Urteil des SozG Lüneburg vom 04.07.2006

SozG Lüneburg: fahrtkosten, nettoeinkommen, verfügung, bereinigung, arbeitsweg, pauschal, nebentätigkeit, freibetrag, fahren, erwerbstätiger

Sozialgericht Lüneburg
Gerichtsbescheid vom 04.07.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 24 AS 346/05
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über das Vorliegen von Hilfebedürftigkeit als Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen
zur Grundsicherung nach dem SGB II.
Der Kläger und seine Ehefrau bilden eine Bedarfsgemeinschaft. Im gemeinsamen Haushalt lebt außerdem einer der
Söhne. Dieser ist volljährig und bildet eine eigene Bedarfsgemeinschaft. Die Ehefrau des Klägers hat aus eigener
Erwerbstätigkeit ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 994,40 Euro. Die einfache Strecke zu ihrer
Arbeitsstelle beträgt 30 km. Für ebenfalls erforderliche Fährfahrten wendet die Ehefrau monatlich einen Betrag in Höhe
von 56,50 Euro auf. Der Kläger bezieht eine Unfallrente in Höhe von 202,30 Euro monatlich. Dem Kläger und seiner
Ehefrau wurden für den Zeitraum 1.1.2005 bis 30.4.2005 Leis-tungen nach dem SGB II in geringer Höhe bewilligt. Der
Fortzahlungsantrag vom 26.4.2005 wurde von der Beklagten mit der Begründung abgelehnt, der Kläger bzw. seine
Bedarfsgemeinschaft sei nicht hilfebedürftig. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid
vom 27.6.2005 als unbegründet zurückgewiesen. Am 14.7.2005 hat der Kläger Klage erhoben.
Er trägt vor, die Beklagte habe bei der Berechnung die tatsächlichen Fahrtkosten der Ehefrau nicht berücksichtigt.
Außerdem seien die Kosten der Unterkunft fehlerhaft ad-diert.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihm und seiner Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II
zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, auch nach der Korrektur des Additionsfehlers ergebe sich keine Hilfebe-dürftigkeit, da dem errechneten
Gesamtbedarf in Höhe von 847,01 Euro monatlich ein zur Verfügung stehendes Gesamteinkommen in Höhe von
911,75 Euro gegenüber ste-he.
Zum Vorbringen der Beteiligten und zu den Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die
vorliegende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Das erkennende Gericht hat die Beteiligten vor Entscheidung durch Gerichtsbescheid ordnungemäß angehört und
ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gegeben (§ 105 Abs. 1 SGG).
Entscheidungsgründe:
Gemäß § 105 SGG konnte das Gericht im vorliegenden Fall ohne mündliche Verhand-lung durch Gerichtsbescheid
entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierig-keiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der
Sachverhalt geklärt ist und die Be-teiligten vor Erlass ordnungsgemäß unter Angabe der entsprechenden Begründung
ge-hört wurden.
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Die Berechnungen der Beklagten sind zwar zu beanstanden, da sie nur die einfache Wegstrecke bei der Berechnung
der Fahrtkosten zugrunde gelegt hat. Auch bei korrek-ter Berechnung ergibt sich jedoch, dass das zur Verfügung
stehende Gesamteinkom-men der Bedarfsgemeinschaft den Bedarf übersteigt. Gemäß § 7 Abs. 1 SGB II erhalten
Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet
haben, erwerbs-fähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland
haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine
Eingliederung in Arbeit und den Lebensun-terhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht
oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder
aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von
anderen, insbesondere von Angehöri-gen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Nach Abs.2 sind bei
Personen, die einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Part-ners zu
berücksichtigen. Gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II sind vom Einkommen abzusetzen die mit der Erzielung des
Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben. Zur Ausführung des § 11 SGB II ist die Verordnung zur
Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichti-gung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld
II/Sozialgeld (ALG-VO) vom 20.10.2004 ergangen. Diese sieht in § 3 Nr. 3a lit. bb in der hier einschlägigen, bis zum
30.9.2005 geltenden Fassung vor, dass vom Einkommen Erwerbstätiger für die Beträge nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 des
SGB II für Wegstrecken zur Ausübung der Erwerbs-tätigkeit pauschal 0,06 Euro für jeden Entfernungskilometer der
kürzesten Straßenver-bindung abzusetzen sind. Die Beklagte hat ihrer Berechnung der Fahrtkosten der Ehe-frau eine
Entfernung von 36 km täglich zugrunde gelegt. Ferner ist sie von 21 Arbeitsta-gen im Monat ausgegangen. Daraus
errechnete die Beklagte eine monatliche Km-Fahrleistung von 36 x 21 = 756 km. Diese multipliziert mit 0,06 Euro
ergeben einen Be-trag in Höhe von 45,36 Euro. Die Beklagte hat dann die monatlichen Fährkosten in Hö-he von 56,50
Euro hinzu genommen und so monatliche Fahrtkosten in Höhe von 101,86 Euro errechnet und anerkannt. Dem
erkennenden Gericht ist allerdings nicht ersichtlich, warum nur die einfache Wegstrecke pro Arbeitstag in die
Berechnung einbezogen wurde. Nach der hier vertre-tenen Auffassung muss auch der Rückweg als Arbeitsweg
berücksichtigt werden. Damit verdoppelt sich die zu berücksichtigende Km-Leistung. Geht man noch dazu wie der
Kläger von 22 Arbeitstagen im Monat aus, ergeben sich damit Fahrtkosten in Höhe von 151,54 Euro monatlich. Auch
bei Einbeziehung der höheren Fahrtkosten ergibt sich jedoch keine Hilfebedürftig-keit. Der monatliche Gesamtbedarf
ist im Falle des Klägers und seiner Ehefrau auf 847,01 Euro (2 x 311,- Euro + 225,01 Euro anteilige Kosten der
Unterkunft) zu bezif-fern. Als Einkommen steht dem zunächst die Unfallrente in Höhe von 202,30 Euro ge-genüber.
Sodann ist ein durch die Beklagte korrekt bereinigtes Nettoeinkommen aus einer Nebentätigkeit des Klägers in Höhe
von 74,52 Euro zu berücksichtigen. Die Ehe-frau hat ein nicht bereinigtes Nettoeinkommen in Höhe von 994,40 Euro
monatlich. Die Beklagte hat von diesem die Werbungskostenpauschale in Höhe von 15,33 Euro, die
Versicherungspauschale in Höhe von 30,- Euro, die Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von 23,51 Euro, die
Riesterrente in Höhe von 20,- Euro und einen Freibetrag nach § 30 SGB II in Höhe von 168,78 Euro abgezogen.
Weitere Abzugskosten sind die Fahrtkos-ten. Nach der bisherigen Berechnung der Beklagten, die die Fahrtkosten mit
101,86 Euro berechnet hat, ergibt sich ein einzusetzendes Einkommen der Ehefrau in Höhe von 634,92 Euro und
damit ein Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 911,75 Euro. Werden bei der Bereinigung des
Nettoeinkommens der Ehefrau die vom Gericht ermittelten Fahrtkosten in Höhe von 151,54 Euro einbezogen,
verringert sich das einzusetzende Einkommen der Ehefrau auf 584,92 Euro und das Gesamtein-kommen der
Bedarfsgemeinschaft auf 861,74 Euro. Auch dieses Einkommen übersteigt den ermittelten Gesamtbedarf von 847,01
Euro. Selbst bei Annahme der günstigsten Umstände für den Kläger ergibt sich keine Hilfebe-dürftigkeit. Der Kläger
hat vorgetragen, seine Ehefrau müsse einmal in der Woche einen Umweg von 30 km fahren, da die Fähre nicht fahre.
Legt man dies der Fahrtkostenbe-rechnung zugrunde, sind nur für 18 Arbeitstage für den üblichen Hin- und Rückweg
72 km anzusetzen. Für 4 Arbeitstage beträgt die Wegstrecke dann insgesamt 102 km. Daraus ergibt sich eine
Gesamt-Fahrleistung von 1.704 km. Aus der Multiplikation mit den vorgesehenen 0,06 Euro/km zuzüglich der
monatlichen Fährkosten ergeben sich Fahrtkosten von monatlich 158,74 Euro. Wird dieser Betrag in die Bereinigung
des Net-toeinkommens der Ehefrau einbezogen, so hat dieser ein einzusetzendes Einkommen von 577,72 Euro. Das
Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft beträgt dann 854,54 Euro und liegt ebenfalls über dem ermittelten
Gesamtbedarf.
Auch wenn das zur Verfügung stehende Gesamteinkommen den Gesamtbedarf im für den Kläger günstigsten Fall nur
um wenige Euro übersteigt, wird der Gesamtbedarf ge-deckt. Hilfebedürftigkeit ist zu verneinen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 913 SGG.