Urteil des SozG München vom 28.02.2008

SozG München: stationäre behandlung, krankenkasse, akte, rechnungslegung, zukunft, vergleich, abrechnung, leistungserbringer, drucksache, rechnungsstellung

Sozialgericht München
Urteil vom 28.02.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 43 KR 806/07
Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 218/08
I. Es wird festgestellt, dass der dem MDK seitens der Beklagten erteilte Prüfauftrag im Behandlungsfall W. M.
(Aufnahme-Nr.: XXX, geb. 1918) gegenstandslos ist.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. I
III. Der Streitwert wird auf EUR 1.051,09 festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten grundsätzlich über die Anwendung bzw. Berechnungsweise der Sechswochenfrist nach § 275
Abs. 1 c Satz 2 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.03.2007. Streitgegenständlich ist hier eine Prüfanzeige zu einer stationären
Behandlung bei einem bei der Beklagten Versicherten vom 28.3. bis 6.4.2007. Rechnungslegung erfolgte am
15.5.2007., die Prüfanzeige gegenüber der Klägerin am 25.07.2007 (korrigiert mit Beschluss vom 28.08.2008). Die
Klägerin hält diesen Prüfauftrag für gegenstandslos, da dieser erst nach Ablauf der gesetzlich vorgeschriebenen
Anzeigefrist erfolgt sei. Mit der Neuregelung des § 275 Abs. 1 c SGB V habe der Gesetzgeber die Absicht verfolgt,
mit Inkrafttreten des Wettbewerbstärkungsgesetzes unnötige Prüfungen einzudämmen und darüber hinaus Prüfungen
generell zu beschleunigen. Anknüpfungspunkt für den Lauf der Sechswochenfrist sei der Eingang des
Rechnungsdatensatzes bei der Krankenkasse. Es solle ein Anreiz gesetzt werden, dass Einzelfallprüfungen
zielgerichtet und zeitnah veranlasst und durchgeführt werden. Mit der Frage, ob im Einzelfall eine MDK-Prüfung
eingeleitet werden soll, würden sich die Krankenkassen aber regelmäßig erst zu dem Zeitpunkt befassen, an dem
ihnen die Rechnung des Krankenhauses vorliegt. Zwischenzeitlich hätte sich die GKV Landesverbände und die
BWKG darauf geeinigt, dass die Vorschrift des § 275 Abs. 1 c SGB V Anwendung auf all die Fälle finde, in denen der
Rechnungszugang nach dem 31.3.2007 erfolgt sei. Die Beklagte argumentiert dagegen, dass das Fallmanagement der
Krankenkassen nicht erst mit der Rechnungsstellung oder mit Ablauf der Verweildauer beginnen würde, sondern
bereits mit der stationären Aufnahme des Versicherten. Anzuknüpfen sei bei der Anwendung der gesetzlichen
Neuregelung an den Aufnahmetag des Versicherten. Nur das Aufnahmedatum und die zu diesem Zeitpunkt geltende
Rechtslage, also hier am 28.3.2007, sei entscheidungsrelevant. Dies sei auch bei einer Vielzahl von anderen
gesetzlichen oder vertraglichen Regelungen und Vereinbarungen so, die selbstverständlich auf den Beginn der
stationären Behandlung abstellen würden (vgl. Bl. 16/17 der Akte). Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt
festzustellen, dass der dem MDK seitens der Beklagten erteilte Prüfauftrag im Behandlungsfall W. M. (Aufnahme-Nr.:
XXX, geb. 1918) gegenstandslos ist. Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen.
Dem Gericht liegen die Akte der Beklagten sowie die Verfahrensakte S 43 KR 806/07 vor, die zum Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gemacht worden sind und auf die insbesondere zur Ergänzung des Tatbestands ausdrücklich
Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, insbesondere besteht ein Feststellungsinteresse gem. § 55 Abs 1 Nr 1 SGG. Die Klägerin hat
ein schutzwürdiges rechtliches Interesse an der Feststellung, dass der Prüfauftrag gegenstandslos ist. Sie sieht sich
neben diesem Prüfverfahren weiteren Prüfverfahren für zurückliegende Zeiträume ausgesetzt (vgl. erledigtes ER-
Verfahren S 43 801/07 ER). Zunächst findet die Vorschrift des § 275 Abs.1 c Satz 1 SGB V hier Anwendung, da die
Prüfung nach dem 1.4.2007 eingeleitet worden ist. Auf den Beginn der Behandlung des Patienten bzw. Aufnahme in
das Krankenhaus, hier vor dem 1.4.2007, kommt es nach Ansicht des Gerichts nicht an. Entscheidend ist der Beginn
der Prüfung für die Anwendung der Neufassung des Gesetzes. Das Gericht teilt die Ansicht der Klägerseite, dass der
Gesetzgeber mit der Neuregelung des 275 Abs. 1 c Satz 2 SGB V erreichen wollte, dass Einzelfallprüfungen künftig
"zielorientierter und zügiger" (siehe BT-Drucksache 16/3100) eingesetzt werden. Die Leistungserbringer sollen von
diesem Bürokratieabbau für die Zukunft profitieren. Der von der Beklagten gezogene Vergleich mit anderen
Vergütungsvorschriften für den stationären Bereich trifft die Sache insofern nicht, als dass dagegen bereits der
Wortlaut "Gesetze" spricht. Gemäß § 275 Abs. 1 c Satz 2 ist "die Prüfung nach Satz 1 spätestens sechs Wochen
nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den Medizinischen Dienst der
Krankenkasse anzuzeigen". Der Gesetzgeber hat also ausdrücklich auf die Rechnungslegung und nicht etwa das
Aufnahmedatum des Versicherten abgestellt. Die Einleitung der Prüfung bzw. hier die Prüfanzeige oder auch die
Mitteilung an die Klägerin, ob eine solche eingeleitet werde, erfolgte aber erst am 25.4.2007. Die Ausschlussfrist war
demnach bereits verstrichen. Die Prüfung ist gegenstandslos. Nach alledem ist die Klage begründet.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert ist auf EUR 1.051,09
festzusetzen. Dies entspricht der Höhe der bisher von der Beklagten nicht beglichenen Rechnung für die stationäre
Behandlung des Versicherten.