Urteil des SozG Leipzig vom 23.07.2007

SozG Leipzig: heizöl, heizung, darlehen, rechtsschutz, erwerbsfähigkeit, lieferung, glaubhaftmachung, höchstbetrag, deckung, verbrauch

Sozialgericht Leipzig
Beschluss vom 23.07.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 19 AS 1077/07 ER
I. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antragstellern vorläufig ein zinsfreies Darlehen für den Erwerb von bis zu
600 Litern Heizöl zu erbringen. Die Tilgung des Darlehens ist bis zur Bestandskraft des Bescheides vom 19. April
2007 auszusetzen. Die Antragsteller haben der Antragsgegnerin die zweckgebundene Verwendung des Darlehens
nachzuweisen. Im übrigen wird der Antrag abgelehnt. II. Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern deren notwendige
außergerichtliche Kosten zur Hälfte zu erstatten.
Gründe:
I. Die Antragsteller (Ast.) begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von der Antragsgegnerin (Ag.)
einmalige Leistungen für Heizung zum Erwerb von Heizöl.
Die 1947 und 1949 geborenen Ast. sind verheiratet. Der Ast. ist beschäftigt. Der Ast. ist Eigentümer eines 940 m²
großen Grundstückes. Dieses ist mit einem in den 30’er Jahren des letzten Jahrhunderts errichteten Einfamilienhaus
bebaut. Die Wohnfläche des Gebäudes beträgt ca. 107 m². Sie wird ausschließlich von den Ast. benutzt. Seit Januar
2005 erbringt die Ag. den Ast. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Wegen der weiteren Einzelheiten zum
Vorstehenden sowie zum Verlauf und Stand der bisherigen (Verwaltungs-, Widerspruchs- und Gerichts-) Verfahren
wird auf die Entscheidung des Gerichts vom 18. Juli 2007 im Verfahren S 19 (14) AS 638/05 verwiesen.
Am 23. März 2007 beantragte die Ast. die Übernahme von Heizkosten für 2007. Dem Antrag war ein
Kostenvoranschlag vom 20. März 2007 für 1.800 l Heizöl beigefügt.
Mit Bescheid vom 19. April 2007 lehnte die Ag. die Kostenübernahme ab. Die angemessenen Kosten der Unterkunft
und Heizung seien bereits durch die Schuldzinsen und Betriebskosten überschritten.
Dagegen erhoben die Ast. (Angaben ihrer Bevollmächtigten zufolge) mit Schreiben vom 16. Mai 2007 Widerspruch.
Darüber wurde noch nicht entschieden.
Am 16. Mai 2007 begehrten die Ast. einstweiligen Rechtsschutz.
Am 25. Juni 2007 hat das Gericht mit den Beteiligten den Sachverhalt erörtert. Auf die Niederschrift wird verwiesen
(Blatt 74f der Gerichtakte).
Mit Schreiben vom 26. Juni 2007 hat das Gericht eine Stellungnahme der Deutschen Rentenversicherung
Mitteldeutschland (Rentenversicherungsträger - RVT) angefordert. Auf den Inhalt der Anfrage und Stellungnahme vom
28. Juni 2007 wird verwiesen (Blatt 80 und 84 der Gerichtsakte).
Mit Schreiben vom 2. Juli 2007 beschränkten die Ast. ihr Begehren auf o.g. Kostenübernahme. Für die Betreibung
ihrer Heizung seien in den letzten Jahren durchschnittlich 2.200 l Heizöl jährlich getankt worden. Trotz
eingeschränkter Beheizung seien ihre Vorräte nahezu verbraucht. Eine vollständige Entleerung des Tanks dürfe nicht
erfolgen. Finanzielle Mittel für den Erwerb des benötigten Heizöls seien nicht vorhanden. Die 1.800 l Heizöl seien der
voraussichtliche Bedarf für zehn Monate. Die Aufwendungen hierfür seien angemessen. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Vortrages der Ast. wird auf die Schreiben deren Bevollmächtigten vom 16. Mai, 4. und 21. Juni
sowie 2. Juli 2007 (jeweils nebst Anlagen) und die Niederschrift über den o.g. Termin verwiesen (Blatt 1ff, 26ff, 62ff,
74f und 85ff der Gerichtakte).
Die Ast. beantragten zuletzt, der Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung aufzuerlegen, den Ast. einen
Heizkostenzuschuß für die Beschaffung von 1.800 l Heizöl in Höhe von 974,70 EUR zu gewähren.
Die Ag. beantragt, den Antrag abzulehnen.
Es bestehe weder ein Anspruch noch ein Grund für die begehrte Anordnung. Vor Lieferung sei sie nicht verpflichtet,
eine Erklärung zur Kostenübernahme abzugeben. Des weiteren habe sie den Anspruch auf Unterkunftskosten in
vollem Umfang erfüllt. Ein darüber hinausreichender Anspruch auf Heizkosten bestehe nicht. Die Ast. seien in der
Lage, sich das Heizöl anzuschaffen. Denn der Ast. sei beschäftigt. Wegen der weiteren Einzelheiten zum
Vorstehenden wird auf die Schreiben der Ag. vom 24. Mai, 7. Juni (nebst Anlagen) und 12. Juni 2007 verwiesen (Blatt
22, 40f und 50 der Gerichtsakte).
II. Der zulässige Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist teilweise begründet. Denn die Ast. haben ein Recht auf
einmalige Erbringung von Leistungen für Heizung. Der (Geld-) Wert dieses Rechts kann derzeit nicht abschließend
beurteilt werden. Daher hat die Ag. vorläufig ein Darlehen zum Erwerb von bis zu 600 l Heizöl zu erbringen. Das
darüber hinausgehende Begehren der Ast. ist derzeit unbegründet. Daher war insoweit der Antrag abzulehnen.
1. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine
einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine
Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich
erschwert wird, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen
sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog.
Regelungsanordnung).
a) Die Ast. begehren (im Sinne des entsprechend anwendbaren § 123 SGG) Leistungen für Heizung in Höhe
zukünftiger Aufwendungen. Hierfür ist die sog. Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft.
b) Nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit (iVm) § 920 Abs. 2 Zivilprozeßordnung (ZPO) haben die Ast. für
eine einstweilige Anordnung des Gerichts die Tatsachen für das Bestehen eines sog. Anordnungsanspruches und -
grundes darzulegen und glaubhaft zu machen. Die sog. Glaubhaftmachung ist der mildeste Beweismaßstab des
Sozialrechts. Eine Tatsache ist dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist,
vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB Zehntes Buch (X). Die bloße Möglichkeit des Bestehens einer Tatsache reicht nicht aus,
um diese Beweisanforderung zu erfüllen. Es genügt allerdings, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden
Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller
Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Vgl. ausführlicher hierzu zB Bundessozialgericht (BSG), Urteil
vom 14. Dezember 2006 - B 4 R 29/06 R (Rn 116), mwN. Zur Glaubhaftmachung von Tatsachen ist (auch) die
Versicherung an Eides Statt zulässig, vgl. § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB X und § 294 Abs. 1 ZPO.
Für das Bestehen eines Anordnungsanspruches ist die Darlegung und Glaubhaftmachung von Tatsachen erforderlich,
aus denen sich ein materiell-rechtlicher Anspruch ergibt, vgl. hierzu ebenso zB § 916 ZPO. Ein Anspruch ist ein
Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen verlangen zu können, vgl. § 194 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch
(BGB).
c) Der Anordnungsgrund erfordert das Bestehen einer besonderen Dringlichkeit. Die vorläufige Regelung muß "zur
Abwendung wesentlicher Nachteile nötig" erscheinen. Entscheidend ist hierfür vor allem, ob es dem einstweiligen
Rechtsschutz Begehrenden zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, vgl. hierzu zB Keller in:
Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Auflage 2005, § 86b Rn 28. Besondere Anforderungen gelten,
wenn ohne die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare
Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, vgl. hierzu
zB Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 (Rn 24ff).
Kann im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Sach- und Rechtslage nicht vollständig aufgeklärt werden,
ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, vgl. BVerfG, aaO (Rn 26) sowie hierzu zB Krodel, Maßstab der
Eilentscheidung und Existenzsicherung, NZS 12/2006, 637, 638ff und Spellbrink, Einstweiliger Rechtsschutz in
Grundsicherungsstreitigkeiten nach dem SGB II, Sozialrecht aktuell 1/2007, 1, 2.
2. Die Sach- und Rechtslage kann in diesem Verfahren nicht vollständig aufgeklärt werden. Zum einen bestehen
Bedenken an der (Leistungs-) Berechtigung der Ast., konkret an deren Erwerbsfähigkeit. Dessen ungeachtet kann
nicht abschließend beurteilt werden, ob die begehrten Leistungen angemessen sind. Zur vorläufigen Regelung ist den
Ast. daher entsprechend § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II (in der ab dem 1. April 2006 geltenden Fassung) ein Darlehen für
den Erwerb von bis zu 600 l Heizöl zu erbringen.
3. Der Streitgegenstand ist auf die abgelehnte "Übernahme der Heizkosten" (Bescheid vom 19. April 2007) "für die
vorgesehene Heizöllieferung von 1800 Litern" (Schreiben der Ast. vom 23. März 2007) beschränkt. Die Erstattung der
Aufwendungen für den Erwerb von 503 l Heizöl am 5. Februar 2007 wird in diesem Verfahren nicht begehrt. Daher
bedarf es insoweit keiner Erörterung evtl. Bedenken am Bestehen eines Anordnungsgrundes.
Die Beschränkung des Streitgegenstandes ist zulässig. Denn mit o.g. Bescheid hat die Ag. (nur) einen
Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X zum beabsichtigten Erwerb von Heizöl erlassen. Davon zu
unterscheiden ist die (höchstrichterlich noch nicht einheitlich beantwortete) Frage nach der Trennbarkeit eines
Bewilligungsbescheides über monatlich zu erbringenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in mehrere
Verwaltungsakte, vgl. hierzu einerseits BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R (Rn 18ff) und
andererseits Urteile vom 23. November 2006 - B 11b AS 3/06 R und B 11b AS 9/06 R (jeweils Rn 17).
4. Ob und inwieweit die Ast. Berechtigte im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II)
sind, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Danach erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 2. erwerbsfähig sind, 3.
hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige
Hilfebedürftige).
An der Erwerbsfähigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB II) der Ast. bestehen Zweifel. Dem entsprechend begehrt die Ast. seit März
2007 (wieder) die Leistung einer der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Darüber wurde noch nicht
entschieden. Zwar muß der rentenversicherungsrechtliche Begriff der Erwerbsfähigkeit nicht identisch sein mit dem
des SGB II, so zutreffend zB BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 10/06 R (Rn 18). Jedoch würde das
Gericht im Hauptsacheverfahren zumindest die Erkenntnisse aus den vom RVT bereits veranlaßten Begutachtungen
der Ast. durch Sachverständige und dessen Entscheidung über den o.g. Rentenantrag abwarten. Denn die Leistung
einer der o.g. Renten hätte zumindest Einfluß auf die Hilfebedürftigkeit der Ast. im o.g. Sinne. Darüber hinaus könnte
sogar die Leistungsverpflichtung der Ag. nachträglich entfallen und unter weiteren Voraussetzungen ein
Erstattungsanspruch der Ag. gegen den RVT entstehen, vgl. § 103 SGB X. Schließlich ist in diesem Verfahren nicht
die Deckung eines aktuellen, sondern zukünftigen Bedarfs der Ast. (vgl. hierzu unter 6.) streitig.
5. Ungeachtet dieser Zweifel sind die Ast. Berechtigte im o.g. Sinne. Auf die Ausführungen in der o.g. Entscheidung
vom 18. Juli 2007 kann hierzu dem Grunde nach verwiesen werden. Denn die tatsächlichen und rechtlichen
Verhältnisse haben sich im Vergleich zu Januar bis September 2005 (gegenständliche Zeit im o.g. Verfahren) nicht zu
Ungunsten der Ast. geändert. Im Gegenteil. Denn der monatliche (Gesamt-) Bedarf der Ast. hat sich allein durch die
Anpassungen der Regelleistung zum 1. Juli 2006 und 1. Juli 2007 erhöht. Weiterhin haben sich das Arbeitsentgelt des
Ast. (vgl. die Gehaltsabrechnung für März 2007) und die von dessen Einkommen abzusetzenden Beiträge nur
geringfügig geändert (erhöht). Die Recht- und Zweckmäßigkeit der Erbringung der monatlichen Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts für April bis September 2007 (Bescheid vom 15. März 2007) ist zunächst im
Widerspruchsverfahren nachzuprüfen (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG).
6. Nach § 19 Satz 1 SGB II (in der ab dem 1. August 2006 geltenden Fassung) erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige
(§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II) als Arbeitslosengeld II (Geldleistung im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB II) u.a. Leistungen
für Unterkunft und Heizung. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe
der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.
a) "Unter § 22 Abs. 1 SGB II fallen ... nicht nur laufende Kosten, sondern auch einmalige Kosten, die beispielsweise
für die Beschaffung von Heizmaterial anfallen", vgl. ausführlicher BSG, Beschluss vom 16. Mai 2007 - B 7b AS 40/06
R (Rn 9ff).
b) Obwohl "im Regelfall keine Verpflichtung (besteht), vor der Lieferung eine Kostenübernahmeerklärung abzugeben"
(vgl. zu den Gründen BSG, aaO, Rn 12), gilt hier anderes. Denn die Ast. haben glaubhaft gemacht, nach den
Verkaufs- und Lieferungsbedingungen des "Heizmittellieferanten" verpflichtet zu sein, innerhalb acht Tage nach
Lieferung die Rechnung hierfür begleichen zu müssen. Auf das Schreiben der Ast. vom 15. Dezember 2006, deren
Vortrag im Termin vom 25. Juni 2007 und die bisherigen Zahlungsfristen in den Rechnungen von 1996 bis 2007 wird
verwiesen. Innerhalb dieser Frist ist bereits die Ag. nicht in der Lage (gewesen), über ein entsprechendes Begehren
nach Lieferung zu entscheiden. Selbst wenn sie es wäre, könnte bei Ablehnung des entsprechenden Antrages in der
dann ggf. noch zur Verfügung stehenden Zeit kein effektiver Rechtsschutz "im Sinne eines Anspruchs auf eine
wirksame gerichtliche Kontrolle" nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (vgl. hierzu zB BVerfG, Urteil vom 27.
Februar 2007 - 1 BvR 538/06 u.a., mwN.) gewährleistet werden. Schließlich ist die streitige Entscheidung der Ag. (und
deren entsprechende Verwaltungspraxis) evident rechtswidrig (vgl. hierzu unter 6.c). Da Anhaltspunkte für eine
Änderung insoweit nicht erkennbar sind, ist es den Ast. nicht zuzumuten, sich das Heizöl zunächst zu beschaffen,
um danach die zu erwartende Entscheidung der Ag. zu (v)erlangen. Denn die finanziellen Ressourcen der Ast. sind
glaubhaft erschöpft. Ihr "Dispo-Kredit" wird seit Monaten anhaltend ausgereizt.
c) Die Auffassung der Ag., sie habe mit den monatlichen Leistungen für Unterkunft den Anspruch der Ast. auf
einmalige Erbringung der Leistungen für Heizung erfüllt, ist mit dem Gesetz nicht vereinbar.
Denn das Gesetz unterscheidet zwischen "Leistungen für Unterkunft" und "Leistungen für Heizung", vgl. zB § 22 Abs.
1 Satz 1 ("Leistungen für Unterkunft und Heizung"), Satz 2 (in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung) bzw. 3
(in der ab dem 1. August 2006 geltenden Fassung) SGB II ("Aufwendungen für die Unterkunft"), vgl. hierzu zB auch
Sächsisches (Sächs.) Landessozialgericht (LSG), Beschluss vom 24. Oktober 2006, L 3 B 158/06 AS-ER (Rn 57f).
Die am 22. September 2004 beschlossene Verwaltungsvorschrift zur Pauschalierung von Unterkunfts- und Heizkosten
gemäß § 29 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch und 22 SGB II für die Sozialverwaltung des Landkreises Delitzsch
(VwV-KdU-05) mißachtet dies. Darauf hat das Gericht bereits hingewiesen, vgl. Urteil vom 19. März 2007 - S 19 AS
764/05. Änderungen sind danach nicht erfolgt, soweit bekannt.
Die Ag. hat den pauschalen Höchstbetrag der "Leistungen für Unterkunft und Heizung" nach § 3 Abs. 1 Vw-KdU-05
bei den Ast. seit Januar 2005 nur als "Leistungen für Unterkunft" berücksichtigt. Dies ergibt sich u.a. aus den
Bescheiden vom 22. Juni 2005 (Absatz 4), 15. August 2005 (W 5400/05 u.a., Seite 3, Absatz 3f), 24. Januar 2007
(Absatz 2) und 19. April 2007 (Absatz 1) sowie den Klageerwiderungen vom 11. April 2006 im Verfahren S 19 (14) AS
638/05 (Seite 1, letzter Absatz) und S 19 (14) AS 639/05 (Seite 1, Absatz 3). Dem entsprechend lehnte sie es
zunächst ab, den Ast. ab Januar 2005 Leistungen für Heizung in tatsächlicher Höhe zu erbringen. Auf den Bescheid
vom 22. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2005 (W 9864/05) wird verwiesen.
Danach erstattete sie den Ast. zumindest deren tatsächlichen Aufwendungen in den Jahren 2005 (Rechnung vom 12.
August 2005 für 600 l Heizöl, Bescheid vom 19. April 2006) und 2006 (Rechnung vom 3. Mai 2006 für 1.500 l Heizöl,
Bescheid vom 4. Oktober 2006). Denn die ursprüngliche Ablehnung für 2005 sei "nicht korrekt" (mithin: rechtswidrig)
gewesen. Dadurch habe die Ast. " ... so wenig getankt, dass dies nicht für ein Jahr ausreicht ... Damit sind sämtliche
Heizkosten für 2005 abgegolten." Vgl. zum Vorstehenden die (interne) Stellungnahme vom 25. Mai 2007 sowie die
Aktenvermerke vom 19. April und 29. September 2006 und den Bescheid vom 19. April 2006 (Absatz 3).
Diese Verwaltungspraxis ist rechtswidrig. Den gesetzlichen Vorgaben entsprechend hat die Ag. vielmehr: 1. zwischen
den Leistungen für Unterkunft und Heizung zu unterscheiden, 2. jeweils die tatsächlichen Aufwendungen hierfür zu
ermitteln, 3. diese grundsätzlich zu erbringen (berücksichtigen), 4. soweit diese nicht unangemessen sein sollten.
Zu 1. wurde bereits auf die Unvereinbarkeit der o.g. Verwaltungsvorschrift und der darauf beruhenden
Verwaltungspraxis der Ag. mit dem geltenden Recht hingewiesen. Da die Ag. den Ast. bisher keine monatlichen
Pauschalen als Leistungen für Heizung erbracht (berücksichtigt) hat, bedarf es im übrigen keiner vertieften Erörterung
der Unzulässigkeit und Unzweckmäßigkeit einer entsprechenden Leistungserbringung, vgl. hierzu BSG, Beschluss
vom 16. Mai 2007, aaO (Rn 8, 10). Daher scheidet auch die "Anrechnung" mit (nicht erbrachten)
"Heizkostenvorauszahlungen" (Schreiben der Ag. vom 12. Juni 2007) aus. Dessen ungeachtet muß der erwerbsfähige
Hilfebedürftige "über die Pauschalen" noch "zum Zeitpunkt des konkreten Heizmittelbedarfs" verfügen (vgl. BSG,
aaO, Rn 16). Daran bestünden angesichts der monatlichen Aufwendungen der Ast. für ihre Unterkunft erhebliche
Bedenken.
Zu 2. hat die Ag. bei den Aufwendungen für Unterkunft zunächst ihre Leistungserbringung (-berechnung) ab Januar
2005 zu überprüfen. Denn sie geht insoweit von unzutreffenden Tatsachen aus und berücksichtigte an Schuldzinsen
teilweise DM- statt Euro-Beträge. Auf die o.g. Entscheidung vom 18. Juli 2007 wird verwiesen.
Sollte sie danach immer noch der Auffassung sein, daß die Aufwendungen der Ast. für deren Unterkunft
unangemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind, können diese (4.) unter weiteren Voraussetzungen (vgl.
hierzu zuletzt zB die Entscheidung des erkennenden Gerichts vom 2. Juli 2007 - S 19 AS 658/07 ER) nur in
angemessener Höhe erbracht (berücksichtigt) werden. Keinesfalls ist die Ag. berechtigt, die Erbringung von
Leistungen für Heizung deshalb abzulehnen, weil sie die Aufwendungen für Unterkunft für unangemessen hält und
hierfür einen pauschal bestimmten Höchstbetrag erbrachte (berücksichtigte).
d) Ebenso wie die Leistungen für Unterkunft sind die für Heizung grundsätzlich in Höhe der tatsächlichen
Aufwendungen zu erbringen (berücksichtigen). Bei einer "mehrmonatigen Bevorratung mit Heizmaterial ... muss bei
der angemessenen Menge des Heizmaterials auf den jeweiligen Bewilligungszeitraum abgestellt werden; der Zeitraum
für den angenommenen Heizmaterialbedarf sollt mit dem Bewilligungszeitraum in der Regel deckungsgleich sein", vgl.
BSG, aaO (Rn 15).
Der aktuelle "Bewilligungszeitraum" umfaßt sechs Monate (April bis September 2007), vgl. Bescheid vom 15. März
2007. Der tatsächliche Verbrauch an Heizöl der Ast. in den letzten Jahren stellt sich anhand der vorgelegten
Rechnungen für 1996 bis 2007 wie folgt dar: 1996 3360 l 1997 2300 l 1998 2410 l 1999 1700 l 2000 2000 l 2001 2520 l
2002 2400 l 2003 2230 l 2004 2222 l jährlicher Mittelwert 2349,11 l 2005 600 l 2006 1502 l 2007 503 l
Unter Vernachlässigung der Werte für 2005 bis 2007 ergibt sich somit für ein halbes Jahr ein durchschnittlicher
Verbrauch von rund 1.200 l Heizöl. Dies entspricht ungefähr den Schätzungen der Ast. (1.800 l für ca. 10 Monate =
1.080 l für 6 Monate), vgl. das Schreiben deren Bevollmächtigten vom 21. Juni 2007.
e) Ob und inwieweit die Aufwendungen hierfür angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind, kann in
diesem Verfahren nicht abschließend beurteilt werden. Der Rechtsbegriff der "Angemessenheit" ist nicht gesetzlich
bestimmt. Eine Rechtsverordnung nach § 27 Nr. 1 SGB II (in der ab dem 1. August 2006 geltenden Fassung) existiert
nicht. Der Vw-KdU-05 können hierfür nur mittelbar die entsprechenden Höchstbeträge entnommen werden, vgl. hierzu
o.g. Kammerentscheidung vom 19. März 2007. Danach beträgt für eine Bedarfsgemeinschaft mit zwei Personen der
Höchstbetrag für Leistungen für Heizung 57,00 EUR (60 m² Wohnflächenhöchstgrenze x 0,95 EUR) monatlich, vgl. §§
2 Satz 2, 3 Abs. 1 und 6 Abs. 2 Vw-KdU-05. "Abstrakte Obergrenzen für angemessene Heizkosten" sind allerdings
nicht mit der Rechtsprechung des Sächs. LSG vereinbar, vgl. Beschluss vom 24. Oktober 2006, aaO (Rn 51ff).
Nach Auffassung des Gerichts sind zur Beurteilung der Angemessenheit im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II
zunächst weitere Tatsachen (vgl. allgemein hierzu zB Berlit in: Münder, SGB II, Lehr- und Praxiskommentar, 2.
Auflage 2007, § 22 Rn 67) zu ermitteln und zu bewerten, ggf. durch Sachverständige. Danach wird zu entscheiden
sein, ob die Aufwendungen für Heizung auch dann in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen sind, wenn
die Aufwendungen für die Unterkunft unangemessen sein sollten, vgl. hierzu aus jüngerer Zeit einerseits zB
Sozialgericht (SG) Dortmund, Urteil vom 5. März 2007 - S 29 AS 498/05 und SG Lüneburg, Beschluss vom 16. Mai
2007 - S 24 AS 1450/06 (Heizkosten anteilig zur Wohnflächenhöchstgröße) und andererseits zB Sächs. LSG, aaO
(Rn 61f). Zuvor hat die Ag. insbesondere hinsichtlich der Aufwendungen für Unterkunft die örtlichen Verhältnisse
darzulegen bzw. ggf. zu ermitteln, vgl. hierzu zB o.g. Beschluss des erkennenden Gerichts vom 2. Juli 2007.
7. Angesichts der bestehenden Ungewißheiten hat die Ag. zunächst die Kosten für den Erwerb von bis zu 600 l Heizöl
als Darlehen zu erbringen. Denn den Ast. ist es angesichts der derzeitigen Verfahrensdauer beim erkennenden
Gericht nicht zumutbar, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Dabei wurde der ganzjährige Bedarf an Heizöl für die
Warmwasserversorgung und die glaubhaft gemachte Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der technischen
Funktionsfähigkeit der Heizanlage durch Verhinderung einer Tankentleerung berücksichtigt.
a) Da der o.g. Bewilligungszeitraum bereits zur Hälfte abgelaufen, die darüber hinausgehende Bewilligung derzeit offen
und die Deckung eines zukünftigen Bedarfs streitig ist, hat die Ag. zunächst nur Leistungen für den voraussichtlichen
Bedarf für drei Monate (Juli bis September 2007) zu erbringen. Unter Berücksichtigung des o.g. durchschnittlichen
Verbrauchs ergeben sich somit bis zu 600 l Heizöl (1.200 l / 2). Von einer weiteren Verringerung des Volumens wurde
abgesehen.
b) Rechtsgrundlage für die Erbringung als Darlehen ist § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II (in der ab dem 1. April 2006
geltenden und hier entsprechend anwendbaren Fassung). Denn selbst bei unterstellter Unangemessenheit der o.g.
Aufwendungen wäre die Ag. verpflichtet, zur "Sicherung der Unterkunft" oder zumindest zur "Behebung einer
vergleichbaren Notlage" im Sinne des § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II die begehrten Leistungen zumindest als Darlehen zu
erbringen.
Zur (generellen) Zulässigkeit vorläufiger Regelungen im Sozialrecht wird zB auf die Urteile des BSG vom 28. Juni
1990 - 4 RA 57/98 (grundlegend) und 22. März 2006 - B 12 KR 14/05 R (aus jüngerer Zeit) verwiesen.
c) Sollte sich diese Anordnung unter Würdigung abweichender Erkenntnisse als rechtswidrig erweisen, sind die
Leistungen von den Ast. zu erstatten. Dies entspricht der "vertragstypische(n) Pflicht" bei einem Darlehen, vgl. § 488
Abs. 1 Satz 2 BGB. Darüber hinaus kommt dann der Ersatz eines der Ag. evtl. entstandenen Schadens in Betracht,
vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 945 ZPO.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 (letzterer in entsprechender Anwendung) SGG. Sie berücksichtigt
das Ergebnis des Verfahrens.