Urteil des SozG Mannheim vom 02.08.2016

form, budget, stadt, berufliche erfahrung

SG Mannheim Urteil vom 2.8.2016, S 9 SO 3871/15
Zu den Anforderungen an ein Verwaltungsverfahren zur Bewilligung eines Persönlichen
Budgets.
Leitsätze
Der vorherige Abschluss einer Budgetvereinbarung stellt für die Bewilligung eines Persönlichen Budgets keine
materielle Anspruchsvoraussetzung dar. Vielmehr ist es Sache des Leistungsträgers, den Inhalt der fehlenden
Budgetvereinbarung als Nebenbestimmung in den Bewilligungsbescheid aufzunehmen.
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Beklagten vom 12.8.2015 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 25.11.2015 rechtswidrig gewesen ist.
2. Der Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach zu erstatten.
Tatbestand
I.
1 Die Beteiligten streiten im Rahmen der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe für behinderte Menschen
um die Finanzierung tagesstrukturierender Maßnahmen im Rahmen eines persönlichen Budgets für die Zeit
vom 1.8.2015 bis zum 31.7.2016.
II.
2 Der am … 1984 geborene – somit heute 32jährige – Kläger leidet an einem Asperger-Autismus mit
erheblicher Beeinträchtigung der Kommunikationsfähigkeit und ist deshalb zu 100% schwerbehindert (mit
Merkzeichen H und B). Er steht unter der gesetzlichen Betreuung seiner Mutter.
3 In einer Zielvereinbarung vom 11.2.2015 verständigten sich die Beteiligten im Rahmen der
Eingliederungshilfe für behinderte Menschen auf ein monatliches persönliches Budget von 3.078 EUR
(Budgetzeitraum: August 2014 bis Juli 2015). Diese Zielvereinbarung unterzeichnete der Kläger jedoch nur
unter Vorbehalt, denn dem Kläger erschien der Budgetbetrag nicht ausreichend, um seine Betreuung durch
den Dienstleister Communi-Care vollumfänglich sicherzustellen.
4 Hierzu teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 12.2.2015 mit, dass Communi-Care bei einer
etwaigen Verlängerung des persönlichen Budgets ab dem 1.8.2015 nicht mehr als Leistungserbringer
akzeptiert werden könne. Als geeignete Leistungserbringer für die Tagesbetreuung stünden SeLMA
Autismus Rhein-Neckar e.V. oder die Lebenshilfe Heidelberg zur Verfügung.
5 Entsprechend der Zielvereinbarung vom 11.2.2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger sodann mit Bescheid
vom 18.2.2015 für die Zeit vom 1.8.2014 bis zum 31.7.2015 Leistungen der Eingliederungshilfe für
behinderte Menschen in Form eines persönlichen Budgets (3.078 EUR monatlich).
6 Mit seinem Widerspruchsschreiben vom 20.2.2015 machte der Kläger geltend, die von dem Beklagten
alternativ empfohlenen Leistungserbringer (Autismusgruppe der Lebenshilfe und SeLMA) hätten sich in der
Vorgeschichte als ungeeignet erwiesen. Er sei in der Autismusgruppe der Lebenshilfe von Anfang an betreut
worden und habe sich dort trotz angeblich fachlicher Betreuung „dramatisch zurückentwickelt und starke
Aggressionen entwickelt“. Er sei dann für etwa eineinhalb Jahre bei SeLMA betreut worden. Die dortigen
Betreuer seien mit ihm nicht zurechtgekommen und hätten das Betreuungsverhältnis deshalb gekündigt.
Hierdurch habe er eine große Krise durchgemacht und sich bei Communi-Care, wo er nun betreut werde,
wieder sehr gut entwickelt. Er bitte deshalb darum, einen Weg zu finden, dass die erfolgreiche Betreuung
durch Communi-Care (Frau W.) weiter finanziert werden könne.
7 Der Widerspruch ist jedoch erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 14.7.2015): Der Widerspruch sei
unzulässig, denn bei dem Schreiben vom 12.2.2015 handele es sich nicht um eine verbindliche Regelung
(Verwaltungsakt), sondern um einen schlichten Hinweis, dass beabsichtigt sei, Communi-Care ab dem
1.8.2015 nicht mehr als Leistungserbringer zu akzeptieren.
III.
8 Am 16.7.2015 teilte der Kläger dem Beklagten mit, er wolle weder das tagesstrukturierende Angebot von
SeLMA (Autismus Rhein-Neckar) noch dasjenige der Lebenshilfe Heidelberg in Anspruch nehmen. Er
wünsche ausdrücklich, weiterhin das Betreuungsangebot der Communi-Care nutzen zu können. Nur dort
habe er die Möglichkeit mit einer qualifizierten Begleitung die Form der Inklusion zu leben, in die er von
Kindheit an hineingewachsen sei.
9 Mit Schreiben vom 27.7.2015 hörte der Beklagte den Kläger dazu an, dass beabsichtigt sei, die
Betreuungskosten durch die Inanspruchnahme des Dienstes Communi-Care bei der Bemessung des
persönlichen Budgets nicht mehr zu berücksichtigen. Denn zu den allgemeinen Anforderungen an
Teilhabeleistungen gehöre, dass diese durch fachlich ausreichend qualifiziertes Personal erbracht würden;
dies bedeute, dass nur Einrichtungen bzw. Dienstleister in Anspruch genommen werden könnten, die die
Anforderungen der §§ 75 ff. SGB XII erfüllten. Dies treffe auf den der Dienstleister Communi-Care nicht zu.
Stattdessen sei aus Sicht des Beklagten das Betreuungsangebot der Lebenshilfe Heidelberg, die mittlerweile
in der Außenstelle Sandhausen eins Setting speziell für Autisten anbiete, geeignet. Dieses Angebot sei mit
der Autismus-Gruppe, die der Kläger in der Vergangenheit dort schon einmal besucht habe, nicht
vergleichbar.
10 Mit Anwaltsschreiben vom 6.8.2015 sandte der Kläger die Zielvereinbarung für das persönliche Budget für
den Zeitraum August 2015 bis Juli 2016 an den Beklagten zurück. Hierin wurde ein monatlicher
Budgetbetrag von 1.757 EUR vereinbart (vergleiche zur Zusammensetzung dieses Betrags die Aufstellung
auf Bl. 289 der Verwaltungsakte). Der Kläger wies ausdrücklich darauf hin, dass hierin seines Erachtens
keine Leistungen für die Tagesstruktur enthalten seien, da diese Leistungen Gegenstand eines besonderen
Verfahrens und eines noch ausstehenden gesonderten Bescheides seien. Er beanspruche hierzu weiterhin
die Berücksichtigung des Dienstes Communi-Care, denn er sei in der Vergangenheit von diesem Dienstleister
in der ambulanten Einrichtung „Tabula Rasa“ mit großem Erfolg betreut worden. Vor diesem Hintergrund
halte er die Darstellung, dass dieser Dienstleister bzw. diese Einrichtung nicht die qualitativen
Anforderungen der §§ 75 ff. SGB XII erfülle, für sachfremd und willkürlich. Dies sei von dem Beklagten mit
keinem Wort näher begründet oder belegt worden. Vielmehr sei die Inanspruchnahme dieser Einrichtung
aufgrund der „Besonderheit des Einzelfalls“ (§ 75 Abs. 4 SGB XII) rechtlich zulässig und geboten. Dem
entspreche, dass der Beklagte diese Kosten bis einschließlich Juli 2015 ja auch übernommen habe. Er sei die
gesamte Schulzeit über inklusiv beschult worden und habe als einziger Schüler mit besonderen Bedürfnissen
dass Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in E. besucht. Seine kognitive wie emotionale Entwicklung habe in
diesem Umfeld sämtliche Prognosen seiner Ärzte und Betreuer übertroffen. Im Anschluss an die schulische
Ausbildung habe es auch mit Unterstützung der Lebenshilfe diverse Versuche gegeben, für ihn einen
Ausbildungsplatz zu finden. Leider sei dies daran gescheitert, dass sich keine der angesprochenen Stellen
bereitgefunden habe, ihn als Auszubildenden zu akzeptieren. Er habe dann ein Semester an der Universität
Heidelberg studiert; dieses Studium habe er jedoch nicht fortsetzen können, weil seine Mutter nicht mehr in
der Lage gewesen sei, die insoweit erforderliche Einzelbegleitung zu finanzieren. Im Anschluss daran habe
er die Tagesgruppe „Wilde 13“ der Lebenshilfe Heidelberg besucht. Diese Einrichtung sei damals von Frau
W., der heutigen Geschäftsführerin der Communi-Care pädagogisch geleitet worden. Nachdem sich Frau W.
mit fast ihrem gesamten Team von der Lebenshilfe getrennt hatte, habe er über die Zeitdauer von etwa
eineinhalb Jahren einer von der neuen pädagogischen Leitung gegründeten rein autistischen Gruppe
angehört. Dies habe zu einer erneuten Verschlechterung seiner gesundheitlichen Situation geführt, so dass
er sich entschlossen habe, dieses Angebot nicht mehr wahrzunehmen. Anschließend sei er in dem Projekt
SeLMA betreut worden. Auch hier habe er jedoch lediglich mit einer aus Autisten bestehenden Gruppe zu
tun gehabt, wodurch sich seine schon zuvor vorhandene Gestresstheit und Aggressionsbereitschaft weiter
gesteigert habe. Bei dem Angebot der Communi-Care handele es sich dem hingegen um eine gemischte,
nicht nur aus Autistinnen oder Autisten bestehende Gruppe. Erst der Wechsel in das inklusive
Betreuungsangebot der Communi-Care (Frau W.) habe wieder zu einer deutlichen Verbesserung seines
Befindens geführt. Dies beruhe darauf, dass die Betreuung dort in einer gemischten Gruppe erfolge. Mithin
sei nur dieser Anbieter in der Lage, seine Betreuung inklusionsorientiert durchzuführen und sich an seinen
individuellen Bedürfnissen zu orientieren. Deshalb gehe er davon aus, dass die weitere Übernahme der
Betreuungskosten durch Communi-Care im Rahmen des persönlichen Budgets gerechtfertigt sei.
11 Entsprechend der bereits angesprochenen Zielvereinbarung vom 4.8.2015 bewilligte der Beklagte dem
Kläger sodann mit dem Bescheid vom 11.8.2015 im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte
Menschen für den Zeitraum August 2015 bis Juli 2016 ein monatliches persönliches Budget von nur noch
1.757 EUR.
12 Mit einem weiteren Bescheid vom 12.8.2015 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass Leistungen für die
Tagesbetreuung durch den Dienstleister Communi-Care im Rahmen des persönlichen Budgets abgelehnt
würden. Die Leistungserbringung in der Form eines persönlichen Budgets verändere Charakter und
Zielrichtung der zugrunde liegenden Teilhabeleistungen nicht. Es müsse sich weiterhin um finale, auf ein
bestimmtes Rehabilitationsziel gerichtete Leistungen handeln. Hieraus folge, dass die im Rahmen eines
persönlichen Budgets selbstbeschafften Hilfen den allgemeinen Anforderungen in gleicher Weise entsprechen
müssten, wie die vom Sozialamt erbrachten Dienst- oder Sachleistungen. Zu den grundlegenden
allgemeinen Anforderungen an Teilhabeleistungen gehöre, dass diese durch fachlich ausreichend
qualifiziertes Personal erbracht werden müssten. Hieraus ergebe sich, dass nur Einrichtungen bzw.
Dienstleister in Anspruch genommen werden könnten, die den Anforderungen aus §§ 75 ff. SGB XII
entsprächen. Für den Abschluss einer Leistungsvereinbarung nach §§ 75 ff. SGB XII mit Communi-Care wäre
die Stadt Heidelberg als örtlicher Sozialhilfeträger zuständig. Nach Kenntnisstand des Beklagten habe die
Stadt Heidelberg jedoch bislang mit der Communi-Care keine Leistungsvereinbarung abgeschlossen. Auch
der Abschluss einer Einzelvereinbarung (§ 75 Abs. 4 SGB XII) mit der Communi-Care sei nicht möglich. Denn
der Beklagte habe die vorgelegte Konzeption von Communi-Care schon im August 2014 dem
Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS) Baden-Württemberg zur Stellungnahme zugeleitet.
Hierzu habe der KVJS am 9.9.2014 ausgeführt, dass die in der Konzeption dargestellten Inhalte aus
fachlicher Sicht weder im Hinblick auf die Qualifikation des Personals noch im Hinblick auf die dargestellten
methodischen Ansätze die notwendigen fachlichen Voraussetzungen für den Abschluss einer Leistungs- und
Vergütungsvereinbarung nach §§ 75 ff. SGB XII erfüllten. Der KVJS habe daher zusammenfassend
empfohlen, im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen keine Leistungen dieses Trägers zu
finanzieren. Abschließend werde deshalb nochmals auf das Angebot für die Tagesstruktur der Lebenshilfe
Heidelberg (Außenstelle Sandhausen) verwiesen. Dort stehe für den Kläger noch immer ein freier Platz zur
Verfügung. Nach Aussage der Fachberatung des Beklagten sei dieses Angebot für den Kläger auch geeignet.
Zudem bestehe ein Leistungs- und Vergütungsvertrag auch mit der Lebenshilfe Heidelberg.
IV.
13 Am 28.8.2015 erhob der Kläger gegen den Ablehnungsbescheid vom 12.8.2015 unter Bezugnahme auf sein
Anhörungsvorbringen Widerspruch und trug ergänzend vor, die Nichtberücksichtigung des Dienstleisters
Communi-Care sei aus seiner Sicht weiterhin sachfremd und willkürlich, denn er werde dort fachlich
beanstandungsfrei, kompetent und erfolgreich betreut. Hieran ändere auch die angeführte Stellungnahme
des KVJS Baden-Württemberg (9.9.2014) nichts; denn dem angefochtenen Ablehnungsbescheid könne an
keiner Stelle entnommen werden, ob die für diese Stellungnahme verantwortlichen Personen des KVJS
selbst über die zur Beurteilung der Qualifikation der Communi-Care notwendige Sachkunde verfügten.
14 Der Widerspruch ist jedoch erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 25.11.2015): Die
Hilfebedürftigkeit des Klägers sei unstreitig, denn der Kläger leide zweifelsohne an einer wesentlichen
Behinderung. Die dem Kläger zustehende Teilhabe im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte
Menschen (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch IX – SGB IX)
könne in der Form eines persönlichen Budgets ausgeführt werden (§ 57 SGB XII in Verbindung mit § 17 Abs.
2 SGB IX). Das persönliche Budget solle den Kläger befähigen, eine vollwertige Alternative zu einer
Sachleistung zu realisieren. Das persönliche Budget begründe aber keinen Anspruch auf neue Formen von
Teilhabeleistung; es biete lediglich die Möglichkeit, dass sich der Kläger – anstelle der von dem Beklagten
bereitgestellten Sachleistungen – selbst die erforderliche Hilfe organisieren könne. Das persönliche Budget
ändere den Charakter und die Zielrichtung der gebotenen Teilhabeleistungen nicht ab; es müsse sich also
auch im Rahmen des persönlichen Budgets um eine finale, auf ein bestimmtes Rehabilitationsziel bezogene
Leistung handeln. Dies bedeute, dass die selbstbeschafften Hilfen in gleicher Weise wie Sachleistungen des
Sozialamts den allgemeinen Qualitätsanforderungen entsprechen müssten und schließe vor allem ein, dass
die Leistungen durch fachlich ausreichend qualifiziertes Personal erbracht werden müssten. Hieraus ergebe
sich, dass die zu erbringenden Leistungen nur durch eine Einrichtung oder durch einen Dienstleister bewirkt
werden dürften, die / der den Anforderungen der §§ 75 ff. SGB XII gerecht werde. In diesem Zusammenhang
müsse § 75 Abs. 3 SGB XII beachtet werden, denn der Sozialhilfeträger solle zur Erfüllung seiner Aufgaben
eigene Einrichtungen nicht neu schaffen, sondern stattdessen mit den bereits vorhandenen Einrichtungen
anderer Träger zusammenarbeiten. Für den Abschluss der entsprechenden Verträge bestimme § 75 Abs. 3
SGB XII ausdrücklich, dass der Einrichtungsträger bzw. Dienstleister vom Sozialamt eine Vergütung nur
dann beanspruchen könne, wenn mit ihm eine Leistungsvereinbarung und eine Vergütungsvereinbarung
abgeschlossen worden sei und auch eine Vereinbarung über die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität
der Leistungen (Prüfungsvereinbarung) vorliege. Für den Abschluss dieser Vereinbarungen sei nach § 77 Abs.
1 Satz 2 SGB XII die Stadt Heidelberg als örtlicher Sozialhilfeträger zuständig. Eine solche Vereinbarung
zwischen der Stadt Heidelberg und der Communi-Care bestehe bislang jedoch nicht. Somit sei eine
Leistungsgewährung für die Betreuung durch die Communi-Care, auch in der Form eines persönlichen
Budgets, aus Rechtsgründen nicht möglich. Auch eine Einzelvereinbarung nach § 75 Abs. 4 SGB XII komme
hier nicht in Betracht. Denn diese Ausnahmevorschrift müsse eng ausgelegt werden. In einem ersten
Prüfungsschritt müsse festgestellt werden, dass der Bedarf des Leistungsberechtigten nicht oder nicht
vollständig über eine vertragliche Einrichtung gedeckt werden könne. Diese Voraussetzung sei hier nicht
gegeben, denn für den Kläger stehe noch immer ein geeigneter Betreuungsplatz bei der Lebenshilfe
Heidelberg (Außenstelle Sandhausen) zur Verfügung. Im Übrigen komme eine Leistungserbringung nach § 75
Abs. 4 SGB XII nur in Betracht, wenn die betreffende Einrichtung ein Leistungsangebot vorlege, das den
Voraussetzungen aus § 76 SGB XII genüge. Zur Prüfung dieser Voraussetzungen habe der KVJS Baden-
Württemberg am 9.9.2014 eine Stellungnahme zu der vorgelegten Konzeption der Communi-Care
abgegeben und festgestellt, dass die Konzeption und auch das Personaltableau keinen Aufschluss über die
fachliche Qualifikation des Personals erlaube. Denn dort seien lediglich die allgemeinen Berufsbezeichnungen
benannt worden, ohne die spezifische methodische Qualifikation und die berufliche Erfahrung für den
Umgang mit Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung zu belegen. Dem Internetauftritt der Communi-Care
könne entnommen werden, dass ein wesentlicher Schwerpunkt die Umsetzung der sogenannten gestützten
Kommunikation (FC) sei. Hierzu habe der KVJS dargelegt, dass diese Methode wissenschaftlich gut
untersucht sei, ohne dass bislang ein Nachweis erbracht worden sei, dass die hiermit vermittelten
Botschaften von dem Behinderten selbst stammten; vielmehr gebe es Hinweise darauf, dass diese
Botschaften wesentlich von der Hilfsperson („Stützer“) stammten. Vor diesem Hintergrund sei diese
Methode nicht nur „nicht notwendig“, sondern auch „ethisch bedenklich“. Außerdem weise die Konzeption
der Communi-Care ein Altersspektrum von 7 bis 29 Jahre auf, so dass eine Differenzierung nach
Altersgruppen, kognitiven oder sprachlichen Fähigkeiten oder sonstigen Merkmalen nicht vorgenommen
werde. Inhaltlich fänden sich zudem deutliche Überschneidungen zu den Aufgaben interdisziplinärer
Frühförderstellen des Kindergartens, der Schule, der Arbeitsverwaltung, des Integrationsfachdienstes (IFD)
sowie von Leistungserbringern nach dem Sozialgesetzbuch V (SGB V). Die im Einzelnen aufgeführten
verschiedenen Ansätze (bspw. TEACCH oder PECS) würden nicht weiter konkretisiert. Die allgemein
gehaltenen Ausführungen zur „Prozessqualität“ weckten deutliche Zweifel, dass die Autorin des
Leistungsangebots mit Theorie und praktischer Umsetzung des TEACCH- Konzepts hinreichend vertraut sei.
Aufgrund der dargestellten Mängel scheide vorliegend eine Leistungserbringung nach § 75 Abs. 4 SGB XII
aus, so dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig sei und der Widerspruch zurückgewiesen werden
müsse.
V.
15 Am 21.12.2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht erhoben und beansprucht bei der Bemessung seines
persönlichen Budgets im Zeitraum August 2015 bis Juli 2016 zur Sicherung tagesstrukturierender
Maßnahmen die Berücksichtigung des Dienstleisters Communi-Care in einem Umfang von fünf Tagen pro
Woche. Ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen macht er darauf aufmerksam, er sei von der jetzigen
pädagogischen Leiterin des Dienstes Communi-Care (Frau W.) bereits als Schüler – wie die Ablegung des
Abiturs zeige – erfolgreich inklusiv betreut worden. Sodann sei seine Betreuung durch die Lebenshilfe
Heidelberg bzw. SeLMA erfolgt; hierunter habe sich sein Zustand jedoch deutlich verschlechtert. Seit dem
Sommer 2013 werde er über den Dienstleister Communi-Care („Tabula rasa“) wieder von Frau W. betreut.
Das zugrunde liegende Betreuungskonzept beruhe im wesentlichen auf der gleichzeitigen (inklusiven)
Betreuung von autistischen und nicht-autistischen bzw. sonst wie behinderten Menschen. Hierdurch habe
sich sein gesundheitlicher Zustand und sein Sozialverhalten (wieder) deutlich gebessert. Er gehe daher nach
wie vor davon aus, dass er einen Anspruch auf Übernahme der Betreuungskosten nach § 75 Abs. 4 SGB XII
im Rahmen eines persönlichen Budgets habe. Die Geschäftsführerin und Leiterin der Communi-Care (Frau
W.) sei bereits lange Zeit vor der Gründung ihres gemeinnützigen Unternehmens in Heidelberg als
selbstständige Betreuerin für behinderte Kinder und Jugendliche tätig gewesen. Sie verfüge über eine
staatlich anerkannte Ausbildung als Sozialpädagogin im Bereich Jugend- und Heimerziehung (1994 bis 1997,
Bildungszentrum Schloss Sch., Fachschule für Sozialpädagogik) und habe sich auf die inklusive Arbeit mit
autistisch behinderten Menschen spezialisiert. Sie habe an einer Vielzahl nationaler und internationaler
Fortbildungskongresse teilgenommen und verfüge – was durch vorgelegte Referenzen bestätigt werde –
über große Erfahrung. Schließlich müsse auch berücksichtigt werden, dass die Lebenshilfe Heidelberg in der
Vergangenheit in Fällen, in denen sie selbst mangels eigener Fachkunde an der Betreuung von Kindern oder
Jugendlichen mit Autismus gescheitert sei, an die Communi-Care verwiesen und deren spezifische Fachkunde
ausdrücklich empfohlen habe (beispielsweise E-Mail vom 5.11.2015 – Anlage K 14). Im Übrigen habe die
Stadt Heidelberg mit einem Bescheid vom 26.1.2009 (Anlage K 15) das damalige Betreuungsangebot von
Frau W. („Kleingruppenarbeit zur Inklusion autistischer Kinder und Jugendlicher“) ausdrücklich als
„niedrigschwelliges Betreuungsangebot und Modellvorhaben zur Erprobung neuer Versorgungskonzepte“ (§
45c Abs. 1 Sozialgesetzbuch XI - SGB XI) anerkannt bzw. bezeichnet. Vor diesem Hintergrund sei es nicht
nachvollziehbar bzw. nicht überzeugend, wenn jetzt die Sach- bzw. Fachkunde von Frau W. in Zweifel
gezogen werde. Im Februar 2016 teilt der Kläger mit, dass die Stadt Heidelberg den Antrag der Communi-
Care auf Abschluss einer Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII mit Bescheid vom 7.1.2016 abgelehnt
habe. Daraufhin sei die Schiedsstelle (§ 80 SGB XII) angerufen worden. Diese habe jedoch Zweifel an ihrer
Zuständigkeit geäußert. Im März 2016 teilt der Kläger unter Vorlage der bislang angefallenen Rechnungen
ergänzend mit, Communi-Care stelle ihm 23 EUR (Gruppenstunde) bzw. 56 EUR (Kommunikationstraining)
in Rechnung. Er habe die abgerechneten Leistungen seit August 2015 in Anspruch genommen, wodurch
bislang Kosten von 6.723,50 EUR entstanden seien. Für die Zeit ab Februar 2016 müsse voraussichtlich mit
einem wöchentlichen Bedarf von 30 Stunden (= 746 EUR) gerechnet werden. Im Hinblick auf die Dauer des
Gerichtsverfahrens und den bevorstehenden Ablauf des streitigen Bewilligungszeitraums (Juli 2016) behalte
er sich eine Fortsetzungsfeststellungsklage vor. Schließlich macht der Kläger noch darauf aufmerksam, dass
er zwischenzeitlich bei dem Beklagten auch beantragt habe, die nicht gedeckten Kosten der Betreuung bei
Communi-Care in den Monaten Juni und Juli 2015 (2.417,57 EUR) im Rahmen einer Nachzahlung zu
erstatten.
16 Somit beantragt der Kläger zum Schluss nur noch:
17 1. Es wird festgestellt, dass der Bescheid vom 12.8.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
25.11.2015 rechtswidrig gewesen ist.
18 2. Der Beklagte erstattet dem Kläger die zur Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten.
19 Der Beklagte tritt der Klage entgegen und beantragt,
20 die Klage abzuweisen.
21 Auch der Beklagte verweist auf sein bisheriges Vorbringen und betont nochmals, dass mit dem Dienst
Communi-Care die nach § 75 Abs. 3 SGB XII notwendigen Vereinbarungen nicht abgeschlossen worden
seien. Zudem nimmt er nochmals auf die fachliche Stellungnahme des KVJS Baden-Württemberg vom
9.9.2014 Bezug (Vorlage dieser Unterlagen im Februar 2016). Schließlich macht er im Hinblick auf die vom
Kläger vorgelegten Referenzen erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken geltend.
22 Das Sozialamt der Stadt Heidelberg bestätigt mit Schreiben vom 17.2.2016, dass mit der Communi-Care
keine Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB bestünden.
23 Das Gericht hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 2.8.2016
umfassend erörtert.
24 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten
(Aktenband IV) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
25 Die Klage war zunächst als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz – SGG) zulässig. Denn die prozessuale Durchsetzung eines Persönlichen Budgets
beinhaltet die Geltendmachung einer Verwaltungsentscheidung, die dann ihrerseits als Grundlage für eine
entsprechende Geldleistung anzusehen ist (hierzu BSG, Urteil vom 8.3.2016 – B1 KR 19/15 R und SG
Aachen, Urteil vom 11.9.2015 – S 19 SO 126/13).
26 Im Hinblick auf den Umstand, dass der Beklagte mit dem (weiteren) Bescheid vom 11.8.2015 für den hier
streitigen Bewilligungszeitraum eine Bezifferung des persönlichen Budgets vorgenommen hat, der
vorliegende Rechtsstreit sich jedoch wie soeben dargestellt nur auf den Anspruchsgrund für die Ausführung
eines Persönlichen Budgets bezieht, wird der Bescheid vom 11.8.2015 von der vorliegenden Klage nicht
erfasst. Insoweit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf Anraten des Gerichts jedoch vorsorglich
beantragt, den Bescheid vom 11.8.2015 (nach rechtskräftigem Abschluss des vorliegenden Klageverfahrens
gegebenenfalls nach § 48 Abs. 1 Satz 1 und 4 Satz 1 in Verbindung mit § 44 Sozialgesetzbuch X – SGB X)
abzuändern bzw. überprüfen.
27 Der Zulässigkeit dieser Klage stand nicht entgegen, dass im Hinblick auf die Einbeziehung des Dienstleisters
Communi-Care in das Persönliche Budget zwischen den Beteiligten keine wirksame Zielvereinbarung vorlag
bzw. vorliegt. Zwar geht das LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 20.2.2013 – L 5 R 3442/11) davon aus,
dass der Abschluss einer Zielvereinbarung nicht nur eine verfahrensrechtliche Bedeutung habe; vielmehr
stelle der vorherige Abschluss der Zielvereinbarung auch eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die
Leistungsausführung in der Form eines Persönlichen Budgets dar. Dieser Auffassung folgt das Sozialgericht
vorliegend jedoch nicht. Denn das Erfordernis einer Zielvereinbarung ergibt sich weder unmittelbar aus den
sozialhilferechtlichen Vorschriften über die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§§ 53 ff. SGB XII
(insbesondere § 57 SGB XII), noch aus den diesbezüglichen Vorschriften zur Rehabilitation und Teilhabe der
behinderten Menschen nach dem Sozialgesetzbuch IX – SGB IX (vor allem § 17 SGB IX). Vielmehr finden
sich die Vorschriften zur Notwendigkeit der Zielvereinbarung alleine in der Budgetverordnung (BudgetV),
nämlich in § 4 und § 3 Abs. 5 BudgetV. In rechtsdogmatischer Hinsicht ist in diesem Zusammenhang zu
beachten, dass sich die Verordnungsermächtigung (§ 21a SGB IX) jedoch lediglich auf nähere Regelungen
„zum Inhalt und (zur) Ausführung des Persönlichen Budgets, zum Verfahren sowie zur Zuständigkeit bei
Beteiligung mehrerer Leistungsträger“ erstreckt. Dies hat unter Berücksichtigung von Art. 80 Abs. 1 Satz 2
Grundgesetz (GG) zur Konsequenz, dass die BudgetV nur Regelungen zu den angesprochenen
Themenkreisen beinhalten darf, so dass die Statuierung zusätzlicher materieller Anspruchsvoraussetzungen
für die Ausführung eines persönlichen Budgets im Rahmen der BudgetV ausgeschlossen ist. Deshalb geht
das Sozialgericht entgegen der dargestellten Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg davon aus, dass
der vorherige Abschluss einer Zielvereinbarung lediglich eine verfahrensrechtliche Funktion hat und somit
nicht in materieller Hinsicht dazu führen kann, dass beim Fehlen einer Zielvereinbarung die
Leistungsausführung in der Form eines Persönlichen Budgets ausgeschlossen ist. Hierbei berücksichtigt das
Gericht auch, dass das Persönliche Budget nur das „Wie“ der Leistungsausführung betrifft, während sich das
„Ob“ der Leistung alleine nach dem jeweiligen Fachrecht richtet (so ausdrücklich auch LSG Baden-
Württemberg, Urteil vom 20.2.2013 – L 5 R 3442/11). Im Übrigen beinhaltet die Zielvereinbarung bei
funktioneller Betrachtung eine „Art einer vereinbarten Nebenbestimmung“ (so ausdrücklich Hauck/Noftz,
SGB IX, online-Ausgabe, § 17 Rdnr. 21), so dass das Sozialgericht im Rahmen einer Analogie zu § 15 Abs. 1
Satz 6 Sozialgesetzbuch II - SGB II (Ersetzung einer nicht zustande gekommenen
Eingliederungsvereinbarung durch einen Verwaltungsakt im Rahmen der Grundsicherung für
Arbeitssuchende) davon ausgeht, dass der Leistungsträger, gegenüber dem ein Persönliches Budget geltend
gemacht wird, bei Nichtzustandekommen der notwendigen Zielvereinbarung befugt ist, die notwendigen
Regelungen einseitig durch Verwaltungsakt zu treffen bzw. in den Bewilligungsbescheid eine entsprechende
Nebenbestimmung aufzunehmen. Dies ist nach allgemeinen Grundsätzen ohne weiteres möglich, weil
hierdurch sichergestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Persönlichen Budgets erfüllt
werden (§ 32 Abs. 1 SGB X).
28 Mit dieser Konstruktion trägt das Sozialgericht zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4
GG) auch dem Umstand Rechnung, dass nach der instanzgerichtlichen Rechtsprechung der Anspruch auf
Abschluss einer Zielvereinbarung nicht gerichtlich durchsetzbar ist (so beispielsweise SG Aachen, Urteil vom
11.9.2015 – S 9 SO 126/13) bzw. dass das Gericht nicht berufen ist, die fehlende Zielvereinbarung durch
sein Urteil zu ersetzen (so beispielsweise SG Halle, Urteil vom 7.1.2015 – S 24 SO 135/12) bzw. dass eine
Leistungsklage nicht geeignet ist, den Abschluss einer Zielvereinbarung zu erzwingen (so beispielsweise SG
Dresden, Urteil vom 22.11.2013 – S 42 SO 168/11). Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass trotz
der fehlenden Zielvereinbarung eine hinreichende Klagebefugnis bzw. Beschwer (§ 54 Abs. 1 Satz 2 und
Abs. 2 Satz 1 SGG) des Klägers gegeben war bzw. dass der Zulässigkeit der Klage nicht entgegengehalten
werden kann, dass der Kläger vorrangig gehalten gewesen wäre, zunächst den Abschluss einer
Zielvereinbarung einzuklagen. Vielmehr wäre es Sache des Beklagten gewesen, den notwendigen Inhalt der
Zielvereinbarung (vor allem Regelungen zur Qualitätssicherung und zu den Nachweispflichten des Klägers
bei Inanspruchnahme des Dienstleister Communi-Care) in den entsprechenden Bewilligungsbescheid in Form
einer Nebenbestimmung zu integrieren.
29 In prozessualer Hinsicht ergibt sich hieraus allerdings, dass die Klage ursprünglich wohl nur als
Bescheidungsklage (§ 131 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 SGG) zulässig gewesen wäre (hierzu Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 131 Rdnr. 12d).
30 Der Kläger hat das notwendige Vorverfahren (§ 78 SGG) durchgeführt und nach Erteilung des
Widerspruchsbescheides vom 25.11.2015 mit seiner am 21.12.2015 erhobenen Klage die einmonatige
Klagefrist gewahrt (§ 87 SGG).
31 Allerdings ist die ursprünglich zulässige Klage zum 1.8.2016 unzulässig geworden, da der angefochtene
Bescheid vom 12.8.2015 mit Ablauf des aktuellen Bewilligungszeitraums wirkungslos geworden ist. Dies
ergibt sich aus § 39 Abs. 2 SGB X, wonach ein Verwaltungsakt nur so lange wirksam ist bzw. bleibt, wie er
sich nicht durch Zeitablauf oder auf andere Art und Weise erledigt hat. Dem angefochtenen Bescheid vom
12.8.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2015 kann jedoch entnommen werden,
dass der Beklagte hiermit nur eine Regelung für den Zeitraum von August 2015 bis einschließlich Juli 2016
treffen wollte. Insoweit ist eine gerichtliche Entscheidung jetzt nicht mehr veranlasst, da die rückwirkende
Bewilligung eines Persönlichen Budgets sinnlos ist und dem Kläger keinerlei Vorteil vermitteln würde. Denn
durch die Leistungsausführung in Form eines Persönlichen Budgets soll die Selbstverantwortung der
berechtigten Person gefördert werden, indem sie in den Stand gesetzt wird, sich mit dem Budgetbetrag
selbst die zur Verwirklichung des Teilhabeziels erforderlichen Leistungen am Markt zu verschaffen. Dies ist
nur zukunftsbezogen, nicht aber rückwirkend möglich. Insoweit ist zum 1.8.2016 Erledigung eingetreten,
zumal das Gericht bei einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ohnehin stets nur die Sach-
und Rechtslage im Zeitpunkt der das Verfahren abschließenden mündlichen Verhandlung zugrunde legen
kann (Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 54 Rdnr. 34).
32 Vor diesem Hintergrund hat sich der Kläger, um nicht die Früchte der bisherigen Prozessführung zu
verlieren, folgerichtig entschlossen, seine bis zum 31.7.2016 zulässige Klage umzustellen und sein Begehren
nur noch in der Form einer Fortsetzungsfeststellungsklage geltend zu machen. Dies ist auch bei einer
kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage möglich (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11.
Auflage 2014, § 131 Rdnr. 7c sowie BSG, Urteil vom 28.9.2005 – B 6 KA 73/04R).
33 Das hierfür notwendige besondere Fortsetzungsfeststellungsinteresse (§ 131 Abs. 1 Satz 4 SGG) ergibt sich
vorliegend aus zwei Gesichtspunkten: Zum einen besteht im Hinblick auf die folgenden
Bewilligungszeiträume die hinreichende und konkrete Gefahr, dass die Beteiligten bei ansonsten
unverändertem Sachverhalt erneut um dieselbe Rechtsfrage streiten; zum anderen hat der Kläger während
des abgelaufenen Bewilligungszeitraums den Dienstleister Communi-Care als Selbstzahler in Anspruch
genommen, so dass die Frage im Raum steht, ob der Beklagte insoweit erstattungspflichtig ist. Nur
vorsorglich weist das Gericht in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Beklagte einem möglichen
Erstattungsbegehren (vgl. hierzu § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX) insoweit wohl nicht entgegenhalten kann, dass
sich der Kläger die entsprechende Leistung schon vor Erteilung des Ablehnungsbescheides vom 12.8.2015
verschafft habe. Denn der Beklagte hat dem Kläger schon im Vorfeld mehrfach (zuletzt Anhörungsschreiben
vom 27.7.2015) unmissverständlich mitgeteilt, dass seines Erachtens eine nochmalige bzw. weitere
Berücksichtigung des Dienstleisters Communi-Care ausgeschlossen war.
II.
34 Die somit zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage erweist sich nach Auffassung des Gerichts als begründet:
35 Es trifft zwar zu, dass die Vorschriften über das Persönliche Budget lediglich die Art und Weise der
Leistungsausführung betreffen und somit den Kreis der in Anspruch zu nehmenden Leistungen inhaltlich
nicht erweitern (so bspw. SG Aachen, Urteil vom 19.11.2015 - S 19 SO 126/13 und LSG Baden-
Württemberg, Urteil vom 20.2.2013 - L 5 R 3442/11); mit anderen Worten: Budgetfähig sind nur solche
Leistungen, die von dem jeweils zuständigen Leistungsträger auch als Dienst- oder Sachleistung
beansprucht werden könnten (so ausdrücklich juris-PK zu § 57 SGB XII Rdnr. 11 und Hauck/Noftz, SGB XII,
online-Ausgabe, § 57 Rdnr. 24).
36 Insoweit geht der Beklagte zutreffend davon aus, dass eine Leistungserbringung durch den Dienstleister
Communi-Care für den Regelfall ausgeschlossen ist, weil zwischen der Stadt Heidelberg (als für den
Einrichtungsträger örtlich zuständiger Sozialhilfeträger) und der Communi-Care nicht die nach § 75 Abs. 3
Satz 1 SGB XII notwendigen Vereinbarungen (Leistungsvereinbarung, Vergütungsvereinbarung,
Prüfungsvereinbarung) bestehen. Hierzu hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung über den Verlauf des
diesbezüglichen Schiedsstellenverfahrens berichtet. Hieraus ergibt sich, dass dem betreffenden Bescheid
vom 7.1.2016 offenkundig eine falsche Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, so dass insoweit von einer
einjährigen Widerspruchsfrist auszugehen ist (§ 66 Abs. 2 SGG), so dass das Anerkennungsverfahren noch
nicht rechtskräftig abgeschlossen ist.
37 Vor diesem Hintergrund wäre der Beklagte nach Auffassung des Gerichts verpflichtet gewesen, im Rahmen
der Amtsermittlungspflicht (§ 20 SGB X) nach § 75 Abs. 4 SGB XII zu verfahren und aufzuklären, ob dem
Kläger die begehrte Leistung (Betreuung durch den Dienstleister Communi-Care) im Rahmen einer
Einzelfallentscheidung nach § 75 Abs. 4 Satz 1 SGB XII hätte zur Verfügung gestellt werden müssen. Denn
die zitierte Vorschrift lässt die Leistungserbringung durch einen Dienst, der die Anforderungen nach § 75
Abs. 3 Satz 1 SGB XII nicht erfüllt, ausdrücklich zu, wenn „dies nach den Umständen des Einzelfalls geboten
ist".
38 In diesem Zusammenhang ist das Gericht überzeugt, dass die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift
hier erfüllt sind. Denn der Kläger hat – ohne dass dies von dem Beklagten wirklich in Abrede gestellt worden
ist – nachvollziehbar und schlüssig vorgetragen, dass seine bisherige Sozialisation im Wesentlichen durch
eine inklusive Betreuung bewirkt worden ist und dass er mit der Betreuung in Gruppen, die sich
ausschließlich aus autistisch behinderten Menschen zusammensetzen, schlechte Erfahrungen gemacht hat.
Daher kann das Gericht den Wunsch des Klägers, weiterhin inklusiv betreut zu werden, gut nachvollziehen,
zumal der Kläger hiermit letztlich nur sein durch die UN-Behindertenrechtskonvention (ÜbkRvMmBeh)
verbrieftes Recht auf eine unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft (Art. 19
ÜbkRvMmBeh) in Anspruch nimmt. Vor diesem Hintergrund liegen nach Auffassung des Gerichts im
vorliegenden Zusammenhang hinreichende besondere Umstände des Einzelfalls vor, die es gebieten, den
Wunsch des Klägers auf inklusive Betreuung zu berücksichtigen. Deshalb können die von dem Beklagten
angeführten alternativen Betreuungsmöglichkeiten bei der Lebenshilfe (Heidelberg) bzw. bei SeLMA
(Sandhausen) keine andere Beurteilung rechtfertigen, da sich diese Betreuungsmöglichkeiten ausschließlich
auf autistische Menschen beschränken und somit nicht gleichwertig sind. Im Übrigen kann das Gericht das
Vorbringen des Beklagten, die Betreuung durch Communi-Care lasse nicht ein Mindestmaß an Qualität
erkennen, nicht nachvollziehen. Denn die vom Kläger vorgelegten Referenzen bestätigen, dass dieser
Dienstleister, insbesondere seine Leiterin W., über große Erfahrungen in der inklusive Betreuung von
behinderten Menschen, vor allem im Hinblick auf autistische Störungen, verfügt. Weiter muss auch
berücksichtigt werden, dass der Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung (unwidersprochen) versichert
hat, bereits seit 2012 durch diesen Dienstleister betreut wird, so dass der Beklagte offenkundig über
mehrere Jahre hinweg keinen Anlass hatte, die Betreuungsqualität in Zweifel zu ziehen.
39 Den dargestellten Anforderungen trägt die Art und Weise des Verwaltungsverfahrens, das dem Bescheid
vom 12.8.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2015 zugrunde liegt, nicht
ausreichend Rechnung. Denn der Beklagte hat sich hierbei im Grunde genommen darauf beschränkt, in
abstrakter Weise die allgemeinen Qualitätsanforderungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII zu überprüfen, indem er
die allgemeine Konzeption der Communi-Care mit Unterstützung des überörtlichen Sozialhilfeträgers (MPD
des KVJS) ausgewertet hat und zu der Einschätzung gekommen ist, dass eine ausreichende Qualität der
Betreuung dort nicht gewährleistet sei.
40 Dies ist in doppelter Hinsicht unzureichend:
41 Zum einen bezieht sich die Bewertung des Beklagten auf den Stand September 2014, so dass offen bleibt,
ob und wenn ja welche Veränderungen sich für den streitigen Bewilligungszeitraum ergeben haben; darüber
hinaus geht es im Rahmen von § 75 Abs. 4 Satz 1 SGB XII nicht um eine allgemeine, abstrahierende
Bewertung, sondern um die Beantwortung der Frage, ob aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls
die Betreuung durch einen nicht vertragsgebundenen Einrichtungsträger geboten ist. Dies erfordert eine
individualisierende Betrachtung, die den behinderten Menschen (also den Kläger) mit seinen spezifischen
Bedürfnissen und seinem besonderem Förderbedarf in den Blick nimmt. Hierin drückt sich der
sozialhilferechtliche Individualisierungsgrundsatz (§ 9 Abs. 1 SGB XII) aus.
42 Folgerichtig sieht § 75 Abs. 4 Satz 2 SGB XII vor, dass die Entscheidung über die Inanspruchnahme eines
nicht vertragsgebundenen Leistungserbringers auf der Grundlage eines konkreten Leistungsangebots zu
ergehen hat. Wenn der Gesetzeswortlaut die Vorlage dieses Leistungsangebots durch den Leistungsträger
fordert, wird hierdurch die auf § 20 SGB X beruhende Amtsermittlungspflicht der zuständigen Behörde nicht
relativiert. Vielmehr wird hierdurch lediglich deutlich, dass eine Mitwirkungsobliegenheit des
Einrichtungsträgers besteht, obwohl dieser selbst an dem streitigen Sozialleistungsverhältnis zwischen der
betreuungsbedürftigen Person und der zuständigen Sozialleistungsbehörde nicht unmittelbar beteiligt ist.
Wenn der Einrichtungsträger das entsprechende Leistungsangebot nicht von sich aus vorlegt, ist und bleibt
es also Sache der Behörde, dies im Rahmen der Amtsermittlung beizuschaffen.
43 Abschließend ist daher festzuhalten, dass der Ablehnungsbescheid vom 12.8.2015 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 25.11.2015 auf einem nicht ordnungsgemäß durchgeführten
Verwaltungsverfahren beruht.
44 Dieser Mangel ist nach § 42 Satz 1 SGB X auch erheblich, denn es kann nicht offenkundig ausgeschlossen
werden, dass bei Berücksichtigung eines konkreten Leistungsangebots eine andere Entscheidung hätte
ergehen können.
45 Dies hat zur Konsequenz, dass die Fortsetzungsfeststellungsklage erfolgreich ist.
46 Dem steht nicht entgegen, dass das oben angesprochene Verfahren zwischen der Stadt Heidelberg und dem
Dienstleister Communi-Care auf Abschluss der Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII noch nicht
abgeschlossen ist. Zwar wird teilweise die Auffassung vertreten, dass die Anwendbarkeit von § 75 Abs. 4
SGB XII während der Dauer der entsprechenden Vertragsverhandlungen „gesperrt" sei, damit der freie und
unbeeinflusste Verlauf der Vertragsverhandlungen nicht durch Einzelfallleistungen unterlaufen werde (vgl.
zu dieser Sperrwirkung juris-PK zu § 75 SGB XII Rdnrn. 133f. mit Rechtsprechungsnachweisen). Dieser
Auffassung schließt sich das Sozialgericht jedoch nicht an (so auch Schellhorn u.a., SGB XII, 18. Auflage
2010, § 75 Rdnr. 37). Denn es erscheint nicht gerechtfertigt, dass ein allgemeiner Streit um den Abschluss
der Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII auf dem Rücken von Leistungsbeziehern ausgetragen wird, bei
denen aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls eine Leistung durch vertragsgebundene
Leistungserbringer gerade nicht ausreichend ist. Würde man eine entsprechende „Sperrwirkung"
akzeptieren, würde dies zu einer unangemessenen Benachteiligung dieser gerade in besonderer Weise
schutzbedürftigen behinderten Menschen führen und könnte die Kostenträger mittelbar ermutigen, die
Vertragsverhandlungen ohne sachlichen Grund in die Länge zu ziehen. Vor diesem Hintergrund muss in der
vorliegenden Konstellation ein Vorrang des Leistungsrechts gegenüber dem Leistungserbringungsrecht
bestehen, so dass einer Anwendung von § 75 Abs. 4 SGB XII nicht im Wege steht.
47 Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Prozessausgang Rechnung.