Urteil des SozG Lüneburg vom 05.02.2010

SozG Lüneburg: vermieter, fristlose kündigung, wohnung, unterkunftskosten, heizungsanlage, räumung, vorauszahlung, rücknahme, wahrscheinlichkeit, unterlassen

Sozialgericht Lüneburg
Beschluss vom 05.02.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 48 AS 43/10 ER
Der Antragsgegner wird im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes verpflichtet, den Antragstellern Kosten der
Unterkunft und Heizung in Höhe von 1.471,71 EUR als Zuschuss und ein Darlehen von weiteren 490,39 EUR unter
dem Vorbehalt der Rückforderung bei Unterliegen im Hauptsacheverfahren zu zahlen. Die Zahlungen sind auf das
Konto des Vermieters E. eG Wohnungsbaugenossenschaft, F., zu überweisen. Die Auszahlung des Darlehens wird
davon abhängig gemacht, dass die Antragsteller die Rücknahme Räumungsklage nachweisen. Der Antragsgegner hat
die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu erstatten.
Gründe:
I. Die Antragsteller begehren vom Antragsgegner die Übernahmen der Schulden aus einem Mietverhältnis.
Der Antragsteller zu 1. bezieht für sich, seine Ehefrau, die Antragstellerin zu 2., und den gemeinsamen Sohn, den
Antragsteller zu 3., Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch –
Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Da der Antragsgegner seit 1. Februar 2009 für die zu diesem Zeitpunkt
angemietete Wohnung nicht die vollständigen Kosten der Unterkunft und Heizung übernahm, beabsichtigten die
Antragsteller zum 1. Juni 2009 in die Wohnung G. in F. umzuziehen. Das Nutzungsentgelt beträgt hierfür insgesamt
490,39 EUR (Grundgebühr 330,39 EUR, Vorauszahlung für Betriebskosten 100,- EUR, Vorauszahlung für Heizkosten
60,- EUR). Die Warmwasserbereitung erfolgt nicht über Heizungsanlage, sondern durch einen Durchlauferhitzer.
Der Antragsgegner erteilte unter dem 20. Mai 2009 die Zusicherung zur Übernahme der Unterkunftskosten.
Er bewilligte mit Änderungsbescheid vom 8. Juni 2009 für die Zeit vom Juni 2009 bis August 2009 Kosten der
Unterkunft in Höhe von 430,39 EUR. Für Juni 2009 waren Kosten der Unterkunft bereits an den Vermieter der früheren
Wohnung ausgezahlt, zur Rückzahlung war der Vermieter nicht bereit. Daher überwies der Antragsgegner für Juni
2009 keine weiteren Leistungen. Aufgrund der Einverständniserklärung des Antragstellers zu 1. überwies der
Antragsgegner ab Juni 2009 die Miete direkt auf das Konto des Vermieters. Mit Änderungsbescheid vom 29. Juli 2009
und Bewilligungsbescheid vom 11. August 2009 gewährte der Antragsgegner für den Monat Juni 2009 Leistungen in
Höhe von 475,22 EUR und ab Juli 2009 bis 28. Februar 2010 in Höhe von 474,20 EUR. Die Leistungen wurden bis
November 2009 ausgezahlt.
Unter dem 16. Juli 2009 kündigte der Vermieter das Nutzungsverhältnis fristlos, weil der Antragsteller zu 1. mit der
Nutzungsgebühr für Juni 2009 vollständig und für Juli 2009 teilweise in Zahlungsverzug war zum 31. Juli 2009. Am 12.
November 2009 hat der Vermieter Räumungsklage vor dem Amtsgericht F. erhoben. Sowohl über die fristlose
Kündigung als auch über die Räumungsklage wurde der Antragsgegner informiert.
Unter dem 25. Januar 2010 beantragten die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, den
Antragsgegner zu verpflichten, ihnen zur Abwendung der fristlosen Kündigung einen Betrag zur Begleichung der
Forderung zu gewähren. Sie tragen vor, sie seien unverschuldet in die Lage geraten. Inzwischen sei Termin zur
Verhandlung der Räumungsklage auf den 9. Februar 2010 anberaumt. Er behauptet, die Heizkosten dürften nicht
gekürzt werden, weil die Warmwasseraufbereitung über den Strom erfolge.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Auf Hinweis des Gerichts erklärt er sich bereit, die Kosten der Unterkunft für die Monate Dezember 2009 sowie Januar
und Februar 2010 an den Vermieter auszuzahlen, die noch ausstehenden Unterkunftskosten für den Monat Juni 2009
vorläufig als Darlehn zu übernehmen, wenn der Vermieter die Räumungsklage zurücknimmt und der Antragsteller die
ihm obliegenden Restzahlungen tätigt.
Auf telefonische Rückfrage hat die Mitarbeiterin des Vermieters Frau H. bestätigt, das Warmwasser nicht über die
Heizungsanlage aufbereitet wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakte
sowie Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen.
II. Der Antrag ist als Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Nach der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (Urteil vom 7.11.2006 - B 7 b AS 8/06 R -) sind Anspruchsinhaber
grundsätzlich die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, da es sich bei den Ansprüchen nach dem SGB II um
Individualansprüche handelt. Einzelne Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft können deshalb nicht mit einem eigenen
Antrag die Ansprüche aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verfolgen. Die Kammer ist davon ausgegangen, dass
der Antragsteller zu 1. die Anträge auch für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erhoben hat und hat das
Rubrum entsprechend berichtigt. Der Antrag hat auch Erfolg.
Nach der genannten Vorschrift kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen
Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
erscheint. Die Anwendung der Vorschrift setzt neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung
(Anordnungsgrund) voraus, dass der Rechtsschutzsuchende mit Wahrscheinlichkeit einen Anspruch auf die begehrte
Regelung hat (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b
Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Gemäß § 22 Abs. 1 SGB II sind Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu
erbringen, soweit diese angemessen sind. Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 11. August
2009 Leistungen in Höhe von 474,20 EUR gewährt. Der Bescheid ist nicht aufgehoben. Gründe für eine vorläufige
Zahlungseinstellung nach §§ 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II iVm § 331 SGB III liegen nicht vor. Es sind keine
Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen ersichtlich, die eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides
rechtfertigen könnten. Die Antragsteller bewohnen die Wohnung weiterhin und sind damit der Mietzinsforderung
ausgesetzt. Daraus ergibt sich ein Anordnungsanspruch für die Mietzahlungen von Dezember 2009 bis Februar 2010
in Höhe von 474,20 EUR.
Die Kammer hat den Antragstellern darüber hinaus die zu Unrecht in Abzug gebrachten Anteile für die
Warmwasseraufbereitung zugesprochen. Zwar haben es die Antragsteller unterlassen, Widerspruch gegen den
Bewilligungsbescheid vom 11. August 2009 einzulegen. Aufgrund der Eilbedürftigkeit und nachdem der Antragsgegner
sich bereit erklärt hat, die Kürzung um den Warmwasseranteil aufzuheben, sofern die Angaben des Antragstellers
durch den Vermieter bestätigt werden, bestand jedoch ausnahmsweise ein Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche
Anordnung.
Ob ein Anspruch auf Zahlung der Unterkunftskosten für den Monat Juni 2009 besteht, die bereits an den vorherigen
Vermieter ausgezahlt wurden, kann im Rahmen des Eilverfahrens dahin stehen. Zweifelhaft könnte insoweit sein, ob
der Antragsgegner durch die Auszahlung an den vorherigen Vermieter den Anspruch der Antragsteller auf Kosten der
Unterkunft erfüllt oder einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nach Ende des Mietverhältnisses gegen den
Vermieter hat. Der Antragsteller hat zumindest einen Anordnungsanspruch auf Gewährung eines Darlehns für die
Miete für Juni 2009 in Höhe von 490,39 EUR aus § 22 Abs. 5 SGB II glaubhaft gemacht. Danach sollen auch
Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, wenn dies
gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Da die Antragsteller ersichtlich nicht
die Miete aus den existenzsichernden Leistungen zahlen können, kommt insoweit die Übernahme als Darlehn nach §
22 Abs. 5 SGB II in Betracht, sofern hierdurch die Räumung verhindert werden kann.
Die Übernahme der Mietschulden ist zur Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt, weil die Klage auf Räumung der
Unterkunft bereits erhoben wurde. Die Übernahme der Mietrückstände lässt zwar die Vermieterkündigung wegen
Zahlungsrückständen nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht unwirksam werden, weil hierfür die Frist abgelaufen ist.
Daher war die Übernahme der Mietschulden für den Monat Juni 2009 davon abhängig zu machen, dass die
Antragsteller die Rücknahme der Räumungsklage nachweisen. Denn nur dann kann durch die Schuldübernahme die
Wohnungslosigkeit abgewendet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.