Urteil des SozG Lüneburg vom 24.01.2007

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Sozialgericht Lüneburg
Urteil vom 24.01.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 24 AS 274/06
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Berufung wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt einen Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung.
Der Kläger bezieht Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – (SGB II). Er leidet seit mehreren Jahren
an einer Schuppenflechte. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung war der Kläger praktisch beschwerdefrei. Am
14.11.2005 beantragte er beim Beklagten die Gewährung eines Mehrbedarfs aufgrund kostenaufwendiger Ernährung
aus medizinischen Gründen.
Der Beklagte veranlasste daraufhin eine amtsärztliche Untersuchung, diese sollte im Januar 2006 stattfinden. Der
Kläger erschien jedoch bereits am 25.11.2005 beim Amtsarzt. Da er keinen Termin hatte, fand nur ein kurzer
Wortwechsel zwischen dem Kläger und dem Amtsarzt statt. Nach Sichtung der vorliegenden medizinischen
Unterlagen kam der Amtsarzt daraufhin zu dem Ergebnis, dass ein Mehrbedarf aufgrund kostenaufwändiger Ernährung
nicht bestünde. Denn eine besondere Ernährungsform für die Behandlung der festgestellten Krankheit sei nicht
bekannt.
Der Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit Bescheid vom 14.12.2005 ab. Er berief sich dabei auf die amtsärztliche
Stellungnahme, wonach eine spezielle Ernährung bei Schuppenflechte nicht erforderlich sei.
Hiergegen erhob der Kläger am 04.01.2006 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass er von dem zuständigen
Amtsarzt gar nicht untersucht worden sei. Am 25.11.2005 sei er beim Amtsarzt nur vorstellig geworden, um eine
Terminsverlegung vorzunehmen. Offensichtlich sei nur nach Aktenlage entschieden worden, was seinem Fall nicht
gerecht werde. Er fügte seinem Widerspruch ein Attest der behandelnden Hausärzte Dr. H. vom 3.1.06 bei, wonach
aufgrund der Erkrankung ein gewisser Mehrbedarf für den Lebensunterhalt entstehe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2006 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung
wurde ausgeführt, dass nach der eingeholten Stellungnahme des Amtsarztes festgestellt worden sei, dass durchaus
ein Begutachtungsgespräch stattgefunden habe. Bei diesem Begutachtungsgespräch habe der Kläger eine
Schuppenflechte nicht vorzeigen können. Nachdem auch die Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt worden
seien, habe der Amtsarzt die dort niedergelegten Erkenntnisse ausgewertet. Der Amtsarzt sei damit zu dem Ergebnis
gekommen, dass eine besondere Kostform, die Einfluss auf das Krankheitsgeschehen habe, nicht bekannt sei.
Am 07.03.06 fand dann eine amtsärztliche Untersuchung statt. Dabei fanden sich teils floride, teils in Abheilung
begriffene typische Herde von Schuppenflechte im Bereich des Kopfes sowie der Arme und der Beine. Dr. I. kam zu
dem Ergebnis, dass ein besonderer Mehrbedarf nicht entstünde. Zwar sei die Intensität der Schuppenflechte mit
Ernährungsfaktoren assoziiert, Mehrkosten entstünden dadurch aber nicht.
Am 10.03.2006 erhob der Kläger Klage. Er führt aus, dass erfahrungsgemäß eine spezielle Diät eine Besserung des
Hautverfalls durch Psoriasis bewirke. Bei einer regelmäßigen, guten Ernährung mit unbehandeltem Obst und Gemüse
aus biologischen Anbau sowie regelmäßiger Ernährung mit Vitamin D reichhaltigem Fisch, Geflügel und gelegentlich
Rindfleisch, verbessere sich das Hautbild deutlich. Kuhmilchprodukte sollten vermieden werden und stattdessen
Schafsmilchprodukte verwendet werden. Außerdem seien bestimmte Salben, Öle und Salzbäder hilfreich. Hilfreich sei
auch eine Bestrahlungstherapie mit UVA. Diese werde von der Krankenkasse nicht übernommen, weshalb er
regelmäßig auf eigene Kosten ein Sonnenstudio besuche. Der daraus resultierende ernährungsbedingte Mehrbedarf
belaufe sich auf 60,00 EUR pro Monat.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 14.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2006
aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger ab Antragstellung einen Mehrbedarfszuschlag für
kostenaufwendige Ernährung in Höhe von 60,00 EUR monatlich zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist darauf, dass die Ausführungen hinsichtlich der Bestrahlungen, Salben, Öle und Bäder irrelevant seien, da
ein Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 5 SGB II nur für eine kostenaufwendige Ernährung gewährt werden könne. Diese
Kosten seien von der Krankenkasse zu erstatten. Dass eine besondere Ernährung für den Kläger erforderlich sei, sei
hingegen nicht festgestellt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und
die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die dem Gericht bei der Entscheidungsfindung vorgelegen
haben.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Kläger ist in seinen Rechten nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt, da sich die
angegriffene Entscheidung des Beklagten als rechtmäßig erweist.
Die Erkrankung des Klägers führt nicht zu besonderen Kosten bei der Ernährung.
Gemäß § 21 Abs. 5 SGB II erhalten Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwendigen
Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Schuppenflechte begründet keine besondere Kostform.
Zur Bestimmung der Krankheitsbilder, bei denen eine besondere Kostform erforderlich ist, kann u.a. auf die
Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostenzulagen in der Sozialhilfe des Deutschen Verein für öffentliche
und private Fürsorge zurück gegriffen werden (Kleinere Schriften des Deutschen Vereins für öffentliche und private
Fürsorge – Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostenzulagen in der Sozialhilfe; 2. Auflage 1997). Ein
Beispiel für eine Krankheit, bei der eine besondere Ernährung erforderlich ist, ist Diabetes.
Nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins ist bei Schuppenflechte keine besondere Kostform indiziert (a.a.O.
Seite 74 ff). Auch in den einschlägigen Publikationen, die in Foren des Internets einsehbar sind (siehe
www.psoriasiswelt.de; www.psoriasis-netz.de) wird ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Erkrankung und
der Ernährung nicht hergeleitet. Zwar berichten Betroffene, dass bestimmte Lebensmittel sich auf den
Krankheitszustand verschlimmernd auswirken. Diese Lebensmittel werden jedoch ganz uneinheitlich benannt. Die
Betroffenen erfahren die Erkrankung und die Auswirkung bestimmter Lebensmittel sehr unterschiedlich und individuell.
Hieraus ergeben sich auch keine Mehrkosten, da die entsprechenden Lebensmittel nur weggelassen werden müssen.
Umgekehrt ist nicht auszumachen, dass ganz bestimmte Lebensmittel die Krankheit abklingen lassen. Die
Empfehlungen zur Ernährung für Betroffene von Schuppenflechte entsprechen den ganz allgemeinen Empfehlungen
für eine gesunde Ernährung, beispielsweise viel Obst und Gemüse sowie Vollkornprodukte zu essen. Betroffene von
Schuppenflechte sollten sich deshalb so wie nicht Betroffene auch ernähren. Die Kosten hierfür sind von der
Regelleistung zu bestreiten.
Der Kläger hat selbst ausgeführt, dass erst die Kombination aus Ernährung, Bestrahlung und der Anwendung von
Medikamenten dazu führe, dass die Erkrankung abschwillt. Ein unmittelbarer oder gar ausschließlicher
Ursachenzusammenhang, wie es für den Mehrbedarf nach § 21 SGB II erforderlich ist, ergibt sich damit gerade nicht.
Auch aus dem Attest der behandelnden Hausärzte Dr. H. vom 3.1.06 geht nicht hervor, dass ein Mehrbedarf aufgrund
einer besonderen Ernährungsform vorliegt. Der Arzt führt nur allgemein aus, dass die Erkrankung einen gewissen
Mehrbedarf für den Lebensunterhalt begründe. Dies trifft sicherlich zu, da der Kläger beispielsweise regelmäßig ein
Sonnenstudio aufsucht und bestimmte Salben anwendet. Solche Kosten sind aber nicht über § 21 SGB II erfasst. Zu
denken wäre hier allenfalls an eine Erstattungspflicht des Beklagten nach § 23 Abs. 1 Satz 1SGB II, wonach im
Einzelfall ein von der Regelleistung umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des
Lebensunterhaltes in Form eines Darlehens zu gewähren ist. Letztlich scheitert jedoch hier die Erstattungspflicht an
den gleichen Kausalitätsproblemen, wie die Erstattungspflicht nach § 21 Abs. 5 SGB II. Denn auch hier ist nicht
nachgewiesen, dass der Besuch des Sonnenstudios oder die Anwendung von Salben ursächlich ist für die Genesung
des Klägers. Letztlich wären solche Aufwendungen, wenn sie zur Behandlung der Krankheit denn tatsächlich
notwendig wären, auch von den Krankenkassen zu erstatten. Zudem ist nicht zu erkennen, dass diese Kosten einen
unabwendbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts darstellen. Denn die Sicherung des Lebensunterhalts wird
nicht durch den Besuch von Sonnenstudios und die Anwendung von Salben sichergestellt. Sie ist auch ohne diese
Maßnahmen sichergestellt.
Schließlich ergibt sich eine Erstattungspflicht auch nicht nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Denn
die Regelungen des SGB II sind diesbezüglich abschließend, § 5 Abs. 2 SGB II.
Angesichts des aktuellen Gesundheitszustands des Klägers, nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen
Verhandlung ist die Erkrankung derzeit nicht akut und es geht ihm gut, ergeben sich aus diesem Ergebnis auch keine
unverhältnismäßigen oder unzumutbaren Konsequenzen für den Kläger.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann nicht mit der Berufung angefochten werden, weil sie gesetzlich ausgeschlossen und vom
Sozialgericht nicht zugelassen worden ist.
Die Nichtzulassung der Berufung kann mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Georg-Wilhelm-Str. 1, 29223 Celle, oder bei
der Zweigstelle des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, Am Wall 201, 28195 Bremen, innerhalb eines
Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten einzulegen.
Die Beschwerde soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und
Beweismittel angeben.
Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass
1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2.) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts,
des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des
Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3.) ein der Beurteilung des
Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung
beruhen kann.
Auf Antrag kann vom Sozialgericht durch Beschluss die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen werden, wenn
der Gegner schriftlich zustimmt. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung
des Urteils bei dem Sozialgericht Lüneburg, Lessingstraße 1, 21335 Lüneburg, schriftlich zu stellen. Die Zustimmung
des Gegners ist dem Antrag beizufügen. Ist das Urteil im Ausland zuzustellen, so gilt anstelle der oben genannten
Monatsfristen eine Frist von drei Monaten.
Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung
dieser Entscheidung der Lauf der Frist für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung von neuem, sofern
der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des
Gegners beigefügt war.
J.