Urteil des SozG Lüneburg vom 05.01.2010

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Sozialgericht Lüneburg
Beschluss vom 05.01.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 44 AS 2011/09 ER
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 18. Dezember 2009 wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu
erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin die Gewährung eines Darlehns zur Begleichung von
Vermieterforderungen.
Die am 17. November 1961 geborene Antragstellerin lebt inzwischen von ihrem Ehemann getrennt. In Vorbereitung der
Trennung hatte sich die Antragstellerin am 10. März 2008 nach einem Anspruch auf Arbeitslosengeld II erkundigt und
nach Vorlage der Vermieterbescheinigung wurde sie mit Schreiben vom 8. Mai 2008 darauf hingewiesen, dass die
Miete (Kaltmiete inkl. Nebenkosten) bis zur Höhe von 350,- EUR und Heizkosten (ohne Warmwasser) bis zu 41,- EUR
in die Berechnung der Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch –
Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) aufgenommen werden könne. Sie bezog zum 1. Juni 2008 eine ca. 44
qm große Wohnung im C. in D ... Die monatliche Grundmiete beträgt 340,- EUR, auf die Betriebskosten war zunächst
eine monatliche Vorauszahlung von 20,- EUR und auf die Heizkosten von 35,- EUR zu zahlen. Zusätzlich betrug die
an den Vermieter zu entrichtende Vorauszahlung auf die Kosten des eigenen Stromverbrauchs 35,- EUR.
Auf ihren Antrag bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin ab 1. Juni 2008 Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts in Höhe der Regelleistung und Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 385,- EUR (Grundmiete
zuzüglich Nebenkosten 350,- EUR, Heizkosten 35,- EUR). Leistungen in dieser Höhe zahlte die Antragsgegnerin für
die folgenden Bewilligungsabschnitte weiter. Zuletzt bewilligte sie mit Änderungsbescheid vom 2. November 2009 und
Bewilligungsbescheid vom 30. November 2009 für die Zeit vom 1. November 2009 bis 31. Mai 2010 als Kosten für
Unterkunft und Heizung einen Betrag von 402,- EUR (Grundmiete einschließlich Nebenkosten von 358,- EUR,
Heizkosten von 44,- EUR).
Mit Schreiben vom 16. Oktober 2009 rechnete der Vermieter die Nebenkosten für die Zeit vom 1. September 2008 bis
31. August 2009 ab und forderte eine Nachzahlung von 1.128,58 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Abrechnung vom 16. Oktober 2009 nebst Anlagen (Blatt 120 ff. Verwaltungsakte) Bezug genommen. Auf den Antrag
auf Kostenübernahme bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Bescheid vom 2. November 2009 einen
Betrag von 243,14 EUR. Dabei berücksichtigte sie die gesamten Heizkosten unter Abzug geleisteter Abschläge sowie
zusätzliche Nebenkosten von 64,- EUR, da ab 1. Januar 2009 eine monatliche Kaltmiete inkl. Nebenkosten von 358,-
EUR gewährt werden können. Den Betrag überwies sie auf das Konto des Vermieters.
Dieser forderte mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 den noch offenen Betrag von 885,44 EUR. Mit Bescheid vom
18. Dezember 2009 lehnte die Antragsgegnerin die Übernahme der Stromnachzahlung in Höhe von 708,58 EUR ab, da
Stromkosten bereits in der Regelleistung enthalten seien.
Die Antragstellerin beantragte daraufhin am 18. Dezember 2009 die Übernahme der Restforderung in Höhe von 885,44
EUR als Darlehn. Sie trägt vor, der Vermieter habe angekündigt, dass er die Wohnung kündigen werde, wenn sie die
Restzahlung nicht leiste. Auf Ratenzahlung oder Stundung lasse er sich nicht (mehr) ein. Sie habe die Gewährung des
Darlehns bei der Antragsgegnerin beantragt, ihr sei mündlich mitgeteilt worden, dass dem Antrag nicht entsprochen
werden könne.
Die Antragstellerin beantragt schriftlich, die Antragsgegnerin im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zu
verpflichten, ihr einen Betrag von 885,44 EUR als Darlehn zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Auffassung, es bestehe kein Anordnungsgrund. Das Recht, das Mietverhältnis aus wichtigem Grund
außerordentlich fristlos gemäß § 543 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu kündigen, bestehe nach herrschender
Meinung nicht bei einem Rückstand von Betriebskosten aufgrund von Abrechnungen. Darüber hinaus lägen die
Voraussetzungen für eine Darlehnsgewährung nach § 23 Abs. 1 SGB II nicht vor. Erforderlich sei, dass wegen der
Stromschulden die Sperrung der Stromversorgung drohe und damit eine der Sicherung der Unterkunft vergleichbare
Notlage vorliege. Dies komme nicht in Betracht, da der Vertragspartner des Energieversorgers der Vermieter der
Antragstellerin ist und dieser die Stromkosten verauslagt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakte und
die Leistungsakte der Antragsgegnerin (C.) Bezug genommen.
II.
Der als Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Antrag hat keinen
Erfolg.
Nach der genannten Vorschrift kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen
Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
erscheint. Die Anwendung der Vorschrift setzt neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung
(Anordnungsgrund) voraus, dass der Rechtsschutzsuchende mit Wahrscheinlichkeit einen Anspruch auf die begehrte
Regelung hat (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b
Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Diese Voraussetzungen liegen nicht
vor.
Ein Anspruch auf Übernahme der Restzahlung der Neben- und Stromkosten in Höhe von insgesamt 885,44 EUR
ergibt sich nicht aus § 22 Abs. 1 SGB II. Danach werden die Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der
tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Haushaltsenergie (hier: Strom) ohne die auf die
Heizung entfallenden Anteile sind gemäß § 20 Abs. 1 SGB II von der Regelleistung umfasst und gehören somit nicht
zu den Kosten der Unterkunft und Heizung.
Die Heizkosten in Höhe von insgesamt 599,14 EUR hat die Antragsgegnerin vollständig mit den monatlichen
Vorauszahlungen in Höhe von 35,- EUR und der Nachzahlung des Restbetrages in Höhe von 179,14 EUR
übernommen.
Weitere Kosten der Unterkunft hat die Antragsgegnerin nicht zu übernehmen, da die Antragsgegnerin hierfür bereits
insgesamt 350,- EUR bzw. ab 1. Januar 2009 358,- EUR gezahlt hat. Die darüber hinaus entstandenen Kosten sind
nicht angemessen, wie die Antragsgegnerin unter Berufung auf die sich aus der Anlage zum Wohngeldgesetz (a.F.)
bzw. § 12 Wohngeldgesetz in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung glaubhaft gemacht hat. Da der Antragstellerin
die Unangemessenheit der Unterkunftskosten vor dem Einzug bekannt war, können höhere Kosten auch nicht nach §
22 Abs. 1 Satz 3 SGB II für eine längere Übergangszeit als bis September 2008 übernehmen werden.
Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch auf Gewährung eines Darlehns gemäß § 23 Abs. 1 SGB II glaubhaft
gemacht. Danach kann im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer
Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts, der weder durch das Vermögen noch auf andere Weise gedeckt werden
kann, durch die Antragsgegnerin als Darlehn gewährt werden. Das Darlehn wird durch monatliche Aufrechnung in Höhe
von bis zu 10 v.H. der zu zahlenden Regelleistungen getilgt. Da die Kosten der Haushaltsenergie Teil der
Regelleistung sind, kann ein unabweisbarer Bedarf entstehen, wenn die monatlichen Energiekostenabschläge - wie
hier - zwar gezahlt wurden, aber dennoch Mehrkosten wegen Energiekostenrückständen entstehen. Erforderlich ist
aber, dass wegen der Stromschulden die Sperrung der Stromversorgung droht und damit eine der Sicherung der
Unterkunft vergleichbare Notlage vorliegt (Lang/Blügel in: Eicher/Spellbrinck, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 23 Rn 25 a).
Gleiches gilt für eine Übernahme der Rückstände bei den Betriebskosten im Rahmen des § 22 Abs. 5 SGB II. Diese
Voraussetzungen hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Bisher hat der Vermieter nicht angedroht, die
Stromzufuhr zu unterbrechen. Er hat auch nicht die Kündigung der Wohnung in Aussicht gestellt, die, nach
herrschender Meinung, wegen Rückständen der Nachzahlung von Betriebskosten aufgrund von Abrechnungen nicht
zulässig ist (Weidenkaff in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Aufl. 2010, § 543, Rn 23). Nur unter diesen engen
Voraussetzungen besteht für die Übernahme von Schulden als Darlehn aber eine gesetzliche Grundlage.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG entsprechend.