Urteil des SozG Lüneburg vom 28.09.2009

SozG Lüneburg: S 29 AS 219/08, schlüssiges verhalten, aufwand, gebühr, ermessen, vergütung, klagebegehren, lehrbuch

Sozialgericht Lüneburg
Beschluss vom 28.09.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 12 SF 112/09 E
Die Erinnerung der Erinnerungsführerin, Kostenschuldnerin und Beklagten vom 06. Mai 2009 gegen den Kostenansatz
der Ur-kundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 22. April 2009 - S 29 AS 219/08 - wird zurückgewiesen. Die Beteiligten
haben einander keine Kosten zu erstatten. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Diese Entscheidung ist nicht mit der
Beschwerde an das Landes-sozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar.
Gründe:
Die Erinnerungsführerin, Kostenschuldnerin und Beklagte (im Folgenden nur: Kosten-schuldnerin) wendet sich gegen
den Ansatz der Höhe der Verfahrensgebühr sowie gegen den Ansatz der Terminsgebühr im Rahmen des
Kostenansatzes der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle anlässlich der den Klägern für das vorangegangene
Klageverfahren - S 29 AS 219/08 - gewährten Prozesskostenhilfe (PKH). In diesem Verfahren stritten die Beteiligten
um die Untätigkeit der Kostenschuldnerin im Rahmen der Leistungsgewäh-rung nach den Bestimmungen des Zweiten
Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II). Das Verfahren erledigte sich durch den
Erlass des be-gehrten Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2008. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärte
in seinem Schriftsatz vom 26. August 2008, das Anerkenntnis der Kos-tenschuldnerin zur Erledigung des
Rechtsstreits anzunehmen.
Die Erinnerung, über die gemäß § 59 Abs. 2 S. 4 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und
Rechtsanwälte - Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG) i. V. m. § 66 Abs. 6 S. 1 des Gerichtskostengesetzes
(GKG) das Gericht entscheidet, bei dem die Kosten angesetzt sind, ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Kostenbeamtin hat ihrem Kostenansatz zu Recht eine Verfahrensgebühr in Höhe eines Betrages von 275,00 EUR
(dazu unter 1.) sowie eine Terminsgebühr in Höhe eines Betrages von 40,00 EUR (dazu unter 2.) zugrunde gelegt.
Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Ein-zelfall unter Berücksichtigung
aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierig-keit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der
Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz
1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu
ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei
ihm nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein gewisser
Toleranzrah-men zusteht. Zwar gilt Satz 4 der Vorschrift nicht, wenn es sich um ein Verfahren handelt, in dem um die
Höhe des Prozesskostenhilfevergütungsanspruches gestritten wird, weil die Staatskasse nicht Dritter, sondern
Vergütungsschuldner ist. Dennoch findet zu ihren Gunsten eine Billigkeitskontrolle statt (Gerold/Schmidt - Müller-
Rabe, RVG, § 55, Rdn. 29). Unbilligkeit liegt vor, wenn er die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beach-tung
des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Landessozial-gericht Schleswig-Holstein,
Beschluss vom 12. September 2006, - L 1 B 320/05 SF SK, zitiert nach juris). Dabei ist für jede Rahmengebühr eine
eigene Prüfung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG erforderlich. Die unterschiedliche Abgeltung der anwaltlichen
Tätigkeit mit unterschiedlichen Gebühren verbietet es, die Bewertung bei einer Rahmengebühr automatisch auf eine
andere Rahmengebühr zu übertragen. Dies gilt sowohl für die Ver-fahrens- und Terminsgebühr (vgl.
Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006, a. a. O. sowie Keller in jurisPR-SozR
10/2006, Anm. 6) als auch für die der Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr.
Was die Bestimmung der angemessenen Gebühr innerhalb des jeweiligen Gebühren-rahmens angeht, entspricht es
allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrift-tum, dass die Mittelgebühr ein angemessenes Äquivalent für
die anwaltliche Tätigkeit in einem in jeder Hinsicht durchschnittlichen Streitverfahren darstellt. Davon ausgehend sind
sodann Abschläge für unterdurchschnittliche und Zuschläge für überdurchschnittli-che Verfahren vorzunehmen. Dabei
kann im Übrigen etwa die Überdurchschnittlichkeit eines Bewertungskriteriums durch die Unterdurchschnittlichkeit
anderer Bewertungskrite-rien kompensiert werden.
1. Danach ist zunächst eine Verfahrensgebühr in Höhe eines Betrages von 275,00 EUR an-gefallen. Diese
Gebührenposition ist dabei dem Rahmen der Nr. 3102 des Vergütungs-verzeichnisses (VV-RVG) - Anlage 1 zu § 2
Abs. 2 RVG - zu entnehmen. Dieser Rahmen sieht grundsätzlich eine Gebührenspanne von 40,00 EUR bis 460,00
EUR vor. Erweist sich das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information nach den Kriterien des § 14 Abs. 1
RVG als durchschnittliche Leistung, ist die Mittelgebühr von 250,00 EUR ange-messen. Wegen der Vertretung von
vier weiteren Auftraggeber verschiebt sich dieser Gebührenrahmen jedoch nach Nr. 1008 VV-RVG insoweit, als dass
nunmehr ein Gebüh-renrahmen von 88,00 EUR bis 1.012,00 EUR auszufüllen ist. Weil die durch Nr. 1008 Abs. 3 VV-
RVG vorgegebene Kappungsgrenze des Gebührenrahmens (120,00 EUR bis 1.380,00 EUR) ersichtlich nicht erreicht
wird, verbleibt es auch bei dem erweiterten Gebührenrahmen; die Mittelgebühr beträgt daher 550,00 EUR.
Die Schwierigkeit und der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit in dem zugrunde liegenden Klageverfahren waren -
gemessen an den sonstigen beim Sozialgericht Lüneburg an-hängigen Verfahren aus dem Bereich des SGB II -
deutlich unterdurchschnittlich. Die Beteiligten stritten lediglich um eine etwaige Untätigkeit der Kostenschuldnerin.
Schwieri-ge Rechtsfragen waren nicht zu erörtern. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit be-schränkte sich auf die
Einreichung einer knapp dreiseitigen Klageschrift, in der lediglich der zeitliche Ablauf von Anträgen und der Einlegung
des Widerspruchs dargestellt sowie auf die Vorschrift des § 88 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hingewiesen wurde.
Damit überschreitet der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit den Umfang einer durchschnittlichen Untätigkeitsklage
nicht. Er erreicht insbesondere auch bei weitem nicht den Umfang einer anwaltlichen Tätigkeit in einem
durchschnittlichen Klageverfahren aus dem Bereich des SGB II.
Auch die Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger ist, verglichen mit sonstigen Klagen im Sozialrecht, von
untergeordneter Bedeutung, weil sie lediglich eine (ergebnisoffene) Bescheidung ihres Widerspruchs erreichen
konnten, nicht jedoch eine ihr günstige Ent-scheidung in der Sache selbst. Für ein besonderes Haftungsrisiko des
Prozessbevoll-mächtigten der Kläger ist demgemäß auch nichts ersichtlich.
Ferner indizieren die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger als Bezieher von Leistungen nach dem
SGB II eine Bewertung als unterdurchschnittlich.
Wägt man daher den unterdurchschnittlichen Umfang und die unterdurchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen
Tätigkeit mit der unterdurchschnittlichen Bedeutung, den deutlich unterdurchschnittlichen Einkommens- und
Vermögensverhältnissen und dem allenfalls durchschnittlichen Haftungsrisiko des Prozessbevollmächtigten der
Klägerin ab, ist der Ansatz der Verfahrensgebühr lediglich in Höhe der Hälfte der Mittelgebühr - mithin in Höhe eines
Betrages von 275,00 EUR - geboten; für eine weitere Absenkung besteht nach Abwägung der maßgeblichen Kriterien
jedoch kein Anlass, um dem auch dem Rechts-anwaltsvergütungsrecht innewohnenden Äquivalenzprinzip
ausreichend Rechnung zu tragen. Daher vermag die Kammer auch der von der Kostenschuldnerin herangezogenen
Rechtsprechung nicht zu folgen, worauf bereits mehrfach hingewiesen wurde (vgl. die der Kostenschuldnerin
hinlänglich bekannten Beschlüsse der Kammer vom 06. Juli 2009, - S 12 SF 123/09 E, vom 29. Juli 2009, - S 12 SF
147/09 E, vom 29. Juli 2009, S 12 SF 130/09 E und vom 30. Juli 2009, - S 12 SF 111/09 E, jeweils zitiert nach juris).
Dementsprechend kann die Kammer den Einwand der Kostenschuldnerin, sie setze sich nicht mit entgegenstehenden
Auffassungen auseinander, nicht nachvollziehen.
Wenn nach alledem eine Verfahrensgebühr in Höhe von 275,00 EUR angemessen ist, hat der Prozessbevollmächtigte
der Kläger sein Ermessen bei der Bestimmung der Anwalts-vergütung auch ordnungsgemäß ausgeübt. Entgegen der
Auffassung der Kostenschuld-nerin hatte er dieses Ermessen auch noch nicht abschließend ausgeübt, denn allein
maßgeblich ist der bei dem Gericht gestellte Antrag auf Festsetzung der Prozesskosten-hilfevergütung.
2. Entgegen der Auffassung der Kostenschuldnerin ist auch eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG
entstanden, die sich aus einem Betragsrahmen zwischen 20,00 EUR und 380,00 EUR ergibt. Die Berücksichtigung
der oben genannten Kriterien führt im vorlie-genden Fall dazu, dass eine Gebühr in der beantragten Höhe von 40,00
EUR angemessen ist.
Die Terminsgebühr nach Nr. 3106 Ziffer 3 VV-RVG entsteht nämlich u. a. auch, wenn das Verfahren nach
angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Die-se Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn
die Erledigungserklärungen der Beteiligten einem angenommenen Anerkenntnis gleichzusetzen sind. Dies ist dann der
Fall, wenn die klageweise verfolgte Forderung während des laufenden Rechtsstreits erfüllt wird und sich deshalb der
Rechtsstreit erledigt. In dem Fall entspricht die Interessenlage derjeni-gen bei einem angenommenen Anerkenntnis.
Insoweit ist zunächst nicht erforderlich, dass eine Anerkenntniserklärung auch das Wort "anerkennen" enthält
(Wieczorek, ZPO, § 306 B II a). Die Erklärung, dass der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ganz oder zum
Teil bestehe, kann sogar durch schlüssiges Verhalten erfolgen (Rosenberg, Lehrbuch d. Dt. Zivilprozessrechts, 8.
Aufl. S. 644; Stein/Jonas/Schönke, ZPO, 18. Aufl., § 307, II, 1.). Ob ein Anerkenntnis vorliegt, ist bei bestehenden
Zweifeln durch Auslegung zu ermitteln (vgl. RGZ 66, 14; 75, 290 und 152, 44). Maßgeblich für das Vorliegen eines
Anerkenntnisses ist also, ob die Kosten-schuldnerin "ohne Drehen und Wenden" zugibt, dass sich das Begehren der
Klägerin aus dem von ihm behaupteten Tatbestand ergibt (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 101, Rdnr.
20). Für die Annahme eines Anerkenntnisses gel-ten dieselben Grundsätze wie für das Anerkenntnis selbst (Leitherer,
a.a.O., Rdnr. 22). Es kann also auch die Annahme des Anerkenntnisses sinngemäß erklärt werden (Bun-
dessozialgericht, SozR 1500 § 101 Nr. 6).
In dem zugrunde liegenden Klageverfahren hat die Kostenschuldnerin den begehrten Widerspruchsbescheid erlassen.
Sie hat damit dem Klagebegehren der Kläger in vollem Umfang entsprochen und damit inhaltlich ein Anerkenntnis
abgegeben. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Kostenschuldnerin sodann ein Anerkenntnis durch die
ausdrückliche Verwendung des Wortes "Anerkenntnis" abgegeben hat oder auf andere Weise zu verstehen gegeben
hat, dass sie dem Klagebegehren voll entsprochen hat. Letzteres war hier der Fall. Mit der Mitteilung, sie habe
nunmehr den Widerspruchsbe-scheid erlassen, hat sie sinngemäß ein Anerkenntnis abgegeben, zumal sie sich auch
zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten der Kläger in voller Höhe verpflichtete.
Dieses Anerkenntnis haben die Kläger durch ihren Prozessbevollmächtigten auch ange-nommen. Es liegt daher ein
angenommenes Anerkenntnis im Sinne des § 101 Abs. 2 SGG vor, durch das die Gebühr nach der Nr. 3106 VV RVG
ausgelöst wor-den ist (so im Ergebnis auch: Sozialgericht Köln, Beschluss vom 02. November 2007, - S 6 AS 231/06;
Sozialgericht Aachen, Beschluss vom 16. Juni 2008, -S 4 R 89/07, je-weils zitiert nach juris; vgl. ferner auch
Sozialgericht Lüneburg, Beschluss vom 25. März 2008, - S 25 SF 33/08 sowie Beschluss vom 23. März 2009, - S 27
SF 170/08; ferner: Sozialgericht Hannover, Beschluss vom 19. Februar 2009, - S 34 SF 249/08; So-zialgericht
Hildesheim, Beschluss vom 23. Januar 2009, - S 12 SF 162/08 sowie Sozial-gericht Aurich, Beschluss vom 25.
August 2008, - S 21 SF 25/07 AS). Soweit die Kosten-schuldnerin zur Untermauerung ihrer Auffassung auf eine
Entscheidung des Landessozi-algerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. November 2008 - L 20 B 59/08 SO - hinweist,
vermag diese aus den oben genannten Gründen nicht zu überzeugen. Insoweit kann die Kammer auch nicht
nachvollziehen, wenn die Kostenschuldnerin die Auffassung vertritt, die Kammer hätte sich mit entgegenstehender
Rechtsprechung nicht auseinanderge-setzt. Die Kostenschuldnerin wird zur Kenntnis nehmen müssen und zukünftig
zu beach-ten haben, dass die Kammer der entgegenstehenden Auffassung anderer Gerichte aus den oben genannten
Gründen nicht zu folgen vermag (vgl. auch schon die der Kosten-schuldnerin hinlänglich bekannten Beschlüsse der
Kammer vom 06. Juli 2009, - S 12 SF 123/09 E, vom 29. Juli 2009, - S 12 SF 147/09 E, vom 29. Juli 2009, S 12 SF
130/09 E und vom 30. Juli 2009, - S 12 SF 111/09 E, jeweils zitiert nach juris).
Wenn danach eine (fiktive) Terminsgebühr entstanden ist, ist diese dem Rahmen der Nr. 3106 VV-RVG (20,00 EUR
bis 380,00 EUR) zu entnehmen.
Der Rechtsstreit wurde durch die Annahme eines Anerkenntnisses beendet, so dass ein Termin tatsächlich nicht
stattgefunden hat. Eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG ist dennoch entstanden. Durch die Regelung der Nr.
3106 VV-RVG (Ziffern 1 bis 3) soll verhindert werden, dass gerichtliche Termine allein zur Wahrung des Gebührenan-
spruchs stattfinden müssen; sie bietet einen Anreiz für den Rechtsanwalt, auf die Durch-führung des Termins zu
verzichten. Die Anwendung der Grundsätze des § 14 RVG auf die "fiktive" Terminsgebühr nach Nr. 3106 - Ziffer 1 bis
Ziffer 3 - VV RVG ist mit dem Problem behaftet, dass ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat und dessen
Schwierigkeit und Aufwand für den Prozessbevollmächtigten damit nicht bewertet werden können. Die Kammer vertritt
in nunmehr ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass bei der Bemessung der Terminsgebühr auf den
hypothetischen Aufwand abzustellen ist, der bei Durchführung eines Termins im konkreten Verfahrensstadium
voraussichtlich ent-standen wäre. Daher ist eine fiktive Vergleichsbetrachtung anzustellen, in welcher Höhe ein
Gebührenanspruch voraussichtlich entstanden wäre, wenn ein Termin stattgefunden.
Das Gesetz eröffnet in Ziffer 3106 VV-RVG daher erneut den Gebührenrahmen in vollem Umfang und knüpft nicht an
die Höhe der Verhandlungsgebühr an. Gäbe es für die Festlegung der Terminsgebühr nicht die Möglichkeit einer
eigenständigen Festsetzung unter Beachtung aller der in § 14 RVG festgelegten Kriterien, hätte es der Eröffnung
eines Gebührenrahmens nicht bedurft. Dafür spricht auch die Tatsache, dass der Normgeber in denjenigen Fällen, in
denen keine Betragsrahmengebühren entstehen, einen festen Wert - nämlich nach Nr. 3104 VV-RVG einen solchen
von 1,2 - festgeschrieben hat. Daher wäre es auch nicht gerechtfertigt, in diesen Fallkonstellationen grundsätzlich nur
die Mindestgebühr in Höhe von 20,00 EUR anzuerkennen. Dabei wird nämlich verkannt, dass auch bei der
Bemessung der fiktiven Terminsgebühr alle Kriterien des § 14 RVG in die Abwägung einzustellen sind. Anderenfalls
hätte der Normgeber auch bei der fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG einen bestimmten Betrag
festgeschrieben wie er es beispielsweise bei den Angelegenheiten der Beratungshilfe nach Nr. 2500 ff. VV-RVG, in
Strafsachen nach den Nr. 4100 ff. VV-RVG oder den sonstigen Verfahren nach den Nr. 6100 ff. VV-RVG geregelt hat.
Auch wenn in diesen Verfahren selbstredend keine Betragsrahmengebühren nach § 3 RVG entstehen, war sich der
Normgeber offensichtlich durchaus der Möglichkeit der Festschreibung von Gebührenbeträgen bewusst.
Wenn danach auch bei der fiktiven Terminsgebühr von einem Gebührenrahmen zwi-schen 20,00 EUR und 380,00
EUR auszugehen ist, ergibt eine auf einen hypothetischen Termin bezogene Abwägung der Kriterien des § 14 RVG,
dass insoweit eine insgesamt weit un-terdurchschnittliche Angelegenheit vorliegt. Dem Anwalt steht die Mittelgebühr
hinsicht-lich der Terminsgebühr für Termine mit durchschnittlicher Schwierigkeit, durchschnittli-chem Aufwand und
durchschnittlicher Bedeutung für den Mandanten zu. Entscheidend ist eine Gesamtabwägung. Es müssen sämtliche
den Gebührenanspruch potentiell beein-trächtigenden Faktoren miteinander und gegeneinander im Einzelfall
abgewogen werden.
Unter Beachtung aller Abwägungskriterien erscheint mit Blick auf die Bemessungskrite-rien, die bei der Festsetzung
der Verfahrensgebühr einen Betrag deutlich unterhalb der dortigen Mittelgebühr auszulösen vermochten, eine
Terminsgebühr etwa in Höhe eines Viertels der Mittelgebühr angemessen.
Dabei ist der anwaltliche Aufwand für den nicht stattgefundenen - entbehrlichen - Termin als weit unterdurchschnittlich
zu werten. Bei der fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 3 VV-RVG - also bei Erledigung durch angenommenes
Anerkenntnis - be-steht die Besonderheit, dass ein Anerkenntnis vorliegt, das im (hypothetischen) Termin lediglich
noch der Annahme bedurft hätte, ein solcher Termin insoweit mit keinem beson-deren Aufwand verbunden gewesen
wäre. Sinn und Zweck des Rechtsanwaltsvergü-tungsgesetzes ist in erster Linie die sachgerechte Vergütung (des
Aufwands) für den Be-vollmächtigten. Diese ist aber erfahrensgemäß sehr unterschiedlich, je nachdem, ob er an einer
mündlichen Verhandlung teilnehmen muss oder nicht. Nimmt der Mandant ein Anerkenntnis der Gegenseite an, führt
dies auch beim Bevollmächtigten zu einer erhebli-chen Reduzierung seines Aufwands in diesem Verfahren. Die
Annahme des Anerkennt-nisses kann er dem Gericht in einem kurzen Schriftsatz mitteilen. Der im Vergleich zur
notwendigen Teilnahme einer mündlichen Verhandlung also deutlich verminderte Auf-wand kann gebührenrechtlich
nicht außer Betracht bleiben. Unberücksichtigt bleiben darf dabei auch nicht, dass eine mündliche Verhandlung,
welche regelmäßig eine zusätzliche Vorbesprechung, Vorbereitung und Terminswahrnehmung erfordert, nicht
stattgefunden hat. In der Zusammenschau sieht das Gericht deshalb den Umfang und die Schwierigkeit der
anwaltlichen Tätigkeit insoweit als weit unterdurchschnittlich an.
Da bei der Bemessung auch der Terminsgebühr gemäß § 14 Abs. 1 RVG jedoch - wie ausgeführt - alle Umstände des
Einzelfalles zu berücksichtigen sind, kann andererseits auch nicht allein auf den zu erwartenden geringen Aufwand
allein abgestellt werden.
Wägt man die dargestellten deutlich unterdurchschnittlichen Anforderungen an die hypo-thetische anwaltliche Tätigkeit
mit den sonstigen Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG, die auch nach Auffassung des Prozessbevollmächtigten der
Klägerin eine Verfahrensgebühr deut-lich unterhalb der Mittelgebühr zu rechtfertigen vermochten (mithin die
unterdurchschnitt-lichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse, die unterdurchschnittliche Bedeutung der
Angelegenheit für die Klägerin und das allenfalls durchschnittliche Haftungsrisiko), miteinander ab, ist das vorliegende
Streitverfahren hinsichtlich der Festsetzung der (fikti-ven) Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG in Höhe von 40,00
EUR - mithin in Höhe eines Betrages von etwa einem Viertel der Mittelgebühr - kostenrechtlich angemessen erfasst.
Dies bedeutet zugleich, dass bei einem tatsächlich stattgefundenen Termin, in dem ledig-lich die Annahme des
Anerkenntnisses erklärt worden wäre, auch ein Betrag in dieser Höhe festzusetzen gewesen wäre.
3. Weil weitere Gebührenpositionen zwischen den Beteiligten nicht im Streit stehen, er-gibt sich folgende Berechnung:
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV-RVG i. V. m. Nr. 1008 VV-RVG 275,00 EUR Terminsgebühr gemäß Nr. 3106
VV-RVG 40,00 EUR Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG 20,00 EUR 19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008
VV-RVG 63,65 EUR Summe 398,65 EUR
Da schließlich dieser Betrag dem von der Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in Ansatz gebrachten Betrag
entspricht, bleibt die Erinnerung der Kostenschuldnerin erfolglos.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 8 S. 2 GKG.
5. Das Verfahren ist gemäß § 66 Abs. 8 S. 1 GKG gerichtskostenfrei.
6. Die Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Nieder-sachsen-Bremen anfechtbar,
weil das Normengefüge der §§ 172 ff. SGG den Normen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und des
Gerichtskostengesetzes vorgeht (vgl. hierzu: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06. März
2009, - L 8 SF 1/09 B sowie zur fehlenden Beschwerdemöglichkeit bei Entscheidungen über die
Prozesskostenhilfevergütung: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. Dezember 2006, - L 8
B 4/06 SO SF, Beschluss vom 17. Oktober 2008, - L 13 B 4/08 SF sowie Beschluss vom 09. Juni 2009, - L 13 B 1/08
SF mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Weil die Entscheidungen im Erinnerungsverfahren nach alledem nicht mit
der Beschwerde anfechtbar, sie vielmehr endgültig sind, vermag die Kammer eine Grundlage für die von der
Kostenschuldnerin gewünschte Durchführung eines - in-soweit nicht vorgesehenen - "Musterverfahrens" vor dem
Landessozialgericht Nieder-sachsen-Bremen nicht zu erkennen.
D.