Urteil des SozG Lüneburg vom 09.02.2010

SozG Lüneburg: aufschiebende wirkung, heizung, einkünfte, leistungsanspruch, vollziehung, unterkunftskosten, erlass, zukunft, verwaltungsakt, arbeitsförderung

Sozialgericht Lüneburg
Beschluss vom 09.02.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 44 AS 1921/09 ER
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 27. November 2009 gegen den Bescheid vom 9. November 2009
wird für den Monat Dezember 2009 angeordnet. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller für die Zeit vom 1.
Dezember bis 31. Dezember 2009 Leistungen in Höhe von 331,17 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird der Antrag
abgelehnt. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu
erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihm ab 1.
Dezember 2009 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB
II) zu gewähren.
Der 1980 geborene Antragsteller lebt mit der 1985 geborenen Frau D. in einer Bedarfsgemeinschaft. Sie bewohnen
eine 90 qm große Mietwohnung. Die Grundmiete beträgt 550,- EUR, die Vorauszahlung für Neben- und Heizkosten
170,- EUR.
Mit Bescheid vom 25. August 2009/Änderungsbescheid vom 22. September 2009 bewilligte die Antragsgegnerin dem
Antragsteller und Frau D. für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 31. März 2010 Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts. Der Antragsteller hatte danach für die Zeit vom 1. November 2009 bis 31. Januar 2010 einen
Anspruch auf Kosten der Unterkunft und Heizung von 11,17 EUR und auf einen befristeten Zuschlag nach Bezug von
Arbeitslosengeld nach § 24 SGB II von 320,- EUR. Im Februar wurde ein anteiliger Zuschlag von 192,- EUR und ab
März von 160,- EUR festgesetzt. Dabei berücksichtigte die Antragsgegnerin als Kosten der Unterkunft und Heizung
680,- EUR. Unter Berücksichtigung eines Nettoeinkommens von Frau D. von 1.700,- EUR rechnete sie auf den
Leistungsanspruch ein Gesamteinkommen von 1.303,67 EUR an.
Mit Schreiben vom 22. Oktober 2009 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, die Unterkunftskosten auf
den für einen Zwei-Personen-Haushalt in der Stadt Winsen für eine Wohnfläche bis maximal 60 qm angemessene
Kaltmiete zuzüglich Betriebskosten von 546,- EUR zu senken. Das Schreiben enthielt die Aufforderung, Bemühungen
um angemessenen Wohnraum zum 30. November 2009 nachzuweisen; wenn keine Nachweise eingereicht werden,
würden ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt nur noch Unterkunftskosten in angemessener Höhe berücksichtigt werden
können. Der Antragsteller teilte am 28. Oktober 2009 mit, dass er in der jetzigen Wohnung bleiben möchte, da er
davon ausgehe, in Kürze wieder zu arbeiten. Daraufhin hob die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 9. November 2006
die Bewilligung von Arbeitslosengeld II ab 1. Dezember 2009 ganz auf. Zur Begründung führte sie aus, ab dem 1.
Dezember 2009 werden die Unterkunftskosten nur noch in Höhe des Miethöchstsatzes für zwei Personen von 546,-
EUR gewährt, wodurch der Leistungsanspruch entfalle. Hiergegen legte der Antragsteller am 27 November 2009
Widerspruch mit der Begründung ein, dass verschiedene, privilegierte Verpflichtungen seiner Lebensgefährtin ebenso
wie die zusätzlichen Belastungen hinsichtlich des Umgangs mit seinem Sohn E. nicht berücksichtigt worden seien.
Am 9. Dezember 2009 hat der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel begehrt, die Antragsgegnerin zu
verpflichten, die bewilligten Leistungen weiter zu gewähren. Er überreicht die an den Vater der Lebensgefährtin
gerichtete Beitragsberechnung der F. Lebensversicherungs AG, die Vereinbarung über die Entgeltumwandlung mit
dem Arbeitgeber und die Abrechnung des Depots bei der G. vom 15. Mai 2009. Er trägt vor, dass er ab 15. Dezember
2009 eine versicherungspflichtige Beschäftigung bei der H. GmbH aufnehme und überreicht die Verdienstabrechnung
für Dezember 2009 vom 14. Januar 2010. Er ist der Auffassung, dass ihm die Leistungen für Dezember 2009 und
zumindest Januar 2010 zustehen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Auffassung, ein Anspruch auf Leistungen bestehe zumindest ab Januar 2010 unter Berücksichtigung der
nachgewiesenen Einkünfte nicht.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Prozessakte
sowie die den Antragsteller betreffende Leistungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Der Antragsteller begehrt die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der mit
Änderungsbescheid vom 22. September 2009 bewilligten Höhe. Soweit die Antragsgegnerin die ursprüngliche
Bewilligung aufgehoben hat, muss sich der Antragsteller gegen die Vollziehung dieses Aufhebungsbescheides
wenden. Der Widerspruch gegen den Aufhebungsbescheid vom 9. November 2009 hat gemäß § 39 SGB II keine
aufschiebende Wirkung, so dass das Begehren des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß
§ 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG gerichtet ist. Das in diesem Sinne auszulegende Rechtsschutzbegehren hat nur für
den Monat Dezember 2009 Erfolg.
Die Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung steht im Ermessen des Gerichts. Dabei sind
einerseits das Interesse der Verwaltung an der - sofortigen Vollziehung der getroffenen Entscheidung - und
andererseits das Interesse des Antragstellers an der ungekürzten Auszahlung des Arbeitslosengeldes II
gegeneinander abzuwägen. Bei dieser Abwägung ist auf die Erfolgsaussicht des zugrundeliegenden Widerspruchs und
auf Billigkeitsgesichtspunkte abzustellen (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl., 2008, § 86 b, Rn 12 e ff.). Nach
der hiernach vorzunehmenden Interessenabwägung ist die aufschiebende Wirkung für Dezember 2009 anzuordnen,
weil sich die angefochtene Entscheidung voraussichtlich als rechtswidrig erweisen wird.
Die Bindungswirkung des Bewilligungs-(Änderungs-)bescheides vom 22. September 2009 kann nur bei Vorliegen der
Voraussetzungen der §§ 45 ff. des Zehnten Buches Sozialgesetzbuches – Verwaltungsverfahren - (SGB X) zu Lasten
des Antragstellers beseitigt werden.
Nach § 48 SGB X kommt eine Aufhebung bei einer Änderung der Verhältnisse in Betracht. Diese Voraussetzungen
liegen für den Monat Dezember nicht vor. Nach dieser Vorschrift (in Verbindung mit §§ 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II, 330
Abs. 3 Satz 11 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung) ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft
vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen,
die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine
derartige wesentliche Änderung liegt zum 1. Dezember 2009 nicht vor. Der Antragsteller ist weiter bedürftig, wohnt in
derselben Wohnung und hat die gleichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Gleiches gilt für die rechtlichen
Verhältnisse (gemeint: Änderung der maßgebenden gesetzlichen Vorschriften) im Vergleich zur Rechtslage bei Erlass
des Bescheides.
Daher ist es zweifelhaft, ob allein fehlende Bemühungen zur Kostensenkung eine Absenkung der Kosten der
Unterkunft und Heizung rechtfertigen. Dies kann vorliegend indes dahin stehen. Denn nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II
sind die Aufwendungen für die Unterkunft auch für die beiden folgenden Monate zu berücksichtigen, weil es der
Bedarfsgemeinschaft nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise
die Aufwendungen vor Ablauf der 6-monatigen Bestandsschutzklausel zu senken. Der Antragsteller hatte der
Antragsgegnerin bereits im Oktober 2009 mitgeteilt, dass er eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen
werde und in der Folge kein Leistungsanspruch mehr bestehe. Für die Zeit ab Februar 2010 ist dies unstreitig
eingetreten. Damit war es dem Antragsteller nicht zuzumuten, einen Umzug durchzuführen. Es wäre im Übrigen mit
der dann notwendigen Folge der Übernahme der Wohnbeschaffungs- und Umzugskosten auch für die Antragsgegnerin
unwirtschaftlich gewesen.
Mit den Einkünften ab Januar 2010 hat der Antragsteller keinen Leistungsanspruch glaubhaft gemacht. Der
Antragsteller hat einen Bedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe der Regelleistung von je 323,- EUR und der
tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung von 680,- EUR nachgewiesen. Dem stehen Einkünfte seiner
Lebensgefährtin gegenüber, die die Antragsgegnerin mit einem Nettoeinkommen von 1.700,- EUR berücksichtigt hat.
Der Antragsteller hat geringere Einkünfte nicht durch Vorlage einer Verdienstbescheinigung glaubhaft gemacht. Dass
es sich bei der Zahlung der F. Versicherung um nach § 11 Abs. 2 Nr. 4 SGB II geförderte Altersvorsorgebeiträge
handelt, die von ihr und nicht von ihrem Vater gezahlt werden, ist ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Ob die nach der
Gehaltsumwandlung seit Oktober 2009 durch den Arbeitgeber im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung an die
Pensionskasse der I. Organisation VVaG geleisteten Zahlungen zweckbestimmter Einkünfte im Sinne des § 11 Abs.
3 Nr. 1 a SGB II und daher nicht bei der Einkommensberechnung zu berücksichtigen sind (so Urteil des
Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz vom 25.11.2008 - L 3 AS 118/07 -), muss im Hauptsacheverfahren geklärt
werden. Bei Berücksichtigung der Unterhaltszahlungen in Höhe von 117,- EUR, die der Antragsteller bisher allerdings
nicht durch Kontoauszüge belegt hat, verbleibt für Januar 2010 kein Anspruch, der es rechtfertigt, im Rahmen des
Eilverfahrens dem Antragsteller Leistungen auszukehren. In soweit überwiegt das Interesse der Verwaltung an der
sofortigen Vollziehung der getroffenen Entscheidung.
Ab Februar 2010 ist davon auszugehen, dass der Antragsteller mit seiner Vollzeittätigkeit den Bedarf vollständig
decken kann. Insoweit dürfte daher die Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X nicht zu beanstanden sein,
weil in der Erzielung des Einkommens eine wesentliche Änderung liegt, die zum Wegfall des Anspruchs geführt hat.
Mit dem Wegfall des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II entfällt gemäß § 24 Abs. 1 SGB II auch der Anspruch auf den
befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.