Urteil des SozG Mannheim vom 05.02.2014

änderung der verhältnisse, vergleichbare leistung, berufsunfähigkeit, arbeitsentgelt

SG Mannheim Urteil vom 5.2.2014, S 14 R 2773/12
Rente wegen Erwerbsminderung - Berufskrankheit - Übergangsleistungen gem §
3 Abs 2 BKV - keine Berücksichtigung als Hinzuverdienst - Schadensersatz
Leitsätze
1. Bezieht ein Versicherter zugleich eine Erwerbsminderungsrente und
Übergangsleistungen gem. § 3 Abs. 2 BKV fehlt es an einer Rechtsgrundlage um die
Übergangsleistung auf die rentenrechtliche Hinzuverdienstgrenze anzurechnen.
2. Bei der Übergangsleistung handelt es sich um einen echten Schadensersatz und
nicht um eine Entgeltersatzleistung.
Tenor
1. Der Bescheid vom 26.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
26.07.2012 wird teilweise aufgehoben, soweit er den Kläger zu einer Erstattung von
mehr als 1.596,63 EUR verpflichtet.
2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und
Erstattungsbescheides.
2 Der am …1953 geborene Kläger bezieht auf Basis eines Bescheids vom
13.03.2006 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Am 11.10.2006 erhielt die Beklagte eine Mitteilung, dass der Kläger seit
15.09.2006 einer Beschäftigung nachgehe, für die er ausweislich der
Arbeitgeberauskunft ein monatliches Bruttogehalt von 1.400,00 EUR erhält. Zum
01.11.2007 wurde der Kläger jedoch arbeitslos.
3 Der Kläger bezog ab 01.11.2007 Arbeitslosengeld (Schreiben der Agentur für
Arbeit vom 03.12.2007). Der Berechnung des Arbeitslosengeldes lag ein tägliches
Bemessungsentgelt in Höhe von 46,03 EUR zugrunde. Dies entspricht einem
monatlichen Bemessungsentgelt von 1.380,90 EUR.
4 Am 08.09.2008 teilte der Kläger der Beklagten im Rahmen eines Antrags auf eine
volle Erwerbsminderungsrente mit, dass er Leistungen von der
Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (im Folgenden: BGN)
beziehe. Die BGN hatte beim Kläger eine Berufskrankheit Ziff. 4301 der Anlage 1
zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anerkannt. Es handelt sich bei dieser
Berufskrankheit um eine durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive
Atemwegserkrankung (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller
Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das
Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein konnte. Eine Rente
bezieht der Kläger wegen dieser Berufskrankheit von der BGN nicht (Schreiben
der BGN vom 11.12.2008).
5 Der Kläger bezog neben dem Arbeitslosengeld vom 01.11.2007 bis 31.10.2008
Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV in Höhe von 4.916,98 EUR von der
BGN (Schreiben der BGN vom 30.09.2009). Der Übergangsleistung legte die BGN
ein Fiktiveinkommen (brutto) von 1.400,00 EUR monatlich zugrunde. Die von der
Beklagten gewährte teilweise Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit
brachte die BGN bei der Berechnung der Übergangsleistung nicht mindernd in
Ansatz.
6 Für die Zeit vom 01.11.2008 bis 31.10.2009 erhielt der Kläger auf Basis eines
Fiktiveinkommens (brutto) von 1.419,60 EUR monatlich weiterhin
Übergangsleistungen von der BGN. Hierbei wurden jedoch die Zahlungen des
Arbeitslosengeldes im Zeitraum 01.11.2007 bis 07.01.2009 und 08.10.2009 bis
29.10.2009 mit einem wöchentlichen Betrag von 139,51 EUR sowie das
Übergangsgeld für die Zeit vom 08.01.2009 bis 07.10.2009 (hierzu sogleich) in
Höhe von 26,94 EUR täglich sowie das Anschlussübergangsgeld (hierzu sogleich)
vom 30.10.2009 bis 31.12.2009 in Höhe von 23,77 EUR täglich berücksichtigt. Für
das zweite Jahr der Übergangsleistungen errechnete die BGN einen
Minderverdienst in Höhe von insgesamt 544,99 EUR. Den Übergangsleistungen
vom 01.11.2009 bis 31.10.2010 legte die BGN den Leistungen einen monatlicher
Fiktivlohn (brutto) 1.454,24 EUR zugrunde.
7 Der Kläger nahm vom 08.01.2009 bis 07.10.2009 an einer Maßnahme zur
Teilhabe am Arbeitsleben teil. Die BGN gewährte hierfür dem Kläger ein tägliches
Übergangsgeld in Höhe von 26,94 EUR. Dem legte die BGN ein Regelentgelt von
60,96 EUR täglich zugrunde. Die Höhe der monatlichen Bemessungsgrundlage
beträgt demnach 1.828,80 EUR In der Zeit vom 08.10.2009 bis 29.10.2009 hatte
der Kläger keinen Anspruch auf Übergangsgeld, da er Arbeitslosengeld bezogen
hatte. Der Kläger erhielt allerdings vom 30.10.2009 bis 31.12.2009
Anschlussübergangsgeld in Höhe von netto täglich 23,77 EUR und für die Zeit
vom 01.01.2010 bis 07.01.2010 in Höhe von netto täglich 24,35 EUR (Schreiben
der BGN vom 03.05.2010). Dem wurde eine Bemessungsgrundlage von 60,96
EUR bzw. 62,45 EUR zugrunde gelegt. Dies entspricht einer monatlichen
Bemessungsgrundlage von 1.828,80 EUR bzw. 1.873,50 EUR.
8 Mit Schreiben vom 15.06.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie
beabsichtige, überzahlte Rentenbeträge in Höhe von 6.143,59 EUR wegen des
unzulässigen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze zurückzufordern. Bei der
Berechnung des Hinzuverdienstes berücksichtige man die von der BGN gezahlte
Übergangsleistung in Höhe von 1/5 des zugrunde gelegten Fiktiveinkommens.
9 Mit Schreiben vom 11.07.2010 teilte der Kläger der Beklagten mit, nach seiner
Auffassung seine Mitteilungspflicht erfüllt zu haben. Er sei sich keiner Schuld
bewusst. Er legte ein Schreiben der BGN vom 29.06.2010 vor. Dort teilt ihm die
BGN mit, dass der Übergangsleistung nach § 3 Abs. 2 BKV keine
Entgeltersatzfunktion zukomme sondern nebenher gezahlt werde. Aus Sicht der
BGN dürfe die Übergangsleistung nicht auf die Erwerbsminderungsrente
angerechnet werden.
10 Mit Bescheid vom 26.07.2010 nahm die Beklagte ihren Bescheid vom 13.03.2006
für die Zeit vom 01.03.2008 bis 31.12.2009 zurück. Der Kläger habe 6.143,59 EUR
zu erstatten.
11 Mit Schreiben vom 24.08.2010 legte der Kläger gegen diesen Bescheid
Widerspruch ein. Der Beklagten sei bereits im November 2008 bekannt gewesen,
dass ihm Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben von der Berufsgenossenschaft
gewährt werden. Ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid hätte wegen
Änderung der Verhältnisse innerhalb eines Jahres erfolgen müssen. Außerdem
stelle die Übergangsleistung nach § 3 Abs. 2 BKV keine Entgeltersatzleistung dar.
Sie dürfe daher nicht auf die ihm gewährte Erwerbsminderungsrente angerechnet
werden. Er komme durch die Rückforderung in eine wirtschaftlich schwierige
Situation. Er habe auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut und habe seine
Einkünfte für seinen Lebensunterhalt verbraucht.
12 Auf Anfrage der Beklagten teilte die BGN dieser am 28.02.2011 mit, dass
Übergangsleistungen längstens bis zum 31.07.2012 gezahlt würden.
13 Mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.2012 wies die Beklagte den Widerspruch
des Klägers zurück. Ab 01.03.2008 sei die Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit in Höhe der Hälfte, ab 01.03.2009 nicht,
ab 01.10.2009 in Höhe der Hälfte und ab 01.11.2009 nicht zu zahlen. Ab
01.01.2010 werde die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei
Berufsunfähigkeit wieder in voller Höhe gezahlt. Die Hinzuverdienstgrenze für die
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit in voller Höhe
betrage 1.613,66 EUR, die Hinzuverdienstgrenze für diese Rente in Höhe der
Hälfte 1.964,46 EUR. Ausweislich der Mitteilung seines Arbeitgebers erhalte der
Kläger seit 15.09.2006 einen monatliches Entgelt in Höhe von 1.400,00 EUR. Dies
liege unter der zulässigen Hinzuverdienstgrenze. Eine Mitteilung der Agentur für
Arbeit habe ergeben, dass der Kläger ab 01.11.2007 Arbeitslosengeld auf Basis
eines Bemessungsentgelts von monatlich 1.380,90 EUR erhalten habe. Auch
dieser Betrag habe im Rahmen der zulässigen Hinzuverdienstgrenze gelegen. In
der Zeit vom 08.01.2009 bis 07.10.2009 habe der Kläger Übergangsgeld aufgrund
einer Qualifizierungsmaßnahme bezogen. Das hierfür zugrunde liegende
Bemessungsentgelt betrage monatlich 1.828,80 EUR.
14 Vom 08.10.2009 bis 29.10.2009 habe der Kläger wiederum Arbeitslosengeld
bezogen. Vom 01.01.2010 bis 07.01.2010 habe der Kläger erneut Übergangsgeld
erhalten, dem ein Bemessungsentgelt von monatlich 1.873,50 EUR zugrunde
gelegen habe. Ab 01.11.2007 habe der Kläger zusätzlich zu diesen Leistungen
von der BGN Übergangsleistungen erhalten, die für die Zeit vom 01.11.2007 bis
31.10.2008 in Höhe von 280,00 EUR, für die Zeit vom 01.11.2008 bis 31.10.2009
in Höhe von 283,92 EUR und für die Zeit ab 01.11.2009 mit 290,85 EUR auf die
Hinzuverdienstgrenzen angerechnet werde. Durch die rückwirkende Anrechnung
der Übergangsleistungen seien nachträglich die Hinzuverdienstgrenzen ab
01.11.2007 überschritten worden, da sie mit Arbeitslosengeld und
Übergangsleistung zusammenzurechnen seien.
15 Gemäß § 96a Abs. 3 Nr. 4 SGB VI i.V.m. § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB IV stehe
bei der Feststellung des Hinzuverdienstes dem Arbeitsentgelt oder
Arbeitseinkommen u. a. der Bezug von Arbeitslosengeld und
Übergangsgeldbezug während der Durchführung der Qualifizierungsmaßnahme
gleich. Als Hinzuverdienst sei dabei nach § 96a Abs. 3 Satz 3 SGB VI das der
Sozialleistung zugrunde liegende monatliche Arbeitsentgelt bzw.
Arbeitseinkommen zu berücksichtigen, nicht der tatsächliche Zahlbetrag der
Sozialleistung. Bei der Ermittlung des Hinzuverdienstes für eine Rente wegen
teilweiser Erwerbsminderung stünden auch von der gesetzlichen
Unfallversicherung geleistete Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV dem
Bezug von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen gleich. Sie sei jedoch im
Rahmen von § 96a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB VI keine dem Arbeitsentgelt bzw.
Arbeitseinkommen gleichgestellte Sozialleistung, wenn die Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung bereits auf die Übergangsleistung angerechnet werde. Dies sei
im Falle des Klägers nicht der Fall. Der Berechnung der Übergangsleistung liege
kein Bemessungsentgelt zugrunde. Die Übergangsleistung stelle eine
Ausgleichsleistung des Minderverdienstes, den der Betroffene durch Aufgabe
seiner gesundheitsgefährdenden Beschäftigung hinnehmen musste, dar. Aus
diesem Grund sei als maßgebendes Einkommen 1/5 des der Übergangsleistung
zugrunde liegenden Brutto-Entgelts zu berücksichtigen.
16 Erst mit Schreiben der Berufsgenossenschaft vom 30.09.2010 sei der Beklagten
bekannt geworden, dass der Kläger seit dem 01.11.2007 Übergangsleistungen
nach § 3 BKV erhalte. Durch diese Leistungen seien die Hinzuverdienstgrenzen
überschritten worden. Der Kläger habe aufgrund der Auflagen und Vorbehalte im
Bescheid vom 13.03.2006 wissen müssen, dass das Überschreiten der zulässigen
Hinzuverdienstgrenze zum Wegfall oder Minderung der Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung führe. Eine atypische Fallgestaltung, d. h. ein
außergewöhnlicher Sonderfall, liege nicht vor. Der Verwaltung sei damit vom
Gesetz keine Ermessenskompetenz bei der Bescheidsaufhebung eingeräumt
worden.
17 Mit seiner am 24.08.2012 zum Sozialgericht Mannheim erhobenen Klage verfolgt
der Kläger sein Begehren nach Aufhebung der Aufhebungs- und
Erstattungsentscheidung weiter. Er wiederholt sein Vorbringen aus dem
Vorverfahren und ergänzt dies dahingehend, dass er in seinem Antrag auf eine
Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 08.09.2008 angegeben habe, dass er
Leistungen von der BGN beziehe. Zudem habe er im November 2008 mit der
Beklagten in Verbindung gestanden, als diese die Klärung von Leistungen zur
Teilhabe am Arbeitsleben geprüft habe. Mit Schreiben vom 10.12.2008 habe die
Beklagte ihm schließlich mitgeteilt, dass sie nicht zuständig sei, da Leistungen
durch die Berufsgenossenschaft gewährt würden. Aus den Akten sei ersichtlich,
dass die Beklagte Auskünfte bei der BGN über deren Leistungen eingeholt habe.
Sollten diese Auskünfte zunächst nicht detailliert genug gewesen sein, z. B. weil
nach Übergangsleistungen gar nicht gefragt worden sei, so sei dies nicht ihm
anzulasten. Er habe seiner Mitteilungspflicht Genüge getan, als er im September
2008 angegeben habe, Leistungen von der Berufsgenossenschaft zu beziehen.
Außerdem sei von einem atypischen Fall im Sinne des § 48 SGB X auszugehen,
sodass auch unter diesem Gesichtspunkt von einer Rückforderung abzusehen sei.
18 Der Kläger beantragt,
19
die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 26.07.2010 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2012 aufzuheben, hilfsweise, die
Rückforderung auf 1.595,63 EUR zu reduzieren.
20 Die Beklagte beantragt,
21
die Klage abzuweisen.
22 Sie verweist auf den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheides. Erst mit
Schreiben der BGN vom 30.09.2009 sei ihr bekannt geworden, dass von dort
Leistungen bezogen werden. Bei dem Datum 30.09.2010 auf Seite 4 des
angefochtenen Bescheides handele es sich um einen Schreibfehler. Danach sei
die Angelegenheit zeitnah bearbeitet worden.
23 Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Verwaltungsakte der Beklagten sowie der SG-Akte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
24 Die form- und fristgerecht beim zuständigen Sozialgericht erhobenen Klage ist
zulässig und teilweise begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig,
soweit sie vom Kläger einen Betrag von über 1.596,63 EUR erstattet verlangen
und verletzen den Kläger insoweit in seinen Rechten.
II.
25 Anspruchsgrundlage für die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung der
Beklagten sind die §§ 48 SGB VI i.V.m. § 96a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 18a Abs.
3 Satz 1 Nr. 1 SGB IV und § 50 SGB X. Gemäß § 48 Abs. 1 SGB X ist ein
Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bei Eintritt einer wesentlichen Änderung mit
Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse ab aufzuheben, soweit die
Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt oder der Betroffene einer durch
Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn
nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht
nachgekommen ist oder nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes
Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, dass zum Wegfall oder zur
Minderung des Anspruchs geführt haben würde oder der Betroffene wusste oder
nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße
verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft
Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
26 Im vorliegenden Fall ist nicht schon wie die Beklagte meint am 01.03.2008 eine
Änderung in den Verhältnissen eingetreten. Dies deshalb, weil die Beklagte keine
Rechtsgrundlage zur Anrechnung der an den Kläger von den BGN gezahlten
Übergangsleistung hat, sodass zum 01.03.2008 keine Änderung in den
Verhältnissen eintrat. Gemäß § 96a Abs. 3 Nrn. 1 bis 3 können bei der Feststellung
eines Hinzuverdienstes, der neben einer Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung erzielt wird, außer dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen
Krankengeld, Versorgungskrankengeld und Übergangsgeld berücksichtigt werden.
Des Weiteren können gemäß § 96a Abs. 3 Nr. 4 SGB VI die weiteren in § 18a Abs.
3 Nr. 1 SGB IV genannten Sozialleistungen berücksichtigt werden. Dies sind das
Verletztengeld, das Mutterschaftsgeld, das Kurzarbeitergeld, das Arbeitslosengeld,
das Insolvenzgeld, das Krankentagegeld und vergleichbare Leistungen. Fraglich
ist daher im vorliegenden Fall, ob die an den Kläger gezahlten
Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV als vergleichbare Leistungen im Sinne
dieser Vorschrift anzusehen sind. Dies wäre dann der Fall, wenn es sich bei der
Übergangsleistung gemäß § 3 Abs. 2 BKV um eine dem Erwerbsersatzeinkommen
vergleichbare Leistung handelt. Hiervon geht die Kommentarliteratur (Paulus, in:
juris PK - SGB IV, § 18a Rdnr. 64; Seewaldt, in: Kasseler Kommentar SGB IV, §
18a Rdnr. 20; Winkler, in: Winkler, SGB IV, § 18a Rdnr. 28) unter Bezugnahme auf
die BT-Drcks. 10/2677 S. 44 bzw. BR-Drcks. 500/84 Seite 44 aus. In den
genannten Drucksachen formuliert der Gesetzgeber wie folgt: „Zu den in Nr. 1
genannten vergleichbaren Leistungen gehören z. B. das Mutterschaftsurlaubsgeld,
das Überbrückungsgeld der Seemannskasse und die Übergangsleistung nach § 3
Abs. 2 der Berufskrankheiten-Verordnung.“ Dieser vom Gesetzgeber geäußerten
Auffassung kann indes nicht gefolgt werden, da nicht erkennbar ist, dass der
Gesetzgeber sich vertieft mit der Rechtsnatur der Übergangsleistung gemäß § 3
Abs. 2 BKV beschäftigt hat. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift des § 3 Abs. 2
BKV ist davon auszugehen, dass es sich bei der Übergangsleistung um einen
echten Schadensersatz für alle wirtschaftlichen Nachteile, die dem Versicherten
durch eine Berufskrankheit bedingten Berufswechsel entstanden sind handelt
(BSG, 02.02.1999, B 2 U 4/98 R - juris Rdnr. 19). Hieraus folgt, dass eine Rente
wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, die aufgrund der
gleichen Ursache gezahlt wird wie die Übergangsleistung gemäß § 3 Abs. 2 BKV,
auf die Übergangsleistung im Sinne einer Schadensminderung anzurechnen ist
(so BSG, a.a.O., juris Rdnr. 22 f.). Wird die teilweise Erwerbsminderungsrente bei
Berufsunfähigkeit von der Berufsgenossenschaft im Rahmen der
Übergangsleistung berücksichtigt, so vertritt selbst die Beklagte die Auffassung,
dass eine Anrechnung der Übergangsleistung auf die teilweise
Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit nicht möglich ist. Dies ergibt sich
aus den aktenkundig gemachten Vermerken (so z. B. Aktenvermerk vom
27.07.2010). Weder § 96a SGB VI noch § 18a SGB IV sehen jedoch eine
fakultative Anrechnungsmöglichkeit vor. Die Beklagte hat mithin selbst erkannt,
dass es sich bei der Übergangsleistung nach § 3 Abs. 2 BKV nicht um eine dem
Erwerbsersatzeinkommen vergleichbare Leistung handelt. Unabhängig davon
vermochte die Kammer keine Norm ausfindig zu machen, die eine - wie von der
Beklagten angenommene - Anrechnung der Übergangsleistung lediglich in Höhe
von 1/5 des monatlichen fiktiven Arbeitsentgelts vorsieht. § 96a Abs. 3 Satz 3 SGB
VI spricht lediglich davon, dass als Hinzuverdienst das der Sozialleistung zugrunde
liegende monatliche Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen ist.
27 Nach dem Vorstehenden ist eine wesentlichen Änderung in den Verhältnissen im
Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X erst am 01.04.2009 eingetreten. Der Kläger erhielt
vom 08.01.2009 bis 30.06.2009 Übergangsgeld von der Berufsgenossenschaft
Nahrungsmittel und Gastgewerbe. Dieses Übergangsgeld ist gemäß § 96a Abs. 3
Satz 1 Nr. 3b SGB VI bei der Feststellung eines Hinzuverdienstes zu
berücksichtigen. Gleiches gilt für das vom 01.01.2009 bis 07.01.2009 gezahlte
Arbeitslosengeld gemäß § 96a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB VI i.V.m. § 18a Abs. 3 Nr. 1
SGB IV. Eine Zusammenrechnung der dem Arbeitslosengeld zugrunde liegenden
Bemessungsgrundlage sowie der dem Übergangsgeld zugrunde liegenden
Bemessungsgrundlage führt allerdings im Monat Januar 2009 nicht zu einer
Überschreitung der maßgeblichen Hinzuverdienstgrenze. Zwar überschreitet das
in den Monaten Februar und März das dem Übergangsgeld zugrunde liegende
Arbeitsentgelt in Höhe von 1.828,80 EUR die maßgebliche Hinzuverdienstgrenze
für die teilweise Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit in voller Höhe von
1.613,66 EUR. Allerdings ist gemäß § 96a Abs. 1 Satz 2 SGB VI eine zweimalige
Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze pro Kalenderjahr unbeachtlich. Mithin
trat ein Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze im Sinne des § 96a SGB VI erst
ab dem Monat April 2009 ein. Der Kläger überschritt die maßgebliche
Hinzuverdienstgrenze bis 30.09.2009. Eine Zusammenrechnung des vom
01.01.2009 bis 07.10.2009 dem Übergangsgeld zugrunde liegenden
Arbeitsentgelts sowie des vom 08.10.2009 bis 29.09.2002 des dem
Arbeitslosengeld zugrunde liegenden Arbeitsentgelts sowie des vom 30.10.2009
bis 31.10.2009 des dem Anschlussübergangsgeld zugrunde liegenden
Arbeitsentgelts führt nicht zu einer Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze. Der
Kläger erhielt jedoch ab dem 01.11.2009 bis 31.12.2009 erneut
Anschlussübergangsgeld, das mit 1.828,80 EUR auf die Hinzuverdienstgrenze
anzurechnen ist. Dies führt wiederum dazu, dass am 01.11.2009 eine wesentliche
Änderung in den Verhältnissen eingetreten ist.
28 Die Beklagte war auch formal befugt, den Bescheid vom 13.03.2006 rückwirkend
zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, da der Kläger einer
durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn
nachteiliger Änderungen der Verhältnisse grob fahrlässig nicht nachgekommen ist
(§ 48 Abs. 1 Nr. 2 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit ist danach gegeben, wenn der
Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Dies ist in Bezug auf die Unterlassung der Mitteilung der Veränderung dann der
Fall, wenn der Betroffene hier einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht
angestellt hat und deshalb nicht beachtet hat, was im gegebenen Falle jedem
einleuchten muss. Der Kläger hat zu keinem Zeitpunkt die Beklagte über die
Erzielung von Einkünften in ausreichendem Maße informiert. Dies geschah auch
grob fahrlässig, da dem Kläger die besagten Mitteilungspflichten aufgrund der
Informationen der Beklagten bekannt gewesen seien mussten. Auf die Frage, ob
der Kläger, was nahe liegt, auch wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche
Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass sein Rentenanspruch
Gesetzes teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Nr. 4 SGB X) kommt es nicht mehr
an.
29 Die Beklagte war auch berechtigt, den Bescheid vom 13.03.2006 am 26.07.2010
teilweise aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 4 SGB IV, der auf § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB
X verweist, darf die Behörde einen begünstigenden Dauerverwaltungsakt nur
innerhalb eines Jahres, nachdem sie Kenntnis der Tatsachen erlangt hat, die eine
rückwirkende Aufhebung rechtfertigen, aufheben. Die zuständige Behörde muss
Kenntnis von allen die rückwirkende Aufhebung rechtfertigenden Tatsachen
haben. Die Beklagte hatte frühestens am 01.10.2009 positive Kenntnis davon, in
welcher Höhe der Kläger Übergangsleistungen von der BGN erhielt. Denn das
Schreiben der Berufsgenossenschaft vom 30.09.2009 ging der Beklagten erst am
01.10.2009 zu. Ohne jedoch die konkrete Höhe des gezahlten Übergangsgelds zu
kennen, war es der Beklagten nicht möglich zu prüfen, ob der Kläger die
maßgebliche Hinzuverdienstgrenze überschritten hat oder nicht. Dies ist allerdings
ein maßgeblicher Umstand bei der Frage, ob eine wesentliche Änderung in den
Verhältnissen eingetreten ist. Anerkanntermaßen muss für den Lauf der Jahresfrist
des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X die Behörde positive Kenntnis über die wesentliche
Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die die Aufhebung des
Verwaltungsaktes begründet, haben. Demnach war am 26.07.2010 die Jahresfrist
des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X noch nicht abgelaufen.
30 Die Beklagte hatte bei ihrer Aufhebungsentscheidung kein Ermessen auszuüben,
da es sich nicht um eine atypische Fallkonstellation handelte. Vielmehr ist es ein
typischer Fall, dass eine Erwerbsersatzleistung, wie das Übergangsgeld, zu einer
Minderung einer anderen Sozialleistung führt.
31 Zusammenfassend ist die Aufhebungsentscheidung der Beklagten, soweit sie die
Monate April bis September 2009 sowie November und Dezember 2009 betrifft,
nicht zu beanstanden. Hinsichtlich des übrigen Zeitraums ist jedoch keine
wesentliche Änderung in den Verhältnissen mangels Überschreitens der
Hinzuverdienstgrenze eingetreten, so dass die Aufhebungsentscheidung
diesbezüglich rechtswidrig ist.
32 Soweit die Beklagte vom Kläger insgesamt einen Betrag von 6.143,59 EUR
erstattet verlangt, ergibt sich die maßgebliche Rechtsgrundlage hierfür aus § 50
SGB X. Gemäß § 50 Abs. 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten,
soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Nach dem oben Gesagten stellt
sich die teilweise Aufhebung des Bescheids vom 13.03.2006 in den Monaten April
bis September 2009 und November bis Dezember 2009 als rechtmäßig dar. In
diesen Monaten hat der Kläger die Hinzuverdienstgrenze für eine teilweise
Erwerbsminderungsrente in voller Höhe überschritten, so dass ihm lediglich noch
die teilweise Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit in hälftiger Höhe
zusteht. Hieraus ergibt sich, dass der Kläger für den Zeitraum von April 2009 bis
Juni 2009 588,63 EUR, für den Zeitraum von Juli 2009 bis September 2009 in
Höhe von 604,80 EUR und für die Monate November und Dezember 2009 403,20
EUR zu erstatten hat. Es ergibt sich insgesamt daraus eine rechtmäßige
Erstattungsforderung in Höhe von 1.596,63 EUR. Die darüber hinausgehende
Erstattungsforderung der Beklagten stellt sich als rechtswidrig dar.
III.
33 Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.