Urteil des SozG Lüneburg vom 19.11.2009

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Sozialgericht Lüneburg
Urteil vom 19.11.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 28 AS 1466/08
1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 03. Mai 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 14. August 2008 verurteilt, den Klägern zu 2. bis 4. im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach
dem SGB II als Umzugskosten einen weiteren Betrag von 25,68 Euro zu gewähren. 2. Die Beigeladene wird verurteilt,
der Klägerin zu 1. im Rahmen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII als
Umzugskosten einen weiteren Betrag von 8,56 Euro zu gewähren. 3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 4. Die
Beklagte hat den Klägern zu 2. bis 4. 10 Prozent und die Beigeladene der Klägerin zu 1. 10 Prozent ihrer
außergerichtlichen Kosten zu erstatten. 5. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger erstreben von der Beklagten im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II die
Übernahme höherer Umzugskosten in Höhe nunmehr weiterer 263,10 Euro.
Die M. geborene Klägerin zu 1., ihr N. geborener Ehemann, der Kläger zu 2., und ihre O. und P. geborenen Kinder, die
Kläger zu 3. und 4., sind libanesische Staatsangehörige und beziehen seit dem Jahre 2006
Grundsicherungsleistungen.
Die Kläger bewohnten seit Juli 2006 eine 80,58 m² große 3-Zimmer-Wohnung in der Q. in R. zu einem monatlichen
Kaltmietzins von 453,50 Euro, Nebenkostenabschlägen von 124,- Euro und Heizkostenabschlägen von 78,- Euro (vgl.
Mietvertrag Bl. 5 bis 8 der Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 14. Februar 2006 (Bl. 34 der Verwaltungsakte) bewilligte die Beklagte den Klägern für die Zeit von
März bis August 2006 Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 356,72 Euro.
In der Folgezeit wurde in der Wohnung Schimmelbefall festgestellt.
Die Kläger unterbreiteten der Beklagten ab dem 21. Januar 2008 Angebote für die Inanspruchnahme von
Umzugsunternehmen.
Die Kläger verzogen in der Zeit vom 25. bis 28. Januar 2008 in eine Wohnung in der S. in R ... Dabei wurden zwei
Helfer aus T. und U. tätig.
Die Kläger beantragten am 04. Februar 2008 die Kostenübernahme für den Umzug.
Mit Bescheid vom 06. Februar 2008 (Bl. 224 der Verwaltungsakte) bewilligte die Beklagte den Klägern für den Umzug
eine Anhängeranmietung für 20,- Euro bzw. 27,- Euro und Benzinkosten von 33,01 Euro.
Dagegen legten die Kläger unter dem 05. März 2008 Widerspruch ein, welchen sie damit begründeten, dass
Fahrtkosten der zwei Umzugshelfer zu erstatten seien, und zwar in Höhe von 114,- Euro. Ferner beanspruchten sie
Unterbringungskosten von 120,- Euro, das heißt 20,- Euro pro Übernachtung. Ferner sei Verpflegungsaufwand von
168,- Euro, also 24,- Euro pauschal täglich zu gewähren.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2008 zurück und begründete dies im
Wesentlichen folgendermaßen:
Wohnungsbeschaffungskosten könnten bei vorheriger Zusicherung übernommen werden, wobei aber die Pflicht zur
Selbsthilfe zu beachten sei. Die zwei Umzugshelfer seien aus Gefälligkeit tätig geworden, wobei dies regelmäßig
unentgeltlich geschehe. Für vier Tage seien nach dem Regelsatz 17,12 Euro für eine Person zur Ernährung
vorgesehen.
Dagegen haben die Kläger am 12. September 2008 Klage erhoben.
Sie tragen vor:
Der Umzug sei notwendig gewesen. Die Kläger hätten zum Umzug aufgrund körperlicher Beschwerden nicht selbst
beitragen können. Es seien Fahrkosten und Verpflegung der Helfer zu übernehmen. Dies sei gesellschaftlich üblich.
Es bestehe ein erheblich höherer Kalorienbedarf als im Regelsatz enthalten sei für Umzughelfer. Unter
Zugrundelegung der Sozialversicherungsentgeltverordnung sei ein Betrag von 68,40 Euro zu ersetzen.
Übernachtungskosten seien in Gestalt von Fahrkosten entstanden, weil die Umzugshelfer am Freitag und
Samstagabend zu V. nach T. gefahren seien und dort übernachtet hätten. Es seien dafür 194,70 Euro, das heißt 0,30
Euro pro Kilometer zu gewähren. Die Fahrtkostenpauschale dürfe nicht auf 0,20 Euro begrenzt werden, da das SGB II
nicht für die Umzugshelfer gelte. Eine gesetzliche Regelung für diesen Fall existiere nicht. Die Beklagte hätte feste
Regeln aufstellen müssen hinsichtlich des Anfahrtsortes von Helfern. Die Kosten des Umzugs beliefen sich auf
weniger als 20 Prozent als für ein Umzugsunternehmen notwendig geworden wäre.
Die Kläger beantragen nunmehr,
1. die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 03. Mai 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.
August 2008 zu verurteilen, den Klägern zu 2. bis 4. im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem
SGB II als Umzugskosten einen weiteren Betrag in Höhe von 197,33 Euro für Fahrt-, Verpflegungs- und
Unterbringungskosten der zwei Umzugshelfer zu gewähren und 2. die Beigeladene zu verurteilen, der Klägerin zu 1.
im Rahmen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII als Umzugskosten einen
weiteren Betrag in Höhe von 65,77 Euro für Fahrt-, Verpflegungs- und Unterbringungskosten der zwei Umzugshelfer zu
gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt unter Bezugnahme auf die erlassenen Bescheide vor:
Es werde angezweifelt, dass die Fahrten notwendig gewesen seien. Gleiches gelte für die Dauer des Umzuges bei
einer Entfernung der Wohnungen von etwa 250 Meter. Über die verauslagten Kosten lägen zudem keine Nachweise
vor. Eine Fahrkostenpauschale von 0,30 Euro sei überhöht. Es bestehe die Selbsthilfeobliegenheit. Hinsichtlich der
Übernahmefähigkeit von Umzugshelfern gebe es keine rechtliche Grundlage.
Die Beigeladene trägt vor:
Die entstandenen Kosten seien nicht erforderlich gewesen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, den Inhalt
der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat teilweise insoweit Erfolg, als den Klägern 34,24 Euro an Aufwandsentschädigung für die beiden
Umzugshelfer zu gewähren sind.
Im Übrigen hat die Klage keinen Erfolg.
Die Klage ist zulässig.
Die gebildete ARGE ist ungeachtet ihrer Verfassungswidrigkeit weiterhin beteiligtenfähig (vgl. Urteil des
Bundesverfassungsgerichtes vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04 -).
Die Klage ist teilweise begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 03. Mai 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2008 erweist
sich im tenorierten Umfang als rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in eigenen Rechten.
Rechtsgrundlage der angegriffenen Bescheide hinsichtlich der Kläger zu 2. bis 4. ist § 22 Absatz 3 SGB II.
Nach Satz 1 dieser Norm können Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch
den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger übernommen werden; eine Mietkaution kann bei
vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger übernommen werden.
Gemäß Satz 2 der Norm soll die Zusicherung erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger
veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem
angemessen Zeitraum nicht gefunden werden kann.
Notwendig ist ein Umzug dann, wenn der Auszug aus der bisherigen Unterkunft zur Senkung der Aufforderungen
erforderlich ist und der Einzug in eine kostenangemessene Unterkunft erfolgt (vgl. LPK/SGB II/Berlit § 22, Rd. 107).
Zu den notwendigen Kosten eines Umzugs können grundsätzlich die Kosten eines Umzugsunternehmens zählen (vgl.
GK/SGB II/Hohm/Frank § 22, Rd. 69). Der Betroffene muss aber im Rahmen seiner Selbsthilfeverpflichtung (§ 2
Absatz 1 Satz 1 SGB II) sämtliche zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um die Kosten so gering wie möglich zu
halten und auch Freunde oder Bekannte als Helfer ansprechen (vgl. LPK/SGB II/Berlit § 22, Rd. 111).
Ob die Aufwendungen kostenangemessen und notwendig waren, insbesondere mit Blick auf § 22 Absatz 3 Satz 2
SGB II, nach dem ohne die Zusicherung nicht angemessener Zeit eine Unterkunft hätte gefunden werden können,
scheitert der Tatbestand des § 22 Absatz 2 Satz 1 SGB II bereits am fehlenden Tatbestandsmerkmal der
Zusicherung.
Die Entscheidung steht im Ermessen des Leistungsträgers und setzt eine Zusicherung zwingend voraus, welche
einen Verwaltungsakt darstellt (vgl. Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichtes vom 26. Oktober 2009 - L 3
AS 20/09 -; Gagel/Lauterbach, Kommentar zum SGB III, § 22, Rd. 89, 92; GK/SGB II/Hohm/Frank § 22, Rd. 70). Die
Zusicherung ist Anspruchsvoraussetzung (vgl. Urteil des Bundessozialgerichtes vom 07. November 2006 - B 7b AS
10/06 R -; Urteil des Landessozialgerichtes Nordrhein-Westfalen vom 02. März 2009 - L 19 AS 61/08 -; Urteil des
Landessozialgerichtes Baden-Württemberg vom 30. Juli 2008 - L 7 AS 2809/08 ER-B - und Beschluss des
Landessozialgerichtes Berlin-Brandenburg vom 08. August 2007 - L 5 B 621/07 AS PKH -;
Eicher/Spellbrink/Lang/Link, Kommentar zum SGB II, § 22, Rd. 82).
Die Zusicherung muss sich auf die konkreten Aufwendungen für den Umzug beziehen, weil sonst das
Zusicherungsverfahren seine Funktion nicht erfüllen kann, zum einen den Leistungsberechtigten über die
Übernahmefähigkeit der Umzugskosten zu informieren und der Beklagten eine Entscheidung über die
übernahmefähigen Kosten jeweils vor Eingehung der Verbindlichkeiten zu ermöglichen.
Im Rahmen der Selbsthilfeobliegenheit ist dem Hilfebedürftigen ein Umzug mit Selbstorganisation und Durchführung
zuzumuten (vgl. LPK/SGB II/Berlit § 22, Rd. 111). Dabei darf er sich Familienangehöriger oder Bekannter als
Umzugshelfer bedienen.
Die Übernahme von Fahrt- und Unterbringungskosten scheitert unabhängig von der Frage der Notwendigkeit einer
Zusicherung, welche für diese Aufwendungen nicht erteilt wurde. Die Zusicherung kann diesbezüglich ihre
Aufklärungs- und Warnfunktion nicht entfalten.
Anerkannt ist, dass den Umzugshelfern eine Aufwandsentschädigung zusteht (vgl. Urteil des Sozialgerichtes Dresden
vom 15. August 2005 - S 23 4303/97 -; Gagel/Lauterbach § 22, Rd. 87). Die Kammer hält es für angemessen, den
Regelsatzbetrag für Nahrung anzusetzen, das heißt 4,28 Euro täglich, das heißt für zwei Helfer an vier Tagen
pauschal 34,24 Euro. Ein Viertel der Kosten entfiele auf die Klägerin zu 1., so dass die Beigeladene nach §§ 41, 42
Satz 1 Nr. 2, 29 Absatz 1 Satz 7 SGB XII entsprechend zu verurteilen war. Dies ist gemäß § 75 Absatz 5 SGG
möglich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Absatz 1 SGG. Auch der Beigeladene ist anteilig Kostenschuldner (vgl.
Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, § 193, Rd. 11).
Gemäß § 144 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, Absatz 2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, weil hier jeweils die
Beschwer der Kläger mit 228,86 Euro, der Beklagten mit 25,68 Euro und der Beigeladenen mit 8,56 Euro unterhalb
des Schwellenwertes von 750,- Euro liegt. Die Berufung wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine
grundsätzliche Bedeutung hat und nicht von einer Entscheidung des Landessozialgerichtes, des
Bundessozialgerichtes, des Gemeinsamen Senates der Obersten Gerichtshöfe oder des Bundesverfassungsgerichtes
abweicht sowie auf dieser Abweichung beruht.