Urteil des SozG Lübeck vom 26.08.2010

SozG Lübeck: satzung, unfallversicherung, zuschuss, widerspruchsverfahren, krankenversicherung, vollrente, see

Sozialgericht Lübeck
Urteil vom 26.08.2010 (rechtskräftig)
Sozialgericht Lübeck S 14 R 329/09
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem Kläger gewährten Überbrückungsgeldes aus der Seemannskasse.
Der am 1952 geborene Kläger war seit 1981 selbständig als Fischer in tätig. Seit einem Unfall im November 2006 ist
er gesundheitlich nicht mehr in der Lage, zur See zu fahren. Die Beklagte gewährte ihm mit Bescheid vom 26. August
2008 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung ab 1. Juli 2008 in Höhe
von monatlich EUR 326,87.
Auf seinen Antrag vom 9. September 2008 gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 21. Oktober 2008
Überbrückungsgeld aus der Seemannskasse ab 2008 in Höhe von monatlich EUR 363,76. Den aus den persönlichen
Entgeltpunkten errechneten Überbrückungsgeldbetrag in Höhe von EUR 723,27 kürzte die Beklagte um einen
Anrechnungsbetrag für die Erwerbsminderungsrente in Höhe von EUR 322,58. Zu den verbleibenden EUR 400,69
gewährte sie einen Leistungszuschlag in Höhe von EUR 30,05. Nach Abzug von Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt EUR 66,98 ergab sich ein Auszahlungsbetrag in Höhe von EUR
363,76.
Gegen den Überbrückungsgeldbescheid erhob der Kläger am 11. November 2008 Widerspruch. Das
Überbrückungsgeld sei zu Unrecht gekürzt worden. Bei der von der Beklagten verwandten Formel zur Berechnung des
Kürzungsbetrages komme es auf die tatsächliche Höhe der Erwerbsminderungsrente nicht an. Der Gebrauch der
Formel sei daher nicht zulässig. Vielmehr sei nach § 93 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ein
anrechnungsfreier Sockelbetrag zu zahlen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Gemäß § 19 der Satzung der Seemannskasse würden Versichertenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung
auf das Überbrückungsgeld angerechnet. Dabei spiele die eigene Rentenhöhe keine Rolle, sondern der
Kürzungsbetrag werde nach der Formel Überbrückungsgeldbetrag x Teilrentenfaktor x Rentenartfaktor x
Zugangsfaktor 0,8920 berechnet. Der Teilrentenfaktor betrage vorliegend 1, weil der Kläger eine Vollrente beziehe. Als
Rentenartfaktor sei nach § 67 Nr. 2 SGB VI mit 0,5 zugrunde zu legen. Der Kläger werde durch diese Formel nicht
benachteiligt, weil seine tatsächliche Erwerbsminderungsrente höher sei als der nach der Formel errechnete
Kürzungsbetrag.
Dagegen hat der Kläger am 7. Juli 2009 beim Sozialgericht Lübeck Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und
vertieft er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Maßgeblich sei der Teilrentenfaktor 0,23 nach § 96a Abs.
2 Nr. 1a SGB VI. Damit ergebe sich ein Kürzungsbetrag von lediglich EUR 74,19. Zudem seien im Rentenbescheid
der Erwerbsminderungsrente mit 0,0593 Entgeltpunkten höhere Anrechnungszeiten ausgewiesen als im
Überbrückungsgeldbescheid, der nur von 0,0586 Entgeltpunkten ausgehe. Außerdem berücksichtige die Beklagte bei
der Berechnung des Überbrückungsgeldes zu Unrecht die Zurechnungszeiten nicht. Die Satzung sei insoweit
rechtswidrig. Im Übrigen verstoße die Satzung gegen Art. 3 GG, da aufgrund der verwandten Kürzungsformel
Versicherte gleich behandelt würden, die tatsächlich unterschiedlich hohe Renten erhielten.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 21. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 5. Juni 2009 zu verurteilen, dem Kläger ab 2008 ein ungekürztes Überbrückungsgeld zu zuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides. Ergänzend weist sie darauf hin, dass
sich § 96a SGB VI nur auf die Hinzuverdienstgrenzen beziehe. Im Falle des Klägers werde die
Erwerbsminderungsrente aber voll ausgezahlt. Die Vorschriften der Unfallversicherung fänden ebenso wenig
Anwendung wie § 93 SGB VI.
Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen und zusammen mit der Prozessakte zum
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 5. Juni 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Der
Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung höheren Überbrückungsgeldes aus der Seemannskasse. Zu Recht hat
die Beklagte die Höhe der Leistung nach § 18 Abs. 1 der Satzung der Seemannskasse mit EUR 723,27 ermittelt und
dann gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 und 4 der Satzung um einen Betrag in Höhe von EUR 322,58 gekürzt.
Nach § 18 Abs. 1 der Satzung der Seemannskasse ist das Überbrückungsgeld wie eine Regelaltersrente ohne
Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung zu berechnen, die dem Versicherten nach den
Vorschriften der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung bei Beginn der Leistung zustünde, wenn eine
Regelaltersrente zu diesem Zeitpunkt zu gewähren wäre (Satz 1). Hierbei werden Zurechnungszeiten nach den
Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung nicht berücksichtigt (Satz 2). Diese Vorschrift hat die Beklagte bei
der Berechnung des Überbrückungsgeldes beachtet. Insgesamt wurden mit 27,2317 persönlichen Entgeltpunkten
mehr Entgeltpunkte zugrunde gelegt als bei der Erwerbsminderungsrente, der nur 27,1075 persönlichen Entgeltpunkte
zugrunde lagen. Die unterschiedliche Höhe der persönlichen Entgeltpunkte liegt zum einen daran, dass gemäß § 18
Abs. 1 Satz 2 der Satzung Zurechnungszeiten bei der Berechnung des Überbrückungsgeldes nicht zu berücksichtigen
sind und zum anderen das Überbrückungsgeld ohne Abschläge, also mit dem Zugangsfaktor 1,0, berechnet wird. Im
Übrigen sind sowohl bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrente als auch beim Überbrückungsgeld
Entgeltpunkte für Beitragszeiten mit 26,3600 berücksichtigt worden.
Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte zu Recht bei der Bewertung der beitragsfreien und der
beitragsgeminderten Zeiten einen Wert in Höhe von 0,586 und nicht wie bei der Berechnung der Rente wegen
teilweiser Erwerbsminderung 0,593 zugrunde gelegt. Die Differenz ergibt sich aus dem späteren Leistungsfall des
Überbrückungsgeldes. Während der Leistungsfall der teilweisen Erwerbsminderung bereits im Juni 2008 eintrat, liegt
der Leistungsfall des Überbrückungsgeldes mit der Vollendung des 56. Lebensjahres im Oktober 2008. Deshalb ergibt
sich bei der erforderlichen Vergleichsbewertung nach § 73 SGB VI ein um vier Monate längerer Zeitraum. Aufgrund
der Nichtberücksichtigung der Zurechnungszeit bei der Berechnung des Überbrückungsgeldes ergibt sich zudem ein
um einen Monat geringerer Abzug für nicht belegungsfähige Kalendermonate. Damit sind bei der Berechnung des
Überbrückungsgeldes insgesamt 492 Monate als belegungsfähige Kalendermonate und bei der Berechnung der
Erwerbsminderungsrente nur 487 Kalendermonate zu berücksichtigen.
Die Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 2 der Satzung ist entgegen der Ansicht des Klägers rechtmäßig und verstößt
nicht gegen höherrangiges Recht. Denn entsprechend dem Sinn und Zweck des Überbrückungsgeldes als
Ausgleichsleistung ist das Überbrückungsgeld wie eine Regelaltersrente zu berechnen. Wie sich aus § 59 Abs. 1 SGB
VI ergibt ist eine Zurechnungszeit jedoch nur bei Erwerbsminderungs- und bei Hinterbliebenenrenten nicht aber bei der
Regelaltersrente zu berücksichtigen.
Die Beklagte hat das Überbrückungsgeld gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 und 4 der Satzung zu Recht um einen Betrag in
Höhe von EUR 322,58 gekürzt. Das Gericht folgt insoweit der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 5. Juni
2009 und sieht daher gem. § 136 Abs. 3 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Ergänzend
ist darauf hinzuweisen, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Satzungsregelungen § 19 Abs. 1 und 4 nicht
bestehen. Das Überbrückungsgeld ist um den Betrag der Erwerbsminderungsrente zu kürzen. Dies entspricht dem
Sinn und Zweck der Leistung als Übergangs- und Ausgleichsleistung. Das Überbrückungsgeld soll älteren Seeleuten
für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus der Seefahrt bis zum Beginn des Altersruhegeldes aus der gesetzlichen
Rentenversicherung die Sicherung des Lebensunterhalts während der Übergangszeit gewährleisten (BGS 14.
November 1984 – 1 RS 4/83, SozR 2200 § 891a Nr. 4). Diesen Zweck erfüllt das Überbrückungsgeld, indem es quasi
als Aufstockungsbetrag unter Anrechnung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung insgesamt den
Zahlbetrag der zu erwartenden Regelaltersrente garantiert. Die Beklagte ist auch berechtigt, zur
Verwaltungsvereinfachung eine Formel zur Ermittlung der Höhe der anzurechnenden Rente zu verwenden. Denn zum
einen ist die Formel für die Versicherten geringfügig günstiger als der tatsächliche Rentenzahlbetrag. Und zum
anderen berücksichtigt die Formel die einzelnen Berechnungsfaktoren (insbesondere Teilrenten- und Rentenartfaktor)
der gesetzlichen Rentenversicherung, so dass es gerade nicht zu den von Klägerseite angeführten
Ungleichbehandlungen kommt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
S Richterin am Sozialgericht