Urteil des SozG Landshut vom 19.02.2010

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Sozialgericht Landshut
Urteil vom 19.02.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 15 VS 12/08
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Gewährung von Berufsschadensausgleich (BSA) nach dem Soldatenversorgungsgesetz
(SVG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der am ...1948 geborene Kläger leistete vom 01.04.1968 bis 30.06.1969 Grundwehrdienst. Wegen eines am
24.09.1968 erlittenen Unfalles stellte er am 22.08.1995 erstmals Antrag auf Anerkennung von Schädigungsfolgen und
Gewährung von Leistungen nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG). Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom
28.10.1996 abgelehnt, der hiergegen erhobene Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.1997
zurückgewiesen. Im anschließenden Klageverfahren stellte die 9. Kammer des Sozialgerichts Landshut fest, dass es
sich bei dem vom Kläger am 23.09.1968 erlittenen Unfall um einen versorgungsrechtlich geschützten Wegeunfall
handelte (Urteil vom 04.07.2000). Mit Teilbescheid vom 17.04.2001 wurden daraufhin mit Wirkung ab 01.08.1995 als
Folge einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne des § 81 SVG anerkannt: Hirnschäden mit psychischen Störungen in
Form von Beeinträchtigung der Konzentration, der Merkfähigkeit und der optischen Informationsverarbeitung sowie
zentrale vegetative Störungen in Form von Schwindelerscheinungen und Augenflimmern nach schwerer Schädel-
Hirnverletzung am 23.09.1968 (Schädigungsfolgen im Sinne der Entstehung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit
(MdE) wurde mit 30 v.H. nach § 30 Abs.1 BVG und mit 40 v.H. nach § 30 Abs.2 BVG festgestellt. Mit weiterem
Bescheid vom 01.10.2001 lehnte der Beklagte die Gewährung von Berufsschadensausgleich mit der Begründung ab,
dass der berufliche Werdegang eine schädigungsbedingte Beeinträchtigung nicht erkennen lasse, im Gegenteil, trotz
der WDB-Folgen habe der Kläger einen beruflichen Aufstieg geschafft. Ein schädigungsbedingter Einkommensverlust
liege nicht vor. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos – Widerspruchsbescheid vom 06.05.2003. Im
anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut (S 9 VS 14/03) erklärte sich der Beklagte
vergleichsweise bereit, einen Anspruch auf Beschädigtenversorgung vor dem 01.08.1995 zu prüfen. Mit
Ausführungsbescheid vom 22.06.2005 (Widerspruchsbescheid vom 24.11.2005) lehnte der Beklagte einen
entsprechenden Anspruch ab. Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut (S 15 VS 20/05) wurde die
Entscheidung der Versorgungsverwaltung durch Gerichtsbescheid vom 15.11.2007 bestätigt. Dagegen ist derzeit
Berufung beim Bayer. Landessozialgericht anhängig (Az: L 15 VS 24/07).
Der Kläger war zuletzt als Meister im Angestelltenverhältnis bei der Firma B ... Werk beschäftigt. Aufgrund eines am
16.05.2003 unterzeichneten Altersteilzeitvertrages nahm er ab 01.08.2003 Altersteilzeit im Blockmodell in Anspruch.
Die Arbeitsphase dauerte hierbei vom 01.08.2003 bis 31.12.2005, die Freizeitphase vom 01.01.2006 bis 31.05.2008.
Seit 01.06.2008 bezieht der Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit in Höhe von 1186,73
Euro monatlich, ferner vom ehemaligen Arbeitgeber ein monatliches Altersruhegeld in Höhe von 390 Euro (brutto)
monatlich.
Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens ist der Antrag des Klägers auf Gewährung von Berufsschadensausgleich
mit Beginn der Altersteilzeit. Auf Anfrage des Beklagten teilte die B ... -AG mit, dass ca. 85 % ihrer Mitarbeiter die
Möglichkeit der Altersteilzeit in Anspruch nehmen. In der Regel würden nur Spätaussiedler länger arbeiten, die noch
Beitragszeiten für die Rentenversicherung brauchen. In seiner Stellungnahme vom 18. Januar 2008 führte Dr. A. vom
medizinischen Dienst des Beklagten aus, aus medizinischer Sicht könne nicht begründet werden, dass die
anerkannten Schädigungsfolgen zumindest annähernd gleichwertige Bedingung für die Inanspruchnahme der
Altersteilzeit waren.
Mit Bescheid vom 24.01.2008 lehnte der Beklagte hierauf die Gewährung von Berufsschadensausgleich ab, der
Widerspruch blieb erfolglos - Widerspruchsbescheid vom 15.10.2008.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.
Zur Untermauerung seines Klagevorbringens legte der Kläger u.a. vor: - Schreiben der B ... vom 27.04.2004, worin
bestätigt wird, dass in den letzten Jahren "die Leistungsfähigkeit von Herrn H. massiv nachgelassen und zu
disziplinarischen Konsequenzen geführt" habe. - Ergebnis der Leistungsbeurteilung ab 01.04.1994: 57 Punkte -
Ergebnis der Leistungsbeurteilung ab 01.04.2001: 57 Punkte - Aufstellung der Steuerkanzlei E. E. vom 13.01.2009
über die an den Kläger in den Jahren 2003 bis 2006 von der Firma B gezahlten Aufstockungsbeträge (5.928 Euro /
13.255 Euro / 12.958 Euro / 8.641 Euro). - Diverse Verdienstnachweise.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger ausführlich seinen beruflichen Werdegang geschildert. Danach
absolvierte er nach der mittleren Reife eine Lehre als Textilfacharbeiter im elterlichen Textilbetrieb, anschließend bis
zu seiner Einberufung zur Bundeswehr ein Praktikum bei verschiedenen Betrieben. Nach der Bundeswehrzeit
arbeitete er dann zunächst im elterlichen Betrieb mit. Nach einer vorübergehenden Tätigkeit als LKW-Fahrer auf
Baustellen begann er ab 01.04.1973 eine Umschulung zum KFZ-Mechaniker. Diese Ausbildung schloss er mit der
Gesellenprüfung (nach seinen Angaben als Bezirksbester) und einige Jahre später mit der Meisterprüfung ab. Im
Dezember 1977 wechselte der Kläger zur Firma B. Nach 6-jähriger Tätigkeit in der Lackiererei wurde er 1984
innerbetrieblich als Meister im Angestelltenverhältnis übernommen. Nach seinen Angaben wurde der Kläger von der
Firma B als Führungskraft immer mit sehr gut beurteilt, insbesondere wegen seiner fachlichen Qualitäten. Nur in
puncto Zusammenarbeit habe er nicht die volle Punktzahl erhalten, weil er zu oft fachlich widersprochen habe. 1989
habe er sich zuhause in seiner Garage eine komplette Lackiererei gebaut. Er habe auch Aufträge von B. bekommen,
um innovative Verfahren außerhalb des vor-geschriebenen Prozesses auszuprobieren. Seit er Rentner sei,
beschäftige er sich mit dem Bau von Oldtimern, daneben lackiere er auch noch Serienfahrzeuge im Auftrag. Wegen
der vom Kläger im Übrigen gemachten Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Zum Schluss der mündlichen Verhandlung stellte der Kläger den Antrag, den Beklagten unter Aufhebung des
Bescheides vom 24.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2008 zu verurteilen, ihm mit
Wirkung ab 01.08.2003 Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung eines Vergleichsein-kommens nach dem
Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 15 des Bundesbesoldungsgesetzes zu gewähren.
Der Beklagtenvertreter stellte den Antrag, die Klage abzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den wesentlichen Inhalt der
beigezogenen Beklagtenakte, auf die im Klageverfahren zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie
auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berufsschadensausgleich im Sinne des §
30 Abs.3 BVG, weil ein schädigungsbedingter Einkommensverlust nicht wahrscheinlich ist. Insbesondere lässt sich
nach Überzeugung der Kammer nicht feststellen, dass die anerkannten Schädigungsfolgen mit Wahrscheinlichkeit
ursächlich für die Inanspruchnahme der Altersteilzeit und die hiermit verbundene Einkommensminderung waren.
Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob überhaupt ein Einkommensverlust im Sinne des § 30 Abs.4 ff BVG vorliegt. Der
Kläger geht nämlich bei seinem Antrag fälschlich von einem Vergleichseinkommen im Endgrundgehalt der
Besoldungsgruppe A 15 des Besoldungsgesetzes aus. Diese Einschätzung findet im Gesetz keine Stütze. Nach
seinen Angaben hätte der Kläger ohne die WDB-Folgen nach der Bundeswehrzeit eine Ausbildung zum Textiltechniker
gemacht, um später in den elterlichen Betrieb einzusteigen. Ein Ingenieurstudium war nicht beabsichtigt ("eine
Ausbildung zum Ingenieur wäre zu langwierig gewesen. Einen solchen Titel braucht man nicht im elterlichen Betrieb").
Gem. § 2 Abs.1 Ziff. 3 i.V.m. § 5 der Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs.3 bis 12 und des § 40a Abs.1 bis 5
des Bundesversorgungsgesetzes (Berufsschadensausgleichsverordnung) ist als Vergleichseinkommen bei
selbständig Tätigen mit abgeschlossener Mittelschulausbildung oder gleichwertiger oder höherer Schulausbildung mit
abgeschlossener Berufsausbildung das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 11 heranzuziehen. Das
Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 15 kommt nur bei abgeschlossener Hochschulausbildung in Betracht. Eine
solche war im vorliegenden Fall aber nicht geplant.
Ungeachtet der Frage des Vergleichseinkommens steht dem Kläger aber schon dem Grunde nach mangels
schädigungsbedingtem Einkommensverlust kein Berufsschadensausgleich zu. Wie der Beklagte im angefochtenen
Bescheid zu Recht ausführte, lässt der berufliche Werdegang des Klägers keine schädigungsbedingten Einbußen
erkennen.
Der Kläger absolvierte nach der Bundeswehrzeit erfolgreich eine Ausbildung zum KFZ-Mechaniker (bei der
Gesellenprüfung war er sogar Jahrgangsbester) und zum KFZ-Meister. Später wechselte er zur Firma B , weil sich
ihm dort eine höhere Bezahlung und bessere berufliche Aufstiegsmöglichkeiten boten. Hier arbeitete sich der Kläger
offenbar aufgrund seines Könnens und seines Engagements zur Führungskraft (Produktionsmeister) hoch. Trotz des
großen beruflichen Einsatzes konnte sich der Kläger – praktisch als zweites Standbein – eine Lackiererei aufbauen,
die er auch heute noch betreibt. Insgesamt hat der Kläger eine sehr erfolgreiche berufliche Karriere aufzuweisen,
abgesehen von der relativ kurzen Zeit, in der sich Probleme mit einem einzelnen Vorgesetzten bei der Fa. B ergaben.
Diese "Probleme" (die der Kläger in der mündlichen Verhandlung sehr anschaulich geschildert hat) waren nach
Auffassung der Kammer letztlich ausschlaggebend für die Entscheidung, das Angebot auf Abschluss einer
Altersteilzeitvereinbarung anzunehmen. Dass hierbei gesundheitliche Defizite, die vom Unfall vom 23.09.1968
herrühren, eine wesentliche Rolle gespielt haben, hält die Kammer für wenig wahrscheinlich. Einer vom Kläger
vorgelegten "Arbeitsbestätigung" vom 27.04.2004 ist zwar zu entnehmen, dass seine Arbeitsleistung nachgelassen
und ihm deshalb angeboten wurde, das Arbeitsverhältnis im Rahmen der Altersteilzeit vorzeitig zu beenden. Ferner
heißt es in diesem Schreiben: "Am 07.01.2000 wurde er von seinem Vorgesetzten wegen Vergesslichkeit und
Nichtweitergabe von Informationen an seine Mitarbeiter abgemahnt". Dieser Vorgang wurde vom Kläger in der
mündlichen Verhandlung jedoch wie folgt dargestellt: "Auch sein früherer Gruppenleiter habe gemeint, er brauche
seine Arbeit als Innovator und habe ihm deswegen eine Sekretärin zur Seite gestellt. Um dies betriebsintern
gegenüber der Revision rechtfertigen zu können, wurde ihm durch Herrn L. am 07.01.2000 eine pro-forma-Abmahnung
erteilt". Dieser Sachverhalt spricht nach Auffassung der Kammer für sich.
Zusammengefasst lässt sich auch nach Überzeugung der Kammer ein schädigungsbedingtes Ausscheiden des
Klägers aus dem Erwerbsleben nicht begründen. Die vom Kläger mehrmals ins Feld geführten (allgemeinen)
Symptome wie "Vergesslichkeit, Konzentrationsstörungen" konnte die Kammer nicht feststellen, im Gegenteil, der
Kläger formulierte schriftsätzlich gekonnt, präzise, wortgewandt und ausdrucksstark. Auch in der mündlichen
Verhandlung zeigte er sich eloquent und mit einem hervorragendem Gedächtnis ausgestattet. Die Kammer hat selten
Beteiligte erlebt, die auch weit zurückliegende Vorgänge und Erlebnisse derart genau, detailreich und chronologisch
geordnet wiedergeben können.
Im Ergebnis bestätigte die Beweisaufnahme die Entscheidung der Beklagten, wonach der Abschluss der
Altersteilzeitvereinbarung zwischen dem Kläger und der Firma B nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die anerkannten
Schädigungsfolgen zurückzuführen ist. Der Kläger hat demnach keinen Anspruch auf Berufsschadensausgleich,
ungeachtet der Frage, ob sich überhaupt ein Einkommensverlust errechnen würde.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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