte der Klägerbevollmächtigte der Klägerin aus, dass es ausreiche, wenn das
Aufenthaltsbestimmungsrecht einem Elternteil allein zustehe. Eine entsprechende Regelung betreffend das
Aufenthaltbestimmungsrecht sei in keiner Weise formbedürftig. Es sei nicht im Sinne des Gesetzgebers, wenn die
Klägerin ein gerichtliches Verfahren betreffend die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts hätte anstrengen
müssen, wobei sich die Parteien sowieso von Anfang an darüber einig gewesen seien, dass allein die Klägerin dieses
inne habe.
In der mündlichen Verhandlung vom 03.07.2008 stellt die Klägerbevollmächtigte Antrag aus dem Schriftsatz vom
31.10.2007.
Der Beklagtenvertreter beantragt, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet.
Der Beklagte hat zurecht den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat
ihres Sohnes abgelehnt. Die in § 4 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 BEEG genannte Anspruchsvoraussetzung hierfür ist
vorliegend nicht erfüllt. Danach steht einem Elternteil Elterngeld für 14 Monate zu, wenn ihm die elterliche Sorge oder
zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zusteht oder er eine einstweilige Anordnung erwirkt hat, mit dem
ihm die elterliche Sorge oder zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind vorläufig übertragen worden
ist.
Für den Sohn der Klägerin besteht ein gemeinsames Sorgerecht mit dem Vater des Soh-nes der Klägerin. Die im
Klageverfahren vorgelegte Erklärung des Vaters des Sohnes der Klägerin vom 19.10.2007, wonach dieser bestätigte,
dass das Aufenthaltsbestimmungs-recht ab Geburt des gemeinsamen Sohnes bei der Klägerin liege, bewirkt nicht die
Erfül-lung der oben genannten Anspruchsvoraussetzung des § 4 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 BEEG. Gemäß § 131 Abs. 1
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) umfasst die Personensorge insbe-sondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu
pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen. Grundsätzlich umfasst das
gemeinsame Sorgerecht damit auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht. In § 1628 BGB ist geregelt, dass das Fami-
liengericht bei Meinungsverschiedenheiten über einzelne Angelegenheiten der elterlichen Sorge auf Antrag eines
Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen kann. Auch wenn – wie vom Klägerbevollmächtigten
vorgetragen – in Scheidungsverfahren zur Vermeidung weitergehender Auseinandersetzungen möglicherweise auch
Einigungen ü-ber das Aufenthaltsbestimmungsrecht ohne förmliche Entscheidung des Familiengerichts getroffen
werden, so kommt durch die Regelung des § 1628 BGB deutlich zum Ausdruck, dass eine Regelung über das
Aufenthaltsbestimmungsrecht grundsätzlich nur im Falle einer Auseinandersetzung getroffen wird, denn im Falle des
Fehlens von Meinungsver-schiedenheiten bedarf es einer solchen Regelung gerade nicht. Der Gesetzgeber wollte –
wie auch in der Begründung zum Gesetzentwurf, Drucksache des Deutschen Bundestags 16/1889 vom 20.06.2006,
zum Ausdruck kommt – mit der Alternative des allein zustehen-den Aufenthaltsbestimmungsrechts dem Umstand
Rechnung tragen, das in § 1671 BGB die Übertragung auch eines Teils der elterlichen Sorge vorgesehen ist. Der
Gesetzgeber hatte hierbei aber die in § 1671 genannte Übertragung eines solchen Teils der elterlichen Sorge durch
das Familiengericht im Blick. Dies wird auch dadurch verdeutlicht, dass in der Begründung zum Gesetzentwurf die
ebenfalls mögliche Anknüpfung an eine einstwei-lige Anordnung durch das Familiengericht als Einschränkung von
Missbrauchsmöglichkei-ten genannt wird. Nach alledem muss die Voraussetzung des alleinigen Zustehens des
Aufenthaltsbestimmungsrechts im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 BEEG sich regelmä-ßig auf eine
familiengerichtliche Entscheidung gründen. Eine wie hier vorgelegte Bestäti-gung des Vaters des Sohnes der Klägerin,
die außerhalb eines anhängigen familienge-richtlichen Verfahrens erteilt wurde, ist nicht als ausreichend anzusehen.
Eine solche Bes-tätigung, der wie vorliegend vorgetragen auch keine Beilegung einer Meinungsverschie-denheit
zugrunde liegt, wurde allein zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 BEEG
abgegeben. Der Beklagte braucht eine solche Bestätigung, de-ren einziger Zweck die Herbeiführung der Erfüllung der
genannten Anspruchsvorausset-zungen ist, nach den auch im Verwaltungsrecht geltenden Grundsätzen von Treu und
Glauben nicht zu beachten. Der Beklagte hat damit zurecht einen Anspruch auf Elterngeld für den 13. und 14.
Lebensmonat des Sohnes der Klägerin abgelehnt.
Die Klage war nach alledem abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.