Urteil des SozG Lüneburg vom 24.01.2008

SozG Lüneburg: schweigen des gesetzes, aufwand, gebühr, vergütung, gesetzeslücke, ermessen, gleichbehandlung, zivilprozessordnung, vorverfahren, verzinsung

Sozialgericht Lüneburg
Beschluss vom 24.01.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 6 SF 29/07
Auf die Erinnerung der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle
vom 08. März 2007 - S 6 SB 199/06 - werden die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden
außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits endgültig auf einen Betrag in Höhe von 573,91 EUR festgesetzt. Dieser
Betrag ist seit dem 09. Februar 2007 mit jährlich fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Im
Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der der Klägerin und Erinnerungsführerin (im Folgenden: Klägerin) von dem
Beklagten und Erinnerungsgegner (im Folgenden: Beklagter) im Rahmen des Gesetzes über die Vergütung der
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG)) zu erstattenden außergerichtlichen
Kosten des Rechtsstreits. Dabei steht (lediglich noch) die Bemessung der fiktiven Terminsgebühr im Streit.
Im zugrunde liegenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Lüneburg (Az.: S 6 SB 199/06) begehrte die Klägerin im
Wesentlichen die Feststellung der medizinischen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG"
(außergewöhnliche Gehbehinderung) im Rahmen eines Verfahrens nach den Vorschriften des Neunten Buches
Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX). Nach Vorlage eines ärztlichen
Gutachtens der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 10. August 2006 durch die Klägerin gab der Beklagte mit
Schriftsatz vom 17. Januar 2007 ein umfassendes Anerkenntnis ab, verpflichtete sich, bei der Klägerin die
medizinischen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" ab März 2005 festzustellen und erklärte
sich ferner bereit, die Kosten des Rechtsstreits in voller Höhe zu erstatten. Dieses Anerkenntnis nahm die Klägerin
zur Gesamterledigung des Rechtsstreits mit Schriftsatz vom 07. Februar 2007 an.
Mit Schriftsatz vom gleichen Tage hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Festsetzung von Kosten für das
Widerspruchs- und das Klageverfahren in Höhe von insgesamt 805,93 EUR beantragt, wobei er die hier noch allein
streitige Terminsgebühr mit einem Betrag in Höhe von 200,00 EUR geltend machte.
Mit Beschluss vom 08. März 2007 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die von dem Beklagten der Klägerin zu
erstattenden außergerichtlichen Kosten auf insgesamt einen Betrag in Höhe von 478,71 EUR festgesetzt und dabei
für das Klageverfahren eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG in Höhe von 20,00 EUR zugrunde gelegt.
Hinsichtlich der Terminsgebühr richte sich deren Höhe nach dem Aufwand, den der Prozessbevollmächtigte in einem
fiktiven Termin entfaltet hätte. Dieser Umstand rechtfertige unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens -
gerichtet auf die Schaffung eines Anreizes für den Rechtsanwalt, ein Anerkenntnis auch außerhalb einer mündlichen
Verhandlung anzunehmen – nur die Zuerkennung der Mindestgebühr. Bei diesem Sachverhalt brauchte es keinen
Anreiz für den Rechtsanwalt, ein Anerkenntnis außerhalb eines Gerichtstermins für die Mandantschaft anzunehmen.
Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 16. März 2007 die Entscheidung des Gerichts beantragt.
Die Kürzung der Terminsgebühr sei rechtswidrig, weil sie mit der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren sei. Der
Gesetzgeber habe sich bewusst dafür entschieden, dass die Terminsgebühr im vollen Umfang auch ohne mündliche
Verhandlung entstehe, was sich insbesondere auch aus den Motiven des Gesetzgebers entnehmen lasse. Ferner
müsse eine Gleichbehandlung von bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, bei denen nach der Gebührenziffer 3104 immer
die volle Terminsgebühr mit 1,2 anfalle, und sozialgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten erreicht werden. Daher sei zur
Gleichbehandlung aller Gerichtszweige immer von der Mittelgebühr auszugehen.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat nicht abgeholfen (23. März 2007).
II.
Die gemäß § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Erinnerung ist teilweise begründet.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die hier einzig streitige Gebührenposition der Terminsgebühr zu Unrecht
lediglich auf einen Betrag in Höhe der Mindestgebühr festgesetzt. Die Terminsgebühr ist in Höhe von 100,00 EUR
festzusetzen; der darüber hinausgehende Antrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist demgegenüber unbillig.
Die Höhe der nach Durchführung eines Sozialgerichtsverfahrens zu erstattenden Gebühr bestimmt sich grundsätzlich
nach dem für die anwaltliche Tätigkeit im Verfahren vor den Sozialgerichten vorgesehenen Gebührenrahmen (§ 3 Abs.
1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte - Rechtsanwaltsvergütungsgesetz –
(RVG)). Die Bestimmung der im Einzelfall angemessenen Gebühr ist gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 RVG dem billigen
Ermessen des Prozessbevollmächtigten überlassen, wobei nach dem Gesetzeswortlaut alle Umstände des
Einzelfalles, insbesondere der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der
Angelegenheit und die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers zu berücksichtigen sind. Das
Haftungsrisiko ist nach § 14 Abs. 1 S. 3 RVG zu berücksichtigen. Wenn die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen
ist, so ist die Gebührenbestimmung des Prozessbevollmächtigten gemäß § 14 Abs. 1 S. 4 RVG nicht verbindlich,
wenn sie unbillig ist. Der Prozessbevollmächtigte hat bei der Festsetzung der Gebühr Ermessen auszuüben und alle
Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (Hartmann, Kostengesetze, § 14 RVG, Rdnr. 12).
Die (hier allein in Streit stehende) Terminsgebühr ist dem Rahmen der Nr. 3106 des Vergütungsverzeichnisses (VV-
RVG) - Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG - zu entnehmen. Dieser sieht eine Gebührenspanne von 20,00 EUR bis 380,00
EUR vor. Erweist sich das Betreiben eines Geschäfts einschließlich der Information nach allen Kriterien des § 14
Abs. 1 RVG als durchschnittliche Leistung, ist die Mittelgebühr von 200,00 EUR angemessen. Liegen Schwierigkeit,
Wert und Bedeutung der Sache unter oder über diesem Mittelwert, bietet sich eine entsprechende Quotierung, mithin
eine Über- oder Unterschreitung dieser Mittelgebühr an.
Der Rechtsstreit wurde durch die Annahme eines Anerkenntnisses beendet, so dass ein Termin tatsächlich nicht
stattgefunden hat. Eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG ist dennoch entstanden.
Durch die Regelung der Nr. 3106 VV-RVG (Ziffern 1 bis 3) soll verhindert werden, dass gerichtliche Termine allein zur
Wahrung des Gebührenanspruchs stattfinden müssen; sie bietet einen Anreiz für den Rechtsanwalt, auf die
Durchführung des Termins zu verzichten. Die Anwendung der Grundsätze des § 14 RVG auf die "fiktive"
Terminsgebühr nach Ziffer 3106 Nr. 1 bis 3 VV RVG ist mit dem Problem behaftet, dass ein Termin tatsächlich nicht
stattgefunden hat und dessen Schwierigkeit und Aufwand für den Prozessbevollmächtigten damit nicht bewertet
werden können. Die Kammer teilt die Auffassung des Sozialgerichts Hannover (vgl. u. a. Beschluss vom 20.
Dezember 2005, - S 34 SF 119/05 -) und des Sozialgerichts Lüneburg (vgl. etwa Beschluss vom 29. August 2006, - S
5 SF 79/06 - und Beschluss vom 29. August 2006, - S 14 SF 42/06 –), wonach bei der Bemessung der
Terminsgebühr auf den hypothetischen Aufwand abzustellen ist, der bei Durchführung eines Termins im konkreten
Verfahrensstadium voraussichtlich entstanden wäre. Somit ist eine fiktive Vergleichsbetrachtung anzustellen, in
welcher Höhe ein Gebührenanspruch voraussichtlich entstanden wäre, wenn ein Termin stattgefunden hätte (vgl. auch
Beschlüsse des Sozialgerichts Lüneburg vom 19. April 2007 - S 15 SF 48/06, vom 20. April 2007 - S 15 SF 141/04,
vom 02. Mai 2007 - S 15 SF 51/06, vom 22. November 2007 - S 15 SF 81/07 sowie vom 17. Januar 2008 - S 15 SF
80/07).
Das Gesetz eröffnet in Ziffer 3106 VV-RVG daher erneut den Gebührenrahmen in vollem Umfang und knüpft nicht an
die Höhe der Verhandlungsgebühr an. Gäbe es für die Festlegung der Terminsgebühr nicht die Möglichkeit einer
eigenständigen Festsetzung unter Beachtung der in § 14 RVG festgelegten Kriterien, hätte es der Eröffnung eines
Gebührenrahmens nicht bedurft. Dafür spricht auch die Tatsache, dass der Normgeber in denjenigen Fällen, in denen
keine Betragsrahmengebühren entstehen, einen festen Wert – nämlich nach Nr. 3104 VV-RVG einen solchen von 1,2
– festgeschrieben hat. Daher ist es auch nicht gerechtfertigt – diese Auffassung vertritt der Beklagte offenbar in
sämtlichen diesen Problemkomplex betreffenden Kostenfestsetzungsverfahren – grundsätzlich nur die Mindestgebühr
in Höhe von 20,00 EUR anzuerkennen. Dabei verkennt der Beklagte völlig, dass auch bei der Bemessung der fiktiven
Terminsgebühr alle Kriterien des § 14 RVG in die Abwägung einzustellen sind. Anderenfalls hätte der Normgeber auch
bei der fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG einen bestimmten Betrag festgeschrieben wie er es
beispielsweise bei den Angelegenheiten der Beratungshilfe nach Nr. 2600 ff. VV-RVG, in Strafsachen bei den
Gebühren des gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalts nach den Nr. 4100 ff. VV-RVG oder den
sonstigen Verfahren nach den Nr. 6100 ff. VV-RVG geregelt hat. Auch wenn in diesen Verfahren keine
Betragsrahmengebühren nach § 3 RVG entstehen, war sich der Normgeber offensichtlich durchaus der Möglichkeit
der Festschreibung von Gebührenbeträgen bewusst.
Wenn danach auch bei der fiktiven Terminsgebühr von einem Gebührenrahmen zwischen 20,00 EUR und 380,00 EUR
auszugehen ist, ergibt eine auf einen hypothetischen Termin bezogene Abwägung der Kriterien des § 14 RVG, dass
insoweit eine insgesamt unterdurchschnittliche Angelegenheit vorliegt. Dem Anwalt steht die Mittelgebühr hinsichtlich
der Terminsgebühr für Termine mit durchschnittlicher Schwierigkeit, durchschnittlichem Aufwand und
durchschnittlicher Bedeutung für den Mandanten zu. Entscheidend ist eine Gesamtabwägung. Es müssen sämtliche
den Gebührenanspruch potentiell beeinträchtigenden Faktoren miteinander und gegeneinander im Einzelfall
abgewogen werden.
Unter Beachtung aller Abwägungskriterien, die für die Verfahrensgebühr nach der übereinstimmenden Auffassung der
Beteiligten die Mittelgebühr rechtfertigt, erscheint eine Terminsgebühr in Höhe der Hälfte der Mittelgebühr
angemessen.
Dabei ist der anwaltliche Aufwand für den nicht stattgefundenen - entbehrlichen - Termin als weit unterdurchschnittlich
zu werten. Bei der fiktiven Terminsgebühr nach Ziffer 3106 Nr. 3 VV RVG – also bei Erledigung durch angenommenes
Anerkenntnis – besteht die Besonderheit, dass ein Anerkenntnis vorliegt, das im (hypothetischen) Termin lediglich
noch der Annahme bedurft hätte, ein solcher Termin insoweit mit keinem besonderen Aufwand verbunden gewesen
wäre. Sinn und Zweck des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ist in erster Linie die sachgerechte Vergütung (des
Aufwands) für den Bevollmächtigten. Diese ist aber erfahrensgemäß sehr unterschiedlich, je nachdem, ob er an einer
mündlichen Verhandlung teilnehmen muss oder nicht. Nimmt der Mandant ein Anerkenntnis der Gegenseite an, führt
dies auch beim Bevollmächtigten zu einer erheblichen Reduzierung seines Aufwands in diesem Verfahren. Die
Annahme des Anerkenntnisses kann er dem Gericht in einem kurzen Schriftsatz mitteilen. Der im Vergleich zur
notwendigen Teilnahme einer mündlichen Verhandlung also deutlich verminderte Aufwand kann gebührenrechtlich
nicht außer Betracht bleiben. Unberücksichtigt bleiben darf dabei auch nicht, dass eine mündliche Verhandlung,
welche regelmäßig eine zusätzliche Vorbesprechung, Vorbereitung und Terminswahrnehmung mit - je nach Einzelfall
unterschiedlich aufwändigem - Hin- und Rückweg nicht stattgefunden hat. In der Zusammenschau sieht das Gericht
deshalb den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit insoweit als weit unterdurchschnittlich an.
Da bei der Bemessung auch der Terminsgebühr gemäß § 14 RVG jedoch – wie ausgeführt und von dem Beklagten
grundsätzlich übersehen – alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind, kann andererseits auch nicht
allein auf den zu erwartenden geringen Aufwand allein abgestellt werden.
Indes erscheint auch der Schwierigkeitsgrad eines entsprechenden Termins unterdurchschnittlich. Streitig war zwar
insoweit im Wesentlichen die Feststellung der medizinischen Voraussetzungen für die Zuerkennung des
Merkzeichens "aG". Gemessen an dem Schwierigkeitsgrad der sonstigen bei den Sozialgerichten zu verhandelnden
Rechtsstreitigkeiten auch im Schwerbehindertenrecht, in dem im Termin medizinische Unterlagen und regelmäßig ein
ausführliches schriftliches Sachverständigengutachten auszuwerten und zu erörtern sind sowie gegebenenfalls eine
Anhörung der Beteiligten erforderlich ist, weicht die Schwierigkeit eines solchen (fiktiven) Termins zweifelsfrei nach
unten ab. Auch und gerade darf bei der Bewertung des Schwierigkeitsgrades kostenrechtlich ferner nicht
unberücksichtigt bleiben, dass der Beklagte die Klägerin klaglos gestellt hat und es in einem etwaigen Termin lediglich
noch der Erklärung der Annahme des Anerkenntnisses bedurft hätte. Der vorliegende Termin wäre bezogen auf die
Höhe der Terminsgebühr nach alledem mit Sicherheit nicht durchschnittlich schwierig.
Wägt man die dargestellten unterdurchschnittlichen Anforderungen an die hypothetische anwaltliche Tätigkeit mit den
durchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und der etwas überdurchschnittlichen Bedeutung der
Angelegenheit für die Klägerin sowie das durchschnittliche Haftungsrisiko gegeneinander ab, ist das vorliegende
Streitverfahren hinsichtlich der Festsetzung der Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG in Höhe von 100,00 EUR -
mithin in Höhe der Hälfte der Mittelgebühr - kostenrechtlich angemessen erfasst.
Nur ergänzend bleibt im Hinblick auf die Einwände des Beklagten anzumerken, dass der Normgeber durch die
Absenkung des Gebührenrahmens bei der hier maßgeblichen Nr. 3106 VV-RVG im Gegensatz zu dem
Gebührenrahmen, der bei der Durchführung eines Termins zur mündlichen Verhandlung nach Nr. 3102 VV-RVG
regelmäßig zugrunde zu legen ist, offensichtlich schon berücksichtigt hat, dass der Anwalt für die Vorbereitung und
die Wahrnehmung des dann nicht stattfindenden Termins keinerlei Aufwand hat.
Die Kammer vermag im Übrigen auch die im Lichte des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gerügte Ungleichbehandlung
zu sonstigen Gerichtszweigen nicht zu erkennen, weil sich der Gesetzgeber – wie oben bereits ausgeführt – bewusst
für die Differenzierung zwischen Verfahren, in denen Wertgebühren entstehen und Verfahren, in denen
Betragsrahmengebühren entstehen, entschieden hat. Eine der Nr. 3104 VV-RVG entsprechende Regelung - Entstehen
einer 1,2-Gebühr in allen dort genannten Fällen - auch in den Fällen, in denen Betragsrahmengebühren entstehen,
enthält die Spezialvorschrift der Nr. 3106 VV-RVG ausdrücklich nicht. Daraus darf aber nicht der Schluss gezogen
werden, dass insoweit eine Gesetzeslücke besteht, die im Wege der Rechtsprechung geschlossen werden könnte.
Zur Ausfüllung von Regelungslücken sind die Richter nur berufen, wenn das Gesetz mit Absicht schweigt, weil es der
Rechtsprechung überlassen wollte, das Recht zu finden, oder das Schweigen des Gesetzes auf einem Versehen oder
darauf beruht, dass sich der nicht geregelte Tatbestand erst nach Erlass des Gesetzes durch eine Veränderung der
Lebensverhältnisse ergeben hat (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 10. Mai 1995 - 1 RK 20/94 -, BSGE 76, 109 ff.).
Weder liegt hier ein absichtliches oder ein versehentliches Schweigen des Gesetzes vor, noch ist nach Inkrafttreten
des RVG eine Gesetzeslücke durch eine Änderung tatsächlicher Umstände eingetreten. Der Gesetzgeber hat
vielmehr ausdrücklich in Nr. 3104 VV- RVG auf die Spezialvorschrift der Nr. 3106 VV-RVG verwiesen, sofern es sich
um ein sozialgerichtliches Verfahren handelt, in dem Betragsrahmengebühren entstehen und für diese Fälle einen
Gebührenrahmen vorgesehen. Hätte er eine der Nr. 3104 VV-RVG entsprechende Vorschrift auch für diese
sozialgerichtlichen Verfahren treffen wollen, hätte er - wie er das hinsichtlich Nr. 3104 VV-RVG geregelt hat - eine
entsprechende Regelung in der Nr. 3106 VV RVG treffen können.
Weil sämtliche andere Gebührenpositionen nicht im Streit standen, ergibt sich folgende Gesamtberechnung, wobei
zwischenzeitlich erfolgte Zahlungen noch zusätzlich zu berücksichtigen sind.
Vorverfahren:
Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2501 VV-RVG 150,00 EUR Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG 20,00 EUR
Dokumentenpauschale gemäß Nr. 7000 VV-RVG 27,25 EUR Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV-RVG 31,56 EUR
Zwischensumme 228,81 EUR
Klageverfahren:
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103 VV-RVG 170,00 EUR Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 (Ziffer 3) VV-RVG 100,00
EUR Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV-RVG 55,10 EUR
Zwischensumme 345,10 EUR
Gesamtbetrag 573,91 EUR
Der Ausspruch über die Verzinsung folgt aus § 197 Abs. 1 S. 2 SGG i. V. m. § 104 Abs. 1 S. 2 Zivilprozessordnung
(ZPO), wobei die zwischenzeitlich erfolgten Zahlungen entsprechend zu berücksichtigen sind.
Die Entscheidung ist gemäß § 197 Abs. 2 SGG endgültig.