Urteil des SozG Lüneburg vom 19.06.2007

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Sozialgericht Lüneburg
Beschluss vom 19.06.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 30 AS 768/07 ER
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. Kosten
werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wohnt zur Zeit in einer angemessenen Wohnung in E ... Da die Wohnung feucht ist und offenbar
auch Schimmelbefall vorliegt, beabsichtigt die Antragstellerin, umzuziehen. Sie beantragte bei der Antragsgegnerin,
offenbar am 4. Dezember 2006 – die Akten der Antragsgegnerin sind insoweit unvollständig –, die Übernahme von
Umzugskosten in eine Wohnung nach F ... Die in Aussicht genommene Wohnung hat eine Größe von 68 m². Die
Kaltmiete nebst Nebenkosten ohne Heizkosten beträgt 455,00 EUR monatlich.
Mit Bescheid vom 5. Dezember 2006 lehnte die Beklagte den Umzug ab. Sie begründete dies damit, dass die
Wohnung unangemessen groß und unangemessen teuer sei. Darüber hinaus wurde bezweifelt, dass die Wohnung der
Antragstellerin tatsächlich feucht sei. Hiergegen legte die Antragstellerin am 5. Januar 2007 Widerspruch ein. Die
Begründung ist in den Akten der Antragstellerin nicht enthalten. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2007 wurde der
Antrag auf Übernahme der Wohnungskosten abgelehnt. Begründet wurde dies abermals damit, dass die in Aussicht
genommene Wohnung unangemessen groß und unangemessen teuer sei. Auch sei nicht ersichtlich, warum die
Antragsstellerin eine angemessene Wohnung in F. nicht habe finden können.
Gegen den Widerspruchsbescheid erhob die Antragstellerin Klage beim Sozialgericht Lüneburg. Zugleich beantragte
sie im vorliegenden Verfahren den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Die Antragstellerin trägt vor, nach der neuesten Rechtsprechung des Landessozialgerichts (Beschl. v. 24. April 2007,
Az.: L 7 AS 494/05) sei die Kaltmiete und Nebenkosten der Wohnung, die sie anzumieten gedenke, keineswegs
unangemessen, sondern bewege sich im vom Landessozialgericht dort für angemessen gehaltenen Rahmen, der sich
aus der äußersten rechten Spalte der Wohngeldtabelle nebst einem 10 %-igen Zuschlag ergebe. Darüber hinaus sei
die jetzige Wohnung feucht und sie und ihr Sohn seien bereits erkrankt. Zur Glaubhaftmachung hat die Antragstellerin
verschiedene Atteste vorgelegt. Aus dem Widerspruchsbescheid ergibt sich, dass offenbar der Vater des Sohnes der
Antragstellerin in F. lebt und ein Umzug auch deshalb erfolgen soll, weil der Sohn dann einen besseren Kontakt zur
seinem Vater pflegen könnte.
Die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Umzugskosten der Antragstellerin in
die Wohnung G., 1. OG links, H.F. zu zahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie trägt vor, der Umzug sei nicht notwendig, insbesondere nicht durch sie selbst veranlasst. Darüber hinaus habe die
Antragstellerin auch nicht die Aufnahme einer behaupteten Erwerbstätigkeit in F. nachgewiesen. Weiter habe sie nicht
darlegen können, dass die möglichen baulichen Mängel, die sie als Umzugsgrund anführe, nicht durch entsprechende
Mängelbeseitigungsaufforderung an den Vermieter hätten abgestellt werden können. Auch seien die gesundheitlichen
Probleme nicht nachgewiesen. Schließlich sei ebenfalls nicht nachgewiesen, dass die Antragstellerin nicht auch eine
günstigere Wohnung hätte finden können. Im Übrigen verweist sie zur Begründung auf ihren Widerspruchsbescheid.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag
eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine
Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich
erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf
ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszuges.
Voraussetzung für den Erlass der hier von der Antragstellerin begehrten Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz
2 SGG, mit der er die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II begehrt, ist neben einer besonderen
Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein Anspruch der Antragstellerin auf die begehrte Regelung
(Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3
SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Im vorliegenden Fall wurde ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch
auf Übernahme der Kosten eines Umzugs in die avisierte Wohnung in F. nach § 22 Abs. 3 SGB II. Der Umzug in die
konkrete Wohnung ist nicht notwendig im Sinne des Gesetzes. Ein Umzug ist nicht schon dann notwendig, wenn der
Auszug aus der bisherigen Unterkunft, etwa zur Senkung der Aufwendungen, erforderlich ist, sondern erst dann, wenn
der Einzug in eine kostenangemessene Unterkunft erfolgt (Berlit in LPK – SGB II, 2. Auflage, Randnr. 98 zu § 22). Die
in Aussicht genommene Wohnung ist jedenfalls im Hinblick auf die entstehenden überhöhten Heizkosten nicht
kostenangemessen.
Zwar hat die Antragstellerin nach Auffassung der Kammer glaubhaft gemacht, dass ihr ein Verbleib in der bisherigen
Wohnung grundsätzlich nicht zuzumuten ist. Insbesondere das Attest des Hausarztes, dem nach eigener Aussage
bekannt ist, dass die Wohnungsverhältnisse der Antragstellerin und ihres Sohnes miserabel seien, stellt ein
geeignetes Mittel zur Glaubhaftmachung dar. Sowohl der Hausarzt Dr. I. als auch der Facharzt für Orthopädie Dr. J.
bestätigen, dass durch die Wohnverhältnisse sowohl bei der Antragstellerin als auch bei ihrem Sohn Erkrankungen
verursacht wurden. Dies stellt einen wichtigen, sogar dringlichen, Grund dar, aus der Wohnung ausziehen zu müssen.
Insoweit braucht sich die Antragstellerin auch nicht auf die mögliche Beseitigung baulicher Mängel durch den
Vermieter verweisen zu lassen. Zum einen hat dieser offenbar schon seit geraumer Zeit nichts unternommen; zum
anderen ist es gerade bei Schimmelbefall und Feuchtigkeit oftmals gar nicht möglich, durch nachträgliche
Baumaßnahmen eine Besserung zu erreichen, da wegen der schlechten Ursprungsbausubstanz Teile des Gebäudes
abgerissen werden müssten.
Auch ein Umzug nach F. ist grundsätzlich nach Ansicht der Kammer nicht zu beanstanden. Wie die Antragstellerin
offenbar in ihrer Widerspruchsbegründung - die in den Verwaltungsakten nicht enthalten ist und dem Gericht daher
nicht bekannt ist – vorgetragen hat, lebt der Vater des Sohnes in F. und ein Umzug würde auch einem besseren
Kontakt zwischen Vater und Sohn dienen. Dies stellt einen ausreichenden Grund für einen Umzug nach F. dar.
Die Übernahme der Kosten für den Umzug sind jedoch abzulehnen, da die in Aussicht genommene Wohnung in der
G., H.F., hinsichtlich der Größe und der anfallenden Kosten unangemessen ist. Die Kaltmiete nebst Nebenkosten
beträgt 455,00 EUR monatlich. Nach der äußersten rechten Spalte der Wohngeldtabelle, die nach der bisherigen
Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen jedenfalls im Eilverfahren anzuwenden war, ist in Gemeinden der
Mietenstufe 5 – wie hier – für Wohnraum bei zwei zum Haushalt zurechnenden Familienmitgliedern ein Betrag für
Kaltmiete nebst Nebenkosten ohne Heizkosten in Höhe von 425,00 EUR monatlich angemessen. Im Hinblick auf die
neueste Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24. April 2007 (Az.: L 7 AS 494/05)
stellt sich die Frage, ob möglicherweise ein Betrag 467,50 EUR für Kaltmiete nebst Nebenkosten in F. anzusetzen ist.
In diesem Urteil hat das Landessozialgericht festgestellt, dass zu den Werten in der äußersten rechten Spalte der
Wohngeldtabelle ein Aufschlag von 10 % hinzuzurechnen ist. Bisher hat jedoch nur ein Senat des
Landessozialgerichts diese Rechtsprechung verfolgt. Es ist nach Kenntnis des Gerichts bisher noch offen, ob sich die
anderen, für Angelegenheiten des SGB II zuständigen Senate dieser Rechtsprechung anschließen werden. Würde
man der Rechtsprechung des 7. Senats im oben genannten Urteil folgen, so wäre die Kaltmiete nebst Nebenkosten in
der von der Antragstellerin in Aussicht genommenen Wohnung noch angemessen.
Diese Frage kann jedoch im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, da die Wohnung jedenfalls hinsichtlich der
zukünftig entstehenden Heizkosten unangemessen teuer sein wird. Die Wohnung hat eine Größe von 68 m².
Angemessen für einen Haushalt mit zwei Mitgliedern ist eine Wohnung in der Größe von 60 m². Da die Antragstellerin
auch die unangemessenen restlichen 8 m² im Winter wird beheizen müssen, ist schon jetzt abzusehen, dass ihr
Heizkosten in einer Höhe entstehen werden, in der sie von dem Leistungsträger nach dem SGB II in F. nicht zu
übernehmen sind.
Die Antragstellerin hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass sie sich, ob nun in F. oder in K., um günstigeren – und
gesünderen - Wohnraum bemüht habe. Vielmehr scheint sie, da das Wohnungsangebot vom Juli 2006 datiert, sich
seit einem Jahr auf keine andere Wohnung konzentriert zu haben als die in Aussicht genommene. Unter diesen
Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragstellerin kein Wohnraum zur Verfügung stand, der
hinsichtlich der Kosten günstiger und damit angemessen ist.
Eine besondere Dringlichkeit, in die neue Wohnung einziehen zu müssen, ergibt sich auch nicht aus der bestehenden
Gesundheitsgefährung in der jetzigen Wohnung. Die Antragstellerin hat im Juli 2006, also vor einem Jahr, das
Angebot für die im Streit befindliche Wohnung in F. erhalten. Sie hat sich seither, auch nach Kenntnis der Ablehnung
durch die Antragsgegnerin, nicht um eine andere Wohnung bemüht, sondern sich ausschließlich auf die Wohnung in
F. konzentriert. Um der Gesundheitsgefährdung aus dem Wege zu gehen, hätte sie ihre Suche auch auf auch andere
Wohnungen, ob in F. oder in K., ausdehnen können. Wenn die Antragstellerin dies trotz der ihr bekannten Gefahren für
die Gesundheit nicht tut, ist sie insoweit auf ihre Eigenverantwortung zu verweisen, die es geboten hätte, sich auch
anderweitig nach einer anderen Wohnung umzusehen. Dass sie dies unterlassen hat, kann jedenfalls im vorliegenden
Verfahren nicht dazu führen, dass hieraus eine besondere Dringlichkeit des Umzuges folgt, die es geböte, über die
Unangemessenheit der avisierten Wohnung hinwegzusehen.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die die Durchführung des Eilverfahrens war gem. § 73 a SGG i.V.m. § 114
ZPO abzulehnen, weil das Verfahren keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.