Urteil des SozG Köln vom 09.08.2010

SozG Köln (ärztliche behandlung, behandlung, vertrag, injektion, ärztliche verordnung, freie arztwahl, anordnung, leistung, antrag, hauptsache)

Sozialgericht Köln, S 26 KN 108/10 KR ER
Datum:
09.08.2010
Gericht:
Sozialgericht Köln
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 26 KN 108/10 KR ER
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird
zurückgewiesen.
Kosten sind unter den Beteiligten nicht zu erstatten.
Gründe:
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I.
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Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragsgegnerin (AG) einstweilen zu verpflichten
ist, der im Jahr 1929 geborenen Antragstellerin (AS) die Behandlung ihrer feuchten
altersabhängigen Makuladegeneration (im folgenden AMD) am linken und rechten Auge
jeweils mittels intravitrealer Injektion des Fertigarzneimittels Lucentis durch Übernahme
der von Prof. Dr. xxxxx veranschlagten Kosten jeweils eines Behandlungsintervalls (3
Injektionen) für jedes Auge zu gewähren. Gemäß Kostenvoranschlag dieses Arztes aus
Köln belaufen sich die Kosten für eine Injektionsbehandlung mit Lucentis auf jeweils
1.296,22 Euro für das Medikament und 400,- Euro für die ärztliche Behandlung inkl. der
Nachbehandlung (also insgesamt auf 10.176,- Euro). Zwischen den Beteiligten ist
bereits wegen einer Restkostenerstattung in Höhe von 4015,70 Euro für drei bei der AS
privatärztlich durch die Praxis Prof. Dr. xxxxx pp. vorgenommene
Medikamenteneinspritzungen am linken Auge mit Lucentis ein Klageverfahren anhängig
(S 26 KN 30/10 KR). In diesem Verfahren hat die Beklagte die Klägerin darauf
hingewiesen, dass zwischen ihr und der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (
KVNO) und den augenärztlichen Berufsverbänden ein Vertrag zur Behandlung der
feuchten AMD mittels intravitrealer Eingabe von VEGF-Hemmern (u.a. auch Lucentis)
geschlossen worden sei, welcher eine pauschalierte Kostenvergütung von 450,- Euro
für alle mit den Medikamenteneinspritzungen einhergehenden Aufwendungen (Arzt- und
Arzneikosten) je Behandlung vereinbart worden sei. Die augenärztliche
Nachbehandlung sei laut Vertrag mit zusätzlich 50,- Euro anrechnungsfähig. Die
Kostenabrechnung erfolge direkt über die Krankenversicherungskarte mit der KVNO.
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Am 11.05.2010 beantragte die AS bei der AG die Kostenübernahme für die Einspritzung
und Behandlung mit Lucentis beider Augen bei dem Augenarzt Prof. Dr. xxxxx ,aus
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dessen Kostenvoranschlag vom 07.05.2010 sich die veranschlagten Kosten für eine
Injektionsbehandlung je Auge mit Lucentis von 1.296,22 Euro für das Medikament und
400,- Euro für die ärztliche Behandlung inkl. der Nachbehandlung ergeben. Aus
medizinischen Gründen sei bei beiden Augen die Injektion mit Lucentis geplant;
empfohlen würden drei Injektionen je Auge. In der Folgezeit bat die AG mit Schreiben
vom 08.06.2010 die Augenarztpraxis Dres. xxxxx um Zusendung aktueller
Augenhintergrundbilder im Original. Diese gingen am 21.06.2010 bei der AG ein,
welche diese am selben Tag ihrem Dezernat I.7.2 in Bochum zusandte. Mit einem am
16.06.2010 bei der AG eingegangenem Schreiben forderten die
Verfahrensbevollmächtigten der AS von der AG eine positive Entscheidung bis zum
21.06.2010 und kündigten einen Eilantrag beim Sozialgericht Köln an.
Dieser ging schließlich am 02.07.2010 beim Sozialgericht Köln ein und ist dem Sinn
nach auf die einstweilige Verpflichtung der AG zur Übernahme der Kosten gerichtet, die
sich aus dem Kostenvoranschlag der Augenarztpraxis Dres. xxxxx aus Köln ergeben.
Zur Begründung des Eilantrages trägt die AS im wesentlichen vor, die Behandlung an
beiden Augen sei dringlich durchzuführen, da ansonsten die Gefahr einer zügigen
weiteren Sehverschlechterung beider Augen drohe, welche wegen der hohen
Empfindlichkeit des Netzhautgewebes irreversibel sein könne. Unstreitig habe sie einen
Anspruch auf Gewährung der Behandlung ihrer feuchten AMD mittels intravitrealer
Injektion von Lucentis. Nach § 76 Absatz 1 SGB V habe sie ein Recht auf freie Arztwahl.
Zu den Ärzten der Praxis xxxxx habe sie bereits besonderes Vertrauen aufgebaut und
vertraue auf deren Urteil. Eine Begrenzung der Kosten auf das Niveau, welches auf der
Grundlage der Vereinbarung der AG mit der KVNO und den augenärztlichen
Berufsverbänden ( im Folgenden: AMD-Vertrag) getroffen worden sei, sei der AS nicht
zuzumuten. Da eine Durchstechflasche Lucentis 1.296,22 Euro koste und ausweislich
der Fachinformation zum einmaligen Gebrauch zugelassen sei, könne die Leistung
einschließlich Medikament nicht für 450,- Euro rechtmäßig erbracht werden. Aus dem
Inhalt des oben genannten Vertrages sei zu entnehmen, dass ausweislich der
Kostenkalkulation hier eine Durchstechflasche Lucentis für die Behandlung mehrerer
Patienten oder Avastin im Off-Label-Use Verwendung finde. Die Auseinzelung verstoße
jedoch gegen die Vorgaben in der Fachinformation. Im übrigen sei der Vertrag evident
rechtswidrig. Zudem hätten inzwischen das Sozialgericht Aachen in einem Urteil vom
11.03.2010 (S 2 (15) KR 115/08 KN) und das Sozialgericht Köln im Urteil vom
12.05.2010 (S 5 KN 30/07) die Beklagte auf Erstattung der vollständigen Kosten
verurteilt. Im übrigen sei die Augenarztpraxis Dres. xxxxx zur Teilnahme an der
ambulanten vertragsärztlichen Versorgung berechtigt. Die bislang fehlende Aufnahme
der intravitrealen Injektion im EBM hindere nicht die Pflicht der gesetzlichen
Krankenkassen zur Vergütung der ärztlichen Leistungen, die auf der Grundlage der
GOÄ erfolge. In der Praxis stellten daher die behandelnden Ärzte vor der
Leistungserbringung üblicherweise einen Kostenübernahmeantrag bei den gesetzlichen
Krankenkassen, um so sicher zu stellen, dass sie auch das ärztliche Honorar erhielten.
Bei unklarer Rechtslage habe im übrigen jeder Vertragsarzt die Möglichkeit, das
Präparat auf Privatrezept zu verordnen und so den Kostenträger in die Lage zu
versetzen, eine Entscheidung über seine Leistungspflicht zu treffen. Unabhängig von
evtl. getroffenen vertraglichen Vereinbarungen der Krankenkasse dürfe eine
Kostenübernahme für die Behandlung mit einem zugelassenen Arzneimittel wie
Lucentis einem Versicherten nicht verweigert werden, wenn eine ärztliche Verordnung
vorliege und der Versicherte eine Versorgung mit Lucentis wünsche. Genau so liege
aber der Fall der AS. Die AS könne auch nicht gezwungen werden, sich von solchen
Ärzten behandeln zu lassen, die im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung
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rechtswidrig behandelten und das für die intravitreale Injektion nicht zugelassene
Arzneimittel Avastin verabreichten. Im übrigen sei die Teilnahme an dem Vertrag für den
Versicherten freiwillig. Die AS sei nicht in der Lage, die Therapie vorzufinanzieren.
Durch die Verauslagung von Kosten von rund 4.000,- Euro im ersten
Behandlungsintervall (Gegenstand des Klageverfahrens S 26 KN 30/10 KR) habe sie
die finanziellen Möglichkeiten ausgeschöpft. Sie verfüge ausschließlich über eine
monatliche Rente in Höhe von 475,04 Euro, während der Ehemann eine monatliche
Rente von 1.417,26 Euro erhalte. Die Eheleute seien gemeinsam Eigentümer eines von
ihnen selbst bewohnten Eigenheims. Die Wohnkosten beliefen sich auf ca. 65,- Euro
pro Monat. Über weiteres Vermögen verfüge die AS und ihr Ehemann nicht. Die AS hat
ferner auf zahlreiche Parallelverfahren verwiesen, welche ihre Bevollmächtigten bei der
Sozialgerichtsbarkeit im krankenversicherungs- und vertragsärztlichen Bereich (hier für
die Herstellerfirma von Lucentis) geführt haben. Ferner wird auf die zahlreichen weiteren
von der AS vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
Die AS beantragt,
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die AG einstweiligen zu verpflichten, der AS die Behandlung ihrer feuchten AMD am
linken und am rechten Auge jeweils mittels intravitrealer Injektion des Fertigarzneimittels
Lucentis durch Übernahme der Kosten jeweils eines Behandlungsintervalls (3
Injektionen) für jedes Auge zu gewähren.
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Die AG beantragt schriftlich,
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den Antrag abzuweisen.
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Sie hat im wesentlichen vorgetragen, Versicherte erhielten die Leistungen der
gesetzlichen Krankenversicherung nach § 2 Absatz 2 Satz 1 SGB V als Sach- und
Dienstleistungen. Dabei sei das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Die von der AS
ausgewählte Augenarztpraxis sei nicht bereit oder mangels Zulassung nicht berechtigt,
für das seit Ende Februar 2007 in Deutschland zugelassene Medikament Lucentis eine
Arzneimittelverordnung nach Muster 16 (Kassenrezept) auszustellen, obwohl dies
arzneimittelrechtlich zulässig sei. Sie wolle die erforderlichen Leistungen vollständig
außervertraglich erbringen. Kostenerstattungsansprüche bestünden nach § 13 Absatz 3
SGB V in entstandener Höhe aber nur dann, wenn die Kasse eine unaufschiebbare
Leistung nicht rechtzeitig erbringen könne oder diese zu Unrecht abgelehnt habe. Die
AG habe einen Vertrag mit der KVNO und den augenärztlichen Berufsverbänden
geschlossen, der eine pauschale Kostenvergütung von 450,- Euro für alle mit den
Medikamenteneinspritzungen einhergehenden Aufwendungen (Arztkosten und
Arzneimittelkosten) vorsehe. Eine Kostenabrechnung über die
Krankenversichertenkarte für die hier streitgegenständliche Behandlung sei direkt im
angeführten Umfang über die Krankenversichertenkarte möglich. Im Zusammenhang mit
einem anderweitigen Antrag seien der AS mit Bescheid vom 25.03.2009 bereits Ärzte
genannt worden, welche im Rahmen des AMD- Vertrages auch Lucentis verabreichen
könnten. Mit weiterem Bescheid vom 14.07.2010 genehmigte die AG gegenüber der AS
dann auch formell die geplante Behandlung für drei weitere
Medikamenteneinspritzungen mit Lucentis am linken Auge zu den Bedingungen des
zitierten Vertrages (450,- Euro zuzüglich 65,- Euro für die Nachbehandlung, ggf.
abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung für das Arzneimittel und die Praxisgebühr).
Eventuelle Mehrkosten müsse die AS selbst tragen. Gegen diesen Bescheid hat die AS
Widerspruch erhoben. Auf telefonische Nachfrage hat die AG dem Gericht versichert,
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die Notwendigkeit der Behandlung beider Augen werde nicht bestritten und für die
Behandlung beider Augen der AS zu den Kostensätzen des AMD-Vertrags
eingestanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
umfangreichen, zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
verwiesen.
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II.
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Der Antrag ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass
einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kann
das Gericht, sofern ein Fall nach Absatz 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige
Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass
durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des
Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der
Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen
Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche
Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile zwingend erforderlich erscheint. Die
Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt einen Anordnungsanspruch, also einen
materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich
einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.
Anordnungsanspruch und -grund sind glaubhaft zu machen. Dabei stehen
Anordnungsanspruch und -grund nicht isoliert nebeneinander. Es besteht vielmehr eine
Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit
zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern
sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und -grund bilden nämlich aufgrund ihres
funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System: Ist die Klage in der Hauptsache
offensichtlich unzulässig und /oder unbegründet, so ist der Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund abzulehnen, weil
ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache
dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den
Anordnungsgrund. In der Regel ist dann die begehrte einstweilige Anordnung zu
erlassen, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund
verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa
eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist,
ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden.
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Nach kursorischer Prüfung gelangt das Sozialgericht Köln zu dem Ergebnis, dass der
Ausgang des (hier noch gar nicht anhängigen) Hauptsacheverfahrens offen bzw.
ungewiss ist. Zwar kann sich die Klägerin auf Urteile des Sozialgerichts Aachen vom
11.03.2010 und des Sozialgerichts Köln vom 12.05.2010 stützen; diese Urteile sind
jedoch nicht rechtskräftig. Für die Auffassung der AG hingegen spricht der Eilbeschluss
des LSG Sachsen-Anhalt vom 15.04.2010 - L 10 KR 5/10 B ER , mit welchem in einem
vergleichbaren Fall der Eilantrag abgelehnt wurde. Auf die dortigen Ausführungen, die
auf ausgiebigen Ermittlungen im Eilverfahren basieren, wird im vollem Umfang Bezug
genommen; das LSG Sachsen-Anhalt hielt die Erfolgsaussichten der Hauptsache in
dem dortigen Parallelfall für zweifelhaft. Bei seiner Folgenabwägung hat das
erkennende Gericht Folgendes berücksichtigt: Die AG kann die begehrte Behandlung
der intravitrealen Injektion mit Lucentis in beide Augen deshalb nicht als
vertragsärztliche Leistung erbringen, weil diese gebührenrechtlich bis heute im
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Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) gebührenrechtlich nicht erfasst ist. Eine
Kostenübernahme für die streitgegenständliche Behandlung an beiden Augen zu den
von der Augenarztpraxis Prof. Dr. xxxxx pp. genannten Bedingungen kann die AS
jedoch nicht aus dem Gesichtspunkt des Versagens des Sachleistungssystems von der
AG beanspruchen. Denn die AG hat die im vertragsärztlichen Leistungssystem
bestehende Versorgungslücke anderweitig auf eine mit der begehrten Behandlung
gleichwertige und der AS zumutbare Weise geschlossen, indem sie mit der KVNO und
den Verbänden der Augenärzte den zitierten Vertrag zur Behandlung der feuchten AMD
mittels intravitrealer Eingabe von VEGF-Hemmern geschlossen hat. Diese Verträge
stellen die von der Krankenkasse zu gewährleistende Krankenversorgung (§ 2 Absatz 2
Satz 1 SGB V) sicher und beachten den Gesetzesvorbehalt in § 31 SGB I sowie das
sich aus § 12 SGB V ergebende Wirtschaftlichkeitsgebot in rechtmäßiger Art und Weise.
Entgegen der Auffassung der AS ist dieser sogenannte AMD-Vertrag nicht offensichtlich
rechtswidrig, wie sich bereits aus dem Beschluss des SG Düsseldorf vom 23.08.2007 (S
2 KA 104/07), bestätigt durch Beschluss des LSG NRW vom 11.02.2008 - L 11 (10) B
17/07 KA, dem Beschluss des SG Düsseldorf vom 16.10.2008 - S 14 KA 121/08 ER und
dem Urteil des SG Düsseldorf vom 02.07.2008 - S 2 KA 181/07 ergibt. Grundsätzlich
erhalten Versicherte die Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse nach § 2 Absatz 2
Satz 1 SGB V als Sach- und Dienstleistung, wobei auch das Wirtschaftlichkeitsgebot ( §
12 SGB V) zu beachten ist. § 13 Absatz 3 SGB V (Kostenerstattung) stellt
demgegenüber eine Ausnahme vom Grundsatz des Sachleistungsprinzips dar. Mit dem
AMD-Vertrag haben die Vertragspartner eine Möglichkeit geschaffen, durch eine
anderweitige Interimsversorgung (bis zur Aufnahme der ärztlichen Leistung in den EBM)
den Versicherten die begehrte ärztliche Behandlung u.a. mit Lucentis als Sachleistung
anzubieten, vgl. Präambel und § 1 des AMD-Vertrags. In den §§ 7 ff. befinden sich auch
zahlreiche Vorschriften zur Sicherung der Qualität. In der Anlage 1 a zum AMD-Vertrag
wird dem Patienten erklärt, dass die Behandlung mit Macugen, Lucentis oder Avastin in
Betracht kommt. Des weiteren werden dem Patienten die verschiedenen Medikamente
im einzelnen beschrieben, wobei angemerkt wird, dass die Gegenüberstellung der
Behandlungen dem Versicherten die Entscheidung erleichtern solle, welches
Medikament in seinem Fall angewandt werden solle. Wie die AG bereits mit Schreiben
vom 12.07.2010 ausgeführt hat, kann die AS im Rahmen des Vertrages bei den dort
aufgeführten zahlreichen Vertragsbehandlern ( vgl. 3- seitige Liste für NRW zum AMD-
Vertrag, Blatt 147 ff Gerichtsakte) eine Behandlung des rechten und linken Auges direkt
über die Krankenversichertenkarte erhalten. Dies war der AS aus dem Vorverfahren des
Klagevorgangs S 26 KN 30/10 KR mindestens seit März 2009 bekannt und ist von der
AG gegenüber dem Gericht telefonisch nochmals bestätigt worden. Hierbei ist zu
berücksichtigen, dass die genannten Vertragsbehandler der AS für eine einwandfreie
ärztliche Leistung zivilrechtlich haften. Darunter sind namhafte High-Tech-
Augenarztpraxen, welche auch international einen hervorragenden Ruf haben; dies ist
der Vorsitzenden aus ihrer langjährigen Tätigkeit im Bereich Krankenversicherung und
Kassenarztrecht bekannt. Zwar wird die AS durch den AMD-Vertrag in der freien
Arztwahl beschränkt. Diese wird jedoch durch das SGB V ohnehin für gesetzlich
Krankenversicherte nicht uneingeschränkt gewährleistet. Denn diese dürfen
grundsätzlich nur diejenigen Ärzte in Anspruch nehmen, die durch Zulassung oder
Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Zudem wird sich der
Versicherte in der Regel nur für solche Ärzte entscheiden, die ausreichende Kenntnisse
und Erfahrungen mit der intravitrealen Injektion in das Auge gesammelt haben. Das
zwischen der AS und ihrer Augenarztpraxis bestehende Vertrauensverhältnis vermag
hingegen eine Versorgungslücke nicht zu begründen. Erst Recht ist kein Anspruch der
AS erkennbar, von der AG die Behandlung mit Lucentis von einem besonders teuren
Anbieter finanziert zu erhalten, welcher - wie hier - das ärztliche Honorar nach frei
bestimmten Pauschalen abrechnen will. Aus dem Kostenvoranschlag der
Augenarztpraxis Dres. xxxxx ergibt sich keine Abrechnung des Arzthonorars aufgrund
der GOÄ, sondern nach Pauschalen, deren Bemessung nicht dargelegt wurde. Unter
Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der AS würde eine Verpflichtung der
AG zur Übernahme von Behandlungskosten in Höhe von über 10.000,- Euro hier im
Ergebnis die Hauptsache vorwegnehmen, da die AS im Falle des Unterliegens im
(derzeit noch gar nicht anhängigen) Hauptsacheverfahren voraussichtlich nicht in der
Lage sein wird, diese Kosten zurückzuzahlen. Eine echte Vorwegnahme der
Hauptsache im Wege der einstweiligen Anordnung kommt jedoch in der Regel nur dann
in Betracht, wenn das Obsiegen der AS in der Hauptsache ganz überwiegend
wahrscheinlich ist. Dies ist hier jedoch zu verneinen, wobei ausdrücklich nochmals auf
den umfangreichen Beschluss des LSG Sachsen-Anhalt vom 15.04.2010 und die dort
angestellten Ermittlungen verwiesen wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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