Urteil des SozG Lüneburg vom 15.10.2009

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Sozialgericht Lüneburg
Urteil vom 15.10.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 28 AS 346/08
1. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides der in seinem Auftrag handelnden Stadt G. vom 14. Februar
2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2008 verurteilt, der Klägerin im Rahmen der
Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II Kosten der Unterkunft und Heizung für den Monat März 2007
in Höhe von 328,78 Euro, für die Zeit vom 01. April bis 30. Juni 2007 in Höhe von monatlich 322,47 Euro und für die
Monate Juli und August in Höhe von monatlich 322,44 Euro zu gewähren. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3.
Der Beklagte hat der Klägerin 7 Prozent ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten. 4. Die Berufung wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin erstrebt vom Beklagten im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II die
Gewährung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 01. März bis 31. August 2007.
Die H. geborene Klägerin bezieht seit März 2006 Grundsicherungsleistungen. Die Klägerin ist erkrankt an einer
Somatisierungsstörung, einem degenerativen Wirbelsäulenleiden mit HWS/BWS-Syndorm, Bandscheibenprotrusion
L5/S1 mit Lumboischialgie beidseits, Verlust der Gebärmutter, Verlust der Gallenblase, Harninkontinenz und
Übergewicht. Die Klägerin ist seit Februar 2007 mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehindert.
Sie bewohnte zunächst als Einzelperson eine 60 m² große Zwei-Zimmer-Wohnung im I.in G., für die monatlich eine
Kaltmiete in Höhe von 280,- Euro zuzüglich Neben- und Heizkostenabschlägen von jeweils 60,- Euro zu entrichten
waren.
Mit Bescheid vom 15. Januar 2007 bewilligte ihr die im Auftrag des Beklagten handelnde Stadt G. für die Zeit vom 01.
März bis 31. August 2007 Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 434,- Euro und berücksichtigte dabei
259,- Euro für Kosten der Unterkunft sowie 60,- Euro Heizkosten abzüglich 10,- Euro für Warmwasserkosten.
Unter dem 02. Februar 2007 legte die Klägerin ein Mietangebot für eine 60 m² große Zwei-Zimmer-Wohnung in der J.
in G. vor, wobei monatlich der Kaltmietzins 300,- Euro zuzüglich Nebenkostenabschlägen von 60,- Euro und
Heizkostenabschlägen von 70,- Euro betrug (Bl. 62 bis 63 der Verwaltungsakte).
Mit Schreiben vom 14. Februar 2007 (Bl. 64 der Verwaltungsakte) teilte die Stadt G. der Klägerin mit, dass die
Wohnung unangemessen sei. Ihr stünden maximal 50 m² Wohnfläche, Unterkunftskosten von maximal 259,- Euro und
Heizkosten von 50,- Euro zu.
Die Klägerin unterfertigte daraufhin den Mietvertrag am 03. März und zog zum 15. März 2007 in die neue Wohnung
um, welche sie allein bewohnte.
Mit Bescheid vom 14. Februar 2007 änderte die Stadt die Bewilligung ab und gewährte nunmehr für den Monat März
2007 Grundsicherung in Höhe von 448,- Euro und für die Zeit bis Ende August monatlich 441,- Euro. Dabei
berücksichtigte sie im März Kosten der Unterkunft von 267,64 Euro zuzüglich Heizkosten ohne Warmwasseranteile
von 55,47 Euro. Für die übrige Zeit übernahm sie Unterkunftskosten von 259,- Euro und Heizkosten ohne
Warmwasseranteile von 56,72 Euro in die Bedarfsberechnung.
Dagegen legte die Klägerin am 07. März 2007 Widerspruch ein (Bl. 70 der Verwaltungsakte), den sie damit
begründete, dass die tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten zu übernehmen seien. Die Kosten seien nicht
unangemessen hoch, weil eine medizinische Notwendigkeit zur Anmietung der neuen Wohnung bestanden habe. Für
sie sei es unerlässlich, stadtnah in flacher Landschaft zu wohnen, da sie ohne Schmerzen keine längeren
Wegstrecken zurücklegen könne. Dies habe ihr Hausarzt bestätigt (Bl. 73 der Verwaltungsakte). Ihre bisherige
Wohnung habe zu weit zum Ortskern entfernt gelegen, weshalb sich ihre psychische Situation verschlechtert habe.
Daraufhin erfolgte eine persönliche Untersuchung durch den Amtsarzt K., der am 30. April 2007 feststellte, dass eine
zwingende Notwendigkeit für den Umzug nicht bestanden habe (Bl. 90 der Verwaltungsakte).
Zwischenzeitlich stellte der Amtsarzt Dr. L. mit Gutachten vom 03. Januar 2008 fest (Bl. 106 bis 109 der
Verwaltungsakte), dass die Klägerin dauerhaft voll erwerbsgemindert sei.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2008 zurück (Bl. 112 bis 113 der
Verwaltungsakte) und begründete dies im Wesentlichen folgendermaßen:
Es habe keine medizinische Notwendigkeit für den Umzug bestanden, und die Unterkunftskosten seien
unangemessen hoch. Nach Auswertung des Wohnungsmarktes für die Stadt G. habe sich ergeben, dass ab März
2007 zahlreiche Wohnungen im Angebot gewesen seien, deren Miete den Höchstbetrag von 259,- Euro nicht
überstiegen habe (Bl. 4 bis 5 des Beiheftes des Beklagten).
Dagegen hat die Klägerin am 29. Februar 2008 Klage erhoben.
Sie trägt vor:
Die Klägerin habe aus gesundheitlichen Gründen umziehen müssen. Denn die frühere Wohnung sei weit vom Ortskern
der Stadt, der nur über eine leichte Bodenerhebung zu erreichen sei, entfernt gewesen, und sie habe ihre soziale
Isolation nicht überwinden können. Die Klägerin habe an Panikattacken gelitten und oftmals den Weg für Einkäufe
nicht zurücklegen können. Ferner sei nicht genügend angemessener Wohnraum in G. vorhanden. Sie habe zuvor acht
Wohnungen besichtigt, deren Wohnkosten jeweils knapp unter 300,- Euro kalt gelegen hätten. Denn weniger als 5
Prozent der inserierten Zeitungen enthielten einen Nebenkostenabschlag. Aus diesen Gründen sei auf die rechte
Spalte der Wohngeldtabelle abzustellen. Darüber hinaus müsse der Klägerin ein Zuschlag von 10 m² Wohnfläche
wegen der Schwerbehinderung gewährt werden, so dass die Wohnung auch nicht unangemessen groß sei. Sie habe
erhebliche körperliche Beschwerden und werde in Schmerztherapie behandelt.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides der in seinem Auftrag handelnden Stadt G. vom 14. Februar 2007 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2008 zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 01. März bis
31. August 2007 Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II unter Berücksichtigung der tatsächlichen
Unterkunftskosten und Heizkosten abzüglich des Regelsatzanteils für Warmwasserzubereitung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt unter Bezugnahme auf die erlassenen Bescheide vor:
Die Klägerin habe keinen erhöhten Wohnraumbedarf aufgrund der Schwerbehinderung. Der Schwerbehindertenausweis
verfüge nicht über das Merkzeichen G, so dass eine erhebliche Einschränkung der Gehfähigkeit nicht attestiert sei.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte M., N., O., P. und Q.
(Bl. 60 bis 89 der Gerichtsakte). Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. M. gab an, dass die Gehstrecke über 1000
Meter betrage und aufgrund der Erkrankungen kein größerer Wohnungsgrößenbedarf bestehe, soweit er dies beurteilen
könne (Bl. 64 der Gerichtsakte). Die Fachärzte für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. O. und P. verneinten ebenfalls eine
Einschränkung der Gehfähigkeit auf ihrem Fachgebiet.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat insoweit Erfolg, als der Klägerin aufgrund eines geringeren Abzuges an Regelsatzanteilen für die
Warmwasserzubereitung weitere 39,36 Euro als Kosten der Heizung insgesamt zustehen.
Im Übrigen hat die Klage keinen Erfolg.
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierauf gemäß § 124 Absatz 2
SGG verzichtet haben.
Der Bescheid der im Auftrag des Beklagten handelnden Stadt Walsrode vom 14. Februar 2007 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2008 erweist sich im tenorierten Umfang als rechtswidrig und verletzt die
Klägerin insoweit in eigenen Rechten.
Rechtsgrundlage der angegriffenen Bescheide ist § 48 Absatz 1 Satz 1 SGB X, weil der Beklagte die ursprüngliche
Bewilligung nach Änderung der Verhältnisse (Umzug der Klägerin) abänderte.
Streitgegenständlich ist der Zeitraum vom 01. März bis 31. August 2007, welcher in den angegriffenen Bescheiden
geregelt wurde. Die Entscheidungen der Behörde von Folgezeiträumen sind nicht im Rahmen von § 96 SGG
berücksichtigungsfähig (vgl. Urteile des Bundessozialgerichtes vom 07. November 2006 - B 7b AS 14/06 R -, und 25.
Juni 2008 - B 11b AS 35/06 R -).
Die materielle Rechtmäßigkeit der Bescheide richtet sich nach § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II. Danach sind Leistungen
für Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen
sind.
Nach Satz 2 werden die Leistungen, wenn sich die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach
einem nicht erforderlichen Umzug erhöhen, weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden angemessenen
Aufwendungen erbracht.
Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang
übersteigen, sind sie als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu
berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht
zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken,
in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Absatz 1 Satz 3 SGB II).
Der Streitgegenstand ist wirksam auf die Kosten der Unterkunft und Heizung begrenzt worden. Dabei handelt es sich
um eine abtrennbare, isoliert anfechtbare Verfügung (vgl. Urteile des Bundessozialgerichtes vom 29. März 2007 - B 7b
AS 2/06 R -, 07. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - und 27. Februar 2008 - B 14 AS 23/07 R -). Die Prüfung der
Angemessenheit hat aber für Unterkunfts- und Heizkosten jeweils getrennt zu erfolgen, so dass eine
Gesamtangemessenheitsgrenze im Sinne einer erweiterten Produkttheorie abzulehnen ist (vgl. Urteil des
Bundessozialgerichtes vom 02. Juli 2009 - B 14 AS 36/08 R -).
(1) Die Angemessenheit der Unterkunftskosten ist nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom
07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R -) in mehreren Schritten zu prüfen: Zunächst bedarf es der Feststellung, welche Größe
die vom Hilfebedürftigen beziehungsweise von der Bedarfsgemeinschaft gemietete Wohnung aufweist; das heißt, zu
ermitteln ist die Quadratmeterzahl der im Streitfall konkret betroffenen Wohnung. Bei der Wohnungsgröße ist jeweils
auf die landesrechtlichen Richtlinien über die soziale Wohnraumförderung abzustellen. Nach Feststellung der
Wohnraumgröße ist als weiterer Faktor der Wohnungsstandard zu berücksichtigen. Angemessen sind nämlich die
Aufwendungen für eine Wohnung nur dann, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und
grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Die Wohnung muss von daher
hinsichtlich der aufgeführten Kriterien, die als Mietpreis bildenden Faktoren regelmäßig im Quadratmeterpreis ihren
Niederschlag finden, im unteren Segment der nach der Größe der in Betracht kommenden Wohnungen in dem
räumlichen Bezirk liegen, der den Vergleichsmaßstab bildet. Als räumlicher Vergleichsmaßstab ist in erster Linie der
Wohnort des Hilfebedürftigen maßgebend, weil ein Umzug in einen anderen Wohnort, der mit einer Aufgabe des
sozialen Umfeldes verbunden wäre, im Regelfall von ihm nicht verlangt werden kann (vgl. Urteil des
Bundessozialgerichtes vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R -). Die Prüfung der Angemessenheit ist aber nicht nur auf
der Grundlage von marktüblichen Wohnungsmieten abstrakt vorzunehmen. Vielmehr muss die Behörde nach der
Rechtsprechung des BSG in einem letzten Schritt eine konkrete Angemessenheitsprüfung vornehmen, nämlich ob
dem Hilfebedürftigen eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung tatsächlich und konkret verfügbar
und zugänglich ist. Besteht eine solche konkrete Unterkunftsalternative nicht, sind die Aufwendungen für die
tatsächlich gemietete Unterkunft als konkret angemessen anzusehen (vgl. Urteil des Bundessozialgerichtes vom
07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - Rd. 22).
In Gemeinden, in welchen kein Mietspiegel vorhanden ist, ist es nicht ohne weiteres zulässig, auf die rechte Spalte
der Wohngeldtabelle abzustellen (aA Urteil des Landessozialgerichtes vom 24. April 2007 - L 7 AS 494/05 -). Ein
Rückgriff auf die Tabellenwerte ist nach dem Urteil des Bundessozialgerichtes vom 18. Juni 2008 (- B 14/7 b AS
44/06 R -) nur dann zulässig, wenn lokale Erkenntnismöglichkeiten nicht weiterführen. Hiervon kann nicht schon dann
ausgegangen werden, wenn ein qualifizierter Mietspiegel im Sinne des § 558 d BGB nicht existiert.
Nach dem BSG muss zur Feststellung der Beschaffenheit des örtlichen Mietwohnungsmarktes der
Grundsicherungsträger nicht zwingend auf einen qualifizierten oder einfachen Mietspiegel im Sinne der §§ 558 c und
558 d BGB abstellen. Die vom Grundsicherungsträger gewählte Datengrundlage muss lediglich auf einem schlüssigen
Konzept beruhen, das eine hinreichende Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse des örtlichen
Mietwohnungsmarktes wiederzugeben. Erfüllt das Datenmaterial die Voraussetzungen, so sind auch
"Mietdatenbanken", die im Übrigen die Voraussetzungen der §§ 558 c bzw. 558 d BGB nicht erfüllen, geeignet, als
Maßstab für die Beurteilung der "Angemessenheit" im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB 2 herangezogen zu werden.
Vorliegend sind belastbare Erhebungen des Grundsicherungsträgers vorhanden, welche den Bestand freier
Wohnungen nachweisen.
Die Erhebungen des Beklagten waren bereits mehrfach Gegenstand gerichtlicher Prüfung. Zuletzt hat das
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen mit Urteil vom 26. Juni 2009 - L 9 AS 801/07 - die Wohnungslisten im
Bereich G. als tauglich angesehen. Hierzu hat das Sozialgericht Lüneburg mit Urteil vom 29. August 2006 (S 25 AS
55/06) ausgeführt:
"Allerdings steht abweichend hiervon zur Überzeugung der Kammer auch fest, dass der Beklagte nachgewiesen hat,
dass auch ausreichend verfügbarer Wohnraum unterhalb der Werte der Wohngeldtabelle in seinem
Zuständigkeitsbereich vorhanden ist, so dass von den Werten der rechten Spalte abzuweichen ist. Als angemessen
kann daher für einen 2-Personen-Haushalt eine Kaltmiete (inklusive Nebenkosten) in Höhe von 335,00 EUR gelten.
Ein Abweichen von diesem Tabellenwert nach unten ist in diesem Sinne nämlich dann möglich, wenn der
Sozialleistungsträger darlegt und nachweist, dass auf dem örtlichen Wohnungsmarkt zumutbare, geeignete und freie
Wohnungen vorhanden sind, für die geringere Mieten gezahlt werden (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-
Bremen, Beschluss vom 13. Oktober 2005, - L 8 AS 168/05 ER -; Beschluss vom 19. Juni 2006, - L 6 AS 248/06 ER
-; vgl. auch Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. März 2006, - L 8 AS 388/05 -). Soweit sich
der Leistungsträger – wie hier – auf Werte unterhalb dieser Beträge berufen will, ist er hierfür allerdings nach dem in
allen Bereichen des Sozialrechts geltenden Grundsatz der objektiven Beweis- und Feststellungslast beweisbelastet.
Denn wenn er aus dieser Tatsache – den niedrigeren Werten als denjenigen der rechten Spalte der Wohngeldtabelle –
ein Recht herleiten will, trägt er hierfür die Beweislast (BSGE 13, 52, 54; 58, 76, 79; Breithaupt 1992, 285).
Dieser Darlegungs- und Beweislast ist der Beklagte nach Überzeugung der Kammer durch die Vorlage von
umfangreichen Wohnungslisten nachgekommen. Diese Wohnungslisten kommen nach dem Vortrag des Beklagten
dadurch zustande, dass eine Mitarbeiterin damit betraut ist, die sich aus den jeweils aktuellen Wohnungsannoncen
der Zeitungen im Einzugsgebiet des Leistungsträgers ergebenden freien Wohnungen in ein entsprechendes
Softwareprogramm einzupflegen und diese Listen stets auf dem aktuellen Stand zu halten. Dies reicht nach
Auffassung der Kammer aus, um abweichend von den Werten der Wohngeldtabelle den örtlichen Wohnungsmarkt
transparent abzubilden. Nach Durchsicht der umfangreichen Wohnungslisten ergibt sich zur Überzeugung der
Kammer, dass im streitgegenständlichen Zeitraum genügend freier Wohnraum vorhanden gewesen und zum jetzigen
Zeitpunkt auch noch vorhanden ist, der die zugrunde gelegte Miethöchstgrenze in Höhe von 335,00 EUR nicht
überschreitet. Daher ist der vom Beklagten angesetzte Betrag in dieser Höhe (inklusive Nebenkosten) nicht zu
beanstanden. Demgegenüber hat die Klägerin nicht dargelegt, dass zu diesem Preis ausreichend verfügbarer
Wohnraum nicht vorhanden ist. Dies wäre aufgrund der überzeugenden und nicht zu beanstandenden Praxis des
Beklagten auch kaum nachvollziehbar."
Dem tritt die Kammer vollumfänglich bei. Auch im vorliegenden Verfahren wurden aktuelle und aussagekräftige
Wohnungslisten vorgelegt, welche das Unterkunftskostenniveau widerspiegeln. Sie sind Teil einer festen Konzeption
des Beklagten, ortsbezogen die Angemessenheit von Kosten der Unterkunft zu ermitteln. Den Voraussetzungen der
Rechtsprechung des BSG wird damit genüge getan. Daraus ergibt sich, dass im streitigen Zeitraum März bis August
2007 26 Wohnungen verfügbar und anmietbar waren in G ... Eine Verweisbarkeit auf andere Orte im Landkreis ist
nach der Rechtsprechung des BSG nicht möglich, vorliegend aber auch nicht notwendig.
Bei Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten ist zunächst auf die angemessene Wohnungsgröße
abzustellen. In Niedersachsen sind die Richtlinien über die soziale Wohnraumförderung
(Wohnraumförderungsbestimmungen - WFB 2003 -) in dem Runderlass vom 27. Juni 2003 geregelt (Nds.
Ministerialblatt 2003, Heft 27, S. 580). Gemäß Ziffer B Nr. 11.2 der Wohnraumförderungsbestimmungen - WFB 2003 -
gilt bei Mietwohnungen für Alleinstehende eine Wohnfläche bis 50 m² als angemessen. Besondere Fallkonstellationen,
die im Einzelfall zu einer Erhöhung der angemessenen Fläche führen können (Ziffer B Nr. 11.4 und 11.5
Wohnraumförderungsbestimmung - WFB 2003 -), liegen bei der Klägerin nicht vor.
Insbesondere erfordert die Schwerbehinderung der Klägerin keinen Mehrbedarf an Wohnraum. Dabei ist auf den
jeweiligen Einzelfall abzustellen und keine pauschale Erhöhung wegen Schwerbehinderung und Prüfung der
Auswirkungen auf den Raumbedarf möglich, da sich die Grundsicherung am Bedarfsdeckungsprinzip orientiert.
Die Klägerin ist weder auf Rollstuhl noch Rollator angewiesen, welche unzweifelhaft einen räumlichen Mehrbedarf
auslösen würden. Der behandelnde Arzt Dr. M. gab ausdrücklich an, dass kein behinderungsbedingter räumlicher
Mehrbedarf bestehe.
Darüber hinaus sind nicht die tatsächlichen Aufwendungen ausnahmsweise als angemessen anzusehen, weil keine
andere zumutbare Unterkunft bestünde. Die Kammer teilt diese Rechtsansicht der Klägerin nicht, nach der ein Umzug
zwingend notwendig gewesen sei, sie sozial zu integrieren und zumutbare Versorgungsmöglichkeiten zu schaffen. Der
Amtsarzt K. hat keinen medizinischen Grund für einen Wohnungswechsel feststellen können. Dieser ist auch objektiv
nicht erkennbar, weil eine Versorgung auch in der bisherigen Wohnung möglich und zumutbar gewesen wäre. So
beträgt die Gehstrecke nach Auskunft des behandelnden Arztes Dr. M. mehr als 1000 Meter, was sich mit den
Befunden und den Feststellungen der Ärzte Dr. O. und P. deckt. Damit hätte auch eine Deckung des
Lebensunterhalts unter Verbleib in der bisherigen Unterkunft stattfinden können.
Der Klägerin war bereits seit März 2006 die Angemessenheitsgrenze für einen Einpersonenhaushalt bekannt, weil sie
von vornherein abgesenkte Unterkunftskosten erhielt (vgl. Gagel/Lauterbach, Kommentar zum SGB II, § 22 Rd. 50).
Der Beklagte hat rechtsfehlerfrei monatliche Unterkunftskosten (Kaltmiete und Nebenkosten) von 259,- Euro
berücksichtigt.
(2) Die Gewährung der Höhe der Heizkosten ist rechtlich zu beanstanden, weil nur die Regelsatzanteile für
Warmwasserzubereitung abzusetzen sind, da lediglich insoweit eine Doppelleistung besteht (vgl. Urteil des
Bundessozialgerichtes vom 27. Februar 2008 - B 14/11b AS 15/07 R -).
Rechtsgrundlage der Gewährung ist § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II.
Dabei ist auf die tatsächlichen Heizkosten abzustellen, soweit sie angemessen sind.
Bei Bestimmung der angemessenen Heizkosten ist zunächst auf die angemessene Wohnungsgröße abzustellen. Wie
oben gezeigt, ergibt sich eine Wohnfläche von 50 m².
Der Beklagte hat die tatsächlichen Abschläge zugrunde gelegt, was rechtlich nicht zu beanstanden ist. Eine anteilige
Gewährung der Heizkosten bezogen auf die angemessene Wohnfläche, wie Teile der obergerichtlichen
Rechtsprechung sie bislang vornahmen (vgl. Beschluss des Hessischen Landessozialgerichtes vom 21. März 2006, -
L 9 AS 124/05 ER -), ist nach dem Urteil des Bundessozialgerichtes vom 02. Juli 2009 - B 14 AS 36/08 R - nicht
pauschal möglich, weil die Wohnungsgröße nicht alleiniges Indiz für die angemessenen Heizkosten ist, zumal auch
eine größere Wohnung sparsam beheizt werden könne. Erst wenn weitere Anhaltspunkte für die konkrete
Unangemessenheit vorlägen, sei eine anteilige Kürzung möglich. Solche Indizien sind vorliegend nicht gegeben.
In den Monaten März bis Juni 2007 ist ein Regelsatzanteil von monatlich 6,53 Euro nach der maßgeblichen EVS 2003
abzusetzen, ab Juli 2007 in Höhe von 6,65 Euro. Damit ergeben sich Kosten der Heizung von 61,14 Euro im März
2007, 63,47 Euro jeweils von April bis Juni und jeweils 63,44 Euro für Juli und August 2007.
Die Heizkosten betragen pro m² Wohnfläche im März 2007 1,02 Euro, im April und Juni je 1,06 Euro und im Juli sowie
August je 1,06 Euro. Diese Werte sind offensichtlich nicht unangemessen oder Folge unwirtschaftlichen
Heizverhaltens, so dass sie als angemessen anzusehen sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Absatz 1 SGG.
Gemäß § 144 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, Absatz 2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, weil hier die Beschwer der
Klägerin mit 558,83 Euro und diejenige des Beklagten mit 39,36 Euro jeweils unterhalb des Schwellenwertes von 750,-
Euro liegen. Die Berufung wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und nicht
von einer Entscheidung des Landessozialgerichtes, des Bundessozialgerichtes, des Gemeinsamen Senates der
Obersten Gerichtshöfe abweicht.