Urteil des SozG Mainz vom 29.02.2008

SozG Mainz: wohnung, vorläufiger rechtsschutz, unterkunftskosten, wohnraum, mietzins, ausstattung, hauptsache, leistungsbezug, bad, angemessenheit

Sozialrecht
SG
Mainz
29.02.2008
S 7 ER 41/08 AS
Der angemessene Quadratmetermietpreis
1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, bei den den Antragstellern
zu gewährenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Rahmen der Kosten der Unterkunft
ab dem 7.2.2008 bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache und längstens bis zum 30.6.2008
die tatsächlich von der Antragstellerin für ihre Wohnung aufzuwendenden Mietkosten und Heizkosten in
Höhe von 93,78 Euro monatlich zu berücksichtigen.
2. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu erstatten.
3. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe ab Antragstellung gewährt und Rechtsanwalt T H, S.-M-Str.
3, W., beigeordnet. Ratenzahlung wird nicht angeordnet.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darum, ob von der Antragsgegnerin die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu
übernehmen sind oder nur ein angemessener Anteil.
Die Antragsteller standen als Bedarfsgemeinschaft mit dem Ehemann der Antragstellerin zu 1. bzw. dem
Vater der Antragsteller zu 2. und 3. bis zum 1.9.2007 bereits im Leistungsbezug nach dem
Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bei der Antragsgegnerin. Als Kosten der Unterkunft erhielten sie
für diesen 4-Personen-Haushalt 405,- € als angemessene Kaltmiete und eine Heizkostenpauschale in
Höhe von 67,- €. Obwohl diese Beträge nicht die tatsächlichen Mietkosten deckten, griff die
Bedarfsgemeinschaft die Bewilligungsbescheide, insbesondere den Bewilligungsbescheid vom
10.10.2006, nicht an. Im Bewilligungsbescheid vom 10.10.2006 hatte die Antragsgegnerin die damalige
Bedarfsgemeinschaft auf die Höhe der von ihr als angemessen angesehenen Kosten der Unterkunft
hingewiesen.
In der Zeit ab dem 1.9.2007 bezog die Bedarfsgemeinschaft keine Leistungen von der Antragsgegnerin.
Am 1.12.2007 trennte die Antragsgegnerin zu 1. sich von ihrem Ehemann. Er zog aus der gemeinsamen
Wohnung aus. Am 6.12.2007 sprach sie bei der Antragsgegnerin vor und beantragte Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für sie und die beiden weiteren Mitglieder der
verbliebenen Bedarfsgemeinschaft.
Mit Bewilligungsbescheid vom 19.12.2007 gewährte die Antragsgegnerin Leistungen in Höhe von
insgesamt 260,32 € für die Zeit vom 6.12.2007 bis zum 31.12.2007. Als Kosten der Unterkunft nahm sie
eine Kaltmiete von 405,- € und Heizkosten in Höhe von 65,- € an. Die Kaltmiete entspreche der Miete, die
die Antragstellerin bei fortgeführtem Leistungsbezug mit der 4-Personen-Bedarfsgemeinschaft erhalten
hätte.
Hiergegen legte die Antragstellerin am 21.1.2008 Widerspruch ein. Ihre tatsächlichen Unterkunftskosten
seien höher als die bewilligten Kosten. Ihre Kaltmiete betrage 500,- €, Nebenkosten 80,- € und die
Heizkosten 100,- €. Die Sechs-Monatsfrist innerhalb derer die tatsächlichen Kosten zu gewähren sind
beginne erst mit einer ausreichenden Belehrung. Diese sei frühestens am 19.12.2007 erfolgt, so dass bis
zum 19.6.2008 die tatsächlichen Kosten zu übernehmen seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.1.2008 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück. Die
Antragstellerin sei im Bescheid vom 19.12.2007 nicht erstmals über die Höhe der angemessenen
Unterkunftskosten informiert worden. Sie habe bereits beim früheren Leistungsbezug ab 2006 lediglich
die angemessenen Unterkunftskosten für die selbe Wohnung erhalten. Dies habe sie auch
widerspruchslos hingenommen. Daher sei ihr auch maximal der angemessene Betrag der damaligen
Bewilligung in Höhe von 405,- € für die Kaltmiete zu gewähren. Dabei müsse die Antragstellerin
berücksichtigen, dass die damalige Bewilligung von einem angemessenen Betrag für eine 4-Personen-
Bedarfsgemeinschaft ausgegangen war. Sie könne nun für einen 3-Personen-Haushalt keine höhere
Zahlung verlangen.
Dagegen haben die Antragsteller am 7.2.2008 Klage vor dem Sozialgericht Mainz erhoben und den
Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Gleichzeitig haben sie Prozesskostenhilfe beantragt.
Die Antragsteller meinen, die Belehrung der Antragsgegnerin sei nicht ausreichend. Sie sei im Bescheid
versteckt. Desweiteren könne nach dem Schutzzweck des § 22 SGB II nicht auf eine frühere
Leistungsbewilligung abgestellt werden. § 22 SGB II diene dazu, eine angemessene Übergangsfrist zu
schaffen, um eine angemessene Wohnung zu finden. Diese Übergangsfrist müsse aufgrund der
veränderten persönlichen Verhältnisse nunmehr auch den Antragstellern zustehen.
Die Antragsteller beantragen,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ab sofort Hilfe zum
Lebensunterhalt nach dem SGB II in voller Höhe zu gewähren, insbesondere die tatsächliche
Kaltmiete in Höhe von Euro 500,- statt bewilligter Euro 405,- und die tatsächlichen Heizkosten in
Höhe von mindestens Euro 82,- (ohne Warmwasserbereitungskosten) statt bewilligter Euro
65,- zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragsgegnerin bezieht sich auf die Begründung ihres Widerspruchsbescheids.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Nach § 86 b Absatz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in
Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des
bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts (Anordnungsanspruch) des Antragstellers
vereitelt oder wesentlich erschwert (Anordnungsgrund) werden könnte (Satz 1). Einstweilige
Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
erscheint (Satz 2). Die §§ 920, 921, 923, 926, 928-932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO)
gelten entsprechend (Satz 4).
Für den Erlass einer Regelungsanordnung bedarf es also eines Anordnungsanspruchs und eines
Anordnungsgrundes, § 920 ZPO. Der Anordnungsanspruch bezieht sich auf das materielle Recht, für das
vorläufiger Rechtsschutz beantragt wird, der Anordnungsgrund ist bei der Regelungsanordnung die
Notwendigkeit des Eilverfahrens zur Abwendung wesentlicher Nachteile (vgl. Keller in Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl., 2005, § 86 b Rn.27 f.). Dabei sind Angaben glaubhaft zu machen,
§ 920 Absatz 2 ZPO. Das Gericht prüft die Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung summarisch,
d.h. Sach- und Rechtsfragen werden vorläufig entschieden, da die Prüfung der Erfolgsaussichten die
Entscheidung nicht verzögern darf (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 86 b Rn.40).
Grundsätzlich darf dabei eine Vorwegnahme der Hauptsache nicht erfolgen. Lediglich ausnahmsweise
kann es erforderlich sein, der Entscheidung in der Hauptsache vorzugreifen, wenn sonst ein zumutbarer
und angemessener Rechtsschutz nicht erreichbar und dies für die Antragsstellerin unzumutbar wäre.
Die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes setzt voraus, dass substantiiert dargelegt und glaubhaft
gemacht wird, dass ein Eilverfahren notwendig ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden.
Hier konnten die Antragsteller sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch
glaubhaft machen.
Ein Anordnungsgrund ergibt sich aus der der Antragsschrift beigefügten eidesstattlichen Versicherung der
Antragstellerin zu 1. Aufgrund der Notwendigkeit die tatsächlichen Unterkunftskosten teilweise aus dem
Regelsatz zu bestreiten, fehlen den Antragstellern notwendig Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts.
Auch ein Anordnungsanspruch ist gegeben.
Die Antragstellerin hat gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Kosten
der Unterkunft. Die Sechsmonatsfrist des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II hat noch nicht zu laufen begonnen.
1.
Gem. § 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen
Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen
Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, werden die Leistungen weiterhin
nur in Höhe der bis dahin zu tragenden Aufwendungen erbracht. Soweit die Aufwendungen für die
Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf
des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es
dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten
ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu
senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
§ 22 Abs. 1 SGB II normiert also eine Verpflichtung des Hilfebedürftigen, sich um die Senkung seiner
Unterkunftskosten zu bemühen. Dabei enthält die Vorschrift ihrem Wortlaut nach keine Verpflichtung der
Antragsgegnerin den Hilfebedürftigen über seine Obliegenheiten und die Folgen der Nichtbeachtung zu
belehren. Nach der Rechtsprechung ist eine solche Belehrung aber über den Wortlaut hinaus erforderlich,
um die Sechsmonatsfrist des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II in Gang zu setzen. Diese Pflicht ist dem Begriff der
Zumutbarkeit zu entnehmen und folgt daraus, dass für den Hilfeempfänger erhebliche Auswirkungen in
Bezug auf die Kürzung seines Leistungsanspruchs entstehen, wenn er der ihn betreffenden Obliegenheit
nicht Folge leistet (vgl. BSG Urteil vom 25.5.2005 - B 11 AL 81/04 R; LSG Rheinland-Pfalz Beschluss vom
29.9.2006 - L 3 ER 148/06 AS; Beschluss vom 19.9.2006 L 3 ER 161/06 AS; Beschluss vom 30.3.2007 - L
3 ER 83/07; Bay. LSG Urteil vom 17.3.2006 - L 7 AS 20/05).
Die Belehrung ist so auszugestalten, dass der Hilfebedürftige in die Lage versetzt wird, eine
angemessene Wohnung zu suchen. Er muss daher über die für die Wohnungssuche notwendigen
Eckdaten allgemeinverständlich in Kenntnis gesetzt werden. Dabei ist es nicht notwendig, dass die
Belehrung derart ausführlich gehalten ist, dass sie die vollständigen Berechnungsgrundlagen für die
Angemessenheit einer Wohnung offen legt (bspw. angemessene Quadratmeteranzahl, angemessener
Quadratmetermietpreis), auch wenn dies grundsätzlich wünschenswert ist. Ausreichend ist vielmehr, dass
die maximale angemessene Kaltmiete, also das Produkt aus angemessener Größe und angemessenem
Quadratmeterpreis, dem Hilfebedürftigen bekannt gemacht wird. Denn bereits diese Angabe versetzt den
Hilfebedürftigen in die Lage eine Suche nach angemessenem Wohnraum anzugehen. Sollte er darüber
hinaus weitere Hinweise benötigen - bspw. zu Art und Umfang des Nachweises von Eigenbemühungen -,
so kann er darauf verwiesen werden, sich im Wege der Rücksprache an die Behörde zu wenden (zum
gesamten Komplex BSG Urteil vom 7.11.2006, Az. B 7b AS 10/06 R - zitiert nach Juris Rn. 29 f.; a.A. LSG
Rheinland-Pfalz Beschluss vom 19.9.2006 L 3 ER 161/06 AS; seine insoweit bislang abweichende
Rechtsprechung gibt die Kammer in Ansehung der Entscheidung des BSG auf).
Woher der Hilfebedürftige die Kenntnis vom maximalen angemessenen Mietzins erlangt hat, ist
unerheblich. Einer ausdrücklichen Belehrung durch die SGB II - Behörde steht es deshalb gleich, wenn
der Hilfebedürftige die Kenntnis durch einen Bewilligungsbescheid, einen Widerspruchsbescheid oder die
frühere Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II oder auch von
Leistungen nach dem SGB XII hatte (so auch BSG a.a.O.).
Im vorliegenden Fall standen die Antragsteller zwar bereits vor dem hier streitigen Bewilligungszeitraum
im Leistungsbezug bei der Antragsgegnerin. Dies führt jedoch nicht dazu, dass sie die einer Belehrung
gleichstehende Kenntnis vom angemessenen Mietzins hatten. Deshalb hat im vorliegenden Fall die
Sechsmonatsfrist des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II noch nicht zu laufen begonnen.
Die aus der früheren Bewilligung ab dem Jahr 2006 erlangte Kenntnis über die Angemessenheit des
Mietpreises konnte schon deshalb nicht einer ausdrücklichen Belehrung gleichstehen, weil sie sich auf
eine Bedarfsgemeinschaft aus vier Personen bezog. Die Bedarfsgemeinschaft der Antragsteller besteht
nunmehr aber nur noch aus drei Personen. Insoweit würde es einer neuerlichen Belehrung oder einer
gleichstehenden Kenntnis bedürfen. Da im Bewilligungsbescheid vom 10.10.2006 auch nicht die
Berechnungsgrundlagen für die Angemessenheit des Wohnraums aufgelegt waren und auch nicht
deutlich gemacht wurde, dass eine unmittelbare Abhängigkeit von der Anzahl der Mitglieder der
Bedarfsgemeinschaft besteht, können die Antragsteller auch nicht darauf verwiesen werden, dass sie sich
selbst den maximal angemessenen Mietpreis hätten errechnen können.
Zudem war sowohl die Belehrung am 10.10.2006 als auch die Belehrung am 19.12.2007 im
Bewilligungsbescheid bzw. am 25.1.2008 im Widerspruchsbescheid in der Sache unrichtig. Auch deshalb
wurde die Sechs-Monats-Frist nicht in Gang gesetzt.
Die Berechnung der Antragsgegnerin hinsichtlich des angemessenen Quadratmetermietpreises ist nicht
korrekt. Die Antragsgegnerin ist insoweit von falschen Werten ausgegangen.
(Abstrakt) angemessene ist eine Wohnung, die hinsichtlich des Wohnungsstandards nach Lage
(Infrastruktur, Wohnumfeld, Verkehrsanbindung, Immissionsbelastung), Wohnbausubstanz,
Erhaltungszustand, Zuschnitt der Räume (inkl. Besonnung und Durchlüftung) und Ausstattung
(Sanitäranlagen) für ein einfaches und bescheidenes Leben erforderlich aber auch hinreichend ist. Die
Unterkunft muss im Mindestmaß ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Obdachlosenunterkünfte
Unterkunft muss im Mindestmaß ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Obdachlosenunterkünfte
scheiden aus. Die Wohnung darf insbesondere keine Mängel aufweisen, die Leben und Gesundheit
konkret gefährden. Wohnraum, der bauordnungsrechtlich nicht mehr als Wohnraum genutzt werden darf,
kommt nicht in Betracht. Bei Familien mit Kindern sind auch die Belange der sozialen Erziehung der
Kinder beim Zuschnitt der Wohnung und dem Wohnumfeld zu berücksichtigen (vgl. dazu auch Berlit in
LPK-SGB II § 22 Rn. 31).
Hinsichtlich des Mietzinses ist (abstrakt) angemessen der Wohnraum, der im unteren Bereich der regional
marktüblichen Wohnungsmieten liegt (vgl. dazu auch Berlit in LPK-SGB II § 22 Rn. 33). Zu diesem Preis
muss ausreichend angemessener Wohnraum, der den oben genannten Wohnstandards entspricht
vorhanden sein. In Gemeinden, für die ein Mietspiegel besteht, kann für die Ermittlung auf die Angaben
des jeweils aktuellen Mietspiegels zurückgegriffen werden, da der Mietspiegel eine Übersicht über die
gezahlten Mieten aktuell bestehender Mietpreise darstellt.
Der angemessene Quadratmetermietpreis errechnet sich dann aus dem Durchschnitt der Median-Werte
der Wohnungen der jeweils für die Mitgliederzahl der Bedarfsgemeinschaft angemessenen Größe (1
Person: 50 m², 2 Personen: 60 m², 3 Personen: 75 m², 4 Personen: 90 m²). Die Größe ergibt sich aus dem
Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen vom 9.2.2007 zum Vollzug der Bindung geförderter
Wohnungen (vgl. Nr. 7.3.2 auf S. 15 des Rundschreibens zu § 10 Abs. 1 Nr. 1 Wohnraumförderungsgesetz
- WoFG -). Zu beachten sind bei der Berechnung nur Wohnung der Wohnqualität "gut" bzw. "mit guter
Ausstattung". Die Wohnungen der Wohnqualität "mittel" sind bei der Berechnung nicht zu berücksichtigen,
weil diese nur über Bad "oder" Sammelheizung verfügen, nicht aber über beides (vgl. LSG Berlin-
Brandenburg Beschluss vom 24.08.2007 - L 28 B 1389/07 AS ER - juris Rn. 10). Letzterer Wohnstandard
wird aber angenommen werden müssen, damit die Wohnung zumutbar ist (vgl. dazu auch Berlit in LPK-
SGB II § 22 Rn. 31), denn andernfalls würden auch Wohnungen ohne Bad mit in die Berechnung
einbezogen. Ein Bad ist aber selbst für ein einfaches und bescheidenes Leben erforderlich.
Bei der Berechnung des angemessenen Quadratmetermietpreises ist der Durchschnitt der jeweiligen
Medianwerte heranzuziehen. Es kommt nicht auf den jeweils unteren Wert der sog. Spannweite an. Die im
Mietspiegel angegebene Spannweite gibt Auskunft über die Schwankungsbreite des jeweils mit einem
Wohnungstyp erzielbaren Mietzinses. Im Rahmen der Spannweite - nicht etwa auch darunter - soll der
Mietzins ortsüblich individuell festgesetzt werden. Ob sich der Mietzins im unteren Bereich der Spannweite
bewegt oder über dem Median liegt, hängt mit der Ausstattung, der Lage etc. der Wohnung zusammen.
Stellt man auf den Durchschnittswert der Medianwerte als (maximal) angemessenen
Quadratmetermietpreis im Sinne des SGB II ab, so erzielt man als Ergebnis, dass dem Hilfebedürftigen
alle Wohnungen im unteren Preisniveau bei der Suche nach Wohnraum zur Verfügung stehen, denn der
Hilfebedürftige kann dann nach Wohnraum suchen, der hinsichtlich des Quadratmetermietzinses
unterhalb des Medians liegt, aber oberhalb der minimalen Miete der Spannweite.
Nicht vertretbar ist es demgegenüber nach Ansicht der Kammer, auf den Durchschnittwert des
Quadratmetermietzinses an der unteren Spannweite zurückzugreifen. Der untere Wert der Spannweite
stellt den geringsten noch möglichen Mietzins dar. Mithin den Mietzins der bei einer Wohnung mit
ungünstigster Lage und Ausstattung noch zu erzielen wäre. Würde man auf diesen Wert abstellen, würde
der Hilfebedürftige daher nicht auf den "unteren Bereich" des Wohnungsmarkts verwiesen, sondern auf
die wenigen, denkbar schlechtesten Wohnungen. Es würde mithin kaum ein Bereich verbleiben, in dem
der Hilfebedürftige noch suchen könnte. Zumal beachtet werden muss, dass der Mietspiegel die jeweils
bestehenden Mietverhältnisse abbildet und beim Abschluss neuer Mietverträge nicht zwingend ein gleich
bleibend niedriges Niveau zu halten ist.
Für den Bereich der Stadt Worms bedeutet dies, dass ein Quadratmetermietpreis von 5,20 €/qm als
angemessen anzusehen ist. Dies ergibt sich aus dem aktuellen Mietspiegel der Stadt Worms (Mietspiegel
2006, einsehbar unter www.worms.de /downloads/Bereich_5/Mietspiegel_2006.pdf). Heranzuziehen sind
die jeweiligen Medianwerte für Wohnungen mit guter Ausstattung. Da die Bedarfsgemeinschaft der
Antragsteller aus 3 Personen besteht, sind nur Wohnungen der Größe 70-90 qm maßgeblich. Multipliziert
mit 75 qm (angemessene Wohnungsgröße) ergibt sich ein angemessener Kaltmietzins in Höhe von
390,00 €.
Die Antragsgegnerin geht demgegenüber nur von einem geringeren angemessenen
Quadratmetermietzins aus, der sich am unteren Betrag der Spannweite orientiert. Dies ist nach den oben
genannten Ausführungen nicht haltbar. Die Belehrung war deshalb unrichtig. Daher wurde die
Sechsmonatsfrist des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II nicht in Gang gesetzt. Die Antragsteller haben weiterhin
befristeten Bestandsschutz nach dieser Vorschrift.
Die Antragsgegnerin konnte mithin nicht lediglich die angemessenen Kosten der Unterkunft übernehmen.
Sie war zur Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten verpflichtet.
2.
Zu den gesondert zu übernehmenden Kosten der Unterkunft gehören auch die tatsächlichen Kosten der
Heizung, § 22 Abs. 1 SGB II. Gem. § 22 Abs. 1 SGB II sind regelmäßig die tatsächlichen Aufwendungen für
die Heizung zu übernehmen, soweit diese angemessen sind. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass
die Höhe der Heizkosten von zahlreichen Faktoren wie Bauzustand der Wohnung, Lage im Gebäude,
Geschosshöhe, Wärmeisolierung, Heizungsanlage und meteorologischen Daten abhängt. Diese Faktoren
stehen überwiegend nicht zur kurzfristigen Disposition des Hilfeempfängers. Daher ist die Abgeltung der
Heizkosten durch Pauschalen nicht zulässig (vgl. Hess. LSG Beschluss vom 5.9.2007 - L 6 AS 145/07
ER). Unangemessen sind die Heizkosten dann, wenn Anhaltspunkte für ein unangemessenes
Heizverhalten vorliegen. Dies ist im vorliegenden Fall jedoch weder ersichtlich noch substantiiert
vorgetragen.
Grundsätzlich hätte die Antragsgegnerin sich daher an der Heizkostenvereinbarung im Mietvertrag
orientieren müssen und Nebenkosten für die Heizung in Höhe von 100,00 Euro übernehmen müssen.
Hiervon ist jedoch ein Abschlag für die Warmwasserbereitung vorzunehmen. Die Kosten der
Warmwasserbereitung sind bereits durch den Regelsatz abgedeckt. Die Höhe des Abzugs beträgt jedoch
nicht 18 Prozent der Heizkosten in Anlehnung § 9 Abs. 3 Satz 4 der Heizkostenverordnung vom
13.02.1981 (BGBl I, S. 261) in der Fassung der Verordnung vom 19.01.1989 (BGBl I, S. 109; so die bislang
herrschende Rechtssprechung, vgl. u.a. LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 29.09.2006 - L 3 AS 20/06; a.A.
Sächsisches LSG Urteil vom 29.3.2007). Vielmehr geht die Kammer davon aus, dass der Abzug in Höhe
des Betrags vorzunehmen ist, mit dem die Kosten für die Warmwasseraufbereitung in den Regelsatz
eingestellt wurden, nur mindestens aber in Höhe der o.g. 18 Prozent. Nach der Entscheidung des
Bundessozialgerichts vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 64/06 R - sind daher 6,22 € von den Heizkosten
abzusetzen, denn ein Abzug für Kosten der Haushaltsenergie ist insgesamt nur insoweit zulässig, als
diese bereits in der Regelleistung enthalten sind. Dies ist in Höhe von 20,74 € monatlich der Fall; hiervon
entfällt ein Anteil von 6,22 € auf die Kosten der Warmwasserbereitung (vgl. Pressemitteilung 9/08 des BSG
vom 27.2.2008). 6,22 € stellen also den Maximalbetrag dar, mit dem die Kosten für die
Warmwasserbereitung von den Heizkosten abgezogen werden können.
Heizkosten sind deshalb in Höhe von 93,78 € von der Antragsgegnerin zu übernehmen.
3.
Nur auf den ersten Blick nachvollziehbar ist das Vorgehen der Antragsgegnerin, die anstelle der
tatsächlichen Kosten der Unterkunft nur die angemessenen Kosten für eine 4-Personen-
Bedarfsgemeinschaft übernimmt. Die Antragsgegnerin stützt dies auf den Gedanken, dass die
Antragsteller bereits in der Vergangenheit - in Form der vierköpfigen Bedarfsgemeinschaft mit dem
Ehemann der Antragstellerin zu 1. - Leistungen bezogen hatten und auch damals diese Unterkunftskosten
anstelle der tatsächlichen übernommen wurden. Das Vorgehen findet aber keine Stütze im Gesetz. § 22
Abs. 1 SGB II bietet lediglich die Optionen die tatsächlichen Unterkunftskosten zu übernehmen oder aber
die angemessenen Kosten. Nicht aber fiktive angemessene Kosten aus einem früheren Leistungsbezug.
Wenn nun aber eine Übernahme lediglich der angemessenen Kosten mangels einer hinreichenden
Belehrung ausscheidet - und dies hat das Gericht oben begründet -, dann muss es bei der Übernahme
der tatsächlichen Kosten bleiben.
Die Befristung der Anordnung bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache ist erforderlich, da
das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz nur vorläufigen Charakter hat. Die Befristung bis zum
30.6.2008 war vorzunehmen, da am 30.06.2008 der Bewilligungsabschnitt endet und eine darüber
hinausgehende Bewilligung zunächst von der Verwaltung vorzunehmen ist.
Dem Antrag war demzufolge vollumfänglich stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
III.
Die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe beruht auf § 73 a Absatz 1 SGG i.V.m. § 114
Zivilprozessordnung (ZPO).