Urteil des SozG Meiningen vom 16.03.2005

SozG Meiningen: versorgung, erwerbsfähigkeit, medizinische rehabilitation, hallux valgus, behinderung, gefährdung, erhaltung, krankenversicherung, leistungsfähigkeit, verordnung

Sozialgericht Meiningen
Urteil vom 16.03.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Meiningen S 4 KR 1087/02
1. Die Klage gegen die Beklagte wird abgewiesen.
2. Die Beigeladene wird verurteilt, die Kosten für orthopädische Maßschuhe abzüglich eines Eigenanteils des Klägers
in Höhe von 76,00 Euro zu übernehmen.
3. Die Beigeladene trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Streitig ist die Versorgung des Klägers mit orthopädischen Maßschuhen.
Der Kläger ist seit 1991 in einem Autohaus als Reklamationsbearbeiter beschäftigt. Diese Tätigkeit wird in Vollzeit
ausgeübt und umfasst zu 50 – 60 % Arbeiten im Stehen.
Mit Verordnung des Dr. S. vom 21.01.2002 und unter Vorlage eines Kostenvoranschlages vom 07. Februar 2002
beantragte der Kläger bei der Beklagten die Versorgung mit orthopädischen Straßenschuhen. Nach dem ärztlichen
Attest leitet der Kläger an Hallux valgus, Hammerzehen, Arthrose des oberen Sprunggelenks links,
Unterschenkelödem beidseits, Zustand nach Unterschenkelthrombose rechts und Oberschenkelthrombose links. Die
Beklagte legte diese Unterlagen dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vor, der in der
Stellungnahme vom 20.02.2002 einschätzte, dass eine Einlagenversorgung ausreichend sei. Mit Bescheid vom
25.02.2002 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch mit Schreiben
vom 25.03.2002 ein. Die Beklagte holte ein Gutachten des MDK ein. Dieser stellte im Gutachten vom 02.05.2002
nach körperlicher Untersuchung des Klägers fest, dass keine gravierenden Fußdeformitäten oder
Funktionseinschränkungen an beiden Füßen bestehen. Es besteht ein postthrombotisches Syndrom an beiden Beinen
mit jedoch nur geringer Fußschwellung. Mit Schreiben vom 27.05.2002 teilte die Beklagte dem Kläger das
Begutachtungsergebnis mit und lehnte nochmals die Übernahme der Kosten für orthopädische Schuhe ab. Hiergegen
erhob der Kläger Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 07.08.2002 zurückgewiesen wurde.
Mit seiner mit Schreiben vom 05.09.2002 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, wegen der Schwellung der Füße
durch die Thrombosen sei das Tragen von Konfektionsschuhen nicht möglich. Bei orthopädischen Schuhen könne ein
Schwellungsausgleich eingearbeitet werden, der bei Bedarf herausnehmbar ist. Er habe starke Schmerzen durch die
bestehenden Senk- und Spreizfüße.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 25.02.2002 und 27.05.2002 sowie den Widerspruchsbescheid vom 07.08.2002 aufzuheben und die
Beklagte zu verurteilen, die Kosten für orthopädische Maßschuhe zu übernehmen,
hilfsweise die Beigeladene zu verurteilen, die Kosten für orthopädische Maßschuhe zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, beim Kläger seien Einlagen im Konfektionsschuh ausreichend. Auf Grund der genauen
Beschreibungen in den Hilfsmittelrichtlinien erfülle der Kläger nicht die Voraussetzungen für die Versorgung mit
orthopädischen Maßschuhen. Entsprechende Fußveränderungen oder grobe Schwellungszustände der Füße würden
nicht vorliegen.
Das Gericht hat die LVA Thüringen als möglichen Rehabilitationsträger mit Beschluss vom 04.11.2004 beigeladen.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage hinsichtlich des Hilfsantrages abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Kläger benötige orthopädische Maßschuhe. Da diese jedoch auch für das Alltagsleben
benötigt werden, sei eine Leistungspflicht der Beigeladenen als zuständiger Rehabilitationsträger nicht gegeben. Der
Krankenversicherungsträger und damit die Beklagte sei leistungspflichtig.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten von Dr. S. vom 11.12.2002 und Dr. B. vom
Januar 2003 sowie vom 25.08.2003 und Dr. B. vom 05.09.2003. Des Weiteren hat das Gericht ein orthopädisches
Sachverständigengutachten von Dr. W. vom 23.04.2004 eingeholt. Der Sachverständige hat festgestellt, dass
zwischenzeitlich eine Fraktur des Mittelfußknochens im 5. Strahl links im Jahr 2003 vorlag. Der Versicherte hatte sich
1999 auf eigene Kosten orthopädische Schuhe verschafft, die er bis 2002 getragen hatte. In dieser Zeit sind die
Schmerzen und Schwellungszustände erheblich zurückgegangen, die chronisch-entzündlichen Komplikationen im
Bereich der Beinvenen waren weitgehend zur Ruhe gekommen. Der Kläger hatte wegen Verschleißes dieser Schuhe
einen Antrag auf Kostenübernahme für orthopädische Maßschuhe bei der Beklagten gestellt. Nach den Feststellungen
des Gutachters bestehen keine gravierenden Fußdeformitäten. Auf Grund der vorhandenen Rückflussstörung in
Verbindung mit dem langen Stehen und Laufen bei der vom Kläger ausgeübten Berufstätigkeit sind orthopädische
Maßschuhe zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit erforderlich. Hierbei steht die therapeutische Wirkung der
orthopädischen Maßschuhe im Vordergrund. Die Beklagte hat eine Stellungnahme des MDK vom 31.08.2004
vorgelegt. Dieser vertritt die Auffassung, dass nach den Hilfsmittelrichtlinien Schwellungszustände, die nicht dauernd
bestehen, keinen Anspruch auf orthopädische Schuhe begründen. In der mündlichen Verhandlung vom 02.11.2004
wies die Vorsitzende auf mögliche Leistungsansprüche des Klägers gegen den Rehabilitationsträger hin.
Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der
Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist hinsichtlich des Hilfsantrages begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Versorgung mit
orthopädischen Maßschuhen gegenüber dem Rehabilitationsträger.
Die Klage ist bezüglich des Hauptantrages unbegründet.
Nach § 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen,
Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der
Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen,
soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34
Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.
Zwar handelt es sich bei Schuhen grundsätzlich um Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, allerdings sind
orthopädische Maßschuhe als Hilfsmittel anzusehen, wenn diese speziell für Behinderte und auf Grund von
Behinderungen, die die Geh- und Stehfähigkeit erheblich beeinträchtigen, erforderlich sind. Auf Grund dieser
notwendigen Abgrenzung zu Schuhen als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens sind besonders strenge
Anforderungen an die Erforderlichkeit zu stellen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (früher: Bundesausschuss der
Ärzte und Krankenkassen) ist ermächtigt, nach § 92 Abs. 1 Nr. 6 SGB V Richtlinien über die Verordnung von
Hilfsmitteln zu erlassen. Nach den Hilfsmittelrichtlinien in der Fassung vom 17. Juni 1992 (Bundesanzeiger 1992,
Beilage Nr. 183 b), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 01.12.2003 (Bundesanzeiger 2004, Nr. 20, S. 1523)
ist die Verordnung von orthopädischen Maßschuhen angezeigt, wenn eine Versorgung mit fußgerechten
Konfektionsschuhen, deren orthopädischer Zurichtung bzw. mit orthopädischen Einlagen nicht erreicht werden kann.
Orthopädische Maßschuhe sind dabei nur indiziert bei so veränderter Form, Funktion und/oder Belastungsfähigkeit
des Fußes, dass für die Aufrechterhaltung oder Ermöglichung einer dem Krankheitsbild oder der Behinderung
angemessenen Gehfunktion folgende Maßnahmen nicht ausreichen: Fuß- bzw. Krankengymnastik, fußgerechte
Konfektionsschuhe, Einlagen, Therapieschuhe, orthopädische Schuhzurichtungen, sonstige orthopädietechnische
Versorgungen in Verbindung mit Konfektionsschuhen. Als Indikationen für die Versorgung mit orthopädischen
Maßschuhen werden genannt: Kontrakt-statische Fehlform, schwere Fußdeformierung, Lähmungszustand,
Fußversteifung, Fuß-/Fußteilverlust, Fuß- oder Beinlängendifferenz über 3 cm, erhebliche Störungen der Durchblutung
und der nervalen Versorgung.
Nach den Feststellungen des Dr. W. im Gutachten vom 23.04.2004 bestehen keine gravierenden Fußdeformitäten. Im
Vordergrund steht beim Kläger die vorhandene Rückflussstörung durch die Thrombose in beiden Beinen. Dadurch
kommt es zu erheblichen Schwellungszuständen, vor allem im Laufe eines Arbeitstages. Orthopädische Maßschuhe
können diesen Schwellungszuständen entgegenwirken. Der Kläger ist mit Thrombosestrümpfen versorgt und hat nach
den Feststellungen des MDK auf Grund der vorhandenen Senkfüße und des erheblichen Körpergewichts Anspruch auf
Einlagenversorgung. Damit ist er jedoch ausreichend versorgt im Sinne des § 33 SGB V. Die Hilfsmittelversorgung
nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch stellt darauf ab, dass die Grundbedürfnisse des täglichen Lebens befriedigt
werden können. Zu diesen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, Körperpflegen,
selbständige Wohnen sowie Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSG Urteil vom
16.09.2004, Az. B 3 KR 15/04 R). Dabei geht es immer um einen Basisausgleich und nicht um das vollständige
Gleichziehen mit den unbegrenzten Möglichkeiten des Gesunden. Bei Einschränkungen der Gehfähigkeit wird auf
diejenigen Entfernungen abgestellt, die ein Gesunder zu Fuß zurücklegt oder um die – üblicherweise im Nahbereich
der Wohnung liegenden – Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (BSG a.a.O. mit weiteren
Nachweisen).
Für die Versorgung mit orthopädischen Maßschuhen ist daher erheblich, dass eine angemessene Gehfunktion mit
sonstigen Maßnahmen nicht erreicht werden kann. Der Kläger ist jedoch mit normalem Schuhwerk noch zur
Zurücklegung normaler Gehstrecken in der Lage. Er kann die Geschäfte des täglichen Lebens erledigen.
Schwellungszustände treten auf Grund der Versorgung mit Thrombosestrümpfen nur bei längerer körperlicher
Belastung auf. So hat der MDK im Gutachten vom 02.05.2002 bei der körperlichen Untersuchung des Klägers nur eine
geringe Fußschwellung festgestellt. Der Sachverständige Dr. W. hat bei der körperlichen Untersuchung erhebliche
Anschwellungen beidseits im Bereich beider Unterschenkel festgestellt. Soweit der Sachverständige festgestellt hat,
dass die Versorgung mit orthopädischen Schuhwerk zu den Maßnahmen gehört, die vom Versicherten ergriffen
werden müssen, um seine körperliche Leistungsfähigkeit und damit seine Arbeitsfähigkeit zu erhalten, so handelt es
sich hierbei nicht um die Erhaltung wesentlicher Grundfunktionen und liegt daher nicht im Aufgabenbereich der
gesetzlichen Krankenversicherung. Der erforderliche Basisausgleich, wie er im Rahmen der gesetzlichen
Krankenversicherung gefordert wird, ist durch die bisherige Krankenbehandlung mittels Lymphdrainage und
Kompressionsstrumpf ausreichend gesichert. Einen Anspruch auf Versorgung mit orthopädischen Maßschuhen
gegenüber der Beklagten besteht daher nicht.
Der Kläger hat jedoch Anspruch auf Versorgung mit orthopädischen Maßschuhen gegenüber der Beigeladenen als
Rehabilitationsträger.
Die Voraussetzungen für eine Verurteilung der Beigeladenen nach § 75 Abs. 5 SGG liegen vor. Danach kann ein
Versicherungsträger oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land nach Beiladung verurteilt
werden. Bei der LVA Thüringen handelt es sich um einen Versicherungsträger. Ein Vorverfahren seitens des
Beigeladenen ist nicht erforderlich. Eine Verurteilung ist nur dann nicht möglich, wenn der Beigeladene den Anspruch
bereits durch bindenden Verwaltungsakt abgelehnt hat (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 7. Auflage, § 75, Rd-
Nr. 18a). Eine Entscheidung durch bindenden Verwaltungsakt ist von der Beigeladenen bisher nicht getroffen worden.
Die Beigeladene hat unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie sich für nicht leistungspflichtig hält. Einer
weiteren Entscheidung bedurfte es nicht.
Eine Leistungspflicht und eine Verurteilung der Beigeladenen ist nicht durch § 14 SGB IX ausgeschlossen. § 14 SGB
IX regelt die Zuständigkeit der Rehabilitationsträger und legt fest, dass der zuerst angegangene Rehabilitationsträger,
soweit er seine Zuständigkeit nicht verneint und den Antrag innerhalb von zwei Wochen an einen anderen
möglicherweise zuständigen Rehabilitationsträger weitergibt, zur vorläufigen Leistung verpflichtet ist. Der
Rehabilitationsträger hat dann die Möglichkeit, nach § 14 Abs. 4 SGB IX Erstattung für die Aufwendungen gegenüber
dem eigentlich zuständigen Rehabilitationsträger geltend zu machen. Ziel des § 14 SGB IX ist es, schnelle Hilfe für
die Betroffenen herbeizuführen, wobei der Betroffene nicht unter Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen verschiedenen
Sozialleistungsträgern leiden soll. § 14 SGB IX hindert jedoch das Gericht nicht, den zuständigen Leistungsträger zu
verurteilen (vgl. hierzu Urteil des BSG vom 26. Oktober 2004, Az: B 7 AL 16/04 R).
Nach § 16 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) erbringen die Träger der Rentenversicherung die
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 33 – 38 des Neunten Buches sowie im Eingangsverfahren und
im Berufsbildungsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen nach § 40 des Neunten Buches. Für die
Erbringung derartiger Leistungen müssen jedoch vom Kläger versicherungsrechtliche (§ 11 SGB VI) und persönliche
Voraussetzungen (§ 10 SGB VI) erfüllt werden und die Leistungen dürfen nicht ausgeschlossen sein (§ 12 SGB VI).
Nach dem vorliegenden Versicherungsverlauf und auch nach Mitteilung der Beigeladenen erfüllt der Kläger die
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Ein Ausschlusstatbestand des § 12 SGB VI liegt nicht vor. Für
Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte gemäß § 10 SGB VI die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, 1. deren
Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder
gemindert ist und 2. bei denen voraussichtlich a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der
Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet
werden kann, b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur
Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche
Verschlechterung abgewendet werden kann, c) bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche
Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden
kann.
Die Erwerbsfähigkeit ist als erheblich gefährdet anzusehen, wenn nach ärztlichen Feststellungen durch
gesundheitliche Beeinträchtigungen und die damit verbundenen Funktionseinschränkungen in absehbarer Zeit mit
einer Minderung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben zu rechnen ist. Hierbei ist grundsätzlich auf den zuletzt
ausgeübten Beruf, und zwar auf berufstypische Verrichtungen abzustellen, wobei berufliche Tätigkeiten der letzten
Jahre einzubeziehen sind (vergleiche Kommentierung in Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch SGB IX, Rehabilitation und
Teilhabe behinderter Menschen, Kommentar, K § 33 RdNr. 8). Leistungen nach § 33 Abs. 1 SGB XI sind dann nicht
erforderlich, wenn der Behinderte oder von Behinderung bedrohte Mensch in seiner Leistungsfähigkeit auf dem
Arbeitsmarkt nicht oder nur geringfügig eingeschränkt ist und auch ohne Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in der
Lage ist, eine für ihn in Betracht kommende geeignete Arbeitsstelle zu finden (Hauck/Noftz aaO, RdNr. 6).
Die Erwerbsfähigkeit des Klägers ist nach diesen Grundsätzen erheblich gefährdet. Wie der Sachverständige Dr. W.
festgestellt hat, ist zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Klägers unbedingt die Versorgung mit orthopädischen
Maßschuhen erforderlich. Da auf den konkret von ihm ausgeübten Beruf abzustellen ist, ist die Gefährdung der
Arbeitsfähigkeit gleichzusetzen mit der Gefährdung der Erwerbsfähigkeit. Die Beigeladene trägt selbst vor, dass eine
Versorgung des Klägers mit orthopädischen Maßschuhen erforderlich ist. Nach den Ausführungen des
Sachverständigen im Gutachten vom 23.04.2004 hat die vom Kläger selbst finanzierte Versorgung mit orthopädischen
Maßschuhen im Jahre 1999 bis 2002 dazu geführt, dass die Schmerzen und die Schwellungszustände erheblich
zurückgegangen sind und die chronisch-entzündlichen Komplikationen im Bereich der Beinvenen weitgehend zur Ruhe
gekommen waren. Danach kam es wieder vermehrt zu Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers, so war er im Jahr 2004
längere Zeit arbeitsunfähig.
Zur Teilhabe am Arbeitsleben werden nach § 33 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) die erforderlichen
Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend
ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wieder herzustellen und ihre Teilhabe am
Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Nach § 33 Abs. 8 Nr. 4 SGB IX umfassen die Leistungen auch Kosten
für Hilfsmittel, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung, zur Teilnahme an einer Leistung zur
Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Erhöhung der Sicherheit auf dem Weg vom und zum Arbeitsplatz und am
Arbeitsplatz erforderlich sind, es sei denn, dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht oder solche Leistungen
als medizinische Leistungen erbracht werden können. § 33 Abs. 8 Nr. 4 SGB IX sieht ausdrücklich die Möglichkeit der
Kostenübernahme für Hilfsmittel im Sinn der gesetzlichen Krankenversicherung durch den Rehabilitationsträger vor,
wenn diese zur Berufsausübung erforderlich sind. Der Kläger benötigt orthopädische Maßschuhe zur Berufsausübung.
Ohne eine entsprechende Versorgung ist mit einer Gefährdung des Arbeitsplatzes und dessen Verlust wegen häufiger
Arbeitsunfähigkeitszeiten zu rechnen. Die Voraussetzungen des § 33 SGB IX liegen im Übrigen vor. Eine
Verpflichtung des Arbeitgebers zur Versorgung mit orthopädischen Maßschuhen besteht nicht. Als medizinische
Leistung können diese nicht erbracht werden.
Der Anspruch des Klägers ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Tragen der orthopädischen Maßschuhe
gleichzeitig auch eine Krankenbehandlung darstellt. § 13 Abs. 2 SGB VI sieht lediglich einen Ausschlussgrund für
Leistungen zur medizinische Rehabilitation in der Phase akuter Behandlungsbedürftigkeit oder erforderlicher
Krankenhausbehandlung vor. Eine Abgrenzung zwischen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und allgemeiner
Krankenbehandlung / Hilfsmittelversorgung wird vom Gesetz nicht vorgenommen. Medizinischen Leistungen zur
Rehabilitation und auch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben liegen in der Regel Krankheiten und Behinderungen
zugrunde, die zur Gefährdung der Erwerbsfähigkeit führen. Diese Leistungen stellen daher auch regelmäßig
Krankenbehandlung im weitesten Sinn dar, weil der Gefährdung der Erwerbsfähigkeit nur mit Besserung und/oder
Heilung der Krankheiten und Behinderungen entgegen gewirkt werden kann. So sind die medizinischen Anwendungen
im Rahmen einer medizinischen Leistung zur Rehabilitation oftmals die Gleichen, die bereits im Rahmen der
Krankenbehandlung oder Heilmittelerbringung nach dem SGB V ambulant erfolgt sind.
Entgegen der Auffassung der Beigeladenen steht dem Leistungsanspruch des Klägers auch nicht entgegen, dass der
Kläger die orthopädischen Maßschuhe auch im Alltagsleben tragen wird, weil sie auch dort therapeutisch wirken. Im
Rahmen des § 33 Abs. 8 SGB IX wird zum Beispiel auch Kraftfahrzeughilfe nach der Kraftfahrzeughilfeverordnung
sowie Kosten der Beschaffung, der Ausstattung und der Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung im
angemessenen Umfang gewährt. Dies stellen Hilfen dar, die nicht nur ausschließlich für die Arbeitsstätte benötigt
werden, sondern auch für private Zwecke genutzt werden können. Die Benutzung von Hilfsmitteln auch für private
Zwecke stellt damit keinen Ausschlussgrund für Leistungen nach § 33 Abs. 8 SGB IX dar. Dabei berücksichtigt das
Gericht, dass Aufgabe des Rentenversicherungsträgers als Rehabilitationsträger überwiegend die Erhaltung der
Erwerbsfähigkeit ist. Soweit ein Hilfsmittel überwiegend diesem Zweck dient, hat der Versicherte Anspruch hierauf.
Grundsätzlich stellen Rehabilitationsleistungen Ermessensleistungen nach § 13 SGB VI dar. Im vorliegenden
Verfahren verdichtet sich jedoch das Ermessen der Beigeladenen dahingehend, dass der Kläger nicht nur Anspruch
auf Ausübung eines pflichtgemäßen Ermessens, sondern die Leistung, nämlich die Versorgung mit orthopädischen
Maßschuhen, verlangen kann. Andere mögliche Hilfen der Teilhabe am Arbeitsleben dürften den gewünschten Erfolg
nicht bringen. Einzig mögliche Hilfe stellen orthopädische Maßschuhe dar. Das Ermessen der Beklagten reduziert
sich daher auf Null, da der Ermessensspielraum des Rentenversicherungsträgers auf Grund der tatsächlichen
Umstände des Einzelfalls derart eingeschränkt ist, dass dieser rechtmäßig nur eine einzige Entscheidung treffen
dürfte (vgl. Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, SGB VI, § 13, Rd-Nr. 14).
Der Kläger hat einen Eigenanteil an den orthopädischen Maßschuhen zu tragen. Der Kläger erspart durch die
Anfertigung orthopädischer Maßschuhe Aufwendungen für die Besorgung eigener Schuhe. Da normale Straßen- und
Arbeitsschuhe zu den Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens gehören, die von jedem selbst zu tragen sind,
hat der Kläger diese ersparten Aufwendungen zu tragen. Das Gericht hat sich bei der Höhe der Eigenbeteiligung an §
10 der Verordnung über die Versorgung mit Hilfsmitteln und über Ersatzleistungen nach dem
Bundesversorgungsgesetz vom 04.Oktober 1989 (Bundesgesetzblatt I, Seite 1834) in der aktuellen Fassung
orientiert. Nach § 10 Abs. 2 der Orthopädieverordnung beträgt der Eigenanteil für einen Maßschuh 38,00 Euro. Da
Maßstraßenschuhe nur paarweise angefertigt werden, ist daher eine Eigenbeteiligung von 76,00 Euro anzunehmen.
Diese Grundsätze der Eigenbeteiligung gelten sowohl im Krankenversicherungs- als auch im
Kriegsopferversorgungsrecht. Mangels eigenständiger Regelungen im Bereich der Rehabilitationsträger bietet die
Orthopädieverordnung einen Anhaltspunkt für die Festlegung der Höhe der Ersparnis für orthopädische Maßschuhe
auch im Bereich der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.