Urteil des SozG München vom 17.07.2007

SozG München: sozialhilfe, abfindung, gerichtsakte, ermessensfehler, bedingung, verfügung, vergleich, erfüllung

Sozialgericht München
Gerichtsbescheid vom 17.07.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 22 AS 658/06
Bayerisches Landessozialgericht L 7 AS 255/07
I. Die Klage wird abgewiesen II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der dem Kläger für die Monate Januar bis April 2006 zustehenden Leistungen der
Grundsicherung für Arbeitssuchende.
Der im Jahre 1957 geborene allein lebende Kläger erhielt ab 01.01.2005 Leistungen der Grundsicherung für
Arbeitssuchende in Höhe von 891,24 EUR monatlich von der Beklagten. Im Oktober 2004 hatte der Kläger vor dem
Landesarbeitsgericht eine Abfindung für den Verlust seines Arbeitsplatzes erstritten. Hinsichtlich der Einzelheiten wird
auf Blatt 1645 ff. der Verwaltungsakte der Beklagten (V-Akte) Bezug genommen.
Im Januar 2006 ging ein Betrag in Höhe von 2470,00 EUR auf seinem Konto ein. Dieser wurde seitens der Beklagten
mit Bescheid vom 28.11.2005 für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 30.04.2006 in Höhe von 617,50 EUR monatlich bei
der Bemessung der dem Kläger zustehenden Leistungen berücksichtigt; der Bewilligungsbetrag belief sich für diese
Monate auf jeweils 273,74 EUR. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, jedenfalls ab Februar
2006 stelle die "Schadensersatzzahlung wegen Verlust des Arbeitsplatzes" Vermögen dar. Mit Bescheid vom
06.04.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach dem Zuflussprinzip handle es sich bei der
Abfindungszahlung um zu berücksichtigendes Einkommen auch über den Monat Januar 2006 hinaus. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 1882 ff. der V-Akte verwiesen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Klage vom 04.05.2006, zu deren Begründung der Kläger - unter
ergänzender Verweisung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid - im wesentlichen seine bisherige
Argumentation wiederholt hat.
Mit Beschluss vom 29.11.2006 hat das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender
Erfolgsaussicht abgelehnt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 28.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2006 teilweise
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 30.04.2006 Leistungen
der Grundsicherung für Arbeitssuchende in Höhe von 891,24 EUR monatlich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Kammer lagen zwei Bände Verwaltungsakten der Beklagten (Blatt 1393 bis 1891) bei ihrer Entscheidung vor.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht hat den Rechtsstreit gem. § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch
Gerichtsbescheid entschieden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art
aufweist und der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden hierzu gehört.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Das Bestehen des hier streitigen Anspruchs auf Arbeitslosengeld II hängt gem. §§ 7 Abs. 1, 19 Zweites Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Vorliegen bzw. dem Ausmaß der Hilfebedürftigkeit des erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen und somit in erster Linie davon ab, in welchem Umfang Einkommen (§ 11 SGB II) oder Vermögen (§
12 SGB II) des Klägers zu berücksichtigen sind.
Im vorliegenden Fall hat der Kläger während seines Leistungsbezuges nach dem SGB II eine Zahlung erhalten, die als
Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen ist und somit zum teilweisen Wegfall des
Leistungsanspruchs des Klägers für den streitgegenständlichen Zeitraum führt. Dabei spielt es nach dem hier
maßgeblichen Zuflussprinzip insbesondere keine Rolle, ob die der Einnahme zugrundeliegende Forderung noch aus
der Zeit vor dem Hilfebezug herrührt (so die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG -
zum Sozialhilferecht - siehe insbesondere Urteil vom 18.02.1999 - 5 C 35/97, in: BVerwGE 108, 296 ff.; diese
Rechtsprechung ist auch auf den Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende übertragbar, siehe dazu z.B.
Mecke in Eicher/Spellbrink, a.a.O., § 11 Rn. 19).
Daran ändert hier insbesondere die Tatsache nichts, dass der Anspruch auf Abfindung auf einem vor Beginn des
Bedarfszeitraums nach dem SGB II geschlossenen arbeitsgerichtlichen Vergleich beruht. Bei den Leistungen der
Grundsicherung für Arbeitssuchende handelt es sich der Sache nach um Sozialhilfe für Erwerbsfähige (und deren
Angehörige). Für das Bestehen von Hilfebedürftigkeit ist es vor diesem Hintergrund nicht maßgeblich, inwieweit zum
Zeitpunkt der Inanspruchnahme dieser Leistungen bereits "abstrakt" eine Forderung (z.B. auf eine Steuererstattung in
noch nicht näher konkretisierter Höhe) besteht; vielmehr ist nach dem Sinn und Zweck dieser Leistungen
grundsätzlich entscheidend darauf abzustellen, welche Ressourcen wann konkret für den Lebensunterhalt zur
Verfügung stehen. Zu Recht geht deshalb das BVerwG, am Regelungszusammenhang der Sozialhilfe orientiert, davon
aus, dass dann, wenn der Entstehungszeitpunkt einer solchen Forderung und deren tatsächliche Erfüllung
auseinanderfallen, grundsätzlich bei wertender Betrachtung der tatsächliche Zufluss gegenüber der bereits vorher als
Vermögen vorhandenen Forderung im Vordergrund steht (siehe dazu Mecke, a.a.O., § 11 Rn. 18, 26, m.w.N.; im
Ergebnis ebenso: Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 31.07.2006 - L 19 B 303/06 AS ER; Beschluss des
Bayerischen LSG vom 23.01.2007 - L 7 B 1029/06 AS ER).
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass ausweislich der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts München
vom 07.10.2004 der Anspruch auf die hier im Streit stehende (Teil-)Forderung unter der auflösenden Bedingung (§ 158
Abs. 2 BGB) des Eintritts bestimmter, vom Kläger nicht in vollem Umfang zu beeinflussender Umstände stand
(Arbeitsangebot von Seiten des dortigen Prozessgegners), sodass vor Beginn des Leistungsbezuges nach dem SGB
II nicht feststand, ob es tatsächlich bei diesem Abfindungsanspruch verbleiben würde. Somit kann hier erst recht
sinnvoll allein auf den Zeitpunkt des Zuflusses abgestellt werden.
Ein Fall des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II liegt nicht vor; insoweit wird auf den Beschluss der Kammer vom
29.11.2006 (Blatt 18 ff. Gerichtsakte) verwiesen. Die Anrechnung für vier Monate entspricht den Vorgaben des § 2
Abs. 3 Alg-II-V; Anhaltspunkte für einen Ermessensfehler bestehen nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.